Kapitel 12

Nur mühsam kämpfte er sich an die Oberfläche der Realität zurück und wünschte sich im selben Moment, nie wieder aufgewacht zu sein. Irritiert registrierte er das weiche Bett, in dem er lag.

Seine Augen huschten durch die Dunkelheit, versuchten zu erkennen, wo er sich befand. Erinnerungsfetzen erschienen, brannten sich in seinen Kopf und ließen sich nicht vertreiben.

Beinahe hätte er Menschen getötet. Wäre Draco nicht aufgetaucht, wäre er vollends zum dunklen Lord geworden. Ohne ihn wäre er verloren gewesen. Allein bei dem Gedanken schloss er gepeinigt die Augen. Daran durfte er nicht denken.

Ächzend erhob er sich. Sein Körper fühlte sich steif und ungelenk an, so als hätte er mehrere Tage durchgeschlafen.

Seine Beine zitterten und drohten unter ihm nachzugeben, als er stand, sodass er sich an der Wand abstützte.

Hatte er die Macht besiegt? Er fühlte sich so frei und ungezwungen, wie schon seit Jahren nicht mehr, so wie in der Zeit mit Draco. War die Macht verschwunden? Besiegt?

Er taumelte quer durch das Zimmer, zu einem Spiegel, der an der Wand hing. Seine Hände berührten die glatte Oberfläche, während er sich schon fast ängstlich mit dem Gesicht näherte.

Seine Nase fühlte die kalte Oberfläche, während er in seinen Augen nach einem Zeichen der Macht suchte. Aber alles, was er sehen konnte, waren smaragdgrüne Augen, die ihn verwirrt musterten, als könnten sie nicht glauben, was für eine Farbe sie hatten.

Ein Lächeln breitete sich aus, nahm seine Augen gefangen und ließen sie in der Dunkelheit funkeln. Jetzt konnte alles gut werden, jetzt konnte es eine glückliche Zukunft mit Draco zusammen geben.

Er wusste nicht, wie lange er vor dem Spiegel stand und seine Augen, seine smaragdgrünen Augen, betrachtete. Nie wieder würden sie schwarz sein, nie wieder würde die Macht wiederkommen, um ihn zu locken und zu verführen.

Seine Beine gaben unter ihm nach, sodass er an der Wand hinuntersackte. Sein Kopf lehnte an der Wand. Die Augen hielt er geschlossen, während sich langsam Tränen abzeichneten und die Wangen hinab liefen.

Es war vorbei! Für immer!

Aber wo war Draco? Ungelenk richtete er sich auf und starrte in dem Raum. Nein, hier befand er sich nicht. Angst stieg in ihm hoch. Was, wenn er ihn erneut verlassen hatte? Dann aber schüttelte er den Kopf. Nein, der Blonde würde das nicht tun.

Und tatsächlich hörte er Stimmen und erkannte Draco. Aber wem gehörte die andere? Es war nicht wichtig. Hauptsache war, dass er da war, in seiner Nähe.

Vorsichtig stand Harry auf. Seine Beine zitterten immer noch und drohten erneut unter ihm nachzugehen.

Dennoch schaffte er es bis zur Tür und tastete suchend nach dem Türgriff. Aber aufgrund der Dunkelheit konnte er ihn nicht finden. „Licht!" zischte er aufgebracht und wich geschockt zurück, als tatsächlich Licht aufflammte.

Mit einem dumpfen Prall fiel er auf den Boden. Die Deckenlampe erstrahlte und blendete ihn, sodass er schützend die Hand vor die Augen hielt, bis er sich wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte.

Dann wanderten seine Augen zu dem Lichtschalter, in der Annahme, jemand hatte ihn gedrückt. Aber außer ihm befand sich niemand im Zimmer. Niemand

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, suchten Erklärungen, eine unsinniger als die andere. Und doch wollte er der Wahrheit nicht ins Auge sehen, wollte es verdrängen. Aber bis wann? Bis es erneut zu spät war? Bis er erneut die Kontrolle verlor?

Das durfte er nicht zulassen. Nicht schon wieder! Sollte er jemals wieder die Kontrolle verlieren, wen würde er dann auf bestialische und unmenschliche Art töten? Was, wenn es Draco war, wenn sein Geliebter zu den Opfern gehörte?

Er traf eine Entscheidung. Nie wieder würde er es soweit kommen lassen. Nie wieder würde die Macht ihn locken und verführen. Nie wieder würde er andere in Gefahr bringen. Entschlossen stand er auf und wankte zum Fenster. Ein Blick wanderte zum Spiegel. Seine Augen wurden heller und dunkler, als könnten sie sich nicht entscheiden.

Er konnte den Anblick nicht ertragen. Mit nur einer einzigen Bewegung löschte er das Licht. Dann widmete er sich dem Fenster. Es klemmte. Er fletschte seine Zähne. Er musste sich beeilen, jeden Moment konnte die Macht erneut ausbrechen. Er musste es beenden, bevor es zu spät war.

Schon fast herrisch öffnete er das Fenster. Es knirschte. Seine Augen wurden dunkler. Er spürte es, spürte auch die Dunkelheit, die versuchte, sich in ihm auszubreiten.

Aber dieses eine Mal würde er kämpfen. Nur noch ein paar Stunden würde er kämpfen und dann war es endgültig vorbei.

Er musste es beenden. Es blieb ihm keine andere Wahl, nicht, wenn andere dafür leben konnten.

Ungelenk kletterte er hinaus. Und dann stolperte und wankte er fort. Mit jedem Schritt drohten seine Beine unter ihm wegzuknicken. Aber er ließ es nicht zu. Er musste stark sein. Für Draco.

Einzelne Tropfen fielen vom Himmel. Er beachtete sie nicht, empfand sie noch nicht einmal als störend. Bei dem, was er vorhatte, wurde er ohnehin nass.

Irgendwann kam eine Brücke in Sicht. Ein Lächeln glitt über seine Züge. Er war am Ziel. Endlich.

Bald konnte er frei sein. Seine Finger krallten sich um das Geländer, während er einen Blick nach unten riskierte. Der Fluss rauschte unter ihm davon, drohte jeden zu verschlingen, der sich dort hineinwagte.

Und genau das war Harrys Ziel. Der Fluss würde ihn erlösen, seine Macht mit Gewalt fortreißen.

„Ich liebe dich, Draco!" flüsterte er in den Wind, der mit seinen Haaren spielte. „Ich mache es nur für dich!"

Mit einem letzten Gedanken an seinen Geliebten schloss er die Augen und sprang in die Tiefe. Der Wind wehte nur so um seine Ohren, während das Wasser immer näher kam. Er sprang seiner Freiheit entgegen.

Ein Lächeln glitt über seine Züge. Endlich konnte er frei sein…

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So, ich hoffe, das ist besser...