Du weißt, was es heißt,
Du kennst den Preis,
In diesem Spiel, das LEBEN heißt.
Mach Dich bereit!
Es kommt die Zeit,
in der Du wissen musst,
wie's weiter geht!
Du hast den Dreck von der Gosse geleckt.
Du weißt, wie Scheiße schmeckt.
Du hast die Straßen geseh'n,
wie Freunde untergehen.

-Nie wieder-
- - Onkelz - -

Colin zog am Reisverschluss seiner neuen – bzw. neu Secondhand-gekauften... – Bomberjacke, als ob die geschlossene Jacke auf die Art irgendwie noch höher reichen würde. Ziemlich dämlich, zugegeben.Während sie im Pup über ihren 2 Sandwichs und 4 Bieren gesessen hatten, war draußen inzwischen wunderschönes Englandwetter aufgezogen.
Der Mittagshimmel war grau geworden und es hatte bereits genieselt, als er und Coxy durch die Tür ins Freie getreten waren; die Mischung aus kaltem Zigarettenrauch, Alkohol und Kellermief im Rücken lassend.
Coxy war losgelaufen und er war ihm einfach hinterher. So waren sie lachend durch die Straßen gerannt. Das heißt, am Anfang hatte nur Coxy gelacht, im Rennen immer wieder wilde Pirouetten gedreht; war einmal auf allen Vieren gelandet, nur um dann mit einem „Ups" aufzustehen und einfach weiterzumachen. Colin hatte sich von dieser Dynamik mitreißen lassen. Sie waren gerannt, wie Teufel, lachend und grölend.
Am Ende hatte ihn Coxy zu einem ziemlich niedergekommenen Häuserblock geführt. Als sie sich beide gegen die beschmierte Haustür gelehnt hatten, mussten sie erst mal eine gute Minute zu Luft kommen. Colin hatte sich nicht erinnern können, jemals so sehr außer Atem gewesen zu sein. Und trotz allem hatte er sich gut gefühlt – mehr als das! Er hatte sich einfach nur sauwohl gefühlt!

Jetzt lief er langsam, trottend, hielt den Kopf gesenkt. Inzwischen schüttete es wie aus Eimern und Colin versuchte verzweifelt, wenigstens halbwegs durch seine Brille zu sehen.
Sie hatten sich im Hausflur verabschiedet. Coxy hatte ihn auf keinen Fall mit hoch nehmen wollen.
Den Scheiß tut man sich einfach nicht freiwillig an", hatte er zu ihm gerufen, während er schon das erste Treppenhaus hoch lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Colin hatte das etwas traurig gemacht. Nicht, das Coxy ihn nicht mitnehmen wollte, sondern das er offensichtlich eine so schlimme Familie hatte. Denn obwohl Coxy bei seinem Satz gelächelt hatte, seine Augen hatten nicht mitgelächelt. Colin war klar, dass seine Leichtigkeit gespielt gewesen war und jetzt hatte er auch eine Vermutung, wieso Coxy die Nacht bei ihm hatte verbringen wollen...

Colin seufzte, fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn, als ihm der Regen hinter die Brille in die Augen lief.
Und dann plötzlich hörte er den lauten Ruf:
„OI! WALLY!"
Colin blieb stehen und drehte sich um. Da kam Coxy im Laufschritt auf ihn zu. Sein Herz machte einen freudigen Sprung. Hatte er ihn tatsächlich so vermisst? Aber sie hatten sich gerade mal vor 2 Minuten getrennt!
„Hey, du wirst nass!", rief er Coxy entgegen.
„Klugscheißer!" Der Skinhead bremste seinen Lauf fiel zu spät, sodass er mit seinem Oberkörper gegen Colins Brust stolperte. Colin bekam das Gefühl nicht los, dass er es mit Absicht gemacht hatte.„Und du bist es schon!"
„Eh?"
Coxy gab ihm einen kleinen Schlag auf den Hinterkopf.
„Nass! Du brauchst was auf'm Kopf!"
Colin fuhr sich über die nassen Haarstoppel.
„Werd' meine Kapujacke das nächste Mal anziehen."
„Deine alte Jacke? Dieses grüne Anorakding?"
„Yeah."„Den Mottensack kannst verbrenn'! Die Neue is' perfekt! Du brauchst nur noch so was", und er deutete auf seine schwarze Mütze.
„Ich hab' kein Geld."
Coxy lachte.
„Was du nicht sagst." Das Lachen verstummte und Coxy schien zu überlegen. Er musterte Colin mit schiefgelegtem Kopf, scheinbar ohne davon Notiz zu nehmen, dass der Regen in Strömen auf ihn niederprasselte. Colin musste sich zwingen nicht unentwegt auf Coxys nasse, glänzende Haut zu starren.
„Hmm.." Coxy nahm kurzerhand seine Mütze vom Kopf und in einer schnellen, fast aggressiven Bewegung – Colin fragte sich, was er damit überspielen wollte – setzte er sie ihm auf den Kopf.
„Aber..."
„Ach, halt die Klappe! Ich hab keine Lust, mir dann dein Gewinsel anzuhören, wenn du krank bist."
„Ich werd' nicht winseln."
Coxy lächelte.
„Ja, ja, du wirst sie trotzdem behalten."
„Was?" Colin blickte ihn entgeistert, jedoch nicht ohne einen gewissen, freudigen Funken in den Augen, an.
„Ich hab sie dir grad geschenkt, okay!"
„Oh...danke..."
„Mach kein Drama draus", knurrte Coxy und Colin hätte trotzdem schwören können, dass Coxy etwas rot geworden war.
Colin trat einen Schritt nach vorn, bekam das Revers von Coxys Bomberjacke zu fassen und ohne wirklich darüber nachzudenken, zog er ihn in einen harten gab einen kehligen Laut von sich. Colins Überraschungsangriff hatte ihm keine Möglichkeit gegeben, noch mal Atem zu holen. Er zog die nötige Luft durch seine Nase ein, mit einem Geräusch, als würde er Tabak schnupfen.
Er neigte den Kopf etwas, erwiderte den Kuss, aber er kämpfte nicht mit Colin; ließ ihn den Kuss führen, willig antwortend.
Und die Welt blieb für kurze Zeit stehen. Das dreckige Stadtviertel, die heruntergekommenen Straßen, in denen sie ihre Leben tagtäglich fristeten – für einen Augenblick war alles verschwunden – ungeschehen gemacht – wann genau wussten sie nicht, aber irgendwann drehte sich die Welt natürlich weiter, wie es eben sein musste...
Colin spürte Coxy einen Schritt zurück machen und gab sein Revers frei. Dann erst öffnete er die Augen und mit einem tiefen Atemzug sah er Coxy vorsichtig an, ob der verärgert schaute – Coxy lächelte.


TBC