Potters Vergehen

Draco Malfoy lief durchs Schloss. Nicht, dass er das öfter tat. Er wohnte bloß dort. Er bog also gerade um eine Ecke, da machte ihm eine Treppe einen Strich durch die Rechnung und schwang vor seiner Nase in die andere Richtung.

„Verdammt!", rief er aus und stapfte mit dem Fuß auf. „Immer dasselbe mit der Treppe Nr. 87! Jetzt muss ich auch noch warten."

In der Wartezeit dachte er nach. Ließ den Tag vor seinen Augen passieren. Es war Freitag heute, demzufolge morgen Samstag, demzufolge Wochenende. Und – Draco seufzte – er hatte nichts anzuziehen. Denn er hatte ein Date heute Abend. Eines, dass ihm am sonst so kalten Herzen lag.

Es war nicht das erste Date mit dieser Person, und Draco hoffte, auch nicht das letzte. Doch nie traute er sich, einen Schritt weiter zu gehen, ihre Beziehung zu vertiefen. Er hoffte ja immer, dass sein Gegenüber das tat, denn selber war Draco – sagen wir, unfähig, viel Liebe zu zeigen.

„Sieh an, Malfoy. Wartest du auch auf die Treppe?"

Draco drehte den Kopf und stöhnte. Dieser Typ hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Nein, Potter, ich warte auf den Weihnachtsmann."

„Wir haben Februar, Malfoy, verarsch mich nicht."

Draco rollte mit den Augen und drehte Potter seinen Rücken zu. Wie sollte er sich konzentrieren, wenn Potter ihn anglotzte und Streit suchte?

„Dreh mir nicht den Rücken, wenn ich mit dir rede!"

Empört drehte Draco sich um und trat einen Schritt auf Potter zu. „Ich dreh dir meinen Rücken zu, wann ich das will. Du solltest froh sein, ihn ansehen zu dürfen. Obwohl ich dir das keineswegs erlaube, versteh mich nicht falsch."

Potter seufzte, jawohl, das tat er, und klopfte sich an die Stirn. „Warum sollte ich das wollen? Du hast einen vollkommen falschen Eindruck von mir."

„So?", machte Draco amüsiert. Ein Blick zur Treppe bestätigte ihm, dass er noch länger warten durfte, deswegen setzte er ein: „Und was für einen Eindruck sollte ich von dir haben?" hinzu.

Potter schubste Draco unerwartet. „So einen zum Beispiel", sagte er dabei. Draco wurde wütend.

„Wag es noch einmal, mich anzufassen, Potter, und du bekommst was auf die Birne, dass du Birnenmus machen kannst!", kreischte er. Er selber durfte Potter natürlich anfassen, also packte er ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Draco grinste.

„Was sagst du jetzt, du Waise? So ganz hilflos mir ausgeliefert."

„Vielleicht solltest du aufhören, mich herumzuschubsen und –"

„Wer hat denn hier angefangen!", sagte Draco empört. Er klatschte Potter gegen die Wand und entlockte ihm einen kleinen Schmerzensschrei.

„Das war doch nur ein Klapser", jappste Potter. „Eine Ausrede, ein ganz mieser Trick, um dich zu berühren. Wusste ich, dass du so empfindlich bist? Ich meine, äh, nehme ich Rücksicht auf deine Empfindlichkeit – ach, scheiße", stotterte Potter weiter. Draco runzelte die Stirn.

„Du brabbelst unverständliches Zeug, hat dir das schon einmal jemand gesagt?"

Potter nickte. Das stimmt Draco versöhnlich und er ließ von ihm ab. Passenderweise schwang die Treppe gerade zu ihnen. Draco strich seinen Umhang glatt und ging darauf zu, Potter nicht mehr beachtend.

„Und zieh dir heute Abend etwas Vernünftiges an, Malfoy!", rief Potter ihm hinterher. Das brachte Draco doch wieder zum Ausflippen, was hatte Potter schon für eine Ahnung von Kleidung! Er drehte sich um und ging schnellen Schrittes auf Potter zu, der sich gegen die Wand drückte.

„Und was soll ich mir anziehen, deiner Meinung nach? Eine Gryffindor Uniform, ja, gefällt dir das?"

Potter nickte, blöd wie er war. Draco schnaubte und wollte wieder kehrtmachen, als Potter schon wieder etwas sagte.

„Außerdem treffen wir und schon zum fünften Mal, heute Abend, denkst du nicht, du könntest ein bißchen netter werden?"

Und da war sie wieder, die Wut. Konnte es sein, das Draco jähzornig war? Ja, aber selten. Meistens bei Potter.

„Ich bin nett, wann ich das will, und das ist äußerst selten."

„So, so. Dann warte ich wohl einfach ab."

„Vielleicht will ich es nie, was machst du dann?"

„Das wäre doch ziemlich schade. Denn ich küsse nur nette Leute."

Draco klappte den Mund auf. „Küssen? Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank? Unsere Münder werden sich allerhöchsten erst beim zehnten Date nähern, und das auch nur auf wenige Zentimeter, kapiert?"

„Ach, und in einem Jahr kommt es dann zum Kuss, ja?"

Draco streckte die Nase in die Luft. „Wenn ich es für richtig erachte, dann ja."

„Soll ich dir mal was sagen, Malfoy? Ich scheiß auf deine Arroganz."

Draco verzog das Gesicht. „Wie willst du das denn machen? Arroganz kann man nicht sehen, anfassen, und erst recht nicht drauf scheißen."

Potter kam einen Schritt näher zu Draco, der zurückwich. „Bleib mir vom Leib, Potter", keifte er. Warum rollte Potter jetzt mit den Augen? Und kam doch näher?

„Magst du mich?", fragte er geradeaus. Nun, was war das für eine Frage? Draco würde zu gerne verneinen, aber er sah dann keine Chance mehr auf ein nächstes Date oder gar eine gemeinsame Zukunft.

„Äh, das weißt du doch", sagte er deshalb unsicher. Jetzt war es also soweit, dass Potter ihn verunsicherte! Draco versteifte sich und blieb standfest auf dem Punkt stehen, auch wenn Potter jetzt schon einen Meter vor ihm stand. Und es war ja nicht so, dass er stehen blieb.

„Wenn ich es sagen müsste, würde ich denken, du hasst mich ziemlich", schnarrte er.

„Da hast du einen völlig falschen Eindruck", sagte Draco. Die Nase noch höher in die Luft, so. Blöd nur, dass er Potter nicht mehr sah. Also doch ein Stückchen runter damit.

„Also, wenn du mich magst... warum zum Beispiel darf ich dir nicht näher als einen halben Meter kommen? Findest du diese Regel nicht lächerlich?"

Draco biss sich auf die Lippe. „Na gut, streichen wir die. Sagen wir, zwanzig Zentimeter, das müsste reichen."

„Und diese andere Regel, wie ging die doch gleich?"

„Hast du sie etwa nicht aufgeschrieben, Potter?", fragte Draco, ungläubig den Kopf schüttelnd. „Sie lautete: Versuche nie, Draco Malfoy aus der Reserve zu locken, so dass er sich gehen lässt."

„Ah, genau. Mag ich auch nicht. Außerdem lässt du dich die ganze Zeit gehen, ohne dass ich etwas tue."

„Du irrst dich, du tust sehr viel."

„Was denn?" Potter stand nun nur eine Handbreit entfernt. War eine Handbreit mehr oder weniger als zwanzig Zentimeter?

„Du bist einfach... du! Und du bist unmöglich! Was soll das?", fügte er in einem panischen Ton hinzu. Potter stand jetzt direkt vor Draco, Draco hätte sich nur minimal vorbeugen müssen, dann wäre seine Nase gegen Potters Stirn gestoßen. Als Potter seine Hände auf Dracos Brust legte, zuckte Draco zusammen.

„Potter! Du brichst eine Regel", sagte er. Gleichzeitig übermannte ihn Potters Duft.

„Dafür bin ich bekannt", quatschte Potter munter weiter. Er blickte Draco tief in die Augen und Draco fragte sich, warum um alles in der Welt er ihn noch nicht zurückgestoßen hatte. Er hatte ja schließlich das Recht dazu.

Potter beugte sich nun vor, ja genau, noch näher, und streifte mit seinem Mund ganz sachte Dracos Lippen, so dass Draco wimmerte.

„Beide Regeln, Potter, du brichst beide Regeln."

„Und? Wirst du sie streichen? Oder soll ich wieder zurück gehen?"

Draco öffnete den Mund, um ‚Zurückgehen' zu sagen. Und er hatte dieses Wort auch gesagt. Problem: In seinen Ohren klang es nach ‚streichen'. Potter musste das auch so verstanden haben, falsch verstanden, ganz klar, denn seine Lippen kehrten zu Dracos zurück. Nicht mehr ganz so sanft, sondern mit Druck. Um nicht nach hinten zu fallen klammerte Draco sich an Potter, du meine Güte, wie musste das nun aussehen, als würde er das hier wollen.

Nach endlos langen Sekunden löste Potter sich und grinste verschmitzt. „Aber unser Date ist ja erst heute Abend. Wir sehen uns dann", sagte er und ging die Treppe hinunter. Draco stand noch benommen da und schaute ihm hinterher. Er überlegte gerade, ob er die Regeln nicht eventuell doch streichen sollte, oder zumindest umändern in "Potter darf nie weiter als zwanzig Zentimeter von Draco Malfoy entfernt sein", da schwang die Treppe wieder weg.

„Verdammt!"