vielen Dank für die Reviews! Und viel Spaß ;-)

2. Die Stimme aus dem Nichts

Er hatte sich kein bisschen verändert:

Groß – Schwarz – unheimlich – beängstigend – unüberhörbar fluchend marschierte er in der Eingangshalle auf und ab.

Ich ging langsam auf ihn zu und erkannte schon von weitem, wie seine Augen mich auf die gleiche unbeschreibliche Weise musterten wie damals. Vergessen hatte er mich also nicht.

Wie sollte er auch – in der Stunde vor der entscheidenden Zaubertrankprüfung am Ende meines siebten Jahres hatte ich Teile des Kerkers in die Luft fliegen lassen.

Ich behauptete, es seien die Nerven vor der Prüfung gewesen, die mich das Zehnfache an Drachenblut in meinen Unsichtbarkeitstrank hatten mischen lassen.

Was er damals dazu sagte, konnte und wollte ich mir nicht ins Gedächtnis rufen. Und schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt.

Und doch ging mir plötzlich durch den Kopf, dass ich ihn im Krankenflügel das letzte Mal gesehen hatte, wo er – sicher in seiner Pflicht als mein Hauslehrer - kurz nach mir gesehen hatte. Als ich damals die Augen öffnete, sah ich nur für einige Sekunden sein Gesicht, das über mir schwebte, um gleich darauf wortlos zu verschwinden.

Aber das war damals. Verrückt, was einem auf knapp zehn Metern alles durch den Kopf gehen kann.

Ich blieb vor ihm stehen, streckte ihm in einem Akt heldenhaften Mutes meine Hand entgegen und begrüßte ihn höflich.

Er erwiderte meinen Gruß zunächst nicht und ließ stattdessen meine Hand mitten in der Luft hängen – er musterte mich mit zusammengekniffenen Lippen und hochgezogenen Augenbrauen.

„Miss Floo!" er zog die Endung meines Namens auf die gleiche belustigte Weise endlos in die Länge, wie er es schon zu meiner Schulzeit mit Genuss getan hatte. Um seine Mundwinkel entfaltete sich das altbekannte spöttische Lächeln als er endlich in schier grenzenloser Großzügigkeit meine Hand ergriff und sie leicht drückte.

„Schön, Sie wieder zu sehen, Professor Snape. Ich dachte wir könnten das Interview… "

Seine Augenbrauen rutschten noch einige Millimeter höher. „Ich hatte Mrs. Kimmkorn erwartet"

„Sie ist krank!" nuschelte ich und wies mit der Hand in Richtung des Fahrstuhls, „Sie müssen es mir geben, " ich lächelte nervös und machte einen Schritt zurück.

Er bewegte sich nicht.

„Es ihnen geben?"

Nein verdammt, das war nicht meine Betonung!

Tolle Wortwahl! Großartiger Anfang!

Ich nickte unsicher. „ Das Interview – meine ich. Wir können den Termin natürlich auch verschieben." Ein Hoffnungsschimmer.

„Aber nein – das sind doch wahrlich interessante Aussichten!"

Dieser samtig-weiche und zugleich gefährlich dunkle Klang seiner Stimme hatte schon zu meiner Schulzeit ein Ziehen in der Magengegend verursacht –

oder nicht? Das hatte er doch – irgendwie.

Ich starrte ihn an.Die große Falte, die sich sicher schon immer auf seiner Stirn befunden hatte, wirkte weniger zornig als in meiner Schulzeit – sie machte einen eher nachdenklichen fast schon besinnlichen Eindruck- aber darum nicht weniger bedrohlich – oder?

jetzt reiß Dich zusammen – die Zeiten als seine Schülerin sind vorbei! –

Oh Ja! Eben! Ein Grund mehr! flüsterte eine leise Stimme in mir, woher sie kam, vermochte ich wahrlich nicht zu sagen. Erstaunt grübelte ich noch über die Bedeutung dieser merkwürdigen Botschaft aus dem Innern, als ich seinen Blick bemerkte.

Er grinste – scheinbar belustigt.

„Miss Floo?" er kam einen Schritt näher auf mich zu. „Wollen wir dieses für Sie und Ihre Chefin so überaus wichtige Interview hier in der Empfangshalle führen – oder geleiten Sie mich freundlicherweise in Ihr Büro, nachdem Sie mich hier schon eine halbe Ewigkeit haben warten lassen"

Ich habe Sie überhaupt nicht warten lassen – Sie waren zu früh!

„Aber ja!" flötete ich überschwänglich, drehte mich hastig um, so dass ich beinahe über meine eigenen Füße stolperte und eilte davon, ohne darauf zu achten, ob er mir folgte.

„Wir nehmen den Fahrstuhl!" rief ich und hielt plötzlich doch noch einmal abrupt an, weil mir aufging, dass ich tatsächlich nicht sicher war, ob er nicht vielleicht immer noch dort hinten stand.

Tat er nicht. Er war dicht hinter mir und kam gerade noch so, dicht vor mir zum Stehen

Zu dicht.

Ich wich erschrocken zurück als sein Umhang mich streifte. Für einen kurzen Augenblick legte er seine Hand fest auf meine Schulter, um seinen Schwung zu stoppen.

Ich unterdrückte mit Mühe einen Schrei und fühlte den festen Griff noch lange nachdem er längst losgelassen hatte. Das blitzartige Gefühl breitete sich aus bis zu meinem Magen und gesellte sich zu dem bereits dort vorhandenen Ziehen, welches im Sekundentakt stärker wurde.

„Das – ist – Ihr – Büro, Miss Floo?" hauchte er in genau dem gleichen ironisch-süßen Ton, den er immer vor meinem Kessel stehend angeschlagen hatte: Fünf Tropfen Nesselnektar und nur einen Schlangenzahn. Schreiben Sie ein neues Rezeptbuch, Miss Floo?

Ich lachte kurz hysterisch auf und schüttelte den Kopf – „Fünfter Stock!" brachte ich knapp heraus, „nur noch ein paar Meter bis zum Fahrstuhl",

„Was Sie nicht sagen."

Der Fahrstuhl war definitiv viel zu eng für zwei Personen. Seltsam, dass mir das heute zum ersten Mal auffiel. Ich zwang mich, mich nicht wie eine verängstigte Erstklässlerin an die Wand zu quetschen.

Endlose Minuten später waren wir endlich in meinem Büro.

Auch hier war es plötzlich viel zu eng.

Er schien den ganzen Raum auszufüllen.

Ich bot ihm schnell einen Platz am Schreibtisch an, konnte es kaum erwarten, den Tisch zwischen mich und ihn zu bringen.

Ich überlegte kurz, ob es die alte Angst vor ihm war, die mich mit stets wachsender Unruhe erfüllte oder doch diese seltsame Botschaft aus dem tiefsten Innern meines sonst so sittsam beherrschten Körpers.

Die Antwort, die sich mir leise nagend aufdrängte war äußerst beunruhigend und musste darum schleunigst ignoriert werden.

TBC ?