Walk The Line

„Uahhhhhhh!"

Ein Schrei hallte durch die Gänge Hogwarts, gefolgt von lauten Fußtritten. Ein Schüler kam um eine Ecke gerannt, balancierte sein Gleichgewicht aus und rannte mit vollster Geschwindigkeit weiter.

„Lass mich in Ruhe, du Flittchen!", rief er im Rennen.

Kaum drei Sekunden später kam ein Mädchen um dieselbe Ecke gerannt.

„Aber Dracooo! Wir sind füreinander bestimmt!"

„Du verwechselt mich mit einem anderen, unglaublich gutaussehenden und reichen Draco!", jappste der platinblonde Junge.

Jappsen lag zwar unter seiner Würde, aber was sollte er machen? Besser jappsen, als von einem Schlammblut berührt zu werden.

Nein, nicht von einem Schlammblut, korrigierte er sich, während er eine Treppe herunter raste. Von dem Schlammblut schlechthin. Besserwisserisch ohne Ende, Überbiss (zumindest das letzte Mal, als Draco darauf geachtet hatte, was in der ersten Klasse gewesen war), mit Blutsverrätern befreundet und, das Schlimmste, Gryffindor!

Draco kam schlitternd vor der Kerkertür zum Stehen, öffnete sie und rannte so schnell wie noch nie die Treppe runter. Das Schlammblut wäre kaum so blöd, ihm in den Kerker zu verfolgen, oder? Draco brauchte sich nicht umdrehen. Er hörte an Fußtritten und einem „Draco, warte doch, ich kann nicht mehr, du kleine biestige Schlange!", dass sie wohl doch so blöd war.

Sie kicherte und Draco verdrehte die Augen. Anscheinend hatten ihre Bücher ihr nicht gesagt, was es bedeutete, wenn ein Junge schreiend vor ihr davon lief. Vielleicht ging es bei den Muggeln ja anderes zu, woher sollte Draco das wissen.

„CRABBE! GOYLE!", rief er mit den letzten Atemzügen. „KOMMT UND RETTET MICH!"

Als Draco um die nächste Ecke bog, warf er einen Blick über die Schulter. Das Schlammblut hatte, warum auch immer, aufgeholt. Draco bekam Panik. Sie war nur noch zwei Meter oder so entfernt, bald würde sie ihn berühren, was sollte er denn nur tun?

Prompt knallte er gegen etwas Weiches.

„Malfoy", brummte Crabbe.

Draco stieß einen Erleichterungsschrei aus und stellte sich hinter Crabbe und Goyle. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch mal Glück gehabt, von jetzt an war er sicher. Er hörte Goyles Fingerknöchel knacken und das Schlammblut vor ihnen zum Stehen kommen.

„Ah, habt ihr Draco hier vorbeikommen gesehen?"

„Macht sie fertig", befahl Draco.

Er lehnte sich gegen die kalte Steinwand. Was konnte er denn dazu, dass er eine so unwiderstehliche Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht ausübte? Er hatte es sich niemals gewünscht. Meistens war er stolz darauf, okay, aber nicht, wenn es zu solchen Ausmaßen des Wahnwitzes kam.

„Schlammblut, Schlammblut, Schlammblut", jammerte Draco. „Womit hab ich das verdient?"

-o-o-o-

Unterdessen hatte Harry Potter ähnliche Probleme. Er saß in seinem Gemeinschaftsraum, nichtsahnend, muss man betonen. Das Portraitloch schwang auf und Ron Weasley kam mit seiner Schwester Ginny herein. Als Harry sie sah, sprang er auf und wollte in den Jungenschlafsaal flüchten. Doch sie war schneller und warf sich ihm um den Hals.

„Harry! So stürmisch?", kreischte sie.

„Was heißt hier stürmisch, ich wollte nur hoch gehen und…"

„Uh, Harry!" Ginny klimperte mit den Augen.

Dabei leckte sie sich mit der Zunge über die Lippen, erst oben, dann unten. Harry starrte sie angewidert an. Er schob ihre Hände von seinem Hals.

„Ginny, ich habe Kopfschmerzen, okay?"

„Och, schon wieder…? Egal, Süßer, ich kann warten!"

Harry verzog das Gesicht. „Dir zu sagen, dass ich kein Interesse habe, bringt wohl nichts?"

Sie grinste und schüttelte den Kopf. „Ich krieg dich noch."

Harry stöhnte und verschwand die Treppe rauf. Ginny setzte sich zu Ron in die Sessel.

„Er ist ne echt harte Nuss", meinte sie.

„Wem sagst du das? Ich habe es jetzt sechs Jahre versucht, aber ich gebs auf."

„Das will ich dir auch raten, Ron! Harry ist meiner!"

Ginny schüttelte ihre Mähne, während sie in Gedanken verfiel. Ron wiegte nur den Kopf, in Gedanken bei der nächsten Mahlzeit.

Wieder schwang das Portraitloch auf, oh Wunder, und Hermine kam herein. Sie wurde von Dean und Seamus gestützt, ihre Lippe war geschwollen und sie hatte einen hässlichen Bluterguss auf der Stirn. Stöhnend ließ sie sich ebenfalls in einem Sessel nieder, so wie auch Dean und Seamus.

„Was ist passiert?", fragte Ginny besorgt.

„Ich denke, es war ein Bulldozer", meinte Dean ernsthaft. Seamus runzelte die Stirn.

„Es waren Crabbe und Goyle, sie sind ausgetickt, noch nicht einmal Draco konnte sie zurückhalten, obwohl er es natürlich mit aller Kraft versucht hat", presste Hermine hervor.

Ginnys Augen funkelten, aber nichts anderes außer Mitleidsbekundungen kamen aus ihrem Mund. Insgeheim hegte sie den Verdacht, dass Hermine bei Malfoy genauso weit war, wie sie bei Harry, auch wenn Hermine immer was anderes erzählte

-o-o-o-

Harry lag auf seinem Bett, starrte sein Baldachin an. Rot, mit goldenen Verzierungen. Es brach Harry das Herz, dass dies sein letztes Schuljahr war. Ob er wenigstens das Himmelbett mitnehmen konnte? Als ein Andenken, sozusagen?

Harry gähnte. Er wollte nicht runter gehen. Ginny wäre sofort an seiner Seite. Obwohl er ihr immer und immer wieder gesagt hatte, dass er kein Interesse an ihr hatte. Er konnte doch auch nichts dazu, sie war einfach nicht sein Typ. Genauso wenig wie Ron. Ja, Harry hatte dessen – wenn auch weniger aufdringlichen – Versuche, bei ihm zu landen, sehr wohl bemerkt. Harry war ja nicht blind.

In diesem Moment kam Neville in den Raum. Guter Neville. Harry mochte ihn, war er doch der einzige, der nicht versuchte, Harry zu verkuppeln. Vor allem nicht mit sich selber.

„Hey", sagte Neville.

„Hi. Irgendwas los, da unten?"

„Ach – nö. Hermine kam blau und grün geprügelt von ihrem Ausflug zu Malfoy zurück, aber ansonsten…"

Harry nickte. „Ja, ja. So ist das Leben. Warum gibt sie es nicht auf?"

„Was weiß ich? Liebe vielleicht? Ich kenne dieses Gefühl nicht, aber ich wage zu behaupten, Verliebte tun die unmöglichsten Dinge, um ihrem oder ihrer Angebeteten nahe zu kommen. Dabei ist das Empfinden derer wiederum relativ, im Vergleich zu – "

„Neville! Bitte – ich hab Kopfschmerzen!"

„Schon gut." Neville pflanzte sich auf sein Bett, kramte ein Buch – Albert Einsteins Relativitätstheorie – heraus, und fing an, es zum wohl hundersten Mal zu lesen.

Harry schüttelte nur den Kopf.

-o-o-o-

Währenddessen hatte Ginny Hermine zur Seite genommen. Mit der Ausrede, sie müsse ihr dabei helfen, ihre Wunden zu versorgen, hatte sie sie in ein Klo geschleift.

„So, jetzt rück raus mit der Wahrheit – bist du wirklich mit Malfoy zusammen?"

Hermine schniefte kurz, dann brach sie endgültig in Tränen aus und warf sich Ginny in die Arme.

„Nein! Schluchz Immer kommt was dazwischen! Heul Er führt mich in die Kerker, will mich mit in sein Revier nehmen, aber dann tauchen Crabbe und Goyle unerwartet auf! Oder letztens, da warf sich Parkinson ihm an den Hals, die ich erst mal beseitigen musste! Krächz Die blöde Kuh! Wie auch immer, unserer Liebe ist noch im allerersten Anfangsstadium! Schnief Ach, Ginny!"

Ginny klopfte ihr aufmunternd, doch mit einem selbstgefälligen Grinsen, auf den Rücken. „Das wird schon, Herminchen, das wird schon!"

„Was ist mit Schluck dir und Harry?"

Ginny lief rot an. „Das selbe. Er hält mich hin, obwohl ich weiß, dass er vor Liebe verglüht."

„Oh."

Hermine befreite sich von Ginny und rotzte in ihren Ärmel. Den schmierte sie dann an ihrem Rock sauber.

„Also, wenn die Jungs einen Stoß vor den Kopf brauchen, dann sollten wir ihnen behilflich sein."

„Aber wie?" , fragte Ginny.

Hermines Augen funkelten auf. „Wir entführen sie an einen dunklen Ort, wo sie uns nicht entkommen können. Ich bin für… die Bibliothek! Muhar har har!"

„Och… Nö. Das ist doof. Wir könnten sie eifersüchtig machen."

„Na gut. Aber mit wem? Und sie müssen es auf jeden Fall sehen! Hach, Draco…"

Hermine starrte Löcher in die Luft und fing an, zu sabbern. Ginny rümpfte die Nase.

„Behalt dich unter Kontrolle, Hermine. Manieren sind das oberste Gebot, wenn man von einem Malfoy geliebt werden will!"

Hermine schaute sie bitterböse an.

„Ich hab mich unter Kontrolle! Das sagt die richtige, die Harry keine Sekunde Ruhe gönnt und immer in seine Arme fliegt!"

„Mach den Sabber da weg, oder ich vergesse mich!", kreischte Ginny.

Sie konnte die Augen nicht von dem Spuckfaden auf Hermines Kinn abwenden.

Hermine wischte mit dem Ärmel drüber, doch danach war ihr Kinn voller Rotze. Ginny verzog das Gesicht.

„Wenn du so weitermachst, hätte sogar ich, eine Weasley, bessere Chancen bei Malfoy."

„Klar. Jeder weiß doch, dass er auf reines Blut achtet. Und ich habe nun mal reines Muggelblut in meinen Adern."

„Pah. Wenn du meinst. Soll ich es dir beweisen?"

„Wie? Nein, du darfst Draco nicht zu Nahe kommen! Er ist mein!"

„Schon klar. Genauso wie Harry mein ist. Aber das ist doch perfekt! Mach du dich an Harry ran, aus Spaß, wehe, du gehst bei ihm auf Tuchfühlung, und ich mich an Malfoy ran! Dann werden sie eifersüchtig und merken erst mal, was sie an uns haben, ha!"

Hermine fasste sich nachdenklich ans Kinn. Dann blickte sie auf ihre Hand und wischte sie am Pulli ab. „Na schön. Aus Spaß. Könnte sogar klappen."

Ginny nickte heftig. „War ja meine Idee. Also, auf in den Kampf! Ach, ich würd mich an deiner Stelle vorher umziehen."

„Was? Wieso? Reicht die Uniform nicht? Meinst du, ich soll mich aufbrezeln?"

Ginny unterdrückte ein Kichern und nickte einfach nur. Sie nahm Hermines saubere Hand. „Komm, machen wir uns fertig."

-o-o-o-

Harry hatte sich doch noch bequemt, nach unten zu gehen. Er sah Ron, Dean und Seamus in einer Gruppe sitzen und gesellte sich zu ihnen.

„Harry, mein Schatz!", rief Seamus mit ausgebreiteten Armen aus. Harry schnaubte.

„Seamus, hör auf, mich zu verarschen."

Seamus grinste. „Was ist, keine Lust auf mich?"

„Klappe, Finnigan! Zufällig weiß ich, dass du der größte Macho der ganzen Schule bist. Was Mädels betrifft. Wenn du auf Jungen stehen solltest, dann esse ich meinen Schuh."

„Och, nur einen?"

„Von mir aus auch beide."

Seamus winkte ab. „Brauchst du nicht, hast ja Recht. Und wie sieht es mit dir aus? Läuft da was mit Ginny?"

Harry sah sich unbehaglich um und fing Rons neugierigen Blick auf. „Ähm, nein", gab er zu.

In diesem Moment schwang das Portraitloch auf. Schwing, schwing. Hermine, deren Kleider zerknittert wirkten, und Ginny kletterten hinein. Dean sprang sofort auf.

„Wo wart ihr, was habt ihr gemacht, warum durften wir nicht dabei sein?"

Ginny gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Geht dich nichts an, geht dich nichts an und das weißt du!"

Dean rieb sich die getroffene Stelle und Ginny schwebte, Hermine hinter sich herziehend, an ihm vorbei. Hermine zwinkerte Harry an, dessen Welt nun völlig Kopf stand. Hermine konnte zwinkern? Ginny ignorierte ihn?

„Sie haben Drogen genommen!", beschwerte Harry sich.

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In den Kerkern konnte man zu der Zeit zwei sehr zufriedene Schlägertypen vorfinden. Zufrieden knackten sie ein Weilchen mit ihren Knöcheln. Dann blickten sie sich an, grinsten und sagten wie aus einem Munde: „Essen."

„Essen mag ja eine schöne Stadt sein, aber ihr solltet jetzt nicht ans Reisen denken. Außerdem leben in Deutschland durchschnittlich die meisten Muggel. Und denen wollt ihr doch nicht begegnen?", hallte eine schneidende Stimme durch den Gang.

Crabbe und Goyle fuhren in der Geschwindigkeit einer Schildkröte herum.

„Malfoy", grunzte Crabbe.

Draco trat auf ihn zu und klopfte ihm kurz auf die Schulter. „Richtig. Gut, dass du dir endlich meinen Namen merken kannst. Habt ihr das Schlammblut umgebracht? Aber dann würde ihre Leiche noch hier liegen, ich glaube nicht, dass ihr sie alleine vernichten könnt."

„Huh?", fragte Goyle.

Draco seufzte. „Ich sollte anfangen, Selbstgespräche zu führen, dann hätte ich wenigstens einen schlauen Gesprächspartner. Folgt mir."

Er schritt voran zum Gemeinschaftsraum, sein Umhang flatterte dramatisch und unheimlich beeindruckend um seine Beine.

-o-o-o-

Am nächsten Tag, Draco würde sich wehren, zu den Mahlzeiten zu gehen, aus Angst, das Schlammblut zu treffen, wenn es da nicht drei Probleme bei gegeben hätte: er würde verhungern, ein Malfoy musste sich natürlich seinen Problemen stellen und am wichtigsten: er hatte doch keine Angst vor einem Schlammblut, saß Draco zwischen Crabbe und Goyle am Frühstückstisch.

„Mampf", sagte Crabbe, und Goyle antwortete ihm mit: „Kau!"

Draco nickte zustimmend, in Gedanken fragte er sich, ob seine wunderbare Ausstrahlung zwischen diesen beiden eigentlich ab- oder zunehmen würde. Eher zu, er hieß ja Malfoy! Das sprach schon für sich, denn Malfoys machen immer nur das, was gut für sie ist.

„Malfoy", sagte eine zuckersüße Stimme hinter ihm.

Draco erstarrte. Es war eindeutig eine Mädchenstimme und zwar nicht aus Slytherin. Das wüsste er. Außerdem würde kein Mädchen aus Slytherin ihn mehr so seidig ansprechen, es sei denn Parkinson, die jedoch eine Kreischstimme besaß, von daher schlussfolgerte Draco spitzfindig –

„Malfoy!"

„Ja, ja", murrte Draco und drehte sich um. Schreck lass nach. Salazar, fahre vom Himmel herab und erschlage mich auf der Stelle. Dort stand Weasley. Nein, Weaslette. Sie trug einen Stofffetzen, der sich wahrscheinlich Rock schimpfte, und ein Trägertop, aus dem ihre Brüste hervorquollen. So angewidert Draco von diesem Anblick auch war, seine Hände versagten ihren Dienst, wollten ihm nicht die Augen bedecken. Also starrte er ungeniert in ihren Ausschnitt.

„Ja?", krächzte er. Sie bewegte sich einen Schritt auf ihn zu.

„Ich habe von deinen fantastischen Fähigkeiten in… Zaubertränke gehört und könnte Nachhilfe gebrauchen."

Ihre Brüste wackelten vor Dracos Nase auf und ab. Dracos Verstand schaltete sich endlich wieder ein. Von einer Sekunde auf die andere verwandelte er sich von einem sabbernden Teenager in einen zornigen Malfoy. Und oh, Malfoys werden sehr zornig!

„Wie kannst du es wagen, Weasley! Du bist eine Blutsverräterin, Abschaum, wie kannst du es wagen, mich überhaupt anzusprechen? Mich anzuschauen? Mich anzuschmachten? Okay, streich das, wenn du meinem engelsgleichen Charme verfällst, kannst du auch nichts dafür. Aber wie kannst du es wagen, MIR HALBNACKT UNTER DIE AUGEN ZU TRETEN?"

In seinem Magen entstand ein Kampf zwischen dem verspeisten Essen und den körpereigenen Malfoy- Beschützern, denen schlecht wurde und die das Essen am liebsten auf Weasley wackelnde Brüste gespuckt hätten.

Weasley lief rot an, in der Tat, und dann ertönte ein lauter Schrei und ein Wusch aus Farben warf sie zu Boden. Es war Parkinson. Weasley wehrte sich, als hätte sie nichts anderes erwartet. Draco verschluckte sich an seiner eigenen Spucke und starrte auf die kämpfenden Mädchen. Sie kämpften um ihn, Draco Malfoy, beliebtester Schüler seit es Anbeginn der Schulgründung. Nichts außergewöhnliches also.

„GINNY!"

Wiesel und Potter kamen herangestürzt, Wiesel zerrte seine pubertierende Schwester hoch und Potter trat noch ein paar Mal auf die am Boden liegende Parkinson ein. Draco hätte das sicher ein müdes Lächeln abgerungen, wenn er nicht noch immer unter Schock gestanden hätte. Dann kam das Schlammblut angelaufen – Salazar, was wollten die ganzen Gryffindor nur am Slytherin- Tisch? – und Draco duckte sich automatisch hinter Goyle. Doch sie sprang ihn nicht an, im Gegenteil, sie hing sich an Potters Arm.

„Harrryyyy, was machst du denn da?"

Draco wagte es wieder hervorzukommen. Ein Blick auf Granger gab ihm den Rest – sie trug einen ebenso kurzen Rock wie Weasley und eine Bluse mit Spitzenärmeln, dessen Ausschnitt bis zum Bauch ging. Draco gab dem Druck nach und übergab sich – leider, leider traf es Parkinson. Ihre Schuld, wenn sie nicht aufstehen wollte.

„Ihhhh, Draco!"

Draco bekam eine Serviette gereicht – von wem, würde er sich gleich noch informieren, denn Crabbe und Goyle waren es gewiss nicht – und wischte sich den Mund ab. Dann blickte er die teilweise entsetzten (alle außer Potter), teilweise grinsenden (Potter) Gryffindor an.

„Was steht ihr da und glotzt? Noch nie jemanden Parkinson vollkotzen sehen?"

Und siehe da – sie verzogen sich. Langsam, natürlich. Weaslette zwinkerte Draco zu und rief: „Bis später, Schatzi", Granger starrte von ihm zu Parkinson, während Potter versuchte, sie wegzuzerren. Parkinson dagegen rappelte sich unter lautem Wehklagen und Schimpfen auf.

Als Granger wieder in die Realität eintrat – man konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Hirn ‚Klick' machte – wandte sie sich zu Potter um, schmiss sich in seine Arme und knutschte ihn ab.

Draco klappte der Mund auf. Was ging denn hier ab? Seit wann war das Schlammblut nicht mehr hinter ihm her? Konnte ihm nur Recht sein. Aber andererseits… Potter tat ihm leid. Ja sicher, er war sein Feind, aber so was – Küsse von… diesem Schlammblut – wünschte Draco noch nicht einmal seinen schlimmsten Feinden an den Hals.

Potter zappelte herum und schlug mit den Armen aus. Dabei gab er undefinierbare Geräusche von sich. Doch Schlammblut schien nicht aufhören zu wollen.

Draco trat zu ihnen und riss Potter – das Schlammblut wollte er unter keinen Umständen anfassen – zu sich.

„Was wird das, Granger?"

Sie errötete. Dann kicherte sie und trat einen Schritt auf Draco zu. Draco presste Potter wie einen Schutzschild vor sich.

„Eifersüchtig, Dracilein?"

Draco schnaubte. Warum tat sie sich nicht mit Parkinson zusammen? Dann konnte sie ihm in Ruhe irgendwelche Spitznamen verpassen – aber bitte, wenn er nicht

dabei war!

Weasley und Weasley kamen nun wieder angerannt. Parkinson kreischte auf, Kreischen war ihr Hobby, und hängte sich Granger um den Hals, wobei sie ihre weiße Bluse mit Kotze voll schmierte. Granger schien das nicht zu stören. Sie schlang ihre Arme um Parkinson.

„Also, Draco. Du kommst jetzt zu mir, oder Parkinson muss dran glauben."

Draco grinste. „So?", fragte er.

Potter machte sich nun bemerkbar, fing an zu zappeln. Aber Draco hatte nicht vor, ihn loszulassen. Er war sein Schutz vor der großen bösen Welt. Er verstärkte seinen Griff und zischte:

„Bleib still, Potter, dann besteht die Chance, dass du ohne Schmerzen hier raus kommst."

„Harry, ich rette dich!", schrie Weasley die Zweite. Sie nahm Anlauf, rannte auf Draco und Potter zu und setzte sogar zum Sprung an. Draco trat im letzten Moment zur Seite und sie landete krachend auf dem Tisch, Schüsseln und Teller fielen klirrend zu Boden und in ihren Haaren hing Kartoffelbrei.

Draco lachte auf, und, was ihn sehr wunderte, Potter auch. Weasleys Bruder Weasley stürzte zu ihr und fing an, aus ihren Haaren zu essen.

„Oh, Ron! Du kleines Ferkel!", rief Granger.

Weasley ließ sich nicht stören, während Ginny sich aufrappelte und ihrem Bruder eine klatschte. Draco schüttelte es mittlerweile vor Lachen, er hielt Potter nur noch lose fest, aber der dachte nicht daran, wegzulaufen, sondern lachte mit.

Zu dem Unglück der beiden kamen dann McGonagall, Snape, und wie sie nicht alle hießen, angerauscht und sparten nicht an Punkteabzug und Strafarbeiten. Draco wollte protestieren, denn er konnte nichts für das Schlammassel, aber er konnte vor lauter Lachen kaum reden. Also fügte er sich seinem Schicksal, ließ Potter irgendwann los und wurde aus dem Speisesaal gezogen.

„Was ist bloß los mit dir? Ich dachte, ein Malfoy lässt sich öffentlich nicht gehen, hm? Und du hast gekotzt, rumgebrüllt, dich an Potter festgeklammert, während ihr einen Lachanfall hattet, was an sich schon denkwürdig war, und beim Kotzen Parkinson getroffen! Das war so genial!"

Draco wischte sich die Lachtränen mit einer Serviette, die er komischerweise in der Hand hielt, aus den Augen. „Ich weiß!"

„Ihh, Draco, das würd ich lassen", sagte ein angewidert dreinblickender Zabini.

Draco merkte, welche Serviette es war und ließ sie augenblicklich los. Er starrte Zabini an und rannte dann in die Slytherin- Gemächer.

-o-o-o-

Im Gryffindor- Gemeinschaftsraum war unterdessen Chaos angesagt. Harry, Ron, Hermine und Ginny kamen unter Tränen an. Das heißt, Ron hatte keine Tränen in den Augen, weder Lach- noch sonst irgendwelche. Ginnys Frisur war hinüber, Speisereste hingen in ihren Haaren, auf die Ron immer wieder einen gierigen Blick warf. Hermine Bluse war voller Kotze, die sie bewundernd anstarrte. Draco- Kotze nannte sie diese.

„Oh, dieser Krümel hier ist vor kurzem noch in seinem Magen gewesen!", schwärmte sie.

Harry grinste. Ihm hatte der Morgen Spaß gemacht, Ginny war auf die Nase geflogen, Parkinson war eingesaut worden, er hatte einen Lachanfall gehabt – zwar mit Malfoy, aber das ließ er mal außer Acht – , nur der Kuss von Hermine hatte ihn sehr verwundert, wenn nicht sogar angeekelt. Aber er wusste schon, warum sie das getan hatte. Sie wollte Ginny erzählen, wie es ist, Harry Potter zu küssen, es ihr vielleicht sogar zeigen?

In Gedanken versunken merkte Harry nicht, wie er doof rumstand, als alle anderen sich schon gesetzt hatten. Beziehungsweise Ginny sich Shampoo holen ging. Sie kam wieder runter und zupfte Hermine am Ärmel.

„Komm, Waschtag!"

„Was soll ich denn waschen?", fragte Hermine.

„Deine Bluse?"

„WAAAAAAAAAAAS?" Hermine sprang auf und schlang ihre Arme um sich. „Niemals! Da ist Dracos Kotze drauf!"

Ginny rollte mit den Augen. Ron kam zu ihr.

„Kann ich noch den Kartoffelbrei, den es zum Frühstück gab, essen?"

„Nein, Ron! Du hattest schon genug! Außerdem hast du dich schon an den Pommes überfressen, als hätt ich das nicht gesehen!"

Ron wurde rot und setzte sich wieder. Harry grinste. Hermine versuchte, ihren Bauch zu küssen, wo die meisten Kotze war, und machte ungelenkige Verrenkungen. Ginny seufzte und schnappte nach ihr.

„Jetzt reicht's, Mädel! Komm mit!", befahl sie, und die beiden verschwanden.

„Frauen!", stöhnte Ron. Harry setzte sich zu ihm und bekam das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht.

„Oh ja. Wenigstens bin ich Ginny los."

„Ähem. Also, bereit für neues? Hast du schon mal Erfahrungen mit einem Jungen gemacht?"

Harry kniff die Augen zusammen.

„Hör auf damit! Ich spare mich für meine einzige und echte Liebe auf, klar? Ich halte nicht von diesem Durch- Die- Gegend- Gevögel bis man vielleicht mal den Richtigen findet."

Ron wurde rot. „Ich doch auch nicht. Aber woher weißt du, wann du den oder die gefunden hast?"

„Das werde ich schon fühlen, ne? Mit ihm kann ich lachen und mich amüsieren und auch über ernste Sachen reden."

Ron nickte. „Wir reden ja nie über ernste Sachen, und lachen tun wir erst recht nicht!"

„Mann Ron! Das ist… anders! Es muss auch so ein bestimmtes Gefühl dabei sein!"

-o-o-o-

Draco Malfoy hatte zu genau diesem Zeitpunkt so ein bestimmtes Gefühl. Nachdem er sich heute übergeben und sich mit dem Taschentuch – verzeiht, Serviette –, mit der er die Kotze von seinem Mund gewischt hatte, sein Auge berührt hatte, musste er sogleich noch mal unter die Dusche springen, da half alles nichts.

Und kaum, da er unter Dusche stand, ließ er den Morgen vorüberziehen. Als er zu dem Teil mit Potter kam, konnte er nicht weiter machen, denn ihn plagte eine Erektion, und wenn man ein Malfoy war, war die beachtlich groß und forderte sofort Aufmerksamkeit!

Draco verschwendete keinen Gedanken daran, dass er trotzdem noch die ganze Zeit an Potter dachte. Es war aber auch zu lustig gewesen! Und Potter hatte sich gut angefühlt, da gab es nichts zu leugnen.

Später kam er aus der Duschkabine, wickelte sich ein Handtuch um die Hüften und wollte sich seine Klamotten nehmen. Parkinson stand da.

Warum ging er auch ins Vertrauensschülerbad, wo sie doch auch ein Vertrauensschüler war. Sie hielt seine Kleidung.

„Draco, ich frage dich nur einmal! Hast du was mit der Weasley oder willst du gerne was mit ihr haben?"

Draco seufzte entnervt auf. „Das geht dich nichts an."

„Also doch, ich wusste es!", kreischte sie. Und mit seinen Sachen in der Hand lief sie hinaus.

„PANSY! KOMM ZURÜCK!"

Draco war mit einem Sprung an der Tür und schielte hinaus. Er sah sie noch um eine Ecke verschwinden. Dann hörte er Stimmen. Nicht in seinem Kopf, sondern aus der anderen Richtung. Sie klangen wie – oh verflucht, Granger und Weasley. Und Granger war Vertrauensschülerin!

Draco sprang wie vom Cruciatus getroffen zurück und sah sich hektisch um. Wenn sie ihn so sah, halb, nein, dreiviertel nackt, dann war es um ihn geschehen. Er lief zu den Duschkabinen und zog gerade noch rechtzeitig die Tür hinter sich zu.

„…übertreibst, was hast du schon von seiner Kotze?"

Weasleys Stimme, in einer Tonlage, die Draco gar nicht kannte.

„Seufz Ich liebe alles von ihm. Und wenn es seine Kotze ist!"

Warte mal! Sprach Granger etwa von seiner Kotze? Die von heute Morgen? Urks.

„Bitte, Hermine! Du hast Harry geküsst, und dafür fordere ich, dass du deine Bluse wäscht!"

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"

„Hermine! Du willst nicht im Ernst diese Kotze behalten!"

Eine Stille folgte, dann ertönten Geräusche, als finde ein Handgemenge statt. Ein Ratschen von Kleidung klang durchs Bad, dem ein Aufschrei folgte.

„Ginny! Das verzeihe ich dir niemals!"

„Hermine, du kannst sie wieder ganz zaubern!"

‚Hermine' sagte darauf nichts mehr. Draco hoffte inständig, dass die beiden endlich in eine Duschkabine verschwanden, damit er sich aus dem Staub machen konnte. Er fragte sich, wie ekelhaft man sein konnte. Ein Kleidungsstück mit getrockneter Kotze anbehalten zu wollen… da war ihm Parkinson ja sympathischer. Denn die hatte sich umgezogen.

Aber das mal beiseite. Noch mehr Kleidungsrascheln ertönte, sie zogen sich wohl gerade aus. Draco grinste. Das Schlammblut war ekelhaft, das würde er nicht berühren, aber die kleine Weasley, die hatte sich ihm doch auch angeboten? Wäre sie nicht mit ihrer Freundin da, hätte er es sich durch den Kopf gehen lassen. Manchmal ist es nötig, Grenzen zu überschreiten. Allerdings gab es auch Grenzen, die alleine schon sein Gefühl ihm einzuhalten gebot.

Wasserrauschen erklang und Draco atmete auf. Er steckte seinen Kopf raus. Nichts verdächtiges. So weit und fast schon gut. Er würde in einem Handtuch zum Kerker rennen müssen. Es würde oberpeinlich werden.

Parkinson würde dafür sterben müssen.

-o-o-o-

„Ich denke, du solltest wenigstens ausprobieren, zu welchem Geschlecht du dich mehr hingezogen fühlst! Zu Ginny oder zu mir!"

„Ron, jetzt mal ehrlich!"

Harry wich vor Ron zurück und stieß gegen die Wand. Ron kam immer näher, Harry duckte sich und schlüpfte an ihm vorbei.

„Was wollt ihr denn bloß alle von mir! Ist alleine meine Sache, mit wem ich was haben will! Und vor allem, mit wem ich nichts haben will!"

Mit einem letzten entsetzten Blick zu Ron schlüpfte Harry durch das Portraitloch. Davon bewegte er sich weg, Ron konnte ja auf den Gedanken kommen, ihm zu folgen. Er verfluchte das Fehlen seines Lieblingsumhangs und begnügte sich damit, sichtbar durch die Gänge zu streifen. War ja schließlich tagsüber. Ein helllichter Samstag. Niemand konnte ihm etwas tun.

„Harry, oh Harry!"

Harry verdrehte sie Augen. Ja, auch diese Stimme kannte er. Romilda. Vane. Die Verrückte aus dem Jahrgang unter ihm. Man könnte meinen, sie wäre mit Luna befreundet, aber dafür war sie sich wohl zu gut. Ach ne, Gryffindor.

Harry nahm seine Beine in die Hand. Da es aber schwer war, so zu laufen, stellte er sie wieder auf den Boden und flitzte los, als wäre er der neue Feuerblitz höchstpersönlich. Er wusste nicht, wo er hinlief, wie viele Treppen rauf oder runter. Er wusste nur, dass Vane ein Miststück von Eins- A- Qualität war, sie ließ einfach nicht locker und immer wieder ertönte ein „Harry, oh Harry!" hinter Harry, oh Harry.

Das nächste, was er mitbekam, war, das etwas glitschiges und nasses sich unter seinen Fingern befand. Nein, unter seinem gesamten Körper, denn er lag darauf. Bei näherem Hinsehen stellte sich dieses nasse Etwas als Draco Malfoy heraus, der sofort anfing, herumzuzetern.

„Potter, ich mag dich ja auch, aber können wir das woanders hin verschieben?"

Harry starrte das Etwas – äh, Malfoy unter sich an und sein Mund klappte auf.

„Du magst mich?", fragte er.

Malfoy hielt es für angebracht, rosa zu werden (wahrscheinlich ist es einem Malfoy verboten, rot zu werden). Dann stieß er Harry von sich.

„War nur so ne Redensart."

„Malfoy – du bist nackt."

„Ich habe ein Handtuch an, du Schlaumeier!"

„Harry, oh Har- oh!" Romilda Vane kam schlitternd zum Stehen und starrte auf sie hinab. Ihre Augen weiteten sich. Ihr Mund klappte auf. Dann blieben ihre Augen auf Malfoys Oberkörper hängen.

„Draco, oh Draco!", murmelte sie.

Harry grinste und Malfoy war an der Zeit, verwirrt auszusehen.

„Was? Nenn mich gefälligst nicht - ach, scheiß drauf. Komm, Potter!"

Er stand umständlich auf, damit ihm auch ja niemand etwas weggucken konnte, und zog Harry hoch. Harry verkniff sich einen zweiten Lachanfall des Tages. Malfoy zog ihn in ein Klassenzimmer, schlug die Tür zu, verhexte sie und legte ein Ohr dran.

„Das war gut. Wir haben ihren Schockzustand ausgenutzt. Mal schauen, wie lange er noch anhalten wird."

Harry war nun gar nicht mehr nach lachen zumute. Irgendwie, aus einem unbekannten Grund, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Hing es damit zusammen, dass er den Blick nicht von Malfoys weißen Körper abwenden konnte? Der sich nun gegen die Tür lehnte und die Arme verschränkte?

„Potter! Genug geträumt! Hast nicht zufällig einen Umhang oder andere Klamotten mit?"

Harry schüttelte den Kopf. „Ich kann dir meine geben."

Malfoy lachte auf. „Potter, wie blöd bist du? Ich will die anziehen und damit nach unten gehen!"

Harry begann, mit Blick auf Malfoys Brustwarzen, die sich zusammengezogen hatten, sein Hemd aufzuknöpfen. Er wusste jetzt, was alle immer von ihm wollten. Er wusste jetzt auch, was Hermine von Malfoy wollte. Und oh, er wollte es auch. Dann würde er halt ebenso zu einem hirnlosen Idioten werden.

„Potter! Das sollte Nein heißen!"

„Ich weiß", sagte Harry und zog sich sein Hemd ganz aus, darunter trug er nichts. Warum auch. Er erwiderte Malfoys Blick. Der hob eine Augenbraue an.

„Oho. Da ist aber jemand kess."

„Kess? Was ist das denn für ein Wort?"

Harry stellte sicher, dass Malfoy mit Denken beschäftigt war, und ging auf ihn zu, bis er kurz vor ihm stand. Ich muss nur mein Hand ausstrecken, dann kann ich ihn berühren… aber will er das überhaupt? Er wird mich sicher töten!

„Dreist, flott und munter. Such dir eine Bedeutung aus", sagte Malfoy. Er stieß sich minimal von der Tür ab. Harry schloss seine Augen, nun waren sie wirklich nur noch Millimeter voneinander getrennt.

Und dann durchzuckten ihn Blitze an der Brust. Malfoy war noch leicht nass und sehr kalt. Harry wagte es, eine Hand auf seinen Rücken zu legen und auf und ab zu streichen. Es war kaum zu glauben, aber unter dieser kleinen Berührung seufzte Malfoy schon auf. Harry grinste.

„Das wollte ich schon immer mal tun", sagte er.

„Ach ja? Das glaube ich dir nicht."

„Doch. Ich weiß es bloß erst seit gerade, na ja, seit heute morgen habe ich schon was geahnt."

Harry blickte auf und verschmolz mit Malfoys Augen. Mit einem Mal spürte er, wie sich warme Lippen auf die seinen pressten.

Endlich, schoss es ihm durch den Kopf. Danach konnte er nicht mehr denken. Für ihn existierten nur noch diese Lippen, dieser Körper und diese Hände, die auf einmal überall waren. Sie strichen über Harrys Rücken, seinen Bauch, fuhren durch seine Haare und streichelten Harrys Po. Dann nestelten sie an Harrys Hose herum. Harry fuhr erschrocken zurück und blickte Malfoy an.

„Hast du das schon mal gemacht?"

Malfoy öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sagte: „Hm, ich bin keine Jungfrau mehr, wenn du das meinst."

„Du hast dich also jedem hingegeben, der es dir angeboten hat?"

„Nein, sicher nicht. Das Schlammblut zum Beispiel –"

„Nenn sie nicht so!"

„Dann eben Granger, die würde ich nicht einmal mit einer Zange anfassen!"

Harrys Gedanken drängten sich an die Oberfläche. Hermine war in Malfoy verliebt. Wenn er jetzt etwas tat, würde er ihr in den Rücken fallen.

Und Malfoy –

„Was soll das bedeuten, keine Jungfrau mehr? Wie viele?"

„Harry, ist das wichtig?"

„Ja."

„Drei."

„Wann war dein erstes Mal?"

„Was wird das hier, ein Verhör?"

„Sag es mir!"

„Na schön. Warum tue ich das überhaupt? Bin ich verrückt? Ich muss es sein! Aber ich bin ein Malfoy! Und ich führe gerade Selbstgespräche. Ach, das wollte ich eh machen. Malfoys dürfen nicht verrückt werden! Malfoys dürfen vor allem nicht mit Potters ficken!"

Harry atmete entsetzt ein. Dann drehte er sich um, nahm sein Hemd und zog sich wieder an.

„Öffne die Tür, Malfoy! ÖFFNE SIE!"

„Was ist denn jetzt los?"

„Na was wohl! Ich bin nur ein Objekt für dich so wie für alle anderen! Einmal Spaß haben und dann der nächste! Wie kam ich überhaupt darauf, dass du anders sein könntest?"

Malfoy klappte zum wiederholten Male der Mund auf. „Ich… weiß nicht, was du über mich denkst! Alle, mit denen ich was hatte, habe ich… hm nein. Anders ausgedrückt: Du bist.. ich würde mit dir nichts anfangen wollen, wenn ich nicht von dir angetan wäre!"

„So viele schöne Wörter ohne Aussage. Lass mich vorbei."

Malfoy verschränkte die Arme.

„Nein. Wenn ich dich jetzt gehen lasse, wäre das sehr, sehr dumm. Und ich würde Harry nie wieder sehen, nur noch Potter."

„Seit wann stört dich das?"

Harry startete, sein Hemd noch offen, einen Frontalangriff. Er trommelte auf Dracos Brust herum. Der fasste einfach seine Handgelenke und küsste den zappelnden Harry. Harry konnte sich nicht wehren, wollte sich nicht wehren. Was hatte Malfoy, was hatte Draco, was die anderen nicht hatten? Was hatte er, dass Harry dahinschmolz, seinen Willen verlor?

Malfoy löste sich und blickte Harry an. „Du kannst jetzt gehen. Aber versprich mir, dass wir uns wiedertreffen! Als Harry und Draco, nicht als Potter und Malfoy. Bitte. Ich bin ein Malfoy und ich bettle, wenn das mal kein Beweise ist. Ja, der Beweis meiner Dummheit."

Er schüttelte den Kopf und Harry musste grinsen. „Ich wusste gar nicht, wie verrückt du bist, Mal- Draco. Aber einverstanden."

„Wir lassen es langsam angehen, so wie du es willst", sagte Draco.

Harry nickte. Grinsend trat Draco zur Seite, sodass Harry die Tür öffnen konnte. Mit einem Seitenblick auf Draco meinte er: „Warte hier. Ich hab einen Tarnumhang."

-o-o-o-

„Ron, du kleines Ferkel", rief Hermine aus. Sie schlug Ron auf den Hinterkopf, um ihn daran zu hindern, das Essen von ihrem Teller zu saugen. Ginny, die ihnen in der Küche von Black Manor, was jetzt eigentlich Potter Manor heißen müsste, Harry sich aber beharrlich weigerte, es umzubenennen, lachte. Und dann kuschelte sie sich an ihren Ehemann, der neben ihr saß.

„Verrückt, die beiden. Schmuddelig und ekelhaft und verrückt."

„Die Betonung liegt auf ekelhaft", sagte Draco, der gerade hereinkam und ein Tablett auf die Anrichte stellte. Harry kam nach ihm rein und rutschte auf die Bank neben Ginny.

„Nein, die Betonung liegt auf verrückt", sagte er lachend. Draco setzte sich neben ihn und legte besitzergreifend einen Arm um ihn.

„Ekelhaft, ganz eindeutig", sagte er, als Hermine Ron zu sich zog und ihn küsste. Bei dem Kuss tropften Sabbertropfen auf ihre Bluse. Die Bluse hatte Spitzen und einen tiefen Ausschnitt. Sie kam Draco ganz schwach bekannt vor.

„Hermine, hast du die Bluse schon lange?"

Hermine unterbrach ihren Kuss und sah Draco an. Dann grinste sie. „Ja. Sehr lange. Sehr, sehr lange. Seit Anfang der siebten Klasse."

Draco überlegte. Wie lange war das jetzt her, zehn Jahre…? Und dann fiel es ihm ein.

„Oh."

Hermine nickte. „Ganz genau." Dann fuhr sie fort mit ihrer Tätigkeit.

„Zum Glück haben wir diesem Beziehungswirrwarr ein Ende gesetzt und letztendlich unsere richtigen Traumpartner gefunden. Das Rumpubertiere war ja nicht auszuhalten. Jeder wollte mit jedem."

„Und du natürlich nicht, ne, Neville?", fragte Harry.

Neville grinste. „Ich nicht. Ich war von Anfang an in Ginny verliebt, hab es ihr aber nie gesagt."

„Nie in der Schulzeit", ergänzte Ginny.

„Und ich habe nur auf Draco gewartet. Nicht wahr, Schnucki?"

Draco zwang sich zu einem Grinsen. „Natürlich, Harry. Du warst halt ein bisschen prüde."

Harry fuhr Draco durch die Haare, der Harrys Hand schnell wegschlug.

„Mann Draco, ich kann dich noch mit denselben Sachen wie damals ärgern. Spitznamen und Haarwuscheln."

Statt einer Antwort riss Draco Harry zu sich und küsste ihn. Harry konnte Neville nur zustimmen: Es war immer gut, den Richtigen zu finden. Und der Richtige für Harry war Draco und umgekehrt. Mit der Zeit hatte das jeder eingesehen und selbst die Ungläubigsten waren überzeugt worden. Selbst diejenigen, die Hermine oder Ginny in ihrer lächerlichen Absicht, die beiden auseinander zu bringen, unterstützt hatten.

Harry Potter und Draco Malfoy waren eben das Traumpaar schlechthin.