10 - Boutique

„Was ist los, Potter?" frage ich genervt. Gerade haben wir die Boutique von Bourie Franke betreten und während ich mich schon durch die ersten Regale gewühlt habe, steht Potter einfach nur rum. Braucht er eine Extraeinladung? Wir sind schließlich nur wegen ihm hier und ich werde ihm garantiert nicht alle Sachen selbst raussuchen.

Unsicher erwidert der Schwarzhaarige meinen Blick und sieht dabei so verloren aus, als stände er nicht in einem Bekleidungsgeschäft sondern wäre alleine ohne Zauberstab im Dschungel, umgeben von wilden Tieren. Fragend ziehe ich reflexartig eine Augenbraue nach oben.

„Durchs in die Luft gucken kommst du zu keinen neuen Klamotten. Du musst schon die Ständer absuchen, ob du etwas siehst, was dir gefällt." weise ich ihn zurecht, da mir in dem Moment einfällt, dass er womöglich noch nie in einer Boutique war. Damit drehe ich mich wieder zur Wand und unterziehe die Auslage meinem kritischen Blick. Die Ware, die ich bisher gesehen habe, war nichts für Potter. Viel zu aufwändig oder fein. Doch nun fällt mein Blick auf eine schlichte, dunkelblaue Jeans. Plötzlich habe ich eine Eingebung, wie man den Schwarzhaarigen herrichten könnte.

„Hier, die könntest du mal anprobieren." meine ich und greife nach meiner Entdeckung.

„Die sieht so aus, als wäre sie mir viel zu lang. Überhaupt, ich weiß nicht einmal meine Größe," ist Potters Kommentar. Erst muss ich kurz nachdenken, bevor ich verstehe, warum er die aktuelle Länge der Hose als Problem sieht. Er ist bisher nur Muggelkleidung gewohnt, die ihre Größe nicht automatisch anpasst.

„Da ich 1,83 Meter groß bin, würde ich dich auf 1,85 Meter schätzen," ziehe ich Potter mit seiner Unwissenheit auf. Diese Gelegenheit kann ich mir einfach nicht entgehen lassen. Natürlich hatte er seine Konfektionsgröße gemeint, aber er kann ja nicht wissen, dass es so etwas bei Kleidung von Magiern nicht gibt. Jeder, der noch nie in einer Muggelboutique war, hätte gedacht, er meint seine Körpergröße. Zum Glück musste ich mich schon einmal für einen Besuch in Muggellondon zurechtmachen und habe dadurch bereits Erfahrung in diesem Bereich.

Zu meiner Überraschung reagiert Potter ganz anderes als erwartet. Die meisten Leute sind bei meinen absichtlichen Fehlinterpretationen ihrer Aussagen beleidigt. Der einzige, den ich kenne, der bisher darüber gelacht hat, ist Blaise. Doch Potter erwidert etwas unerwartetes: „Sicher, dass es nur zwei Zentimeter sind? Das sind doch mindestens drei." Dabei grinst er mir schelmisch ins Gesicht.

Diesen Humor hätte ich Potter nicht zugetraut und schmunzelnd drücke ich ihm die Hose in die Hand. Daraufhin verzieht er sich in die nächste Umkleidekabine während ich nach einem T-Shirt suche, was zu meiner Idee passt.

Meine erste Wahl fällt auf ein schwarzes und ein weißes Hemd, beide in dem gleichen schlichten Schnitt. Aber ich will ihn ja eigentlich ein wenig aufstylen und dazu braucht er jetzt auch noch etwas auffälligeres. Zunächst reiche ich Potter die beiden Hemden und lasse dann meinen Blick einmal durch den ganzen Raum schweifen. Er bleibt in der gegenüberliegenden Ecke hängen. Dort liegt ein orange-weißes Oberteil. Die Ärmel sind weiß und es ist so geschnitten, dass es scheint, als wären es zwei Shirts übereinander, wobei das untere langärmelig ist, während man das orange darüber fast als ärmellos bezeichnen kann.

Schnell bin ich bei dem Kleidungsstück angekommen und bringe es zu Potters Kabine.

„Bist du schon umgezogen?", frage ich und stecke ungeniert meinen Kopf um den Vorhang herum. Da verschlägt es mir glatt die Sprache. Ich muss schon sagen, dass schwarze Hemd steht ihm sogar noch besser als erwartet. Es harmoniert perfekt mit seinen schwarzen Haaren und seinem dunklen Hauttyp. Dass er die Hose noch nicht angezogen hat, verschlechtert die Aussicht keineswegs.

Fragend sieht er mich aus dem Spiegel heraus an, da er mir gerade den Rücken zugewendet hat. Damit es nicht auffällt, dass ich seine Figur äußerst anregend finde, überlege ich mir schnell einen bissigen Kommentar:

„Also, neue Boxershorts brauchst du definitiv auch. Dieses eingegraute Etwas kann man ja keinem Mädel zumuten."

Auch diesmal beweist Potter Schlagfertigkeit: „Soll man ja auch nicht." Zunächst möchte ich mir gar nicht eingestehen, was er da gerade gemeint hat. Doch nachdem ich gedanklich die Aussage von allen Seiten beleuchtet habe, komme ich zu dem Schluss, dass er entweder nicht bereit ist für eine Freundin oder schwul. Da ich genau weiß, dass er schon einmal eine gewisse Zeit lang Cho Chang aus Ravenclaw hinterhergeschwärmt hat, vermute ich das letztere.

„Einem Jungen kann man das auch nicht zumuten," passe ich meine Aussage an die neue Information an. Denn ob nun Junge oder Mädchen, bei dieser Unterwäsche vergeht jedem die Lust.

Mittlerweile hat Potter es sogar geschafft, die Hose anzuziehen. Mit kritischen Blick ziehe ich den Vorhang auf und trete ein paar Schritte zurück.

„Fehlt eigentlich nur noch ein Umhang und ein bisschen Gel, um die Haare so aussehen zu lassen, als wolltest du sie so chaotisch haben und schon bist du ausgehfertig."

„Wenn du das sagst, dann vertraue ich mal einfach auf deinen Geschmack. Schließlich schimpfst du dich ja auch den am besten aussehenden Jungen Hogwarts'."

„Ich nenne mich nicht nur so, ich bin es ja auch," antworte ich darauf nur. „Jetzt könntest du noch das hier mal anziehen und ich such solange einen Umhang für dich."

Damit drehe ich mich von ihm ab, aber seinen Anblick bin ich deswegen trotzdem noch nicht los. Vor meinem geistigen Auge sehe ich immer wieder Potters kräftigen Oberkörper, der mir durch seine übergroße Kleidung nie aufgefallen ist. Wer erwartet auch bei seiner eigentlich dünnen Figur so muskulöse Schultern? Eigentlich hätte man das ja auch vermuten können, schließlich ist er, das muss ich neidlos anerkennen, ein verdammt guter Quidditchspieler. Wenn man dabei nicht genug Kraft in den Armen hat, kann es sein, dass man vom Besen fällt, wenn man zu schnell wird. Bei diesem Gedanken kommen Erinnerungen an einen meiner ersten Flugversuche auf, als ich übermütig geworden war und zu stark beschleunigt hatte. Lucius war nicht sehr angetan davon, mich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Meine Halskrause, die ich als kleines Kind recht amüsant fand, bezeichnete er immer als entehrend und mich als Schande der Familie.

Auf viel zu hohen Absätzen kommt mir die Besitzerin der Boutique, Bourie Franke, entgegen gestöckelt. Sie ist eine dürre Frau etwa Ende Vierzig, die zwar sehr chice Kleidung herstellt und auch trägt, aber keinerlei Geschmack bei der Wahl des Make-ups hat.

„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?" fragt sie mich höflich und mit neutralem Ton antworte ich:

„Ich suche nach einem Umhang für meinen Freund dort hinten" und deute dabei auf Potter, der gerade aus der Umkleidekabine heraustritt. Scheinbar bin ich nicht der Einzige, dem beim Anblick des Gryffindors in dieser Jeans und dem orange-weißem Shirt die Worte fehlen. Auch Mrs Franke wirkt begeistert von diesem Outfit.

„Ich dachte an einen schlichten, schwarzen Umhang. Haben Sie so etwas im Angebot."

„Ja, einen Augenblick bitte, ich gehe sie holen." Mit diesen Worten verschwindet sie um den nächsten Ständer und ich gehe zurück zu Potter.

„Dreh dich mal um!" fordere ich ihn auf, um zu überprüfen, ob ihm die Klamotten von hinten ebenso gut stehen. Das Resultat ist eindeutig. Diese Jeans betont perfekt Potters Po.

Eigentlich wäre es jetzt mal wieder an der Zeit für eine bissige Bemerkung. Das Problem ist, dass mir nichts einfällt. Doch Mrs Franke erlöst mich aus dieser Situation, als sie mit mehreren Umhängen über dem Arm zu uns kommt.

„Ich habe Ihnen hier mal ein paar rausgesucht. Wenn nichts dabei ist, dann haben wir auch noch mehr," weist sie uns ein, während sie fünf schwarze Umhänge über einen Tisch mit Pullovern ausbreitet.

Da ich mich zu der Verkäuferin umdrehen musste, steht Potter nun hinter mir und dass er an mich herangetreten ist, merke ich erst, als er mir leise ins Ohr flüstert: „Sag mal, wozu so viele auf einmal? Die sehen doch alle gleich aus?"

Statt eine Antwort auf Potters Frage zu geben, kommentiere ich die Auswahl, die Bourie Franke getroffen hat: „Der ganz links ist zu aufwändig gearbeitet. Der lenkt nur von Potters Figur ab. Der daneben glänzt zu stark und rechts der Umhang wird zu kurz sein." Die von mir benannten Kleidungsstücke verschwinden durch einen kurzen Schlenker von Mrs Frankes Zauberstab.

Mir leise zuflüsternd: „Also, zwischen diesen beiden Umhängen sehe ich nun wirklich keinen Unterschied mehr." geht Potter um mich herum und greift nach dem ersten.

Kaum hat er ihn angezogen, meine ich auch schon: „Den kannst du jedenfalls nicht anziehen."

Fragend sieht der Schwarzhaarige mich an und mir ist klar, dass er nicht versteht, wie ich zu diesem Schluss komme.

„Der ist unterhalb der Hüfte zu weit geschnitten und wozu brauchst du so eine chice Hose, wenn man das Ergebnis dann doch nicht sieht?"

Das scheint sogar Potter einzusehen, obwohl er mir die letzten Minuten deutlich gezeigt hat, dass er eigentlich nichts von Mode versteht. Ohne Kommentar zieht er sich den ersten Umhang wieder aus und augenblicklich verschwindet auch dieser.

Der verbleibende Umhang erweist sich als idealer Blickfang. Er besteht aus einem leichten, fließenden Stoff und schmiegt sich fantastisch an Potters Figur.

„Klasse, damit hätten wir schon mal einen Umhang, eine Hose und drei Oberteile. Das reicht aber noch lange nicht," meine ich daraufhin.

„Ich will ja deine Kauflust nicht trüben, aber wir müssen in zwanzig Minuten im Tropfenden Kessel sein." Meine Uhr bestätigt Potters Aussage und leise fluche ich gedanklich vor mich hin.

„Wir hätten die gleiche Hose auch noch in schwarzem Stoff," klinkt sich die Besitzerin in unser Gespräch ein. Da ich es nicht verantworten kann, Potter mit nur einer ordentlichen Hose aus meiner Obhut zu entlassen, gehe ich auf ihren Vorschlag ein und lasse uns besagtes Kleidungsstück holen.

Zehn Minuten später verlassen wir die Boutique mit beiden Hosen und den restlichen anprobierten Klamotten. Erst da fällt mir ein, dass wir auch noch Unterwäsche gebraucht hätten, aber dafür haben wir nun keine Zeit mehr. Severus hasst Unpünktlichkeit und ich bin zu gut gelaunt, um heute noch mit ihm zu diskutieren.

„So, Potter, jetzt kannst du dich zwar endlich mal in Hogwarts sehen lassen, aber ausziehen sollte dich keiner," meine ich leicht anzüglich und im gleichen Tonfall antwortet Potter mir:

„Ach, du kennst meine Boxershorts doch mittlerweile."

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Bei diesem Kapitel muss ich ganz besonders meiner Freundin danken, weil sie immer ihre Kommentare abgegeben hat, zu dem was ich geschrieben habe. Außerdem habt ihr es ihr zu verdanken, dass es "jetzt schon" ein neues Kapitel gibt.
Ich bitte um Reviews, weil ich überlege, diese Story aufzugeben!