Du bist nicht wie ich.
Wie kannst Du über mich reden?
Du weißt nicht wie ich denke!
Ich leb' mein eigenes Leben...
Du weißt nicht, wie ich fühle,
Du weißt nicht, was es heißt,ich zu sein!
...
Wir sind noch lange, noch lange keine Freunde.
wir sind noch lange nicht so weit.

– Danke für nichts –
– – Onkelz – –

Mark starrte in das Bierglas vor sich. Er saß am Tresen, das Klicken von Billardkugeln im Rücken. Rusty spielte mit irgendeinem seiner Skinheadkameraden – er nahm die Stimmen wahr, aber er hörte nicht auf ihre Worte – es interessierte ihn überhaupt nicht. Es war ein paar Tage her, seit er mit Colin zusammengestoßen war. Colin war an jenem Abend nicht mehr wiedergekommen. Am nächsten Morgen hatte er in seinen Bett gelegen; solang geschlafen, dass Mark eine ungefähre Vermutung aufstellen konnte, wann sein Bruder in jener Nacht heimgekommen war. Er drehte sein Glas zwischen Daumen und Mittel – und Ringfinger, beobachtete die entstehende Wellenbewegung.Er seufzte. Seine Gedanken schienen ihm so nutzlos, sie bewegten sich im Kreis, absolut sinnlos.
Er seufzte, drehte den Kopf etwas über die Schulter und beobachtete Rusty bei seinem nächsten Stoß. Klack – nicht schlecht. Rusty gab sein berühmtes, geisteskrankes Lachen von sich. Mark fragte sich ernsthaft, wie weich die Drogen sein Hirn gemacht hatten; ob's da wirklich schon ernsthafte Schäden gab. Ach Scheiße! Mark drehte sich weg. Noch mehr Gedanken, die er jetzt echt nicht gebrauchen konnte! Im Prinzip konnte es ihm doch egal sein. Aber er erwischte sich trotzdem dabei, dass er immer noch über Rusty und das Warum seines Drogenkonsums nachdachte, als die Tür aufgestoßen wurde und: „OI!"
Nein, bitte nicht...
„HÄHÄ, OI COXY!"
Nein, bitte nicht!
Okay, irgendwie war er ja gekommen, weil er gehofft hatte, Coxy hier anzutreffen.
Auf der anderen Seite war er dann doch froh gewesen, dass er nicht hier gewesen war.
Mark wollte sein Gesicht echt nicht sehen müssen... 'Seine Lippen sind weich' –das rief alles sehr lebhafte Konstrukte in seiner Fantasie hervor. Der Gedanke, dass Coxy und Colin...
Mark fixierte für einen Moment das Bierglas, verdrängte seine Gedanken und schlichtete seine Gefühle soweit es ging, dann drehte er sich wieder zu den Stimmen. Genau in dem Moment, Coxy begrüßte den Skin via Handschlag, kam Rusty von der einen Seite des Billardtisches herum zu den Beiden.
„Alles klar, Cox?"
Coxy drehte sich zu ihm und winkte ab.
„Ach, drauf geschissen."
Rusty sah ihn für einen Moment ernst an.
Selbst Mark wunderte sich über diese Antwort – oder eher den Tonfall. Coxy schien ziemlich fertig zu sein und wollte mit Aggressivität jegliche Fragen in die Richtung abwürgen.
„Okay", sagte Rusty beschwichtigend.
Er zerrte Coxy an der Bomberjacke zu sich und ließ ihm gar keine Chance, in irgendeiner Forum Unmut kundzutun. Er griff einfach um ihn und mit einer Armbeuge in Coxys Nacken zog er ihn mit Heftigkeit in eine kameradschaftliche Umarmung.
Für einen Moment schien es, als würde Coxy angepisst reagieren, aber dann lehnte er sich sogar in die Umarmung hinein.
Mark sah Coxys rasierten Nacken und eine, vom Kneipendämmer verhüllte, Gesichtshälfte Rustys.
Er konnte es nicht genau sagen, aber Rusty schien zu sprechen; Coxy irgendwas ins Ohr zu flüstern. Der schien daraufhin seinen Griff um Rusty's Rücken zu verstärken und sein Gesicht in dessen Haar zu graben. Aber vielleicht bildete er sich das ja auch nur ein...
Mark drehte sich wieder Richtung Theke. Was für ein groteskes Szenario. Oder warum eigentlich? Klischeevorstellungen, von wegen Skins contra Zärtlichkeit?
Hallo, Gehirn! Bitte nicht zu viele philosophische Scheißgedanken! Mark glaubte, Kopfschmerzen zu bekommen.
Er seufzte. Wie abgestimmt, ging in exakt diesem Moment die Tür. Er drehte sich um, wollte sehen, wer gekommen war. Aber falsch: es war niemand hereingekommen, es war jemand gegangen. Ein Blick in Richtung Billardtisch – Coxy.
Mark stand verräterisch ruckartig auf, warf seine abgezählten Fund auf den Tresen und ging zur Tür.
„Oi!" Rusty... „Lass ihn!", brüllte er ihm hinterher.
„Halt die Schnauze", rief er zurück und hatte längst die Tür auggerissen.
Mark sah sich schnell um. Da!
„Hey, Skinhead!"
Coxy lief kaum 100 Meter vor ihm, gerade an einer der wenigen nichtzerstörten Sitzbänke vorbei. Jetzt blieb er abrupt stehen und wirbelte herum.
Er hatte schon ein kämpferisches Gesicht aufgesetzt, offensichtlich in der Vermutung, einen Punk vor sich zu haben. Als er Mark sah, wurde sein Gesicht – 'freundlich' wäre sicher maßlos übertrieben – aber vielleicht etwas weicher.
„Rennst du mir hier hinter?"
„Du hattest nicht mal Hallo gesagt." Mark schloss während des Sprechens die Distanz zwischen ihnen auf.
Coxy musterte ihn einen Moment.
„Hallo", erwiderte er dann relativ tonlos.
Mark sagte nichts weiter.
„Und!" Coxy hatte wirklich keinen Nerv für irgendwelche Spiele! „Was willst du von mir!"Mark zog einen Gedanken aus seinem Gedankenteufelskreis: Coxy sah echt fertig aus. Nicht wirklich krank, oder müde, aber irgendwie trotzdem am Ende der Kräfte – um die Augen herum, oder vielleicht darin...?
Aber war das jetzt sein Problem? Hier ging es um Colin! Hier ging es um seinen Bruder!
„Ich will wissen, was du mit meinem Bruder gemacht hast!"
Coxy zog die Stirn in Falten.
„Äh? Was soll'n die Anmache!"
„Er ist mein Bruder! Ich hab ein Recht darauf zu erfahren, wenn ihr was mit'nander habt!"
Für einen Moment herrschte Schweigen, als Coxy ihn mit ungewohnt erstem Gesicht ansah.
Nicht angepisst, nicht aggressiv, nur ernst und Mark fand, das dieser nachdenkliche Gesichtsausdruck nicht zu einem Skinhead passte.
„Warte mal, meinst du Sex? Du denkst Colin und ich..." Coxys Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
Bei dem Grinsen, das Mark begegnete, begann er sich extrem unwohl zu fühlen.
„Naja.." Fuck, jetzt wurde er nicht bitte auch noch rot!
Coxy fing an zu lachen und begann um ihn herumzutanzen. Mark beobachtete ihn einfach nur schweigend und fluchte innerlich.Die Szene dauerte einzwei Minuten, bis es Coxy langweilig wurde und er sich mit einem theatralischen Seufzen hart auf die Bank hinter sich fallen ließ.
„Und selbst wenn es so wäre, was wär's dann dein Problem?"
„Was?" Mark sah zu ihm herab. Die Frage hatte nicht aggressiv geklungen, maximal etwas bitter amüsiert. Coxys Gesicht war wieder ruhig, beinah sachlich und Mark wunderte sich.
„Dein Problem", wiederholte er die Frage – wieder verhältnismäßig neutral.
„Mein Problem", und Mark verschränkte die Arme vor der Brust, „ist, dass Colin überhaupt keine Ahnung von der Sache hat."
„Aha, die Sache", warf Coxy mit provozierender Betonung ein. Mark versuchte es zu ignorieren.
„Und Zweitens kenn' ich dich!" Coxy hatte ihm die ganze Zeit angesehen – so konzentriert. Jetzt lief ein Zucken um seine Augen. In der entstandenen Stille stand er auf – langsam, seltsam langsam – und blieb erst stehen, als beide Stahlkappen seiner weinroten Doc Martins keinen Zentimeter Luft zu Marks Schuhen ließen und sie sich beide fast berührten – fast.
Coxys Gesicht war immer noch ernst, aber jetzt war ein kalter Glanz in seinen blauen Augen.
„Erstens" und es klang wie eine Drohung, „kennst DU mich überhaupt nicht." Mark nickte kaum sichtlich mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck.
„Und Zweitens hat er wahrscheinlich mehr Ahnung von Liebe, als du!"Mark blinzelte; diesen Satz hatte er nicht unbedingt von Coxy erwartet. Er schwieg, was den aber offensichtlich vollends in Rage brachte.
„Hast du mich verstanden!"
„Du weißt, dass er nicht der Klügste ist!", erwiderte Mark, jetzt ebenfalls lauter werdend. Dieser Satz schien etwas in Coxy auszulösen. Mark würde darauf schwören, für eine Sekunde ein tödliches Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben.
„Colin WEISS, was er will!", schrie ihm Coxy direkt ins Angesicht. Mark verzog das Gesicht, hob beide Hände, presste sie hart gegen Coxys Schultern und stieß ihn mit voller Kraft weg.
„Du spielst doch nur mit ihm!" Mark glaubte, lauter hatte er in seinem ganzen Leben noch nie griff im Fallen nach hinten und fing sich gerade noch, indem seine Handflächen hart gegen die Lehne der Bank stießen, die Kante der Sitzfläche hart in den Kniekehlen, die Handgelenke definitiv zu stark nach hinten gedehnt. Scheiße, es tat weh, wie sau!
Wut kochte in ihm hoch, er machte einen großen Schritt vor, wieder auf Mark zu und packte ihn hart mit beiden Händen. Dabei sah er ihm so eindringlich in die Augen, dass Mark dem Blick zwar trotzdem nicht auswich, sein Herz sich aber Richtung Hose verpisste.
Coxy schien einen Augenblick zu überlegen, ob er zuschlagen sollte, gab dann jedoch nur ein verächtlichen Laut von sich und ließ Mark los.Der beobachte ihn genau. Coxy ging einige Schritte, blieb dann jedoch stehen und Marks Muskel spannten sich wieder. Würde er doch 'ne Schlägerei anfangen – was sonst!
Aber Coxy blieb einfach unbewegt stehen, mit dem Rücken zu ihm und Mark sah mit einem etwas flauen Gefühl abwartend auf Coxys Nacken.
Dann endlich, drehte der den Kopf soweit über die Schulter, wie es ging und beinah schon gefährlichleise sagte er: „Und ich glaube, du unterschätzt deinen Bruder gewaltig."
Dann ging er weiter, um die nächste Häuserecke rum und dann war er weg. Mark blieb alleingelassen zurück.


TBC...