Liebe unterm Weihnachtsbaum
„Heut ist Weihnachten, Harry", sagte Ron, während er eine Gabel mit Kartoffelpüree zu seinem Mund führte. Die Dekoration der großen Halle und die herumstehenden Tannenbäume voller Lametta bestätigten seine Aussage.
„Vielen Dank, dass du mich darauf aufmerksam machst", kam es von Harry zurück.
„Komm Harry, mach doch mal ein fröhliches Gesicht", sagte Hermine, die zwischen den beiden saß.
Harry grunzte die beiden an. „Ihr habt gut reden, ihr habt ja jemandem, mit dem ihr das Fest der Liebe begehen könnt!"
„Aber Harry! Du kannst doch auch mit uns feiern", rief Hermine sofort aus.
„Du weißt genau, was ich meine", sagte Harry. Er stopfte sich Gurken in den Mund und schaute demonstrativ in die andere Richtung.
„Wir können doch auch nichts dazu, wenn du nichts mehr von Ginny willst –", setzte Hermine an.
„Lass gut sein", unterbrach Ron sie.
Harry blickte sie immer noch nicht an. Sein Blick war den Tisch herunter gewandert und er fragte sich, warum Malfoy dieses Jahr das Fest nicht zuhause verbrachte. Irgendwie hatte Harry keine Gedanken daran verschwendet, wie es um die Malfoys stand, nach dem Fall des dunklen Lords im letzten Jahr. Sicher, Lucius Malfoy war hingerichtet worden, wie alle anderen Todesser. Harry war nur froh, dass das Fiasko endlich vorüber war und er sich zum ersten Mal in seinem Leben ohne das Wissen, jemand trachtete nach seinem Leben, bewegen konnte.
Er wandte sich nun doch Ron und Hermine zu. „Ich bin euch dankbar, dass ihr hier geblieben seid", meinte er, während er ungeduldig einen der herumschwirrenden Weihnachtselfen verscheuchte.
Sie beendeten das Essen, standen auf und verließen die Große Halle.
„Wir könnten zu Hagrid gehen", schlug Harry vor.
Ron zuckte mit den Schultern. „War er nicht beim Essen?"
„Also wirklich,", sagte Hermine vorwurfsvoll, „Wie konntet ihr Hagrid denn übersehen?"
„Aber Hagrid war wirklich nicht da", behauptete Harry. Hermine blickte ihn argwöhnisch an.
„Er hat dir doch gewunken, als du zu ihm geschaut hast", meinte sie.
„Ich habe nicht zu ihm geschaut. Und wenn er gewunken hätte, hätte ich ihn bemerkt", sagte Harry.
Sie traten nach draußen, um frische Luft zu schnappen, blieben aber gleich am Eingang stehen. Die Luft war klar und kündigte Schneefall an.
Zwei dick in Winterkleidung verpackte Schüler kamen die Schlossgründe herauf. Harry erkannte sie erst, als sie fast vor ihnen standen: Richie Coote und Jimmy Peakes, die beiden Treiber seiner Quidditch Mannschaft.
„Ist euch nicht kalt, so ohne Jacken?", fragte Jimmy.
„Doch, wir gehen gleich wieder rein", sagte Harry. Sie machten kehrt und liefen hinter Jimmy und Richie her. Harry spähte in die Große Halle, als sie daran vorübergingen, und sah kurz Hagrids hünenhafte Gestalt am Ende des Tisches aufragen. Verwirrt kratzte er sich am Kopf, wobei er mit einer Person zusammenstieß, die aus der Halle kam.
„Pass doch auf, Potter." Malfoy Stimme schallte durch die bunt glitzernde Eingangshalle. Jimmy drehte sich um und kicherte unpassender Weise, als er Malfoy erblickte, und Harry sah Richie sich hinter Jimmy ducken.
„Sorry", sagte Harry gedankenlos, während er sich fragte, was dieses Verhalten von Richie sollte, „Hab dich nicht gesehen." Plötzlich fiel ihm ein, dass er Malfoy letztes Jahr fast umgebracht hatte und verspürte das Verlangen, sich dafür zu entschuldigen. Doch er sagte nichts weiter.
Malfoy schnaubte und ging die Tür zu den Kerkern hinab, die Gryffindors liefen zu ihrem Turm hinauf.
Die fünf, als einzige Gryffindor über den Ferien in der Schule geblieben, ließen sich am Kamin nieder. Jimmy und Richie zogen ihre Jacken und Handschuhe aus.
„Und warum seid ihr eigentlich nicht zuhause?", fragte Ron die beiden, die nun ihre Hände am Feuer wärmten.
„Wir wollten Weihnachten zusammen feiern", meinte Richie.
„Hättet ihr euch nicht besuchen können?", fragte Ron weiter. Hermine kuschelte sich auf der Couch an ihn.
„Wir wollten es unseren Familien schonend beibringen und Stress in den Feiertagen vermeiden", sagte Jimmy. Ron schaute ihn fragend an. Harry lümmelte sich in einem Sessel und hörte nur mit halben Ohr zu. Erst als Richie kicherte und fragte: „Du guckst, als hättest du noch nie Schwule gesehen", richtete er seine Aufmerksamkeit ganz auf die beiden.
„Moment einmal! Willst du sagen...?", setzte Harry an und Richie nickte.
„Das weiß doch jeder in Gryffindor", meinte er.
Jimmy nahm Richies Hand, und Harry schaute verlegen weg. Sogar sie hatten jemanden, das war doch nicht mehr fair!
„Ich bin ja froh, dass Richie sich für mich entschieden hat", grinste Jimmy.
Ron starrte die beiden wortlos an.
„Wieso, stand noch jemand zur Auswahl?", fragte Hermine, die nicht halb so erstaunt schien wie ihr Freund.
„Na ja", gluckste Richie.
„Ach, komm! So, wie du ihn immer angeguckt hast!", meinte Jimmy.
„Bevor du kamst, war ich ein bisschen verknallt, ja, aber ich habe mir keine Chancen ausgerechnet!", verteidigte Richie sich.
Jimmy fing an zu kichern, aber Ron sah immer noch geschockt aus. Richie begann, Jimmy auszukitzeln und bald lagen die beiden lachend auf dem Boden.
„Sind sie nicht süß?", fragte Hermine.
„Ja", sagte Ron tonlos.
„Wirklich, unglaublich süß", sagte Harry. Für ihn war das Thema damit gegessen. „Habt ihr Lust auf ein Gesellschaftsspiel?"
Schon bald waren die fünf in Cluedo vertieft, ein Muggelspiel, das Dean ihnen zur Verfügung gestellt hatte, bevor er abgereist war. Sie hatten sich dazu an einen Tisch gesetzt.
Harry sah aus dem Fenster, als Hermine Ron zum tausendsten Mal erklärte, worauf es ankam. Jimmy und Richie hatten das Spiel schnell verstanden, und während der ungewollten Pause begannen sie zu tuscheln.
„Gibt es eigentlich viele... na, ihr wisst schon, in Hogwarts?", fragte Harry, doch neugierig geworden. Ein weihnachtlicher Amor schwebte um seinen Kopf und er scheuchte ihn mit einer unwirschen Handbewegung weg.
„Was? Schwule? Einige schon. Ich war letztes Jahr kurz mit Zacharias aus Hufflepuff zusammen", meinte Jimmy. Harry riss die Augen auf.
„Mit dem? Der ist doch ein gemeiner und geisteskranker –"
„Er kann manchmal schroff sein. Aber gerade das... ich meine, ich war verärgert über seine blöden Kommentare bei dem Spiel, habe ihn zur Rede gestellt... und dann... irgendwie." Jimmy zuckte mit den Schultern.
Harrys Neugierde war nicht befriedigt. „Und wann genau hast du bemerkt, dass du... oder du, Richie?"
Ein Seitenblick auf Ron und Hermine sagte ihm, dass sie nicht zuhörten. Er hätte es auch ziemlich peinlich gefunden, hätten sie alles mitgehört.
Jimmy grinste. „Ziemlich früh." Er stieß Richie spielhaft an. „Aber unser kleiner Richie hier..."
Richie stieß zurück und lachte. „Ja, ich habe lange gebraucht. Als ich mich in jemanden verknallt habe, da war ich erst einmal baff."
„Und er wollte nicht, oder wie?", fragte Harry. Jimmys Grinsen wurde breiter. „Stell dir mal vor, du hättest ihn angesprochen, Richie", sagte er. Richie stimmte ihn sein Lachen ein.
„Alles klar, Leute", sagte Ron in diesem Moment, „Wir können weiter spielen."
Er tat einen Zug und beschäftigte sich mit seinen Karten. Aber Harry brannte noch eine Frage auf der Zunge, und es war ihm egal, ob die anderen es nun mitbekamen oder nicht.
„Ich frage mich...", fing er an und blickte Richie an.
„Was denn?", erwiderte der.
„In wen warst du denn verknallt? Ich war letztes Jahr mit Ginny Weasley zusammen und habe nichts mitbekommen, und auch wenn ich ohne sie im Gemeinschaftsraum war, habe ich nicht so auf dich geachtet...", schloss Harry unsicher. Er kam sich lächerlich vor. „Also, du musst es mir auch nicht sagen", meinte er und guckte auf seinen Zettel, obwohl er seinen nächsten Zug schon längst geplant hatte.
„Das kannst du ja auch nicht mitbekommen haben", sagte Richie.
„Es war Draco Malfoy", fiel Jimmy ihm ins Wort, Harry fiel vor Schreck sein Zettel aus der Hand.
„Was?" Er war ehrlich platt. Wie konnte man sich denn in den vergucken?
Richie zuckte mit den Schultern. „Natürlich habe ich mich nie getraut, ihn anzusprechen... obwohl ich wetten würde, dass ihm Jungs gefallen."
Ron ließ ein Lachen vernehmen. „Da halte ich mit."
Harry versuchte sich Malfoy und Richie zusammen vorzustellen und verzog das Gesicht. „Und ich halte dagegen. Nie im Leben." Eine Welle des Abscheus überrollte ihn. Alleine schon daran zu denken, Malfoy könnte mit irgendjemandem auch nur rumknutschen.
„Warum wetten wir nicht? Ich halte auch dagegen", sagte Jimmy. Er nahm seinen Stift auf und wirbelte ihn herum, während er fragend Harry und Ron anblickte.
„Welcher Einsatz?", fragte Ron.
„Ron!", sagte Hermine empört.
„Was denn! Weihnachten soll man auch Spaß haben! Nicht wahr?" Die letzte Frage war an einen kleinen Engel mit goldenem Haar gerichtet, der durch den Raum flog, „Oh du Fröhliche" trällerte und Ron eifrig zunickte. Er sah daraufhin sehr zufrieden aus.
„Wie wollt ihr das überprüfen, ich meine, soll Richie ihn jetzt doch anbaggern?", fragte Harry. Sein Magen flatterte immer noch voller Ekel.
Jimmy schüttelte den Kopf. „Na, das wüsste ich aber!"
„Tja, dann wird wohl nichts daraus", sagte Harry. „Jimmy, du bist dran!"
Aber Jimmy dachte nicht daran, weiterzuspielen und blickte Harry herausfordernd an. Ron verschränkte die Arme vor der Brust, ebenfalls Harry anstarrend. Harry fragte sich, ob er etwas an der Nase hatte und wischte sich darüber.
„Du tust es", sagte Jimmy.
„Bitte? Was tue ich?", fragte Harry. Vorsichtshalber wischte er sich auch noch über den Mund.
„Mach ihn an und guck, wie er reagiert", verlangte Jimmy.
Harry schüttelte den Kopf. „Das kannst du vergessen."
„Lasst ihn! Malfoy würde sowieso nicht darauf eingehen. Nicht, wenn Harry es ist", sagte Hermine.
„Einen Versuch ist es wert." Jimmy blieb hartnäckig. Alle Blicke waren nun auf Harry gerichtet.
„Aber was, wenn er doch darauf eingeht?", fragte Harry. Seine Hände waren schon ganz verschwitzt, alleine von dem Gedanken, er und Draco Malfoy könnten etwas anderes machen, als sich anzuschnauzen.
„Dann lässt du ihn eiskalt stehen. Verdient hat er es!", sagte Ron ungehalten. Hermine nickte.
„Komm schon", forderte Richie ihn auf. Harry überlegte. Es wäre schon eine tolle Gelegenheit, sich zu rächen...
„Und wenn er mich auslacht?"
„Seit wann stört dich das?"
„Na schön", gab Harry nach. Die anderen brachen in Jubelrufe aus. Harry hob einen Finger. „Aber nur, wenn der Einsatz sich lohnt!"
„Und ob! Dafür gäbe ich mein letztes Hemd", sagte Richie, was ihm einen schiefen Blick von Jimmy einbrachte.
„Das behältst du mal schön! Aber im Ernst Harry, wie viel willst du einsetzten?"
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Harry war ein nervliches Wrack. Er schlich alleine durch die Gänge Hogwarts, hinter jeder Ecke das Schlimmste (und doch sein Zielobjekt) befürchtend. Malfoy. Diese Aufgabe war sogar noch schlimmer, als Voldemort zu bekämpfen. Und je länger Harry darüber nachdachte, desto mehr bereute er es, seine Zustimmung abgegeben zu haben.
Doch jetzt war es zu spät. Harry hatte noch nicht einmal eine wage Vorstellung davon, wie er es anstellen sollte, seinen Feind davon zu überzeugen, dass er Zärtlichkeiten mit ihm austauschen wollte.
Ihm wurde schlecht, und er rannte ins nächste Klo. Über der Kloschüssel hängend wurde ihm bewusst, dass er es nicht schaffen würde. Dann würde Hermine eben nicht seine restlichen Hausaufgaben machen. Dann würde er eben einen Tag lang ihren und Rons Diener spielen und sich Weihnachten endgültig verderben.
Harry stand erleichtert auf, wusch sich die Hände und warf einen Blick in den Spiegel. Hinter ihm stand Malfoy und blickte ihm entgegen. Harry fuhr herum.
„Was suchst du hier?"
„Dies hier ist ein öffentliches Klo, Potter", sagte Malfoy. Mit einem verächtlichen Blick auf Harry schritt er zu einer Kabine. Harry fasste sich an die Stirn und stöhnte, während er wartete. Plötzlich bemerkte er, dass er sich in dem Klo befand, in dem er Malfoy letztes Jahr fast umgebracht hatte. Seine Hand wanderte zu seinem Mund. Ihm war schon wieder schlecht. Seit wann hatte er so schlechte Nerven?
Malfoy kam zurück und wusch sich die Hände. Ohne aufzublicken fragte er: „Was ist, Potty, vergessen, wo du hinwolltest?"
Harry schüttelte stumm den Kopf. Dann nahm er seine Hand herunter und räusperte sich. Nachdem Malfoy seine Hände getrocknet hatte, drehte er sich um, lehnte sich gegen das Waschbecken und verschränkte die Arme. „Ja?"
„Es tut mir leid", hörte Harry sich sagen.
„Du kannst nichts dafür, dass du eine so jämmerliche Gestalt abgibst", erwiderte Malfoy.
„Witzig, Draco", sagte Harry. Malfoy runzelte die Stirn.
„Unglaublich sogar, Harry", sagte er dann mit einem höhnischen Grinsen.
„Ich wollte dich nie verletzen", sagte Harry, ohne sich irritieren zu lassen. „Ich wusste nicht, was der Fluch bewirkte."
„Warum scherst du dich darum? Ich war auch nicht gerade sanftmütig, wir sind quitt", sagte Malfoy. Er stieß sich ab und ging an Harry vorbei, doch Harry hielt ihn am Arm fest.
„Bitte", sagte er, „Warum reagierst du so abweisend?"
Malfoy lachte trocken auf. „Das meinst du nicht ernst, oder?"
„Doch." Harry erwiderte den Blick standfest. Malfoy lachte noch einmal und riss sich los, um seinen Weg fortzusetzen.
„Draco!", rief Harry ihm hinterher. Ein paar Schritte vor der Tür blieb Malfoy stehen und drehte sich um.
„Potter, ich werde das Gefühl nicht los, dass du mich verarschen willst."
Harry überkreuzte seine Arme und setzte einen verzweifelten Blick auf. „Dir fehlt einfach das Vertrauen in die Menschen", sagte er.
„Vertrauen? Dir? Spinnst du jetzt total?"
„Ich meine es ernst, Draco. Voldemort steht nicht mehr zwischen uns. Warum können wir keine Freunde werden?"
„Denkst du, ich habe dich wegen dem dunklen Lord gehasst?", fragte Malfoy und kam auf Harry zu. Harry nickte.
„Bist du wirklich so naiv?"
Harry nickte wieder, wenn auch etwas verunsichert.
„Falsch gedacht. Ich kann dich einfach nicht ausstehen", sagte Draco, und wieder setzte er zu einem Gang zur Tür an.
„Draco!", rief Harry. Noch wollte er nicht aufgeben. Draco machte auf der Stelle kehrt, als hätte er damit gerechnet und kam genauso schnell auf Harry zu, der zurückwich. Er stieß gegen das Waschbecken. Draco hielt ihm einen Finger vors Gesicht.
„Und jetzt pass auf, Potter, denn ich sage es nur einmal", sagte Malfoy. Harry spürte warmen Atem auf seinen Lippen und befeuchtete sie automatisch.
„Wir werden niemals Freunde werden." Draco starrte Harry wütend an, und Harry nickte eingeschüchtert. Doch dann flammte sein Stolz und sein Mut auf. Er fasste Malfoys Handgelenk und zog es zur Seite, mit der anderen Hand packte er ihn im Nacken.
„Das wäre mir sowieso nicht genug", sagte er, und mit einem gewaltigen Ruck zog er Dracos Kopf zu sich, platzierte seine Lippen auf seinen und stieß augenblicklich seine Zunge in Dracos Mund, der vor Überraschung leicht geöffnet war.
Harry hatte gerade Zeit, Dracos rauen Gaumen zu berühren, dann verspürte er Hände auf seiner Brust und fand sich auf dem Boden wieder. Draco starrte zu ihm hinab.
Harry stöhnte und fasste sich an den Hinterkopf. „Ein einfaches ‚Nein danke' hätte vollkommen genügt", ächzte er. Ohne ein Wort stürmte Draco nach draußen. Harry ließ seinen Kopf wieder auf den Boden sinken. Fassungslos über seine eigene Tat fasste er sich an die Lippen. „Ekelhaft", murmelte er mit verträumten Blick.
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Natürlich waren Ron, Hermine und Richie enttäuscht.
„Vielleicht lag es wirklich nur an Harry", warf Richie in den Raum.
„Willst du damit implizieren, dass ich ein schlechter Küsser bin?"
Ron verzog das Gesicht. „Das du ihn gleich geküsst hast. Du musst ihm Zeit geben. So verschreckst du ihn doch nur."
„Was ist das hier, eine Verschwörung?", fragte Harry ungläubig.
Jimmy lehnte sich zurück. „Prinzipiell würde ich euch zustimmen, aber ihr habt die Wette nun einmal verloren", sagte er. Ron schüttelte den Kopf. „Nein. Probier du es noch einmal aus. Ist klar, dass Malfoy Harry hasst!"
„Von wegen", sagten Harry und Richie gleichzeitig.
„Verloren ist verloren", fügte Harry hinzu. Es bereitete ihm Unbehagen, Jimmy an Draco heranzulassen... äh, so etwas Ekelhaftes aufzuzwingen. Seine Zunge fühlte sich immer noch merkwürdig belegt an.
Die anderen gaben endlich nach und Harry musste nicht mehr über dieses schreckliche Thema reden. Den ganzen Tag nicht mehr. Abends allerdings, als er mit Jimmy auf dem Weg in die Küche war und sie gerade einen vor sich her singenden Tannenbaum passiert hatten, wurde er noch einmal darauf angesprochen.
„Harry! Du kannst es mir sagen, hast du Malfoy wirklich geküsst?"
„Klar. Wieso sollte ich mir das ausdenken?"
„Wow, dass du so weit gehst... Das war schon ein drastischer Schritt, Ron hatte Recht. Du hast noch nicht viel Erfahrung, oder?"
„Noch gar keine mit Jungs", sagte Harry. Er betrachtete einen Ritter, der ihnen durch verschiedene Portraits folgte.
„Überhaupt meinte ich", sagte Jimmy. Sie bogen um eine Ecke, der Ritter stieß im nächsten Bild gegen ein Haus und kippte zu Boden.
„Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Es würde doch ewig dauern, bis er mir vertraut."
„Sicher. Aber trotzdem, gleich mit der Tür ins Haus fallen. Falls du es noch mal probieren willst", sagte Jimmy und zwinkerte ihn an. Harry wurde rot. „Will doch nicht, dass wir verlieren."
„Aus reiner Neugierde, meine ich. Die anderen müssen es nicht wissen. Bereite ihn darauf vor. Durch Blickkontakt, zweideutige Anspielungen und Körperkontakt, okay?"
Harry nickte nur und kitzelte die Birne in der Obstschale. Die Hauselfen, die sie aufgeregt begrüßten, lenkten glücklicherweise vom Thema ab.
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Nachts, als Harry wach in seinem Bett lag, und das schon seit Stunden, zog er leise die Karte des Rumtreibers hervor. Dann seinen Tarnumhang, und er sprang mit ausgestreckten Zauberstab aus dem Bett.
Bald schon kam er an seinem Ziel an. Mondlicht fiel durch ein Fenster und erleuchtete den Gang schwach. Genau gegenüber des Fensters stach etwas ins Auge, hell reflektierten die blonden Haare das Licht. Harry schlich so leise dorthin, wie er konnte, und trotzdem hob Malfoy den Kopf, der auf den Armen gelegen hatte, an.
„Wer da?", zischte er. Harry zog sich den Umhang aus.
„Hätte ich mir denken können", sagte Draco. „Wer sonst streift nachts ziellos auf den Gängen umher?"
Harry setzte sich neben Malfoy, der etwas wegrückte.
„Was willst du hier? Dass du dich überhaupt noch in meine Nähe traust", sagte Draco.
„Warum sollte ich nicht?"
Draco grunzte. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, Potter." Er mied Harrys Blick.
„Das hast du, ohne Zweifel", meinte Harry. Er ließ seinen Blick über Malfoys Gesicht wandern. So genau und eindringlich hatte er es noch nie betrachtet.
Endlich erwiderte Draco Harrys Blick. „Was willst du dann noch hier?"
„Na ja", Harry rückte ein Stück näher zu ihm, „Ich frage mich doch, warum du hier bist, anstatt in deinem warmen Bettchen zu liegen."
„Das geht dich gar nichts an."
„Es geht mich etwas an, wenn du es mir erzählst."
„Ich sagte doch, es geht dich nichts an."
„Schade." Harry zuckte mit den Schultern und blickte aus dem Fenster.
„Potter?", fragte Draco nach einiger Zeit. „Was sollte eigentlich dieser Kuss?" Harry zuckte noch einmal mit den Schultern. „Das nennst du Kuss? Also bitte!"
„Du weißt, was ich meine! Es kann doch nicht sein, dass du so über mich denkst." Draco fuhr sich durch die Haare, eine für Harry völlig neue Geste. Dann realisierte Harry, was Draco da von ihm wissen wollte, und wurde unsicher.
„Ähm... was wäre schlimm daran?" Harry konnte nicht glauben, was er da von sich gab.
Draco drehte den Kopf zu ihm und kniff die Augen zusammen. „Es wäre enttäuschend für dich. Und ekelerregend für mich."
„Immerhin erregt es überhaupt etwas bei dir", sagte Harry grinsend. Wenn Jimmy ihn sehen konnte, er wäre sicher stolz auf ihn. Draco streckte eine Hand aus und schubste Harry, der zur Seite fiel.
„Red nicht so einen Scheiß, Potter."
Harry setzte sich wieder zurück, wobei er absichtlich noch näher zu Draco rückte. „Stimmt doch", grummelte er dabei. Er richtete seinen Blick auf Draco und lehnte seinen Kopf dabei gegen die Wand. Der Slytherin starrte auf den Boden vor sich. Harry fand Gefallen daran, ihn sich einfach nur anzuschauen. Unauffällig bewegte Harry sich so, dass ihre Schultern sich nun berührten.
Da endlich drehte auch Draco seinen Kopf, und Harry Herz stand beinahe still. Sie waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Er wagte es nicht, sich zu bewegen.
Draco setzte ein Grinsen auf. „Langsam glaube ich sogar, du meinst es ernst", sagte er.
„Und ich bin wirklich neugierig...", fügte er mit ernster Miene hinzu. Harry hielt die Luft an, als Draco sich sehr langsam vorbeugte und ihn dabei nicht aus den Augen ließ. Kurz vor Harrys Gesicht stoppte er, heftete seine Augen auf Harrys Lippen und schloss dann mit einer schnellen Bewegung die Distanz zwischen ihnen.
Harry spürte warme Lippen auf seinen eigenen und erstarrte. Mit aufgerissenen Augen blickte er Draco an. Der hatte die Augen jedoch zu. Also schloss Harry sie auch und richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf seinen Mund. Es kribbelte unglaublich, während Draco seine Lippen langsam gegen Harrys bewegte. Harry fing an, den Kuss zu erwidern und spürte die Hitze von Dracos Mundhöhle, wenn er seinen Mund öffnete. Endlich und trotzdem unerwartet kitzelte Dracos Zunge seine eigene. Harry spürte Feuer in seinem Bauch aufflammen und sog unwillkürlich Luft ein.
Draco rückte ein wenig näher und legte seine Hand auf Harrys Schulter. Harry konnte endlich ausgiebig Dracos Mundhöhle erforschen. Seine Hand wanderte automatisch hoch und legte sich auf Dracos Wange, von da an glitt sie langsam in seine Haare. Nur nebenbei registrierte Harry, wie seidig sie waren, er war überwältigt davon, in Draco zu sein und diesen dabei in sich zu spüren.
Nach ein paar Minuten löste Draco sich und lehnte sich wieder an die Wand. Er keuchte leise, als versuchte er, es zu unterdrücken. „Damit hätte ich nicht gerechnet", sagte er, „Ich werde wohl doch so einiges verpassen."
Harry atmete tief ein und blickte zur Decke, noch berauscht von dem Kuss. Die Worte drangen in sein Ohr und nach ein paar Sekunden verstand er auch ihren Sinn. Er fuhr hoch. „Was heißt das, du wirst etwas verpassen?", fragte er.
Draco lachte auf. „Wie süß, Potter hat gedacht, wir wären jetzt ein Paar!"
Wütend stieß Harry Draco zu Boden. „So haben wir nicht gewettet", sagte er dabei. „Du kannst doch nicht..." Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er warf sich auf Draco, der einen leisen Schrei ausstieß, und versiegelte wieder ihre Münder.
Er hatte damit gerechnet, wieder zurückgestoßen zu werden. Stattdessen krallten Dracos Hände sich in Harrys Rücken und zogen ihn näher zu sich, während der Kuss leidenschaftlicher wurde.
„Hör... auf...", brachte Draco zwischen ihren Küssen hervor.
Harry grinste, aber er hörte keineswegs auf. Erst, als er spürte, dass Draco nach Atem schnappte, weil er wohl außerstande war, durch die Nase zu atmen, unterbrach er sein Tun.
„Warum denn, Draco? Warum wehrst du dich so dagegen?", fragte er, während ihre Nasenspitzen sich berührten.
„Weil wir Feinde sind", keuchte Draco.
„Das ist ein Vorurteil, ich hoffe, du weißt das", meinte Harry. „Denn ich bin bestimmt nicht dein Feind. Du etwa meiner?"
Draco ließ seinen Kopf auf den Boden sinken und schloss die Augen.
„Nein", hauchte er.
„Sieh mich an", befahl Harry. Draco schlug die Augen auf. Harry küsste ihn kurz auf den Mund, ohne seinen Blick loszulassen. „Danke", sagte er, und noch einmal „Danke." Seine Augen füllten sich mit Tränen und er rollte sich von Draco herunter, damit er das nicht mitbekam.
Draco stützte sich auf seinen Ellbogen und streichelte Harrys Gesicht, wischte mit dem Daumen die Träne weg.
„Keine Ursache", flüsterte er, bevor er sich hinunter beugte und Harry sehr effektiv von seinen Augen ablenkte.
