War'n wir auf der Flucht?
Sollte es so sein?
War es zu intensiv?
Oder war'n wir nicht so weit?
War es die Lösung – der Weg ins Freie?...
Wie konnte ich so blind sein?
Wie konnt' ich glauben, ich kann sehn'n!
Hat Gott auf mich geschissen?
Oder warum ließ ich Dich gehen?
Wieder spür' ich diese Sehnsucht.
Du bist schon lange nicht mehr hier.
Sag mir, was hast Du getan?
Denn Dein Licht brennt immer noch in mir.
Für immer...

- Für immer -
- - Onkelz - -

Colin lag allein in ihrem Zimmer. Vater und Mutter waren schon wieder zu Tante Barbara gefahren, aber diesmal allein. Colin lauschte und hörte immer noch leise Stimmen aus dem Fernseher. Mark lag auf der Couch, allerdings war er schon vor einer Stunde oder so eingeschlafen. Colin hatte sich nicht getraut, ins Wohnzimmer zu gehen, um die Kiste auszuschalten. Er wollte seinen Bruder nicht wecken. Sie hatten sich in den letzten Tagen zwar wieder halbwegs zusammengerauft, aber nur, solange sie beide das Thema 'Coxy' vermieden. Colin seufzte. Coxy...er hatte ihn seit einer Woche nicht mehr gesehen. Er war nicht einen Tag im Pup gewesen.
Als er Rusty einmal angesprochen hatte, hatte der nur gesagt: „Lass ihn einfach mal, Col. Cox braucht bissl Zeit." Zeit? Wofür? Hatte er wieder Probleme daheim? Aber beim letzten Mal war er auch damit zu ihm, Colin, gekommen! Wollte er nicht mehr mit ihm reden? Wollte er ihn nicht mehr sehen? Hatte er mit seinem Kuss alles kaputt gemacht? Er war doch einfach nur seinem Gefühl gefolgt!
„Shit", murmelte er leise zu sich selbst. Er starrte zur Zimmerdecke und rief sich ihr letztes Treffen vors geistige Auge. Er hatte Coxy an jenem Abend nach seinem Scheißstreit mit Mark noch mal gesucht und in ihrem Viertel fand man meistens, wen man suchte.
„Oi, Colin!", rief Rusty quer über den Platz und winkte.
Coxy hatte grad in die andere Richtung geguckt. Bei Rustys Worten drehte er sich um und sah ihn, Colin, etwas überrascht an. Nach einer Sekunde lächelte auch er.

Colin zog sein Zigarettenpaket aus der Brusttasche, zündete ein Streichholz an und inhalierte tief. Dann ließ er sich zurück aufs Kopfkissen fallen und schloss die Augen.
Seine Gedanken sprangen.
Er war gemeinsam mit Coxy langsam, durch das Viertel gelaufen und währenddessen hatte er ihm von der Auseinandersetzung mit Mark erzählt. Coxy hatte immer wieder genickt.
Als Colin eben fertig war, waren sie in einer dunklen Sackgasse gelandet, ganz in der Nähe von Coxys Wohnblock. Da gab Coxy ihm statt tröstender Worte eine Umarmung.
Colin schloss die Augen und versuchte sich jede Sekunde dieses Momentes einzuprägen.
Als Coxy die Umarmung langsam löste, hob er genauso langsam die Lider. Coxy hob eine Hand, wobei sein Handrücken Colins Bauch entlang strich. Colin wagte nicht, sich zu bewegen, er glaubte, er hielt sogar den Atem an.
Er spürte Coxys Finger durch den Stoff seiner Jacke. Sie fuhren von seinem linken Schulerblatt aus sanft zu seinem Nacken und schließlich über seine kurzrasierten Haare. Coxy lächelte.

Weißt du, ich mag deine Haare so, wie sie jetzt sind", flüsterte er und ließ seine Hand in Colins Nacken.
„Yeah?"
„Yeah. Wie'n Babyigel."

Eh?"
Die ham Stacheln, die sin' noch weich. So weich..." und als müsste er noch mal beweisen, wie weich, nahm Coxy ihm mit der einen Hand die Mütze vom Kopf und mit der anderen strich er langsam vom Nacken aufwärts über Colins Haar.
Ohne das Colin es wollte, lief dabei ein kleines Zittern durch seinen ganzen Körper – dabei war ihm doch gar nicht kalt!
Coxys Hände fuhren zwei – nein, dreimal über seinen Schädel, dann hielten sie inne, um sich einen Augenblick später rechts und links auf seine Wangen zu legen; die Daumen gegen seine Nasenflügel gedrückt.

Du willst, dass ich dich küsse, yeah?"
Colin schwieg einen Moment, dann nickte er in Coxys Händen. Der lächelte. Ein herausforderndes – vielleicht auch etwas schmutziges Lächeln.
Dann – Colin erschrak, weil es so plötzlich kam – drückten die Daumen schmerzhaft hart gegen seine Nase, Coxy kam noch näher, bis ihre offenen Jacken sich ineinander schoben und mit einer ruckartigen Bewegung seines ganzen Körpers, stieß Coxy ihn ziemlich hart rücklings gegen die kalte Wand.
Colin spürte die Wärme und das Gewicht Coxys Köper auf seiner Brust und die nasse Kälte der harten Häuserwand im Rücken.

Alles klar?", flüsterte Coxy in sein Ohr.
Colin merkte, dass er total verkrampft war, er fühlte sich gefangen und ein Teil von ihm wollte nach vorn springen, aber der andere sagte: „Alles klar."
Coxy beugte sich zu ihm herunter und – er hatte nicht gemerkt, dass er den Mund geöffnet hatte, aber es musste wohl so sein, denn – plötzlich spürte er Coxys Zunge.
Coxy schmeckte nach kaltem Rauch, billigem Bier und irgendwas, was Colin nicht genau sagen konnte.
Er konnte sich nicht bewegen, aber seine Zunge schien ganz von selbst zu einer nichthörbaren Musik zu tanzen. Das ganze war befremdlich und Colin fragte sich, ob das alles hier eine gute Idee war.
Coxy brach den Kuss und drückte sein Gesicht gegen Colins Kehle. Er nuschelte etwas, dass der so nicht hören konnte. Coxy schob Colins Bomberjacke etwas zurück und ließ seinen Mund über Colins Schlüsselbein wandern.
Als der begann zu lachen, sah er auf.

Was?"
„Das grabbelt", antworte Colin.

Ach wirklich?" Coxy grinste und ohne den Blick abzuwenden, schob er seine Hände hinter die Jacke und kitzelte Colin mit beiden Händen.
„Hör auf", lachte Colin, drückte sich mit einem Stiefel etwas von der Wand ab und Coxy ließ ihn los. Colin strecke die Arme aus und erfasste Coxys Handgelenke.

Colin zitterte, zog an der Kippe und hüllte sich fester in die hellblaue Baumwolldecke.


TBC - noch 2 kurze Kapitel