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„Betrunkene und kleine Kinder…"

Betrunkene und kleine Kinder haben einen Schutzengel hat meine Großmutter immer gesagt, und wie ich hier so stehe, überlege ich, ob dies auch den Schutz vor wütenden Ehefrauen mit einschließt.

Die Ehefrau bin in diesen Fall ich, und das Objekt meiner Wut in eindeutig Severus Snape.

Schon als ich das Wohnzimmer betrete, stürzt mich das Bild das mich erwartet, in einen inneren Konflikt.

Mein Mann, seines Zeichens Zaubertrankmeister, ehemaliger Todesser, Spion, Kriegsheld und Professor an der größten und renommiertesten Schule für Hexerei und Zauberei liegt volltrunken auf unseren Perserteppich.

Mister Ich – kann – meine – Emotionen – hinter – einer – eisigen – Maske – verstecken –

und inoffizieller Weltmeister in sich – unter – Kontrolle – haben-, hat es tatsächlich geschafft über seine eigenen Füße zu stolpern und auf seinen sonst so würdevollen Hinterteil zu landen.

Man erwähne nebenbei, dass dies nicht ohne das Umschmeißen eines Beistelltisches inklusive Allem was darauf lag, vonstatten ging.

Diese Situation ist echt bizarr und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich lachen oder wüten soll.

Es ist ja nicht so, dass ich es nicht mögen würde wenn Kapitän Reserviertheit aus sich herausgeht.

Manchmal genieße ich diese Momente geradezu, und eben jetzt könnte eine Anzahl von Knutschflecken auf meiner Hüfte das unwiderruflich bezeugen.

Der Mann meiner Überlegungen hat es indessen unter Stöhnen und unverständlichen Gemurmel geschafft, sich in eine halbwegs stehende Position zu bringen.

Ein Knirschen ertönt als er einen wankenden Schritt auf mich zu macht.

Neben seinen Füßen liegen die Scherben einer großen Keramikvase und mir fällt schlagartig wieder der Grund für meine Wut ein.

Ich verschränke die Arme vor der Brust und blitze ihn böse an.

Die Vase war ein Geschenk meiner Tante Esther, die Severus von Anfang an nicht leiden konnte.

Ich rede von der Tante in Allgemeinen und der Vase im Besonderen.

Nun ist sie zerbrochen. Zum bereits vierten Mal innerhalb von sechs Monaten möchte ich hier noch hinzufügen.

Die Vermutung einer Ansicht liegt also durchaus nah.

Was also finde ich mitten in der Nacht, als ich aufgeschreckt durch das Poltern in das Wohnzimmer laufe?

Na eben dass, was ich erwartet habe, und gleichzeitig auch wieder nicht.

Jawohl, die Vase ist – mal wieder- hin, doch dass mein Angetrauter voll wie eine Feldhaubitze daneben liegt, befand sich weit außerhalb meiner Vorstellung.

Sicher habe ich angenommen dass er etwas trinken würde.

Schließlich habe ich darauf bestanden, dass er zu Harrys Junggesellenabschied ging, doch dass er nach Hause kommt, dicht wie zwanzig Matrosen und diesen Zustand dann auch noch benutzt um unseren privaten Kleinkrieg um meine Vase weiterzuführen, ist zuviel.

Ich schnaube unwirsch.

Mit dieser, nicht gerade Damenhaften Geste, habe ich seine Aufmerksamkeit erregt, denn er schielt in meine Richtung.

„ Mein Mäuschen…!" brüllt er, und ich meine brüllen.

Eine Anzahl von Gründen lässt mich zwei große Schritte nach hinten machen.

Erstens nennt Severus mich nie, ich betone niemals, Mäuschen.

Zweitens schallt sein Getöse gefährlich lautstark durch unsere Räume und drittens schlägt mir ein Geruch entgegen, der der übelsten Suffspilunke alle Ehre gemacht hätte.

Pragmatisch wie ich bin, gehe ich diese Probleme systematisch an.

Des erste ignoriere ich schlichtweg

Mäuschen… Bäh!

Gegen das Letzte hilft ein weiterer Schritt von ihm fort, ehe ich meinen Zauberstab aus dem Ärmel ziehe und einen eleganten Schlenker vollführe.

Als Antwort darauf schließt sich die bis eben nur angelehnte Tür zu meiner linken mit einem leisen Klicken.

Einige gemurmelte Wörter später liegt ein Bann über jenem Raum.

Er funktioniert ähnlich wie die Babyfones der Muggel, nur um einiges effektiver.

Der Zauber schützt das Zimmer vor Geräuschen von außerhalb und meldet mir dennoch jede Aktivität meine dort schlafenden Kindes.

Ich habe die letzten drei Stunden damit verbracht meine kränkelnde Tochter in den Schlaf zu wiegen und absolut keine Lust, dass diese Mühe von ihren sturzbetrunkenen Vater zunichte gemacht wird.

Apropos Sturzbetrunken, Severus ist meine Flucht nach hinten wohl aufgefallen, denn er versucht mir zu folgen.

Der große Mann vor mir trampelt über die ohnehin schon winzigen Scherben, verheddert sich in seinen voluminösen Roben und landet schon wieder auf seinen vier Buchstaben.

Na toll!

Den Reparospruch kann ich jetzt vergessen, er ist nicht dafür geeignet Mikropartikel zu einer Keramikarbeit zusammenzufügen.

„ Professor Snape" fauche ich, nun wo ich es kann nicht mehr leise, „ du bist betrunken. Und ehe ich es vergesse ein Mistkerl" klage ich ihn an und deute auf die kläglichen Überreste der Vase.

Mein Gatte sieht mich an, grinst, und legt dann mahnend einen Finger auf die Lippen.

„ Shhh Hermine. Du weckst sonst noch Brenna auf" schulmeistert er mich.

Oh….

Grrrr…

Ich werfe die Hände in die Luft.

Manchmal macht dieser Mann mich wahnsinnig.

Beschließe, dass er weder meine Hilfe noch mein Verständnis für seine Situation verdient hat und verlasse mit zusammengepressten Lippen den Raum Richtung Schlafzimmer.

Na warte…

Noch auf den Weg, überlege ich ob der Abschirmzauber um das Kinderzimmer ein deftiges Türenknallen übersteht, als ein panisches „ Aua!" an mein Ohr dringt.

Brenna!

Mein ohnehin geschundenes Mutterherz macht einen nervösen Hüpfer.

Ich wirbele um meine eigene Achse und entdecke…

…nicht meine Tochter.

Severus hatte wohl versucht sich wieder vom Boden zu erheben.

Da dies verständlicher Weise mit knöchellangen Roben und einen zweistelligen Alkoholpegel entsprechend schwer ist, hatte er anscheinend entschieden sich auf den Bauch zu drehen um so in aufrechte Position zu kommen.

Gute Idee, schlechte Ausführung.

Er saß ja immer noch inmitten von Millionen kleiner, nadelspitzer Keramiksplitter.

Mit undeutbaren Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen Unglauben und Anklage, starrte er auf seine Hand an deren Fingerspitzen sich winzige Blutstropfen bildeten.

Nicht dass er diesen Anblick nicht kannte.

Schließlich war er ein Todesser und hat in dieser unrühmlichen Tätigkeit literweise Blut verloren und unsagbare Schmerzen erduldet, zudem ist er Zaubertrankmeister und hat sich wahrscheinlich schon öfter verbrannt, verätzt, geschnitten oder gestochen als ich es zählen könnte.

Das liebe Leute soll echt was heißen.

Doch hier und jetzt, sieht er mich mit seinen dunklen Augen an und streckt mir seine Hand entgegen.

„ Hermine, ich blute!" mault er.

Ich kann nicht anders, meine Wut schmilzt wie Butter in der Sonne.

Es ist derselbe Blick, in dem exakten Ebenbild der Augen meiner Tochter, unserer Tochter, der mich zum Handeln bringt.

Unter viel Gemurre, Geächze und einiger derber Flüche seinerseits und schwerer Balance- und Kraftakten meinerseits, schaffe ich es, die Liebe meines Lebens in unser Bett zu hieven.

Eine gute Stunde später habe ich ihn endlich zwischen die Laken verfrachtet, ein Ausnüchterungstrank müsste in den nächsten Minuten wirken und die kleinen Schnitte sind geheilt.

In so etwas bin ich ein Profi, vor allem seit Brenna angefangen hat zu laufen.

Fragt mich bitte nicht wieso…

Ich falte Severus Hose und lege sie über die Lehne meines Lesesessels.

Ein leises Stöhnen von Bett lässt mich in seine Richtung blicken.

„Kopfweh?" frage ich zuckersüß und nicht ohne Hohn.

Ein unwirsches Knurren kommt als Antwort zurück.

„ Du hast es verdient und bist auch noch selbst daran Schuld" flöte ich während ich mich aus meinen Morgenmantel schäle.

„ Du hast mich dort hingeschickt" brummt er.

Ich befreie mein Haar aus den Knoten und schüttele es, biss es mir frei um Schultern und Rücken hängt. Ich habe die wiederspännstige Mähne heute weit besser unter Kontrolle als zu meiner Jugendzeit, doch Locken bleiben Locken.

Severus hat mir unter Androhungen verboten sie abzuschneiden.

Damit sich mein Haupt aber nicht in ein Vogelnest verwandelt braucht es Pflege.

Pflege bedeutet Zeit, Zeit die ich als Mutter und Professorin nicht immer habe.

„ Ich habe dich nicht zum trinken gezwungen" greife ich den Gesprächsfaden wieder auf und schlüpfe ins Bett.

„ Wenigstenz einer von uns sollte heute Abend bei ihnen sein.

Es tat mir schon leid genug Ginny zu enttäuschen.

Ganz davon abgesehen hast du diese Ablenkung gebraucht." erkläre ich.

Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Wie selbstverständlich liegen wir nach wenigen Augenblicken in unserer bevorzugten Position: er auf den Rücken, ich an seiner linke Seite, mein Kopf auf seiner Schulter.

Meine Finger malten kleine Muster auf seine Brust während seine Hand meine Hüfte durch das Nachthemd hindurch streichelt.

Severus ist nackt, wie immer wenn er sich in dieses Bett legt, doch ich werde meine Nachwäsche anbehalten, für den Fall dass Brenna mich noch einmal brauchen würde.

„ Wie geht es ihr?" fragt da auch schon die dunkle Stimme über meinen Kopf und ich weiß, ohne hinzusehen, wie er sorgenvoll die Stirn runzelt.

Es ist ein Wunder dass er überhaupt so lange gewartet hat mich das zu fragen.

Ich kann ernstlich behaupten, dass dieser Mann mehr leidet als die Kleine wenn sie krank ist.

Bei ihrer ersten Erkältung mussten Poppy und ich schwere Überzeugungsarbeit leisten, um ihn zu erklären, dass sie nicht einfach einen Influenzatrank nehmen konnte um gesund zu werden.

„ Brenna ist ein kleines Kind, Ihre Tochter braucht die Antikörper die sie durch die Bekämpfung der Viren aufbaut" hatte unsere Medihexe ihm geduldig mitgeteilt.

Er fügte sich widerwillig.

Es ist schon erstaunlich mit welch abgöttischer Liebe er an seinen Kind hängt.

Vom ersten Augenblick ihrer Geburt an, hat sie ihn systematisch um den Finger gewickelt, und heute hielt die Zweijährige das Herz dieses Mannes, der in seinen Leben mehr als einen Schüler allein durch Blicke in die Knie gezwungen hatte, fest gefangen.

Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt was heute sein würde, ich hätte ihn wohl ins St. Mungos eingeliefert.

Ich habe nicht einmal zu träumen gewagt wie wundervoll mein Leben einst werden würde.

tbc...?