Angenommen, der Feind steht auf dich
Generell hatte Harry nichts gegen Schwule. Doch wenn sie ihm auf die Pelle rückten, sah das Ganze schon anders aus. Besonders, wenn sein Verehrer Draco Malfoy hieß und eigentlich sein Feind zu sein hatte.
Angefangen hatte es vor ein paar Wochen, seitdem stand Harrys Welt Kopf.
Rückblick
„Potter! Bleib stehen!", rief Draco Malfoys Stimme hinter Harry, der am liebsten die Beine in die Hand genommen und die Flucht ergriffen hätte. Er war auf den Weg zu seinen Freunden, und jetzt musste er auch noch auf Malfoy treffen. Harry wollte sich gar nicht ausmalen, wie das enden konnte und drehte sich um. „Malfoy, ich habe jetzt wirklich keine Lust, mich mit dir –"
Malfoy legte ihm einen Finger auf die Lippen, was Harry verwundert zurücktreten ließ. „Was willst du?", fragte er.
„Potter, für das, was ich will, kennen wir uns noch nicht gut genug. Im Moment wollte ich dir nur was geben", sagte Malfoy und gab Harry eine Feder. Harry nahm sie. „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass ich sie verloren hatte."
„Tja", meinte Draco mit einem überheblichen Grinsen, „Da kannst du ja froh sein, mich zu haben."
„Was?" Harry blickte verwirrt auf. Malfoy trat auf ihn zu und atmete in Harrys Gesicht.
„Wie wäre es mit einem Dankeschön?", fragte Draco.
„Dankeschön", stammelte Harry, trat zurück und drehte sich um. Malfoy hielt ihm am Arm fest.
„Was ist denn noch?", fragte Harry aggressiv.
„Das war alles?"
Harry runzelte die Stirn. „Was meinst du?"
Draco trat wieder dicht an Harry heran. „Na, wie wäre es mit einem Kuss?"
„Malfoy, willst du mich verarschen?", sagte Harry und stieß ihn von sich. Malfoy grinste ihn nur an und ging mit einem „Wir sehen uns" davon.
Rückblick Ende
Doch wenn Malfoy Harry verarschen wollte, tat er es seitdem mit größter Hartnäckigkeit. Früher hatte Harry ihn gehasst, weil Malfoy ihn getriezt hatte, doch nun ging er Harry gewaltig auf die Nerven. Schon bei dem Anblick blonder Haare versteckte er sich vorsorglich hinter Ron oder Hermine, denn sobald Malfoy Harry sah, ging das Chaos los. Dass Ron und Hermine ihn schon mehrmals angeschrieen und gedroht hatten, störte ihn nicht. Harry glaubte immer noch, dass es eine andere Art war, auf die Malfoy ihn drankriegen wollte.
„Oh Nein, in Deckung, Harry", sagte Ron, als sie auf dem Weg zum Nordturm um die Ecke bogen. Harry versteckte sich hinter Ron, aber zu spät. „Potter!", rief jemand aus. Harry stöhnte und stellte sich dem Bösen.
„Lass mich in Ruhe, Malfoy, ein für alle mal", sagte er. Schmierig grinsend trat Malfoy auf Harry zu, hinter ihm seine beiden Bodyguards.
„Ich kann nicht, Potter", sagte er.
„Malfoy, du bist noch nicht einmal schwul", sagte Harry und verschränkte die Arme.
„Woher willst du das wissen?", antwortete Malfoy.
„Selbst wenn, wie kommst du auf die Idee, ich könnte dich mögen?"
„Es ist die Hoffnung, die mich handeln lässt", sagte Draco. Harry lachte auf. „Alles klar, Malfoy. Wie oft muss ich dir die Hoffnung denn noch zerstören?"
„Du gibst mir ja noch nicht einmal eine Chance."
Harry stöhnte. „Weil du es nicht ernst meinst, mein Feind bist, und, auch nicht zu verachten, weil ich auf Mädchen stehe."
Malfoy schnellte vor, legte eine Hand in Harrys Rücken, zog in zu sich und presste seine Lippen auf Harrys, dies alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Harry war überrascht. Er schubste Malfoy weg und unterdrückte den Impuls, ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
„Jetzt kannst du überlegen, ob du wirklich auf Mädchen stehst", meinte Malfoy nur und zog dann ab, Crabbe und Goyle hinter ihm herwatschelnd.
„Oh, Harry, alles in Ordnung? Du meine Güte, so ein Mistkerl, wie widerlich! Igitt!" Ron schüttelte sich. Harry wischte sich mit dem Ärmel ein paar Mal über den Mund. „Ich bekomme den Malfoy- Geschmack nicht weg", beschwerte er sich.
„Wonach schmeckt es denn? Bestimmt nach etwas widerlichem, Popel, grünen Bohnen, oder Chlor?", fragte Ron. Harry schüttelte den Kopf.
„Ich kann es nicht beschreiben. Irgendwie nussig. Ist doch auch egal, wäh."
„Vielleicht lässt er dich ja jetzt in Ruhe, weil er bekommen hat, was er wollte", meinte Ron.
Zuerst sah es aus, als sollte Ron Recht behalten. Sie trafen Malfoy ein paar Mal noch an diesem Tag, aber alles, was er tat, war Harry schelmisch angrinsen und zuzwinkern. Harry ignorierte ihn und mied seinen Blick.
Abends ging Harry in das Bad der Vertrauensschüler. Das Passwort wusste er ja von Cedric. Es hatte sich nicht geändert, die Tür öffnete sich und Harry trat ein. Die Badewanne war allerdings besetzt. Dort befand sich Terry Boot, der mit Draco Malfoy rumknutschte. Harry klappte der Mund auf, als sein Blick an Malfoy hängen blieb. Die Augen geschlossen, total im Kuss versunken und er gab leise Geräusche von sich. Dann öffnete er plötzlich die Augen und erwiderte Harrys Blick, ohne mit dem Küssen aufzuhören.
Harry spürte, wie er rot wurde. Sein Duschzeug rutschte ihm aus der Hand und kam auf dem Boden auf, woraufhin Terry aufschreckte, Draco von sich stieß und sich verwirrt umblickte.
„Harry", stammelte er, „Was machst du denn hier? Du bist doch gar kein..." Seine Stimme brach.
„Ich, nun, äh, Cedric, ach, egal. Tschüss", sagte Harry in einem Rutsch. Er bückte sich, hob seine Sachen auf und ging nach draußen, wo er sich gegen die Wand lehnte.
Na gut, dann war Malfoy eben wirklich schwul. Gut, dass er Harry anscheinend aufgegeben hatte. Wirklich gut. Zu dumm nur, dass Harrys Herz wie wild hämmerte und ihm bei der Erinnerung an einen küssenden Malfoy ganz heiß wurde.
Tags darauf wusste Harry nichts mit sich anzustellen. Im Unterricht saß er und hoffte, in der Pause Malfoy zu sehen, und in der Pause wollte er sich nur verstecken, damit er Malfoy nicht zufällig über den Weg lief.
Natürlich erzählte er Ron von seiner Entdeckung.
„Hätt' ich nie gedacht", sagte Ron nachdenklich, „Der Terry erschien mir immer ganz vernünftig."
„Es geht doch hier um Malfoy", beschwerte Harry sich. Ron schenkte ihm einen düsteren Blick. „Malfoy ist ein Arsch, mir doch egal, ob er schwul ist."
„Und Terry magst du jetzt nicht mehr?"
„Ach, wer sagt das denn? Es überrascht mich, das ist alles. Aber dass der mit Malfoy rummacht..." Ron schüttelte missbilligend den Kopf. Er lehnte gegen einen Baum auf dem Hof, Harry stand ihm gegenüber. Hermine saß auf einer Bank nicht weit entfernt und redete mit Ginny. Gelegentlich kicherten die beiden und warfen Blicke in Richtung der Jungs, was Ron dann immer ganz verlegen in die andere Richtung blicken ließ.
Harry spürte, wie jemand hinter ihn trat. „Harry", hauchte er in sein Ohr und Harry fuhr herum. Verwundert stellte er fest, dass es sich um Malfoy handelte.
„Was willst du denn noch von mir?", fragte Harry erbost.
„Dasselbe wie immer", sagte Malfoy, süffisant grinsend.
Harry streckte die Nase in die Luft. „Du hast doch jetzt Terry, warum lässt du mich nicht in Ruhe?", fragte er.
„Aber Schatz, das hatte nichts zu bedeuten! Wenn du mich so lange warten lässt, muss ich meine Bedürfnisse eben woanders befriedigen!"
Ron machte ein Würggeräusch, Harry starrte Malfoy an. „Du hast es dir wohl in den Kopf gesetzt, mich zu erobern, damit du mich danach genauso fallen lassen kannst, hm?", sagte er.
„Das würde ich nie tun", sagte Malfoy. Harry lachte. „Nein, wie komme ich bloß darauf?"
Dracos Gesicht verzog sich wütend. „Na, du wirst es eh nicht heraus finden", sagte er, „So stur wie du bist!"
Er drehte sich um und stürmte davon. Harry blickte ihm verwundert hinterher. Ron trat neben Harry und legte eine Hand auf seine Schultern. „Dem hast du es gezeigt, jetzt wird er dich in Ruhe lassen."
„Ja, das befürchte ich auch", sagte Harry nachdenklich. Ron blickte ihn stirnrunzelnd an.
„Du befürchtest es?"
„Ich meinte, ich hoffe es", verbesserte Harry sich. Hatte er befürchtet gesagt? Nein, konnte nicht sein.
Die Tage vergingen, und Malfoy ließ Harry tatsächlich in Ruhe. Harry merkte, dass die Tage nur halb so spektakulär waren, wenn Draco ihn in Ruhe ließ. Er ignorierte Harry jetzt auf den Gängen und im Unterricht. Terry Boot hatte, wie Harry im Unterricht mit Ravenclaw bemerkte, tagelang schlechte Laune. Harry hätte ihn darauf ansprechen können, aber was interessierte es ihn? Es war ja nur ein weiterer Beweise für Malfoys Unaufrichtigkeit.
Es war am Wochenende, als Harry die Idee bekam, mal wieder seine Rumtreiber Karte zu studieren. Einfach nur so, versteht sich. Zufälligerweise sah er einen Punkt, der mit Draco Malfoy beschriftet war, durchs Schloss laufen und verfolgte ihn eine Weile mit den Augen.
Als der Punkt in der Nähe des Gryffindor Turms stehen blieb und sich lange nicht bewegte, beschloss Harry, der Sache auf den Grund zu gehen.
Er kam an eine Treppe, Malfoy saß auf dem Absatz, den Kopf in den Händen vergraben. Leise setzte Harry sich neben ihn.
„Hey", begrüßte er Malfoy. Dieser schreckte auf und starrte Harry an. „Was soll das?"
„Was?"
„Mich erschrecken?"
„War nicht beabsichtigt."
„Das kannst du deiner Oma erzählen, Potter, wenn sie nicht auch schon tot ist."
„Lass das, Malfoy."
„Was?"
„Meine Familie beleidigen. In den letzten Wochen hast du mir besser gefallen. Da warst du einigermaßen nett zu mir", sagte Harry.
„Trotzdem hast du mich abgewiesen", sagte Malfoy. Er seufzte.
„Tut mir leid", meinte Harry. Malfoy schaute auf seine Nägel. „Lass das, Potter."
„Was?"
„Lügen. Soll nicht gut ankommen."
„Ich habe nicht gelogen."
„Oh, dann bereust du es also, mir eine Abfuhr gegeben zu haben?", höhnte Malfoy.
„Nein. Was hast du denn erwartet, dass ich dir in die Arme springe?"
„Nicht sofort. Aber ich dachte, nach einiger Zeit, wenn du dich an mich gewöhnt hast..." Er seufzte wieder.
„Also meintest du das ernst? Warum?"
Draco schaute Harry an. „Woher soll ich das wissen, Potter?", sagte er. Harry schaute in graue Augen und lehnte sich dabei unbewusst vor. Dann schloss er seine Augen und legte seine Lippen auf Malfoys. Langsam und vorsichtig bewegte er sie, genauso wie Malfoy. Dann spürte Harry eine Hand an seinem Hinterkopf und er wurde näher zu Draco gezogen, und eine Zunge drang in seinen Mund ein.
Harry zog sich zurück.
„Woah, nicht so stürmisch", sagte er. Dabei grinste er Malfoy an, der ihn misstrauisch ansah.
„Woher der Stimmungswechsel, Potter?"
Harry zuckte mit den Schultern. „Du hast es anscheinend geschafft."
„Du vertraust mir also?"
„Noch nicht wirklich. Aber daran können wir arbeiten", sagte Harry. Draco verzog seinen Mund zu einem Lächeln, und Harry zog ihn zu einem weiteren Kuss zu sich. Diesmal brachte er zuerst seine Zunge ins Spiel. Während sie sich küssten, rutschte Harry näher und strich über Malfoys Rücken.
„Harry! Hey, Harry!"
Harry zog seine Zunge zurück und gab Draco noch einen Schmatzer auf die Lippen, ehe er seinen Kopf wand.
„Was ist denn, Ron, ich habe zu tun!"
Ron und Hermine (die große Augen machte), standen an der Treppe. Ron verschränkte die Arme. „Das sehe ich. Ich wollte dich nur fragen, was du dir dabei denkst. Weißt du, dass Malfoy ein Arsch ist, den du ignorieren solltest, selbst wenn du ihn attraktiv findest?"
„Ist das nicht meine Sache?"
„Nein, er hat uns öfter beleidigt, als Dobby Socken tragen kann. Er ist unser Feind, mit dem du dich gerade verbrüderst."
„Hm." Harry blickte Draco an. „Vielleicht hat er sich geändert?", sagte er.
„Weasley, es ist nicht deine Angelegenheit, in die du dich da einmischst. Harry weiß nun mal, was gut für ihn ist", grinste Malfoy und küsste Harry kurz auf die Lippen.
„Tss", machte Ron, fasste Hermine an der Hand und zog sie weg. Sie war wohl zu verduzt, um etwas zu sagen.
„Sie werden darüber hinweg kommen", meinte Harry.
Draco strich ihm über die Haare und stand dann auf. „Leider muss ich jetzt gehen. Aber wir treffen uns später noch, oder?"
Harry blieb sitzen und nickte. „Um Acht?"
„Ja, bis dann", sagte Draco und ging die Treppe hinunter. Harry blickte ihm lange nach. Nun, da Malfoy weg war, kam ihm alles so unrealistisch vor. Und er fragte sich, was ihn geritten hatte, Malfoy zu küssen. Hier, wo jeder vorbei kommen konnte.
Er dachte noch den gesamten Nachmittag über Malfoy nach, über die ferne und nahe Vergangenheit und über die Geschehnisse des heutigen Tages. Ob Harry wohl mit ihm glücklich werden könnte? Oder vielleicht spielte er ja doch nur mit Harry?
Als sie sich trafen, kamen ihm solche verzwickten Gedanken nicht. Es war ungewöhnlich, normal mit Malfoy zu reden. Noch ungewöhnlicher war es, ihn zu küssen.
„Obwohl ich mich an das schnell gewöhnen kann", dachte Harry. Er blickte auf die sich bewegenden Lippen.
„Harry, hörst du mir überhaupt zu?"
Harry schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, war gerade abwesend", meinte er, ohne den Blick von den Lippen zu nehmen. Sie verzogen sich zu einem Grinsen und kamen dann immer näher, bevor sie ihn berührten.
#Ende#
