Cian lief nervös auf und ab. Wo bleibt er! Was hält ihn so lange auf?
"Naaadiiiiiir!" schrie der Dämon. Der Name hallte zwischen den modrigen Wänden wider.
"Verdammt, wo steckst du?" Er konnte es nicht leiden, dass man ihn warten ließ.
Vor allem jetzt nicht, wo er sich langsam seinem Ziel näherte. So lange hatte er auf diesen
Augenblick gewartet und er wollte einfach keine Zeit mehr vergeuden. Drei Wochen ist es
nun her, als er Nadir und Lucian ausgesandt hat, um sie zu finden. Irgendwo mussten sie sein.
Er wusste es. Die Legende war wahr. Sie musste es einfach sein. Seine Augen blitzten zufrieden
bei dem Gedanken. Doch er wurde immer ungeduldiger. Er vertraute Nadir nicht wirklich, auch
wenn er ihn mit diesem für ihn so wichtigen Auftrag betraut hatte. Nadir war hinterhältig.
Wie auch nicht? Er war ja sein Schüler, sein getreuester Diener, aber in erster Linie ein
durchtriebener Dämon. Die Anspannung in Cian stieg. Er ballte seine Fäuste. Er konnte sich
nicht mehr zurückhalten und schleuderte einen Feuerball auf einen noch jungen Dämon,
der nichts ahnend seinen Weg kreuzte. Dieser elende Hund!

"Hat dich deine Langeweile wieder einmal übermannt?" hörte er eine ihm nur all zu vertraute Stimme.
"Nadir! Endlich! Was hat dich so lange aufgehalten?" Die Anspannung wich aus Cians Gesicht
und er ging auf seinen Gehilfen zu. Seine Augen weiteten sich freudestrahlend, als er sah,
dass Nadir nicht mit leeren Händen kam.
"Du hast sie gefunden?" Cian nahm das so heiß ersehnte Objekt in Empfang und hielt es wie einen
heiligen Kral in die Höhe.
"Was ist mit Lucian? War er auch erfolgreich?" fragte er Nadir.
"Ich kann es nicht sagen, ich weiß es nicht! Ich sah Lucian das letzte Mal vor 10 Tagen in Rom!"
Cian wandte sich wieder seinem Mitbringsel zu
"Das ist sie also!" Cian musste unweigerlich laut lachen. Es war ein Lachen, das durch Mark und Bein ging.
"Du hast sie doch nicht ...?" Nadir wich instinktiv einen Schritt zurück.
"Nein, das würdest du nicht wagen!" sagte Cian. Nadir beobachtete, wie Cian zufrieden durch die
düstere Halle ging und dabei immer wieder lachte. Dabei huschte ihm ein verschmitztes Lächeln
über das Gesicht Und ob ich würde! Ich hab sie gesehen! schoss es Nadir durch den Kopf.

Cian setzte sich auf einen Felsvorsprung. "Das ist also eine der Cadal-Urnen! Welche ist es?" frage er sich.
Er drehte die Urne in seinen Händen hin und her, doch er konnte nichts erkennen. Er kannte die Schriftzeichen,
doch er verstand sie nicht. Er konnte nicht alle Zeichen deuten.
"Gebannt auf alle Zeit ..." die nächste Zeichen konnte er nicht erkennen "... ihr Narren ... in ihr verborgen"
Er musste herausfinden, welche der Cadal-Urnen er nun als die seine bezeichnete. Er drehte sie wieder
in seinen Händen, als er plötzlich stockte.
"Das Sigel ist gebrochen! Du Narr!" grollte Cian. "Du verdammter Narr! Du hast sie geöffnet!"
Cian sprang auf und kam mit riesen Schritten auf Nadir zu. Er packte ihn am Hals und drückte
ihn an die nasse kalte Felsenwand, doch Nadir löste sich in schwarzen Rauch auf und entkam dem
wütenden Griff Cians, nur um in einer etwas sicherer scheinenden Entfernung wieder zu erscheinen.
"Cian, beruhig dich! Es war ... ich hab ...!" stotterte Nadir nervös. Er sah Cians wütenden Blick,
als dieser wieder auf ihn zukam.
"Warte Cian!"
"Ich wusste es! Du konntest es nicht lassen!"
"Was ist so schlimm daran? Du wusstest doch, dass ich mich nicht zurückhalten kann!
Warum hast du mich also geschickt?" frage Nadir, der einen sicheren Abstand zu Cian wahrte.
"Was ist, wenn sie nun frei ist? Was ist, wenn sie sich auf die Suche gemacht hat? Wenn sie ihn findet, dann ...!"
Cian stockte. Was ist, wenn dies alles der Fall ist? Ich werde sie verlieren! Nein, das darf nicht sein.
Er musste sich beeilen.

Paige und Phoebe saßen auf dem Sofa und beobachteten Piper, die nervös auf und ab lief.
"Verdammt noch mal! Leo!" rief Piper wütend, als sie ein ihr so vertrautes Geräusch hörte
und Leo erschien. Sie wollte ihn gerade zur Rede stellen, als sie aus der Küche ein wütendes
"Verdammt! Paaaaiiige!" vernahm. Sie sah Leo an, der sich verwundert umdrehte.
"Er war gerade noch bei mir!"
"Ja, schon gut, Leo!" beruhigte sie ihn. Paige und Phoebe sprangen auf und eilten zur Küche,
wo sie auf einen ziemlich wütend dreinblickenden Chris sahen. Sein rechtes Hosenbein war
klitsch nass und der Boden rund um den Wassereimer, den Piper noch nicht weggeräumt hatte,
tat es seinem Bein gleich.
"Verflogen?" frage Piper trocken. Chris schenkte ihr dafür ein verächtliches Lächeln.
"Was ...?" wollte Leo gerade fragen, als Piper in mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte.
"Zuerst beantwortest du meine Fragen, haben wir uns verstanden? Wo warst du? Ich hab dich mehrmals
gerufen, aber du hast einfach nicht reagiert!" Leo sah noch einmal Chris an bevor er mit den Schwestern
wieder ins Wohnzimmer ging.
"Die Ältesten machen sich Sorgen über plötzliche Veränderungen der Macht."
"Was für Veränderungen?" frage Paige, als sie sich wieder aufs Sofa setzte.
"Ich weiß es nicht. Sie wissen es selber noch nicht. Die Veränderungen begannen etwa vor einer Woche.
Zuerst kaum merklich, doch die Ältesten sind beunruhigt!" berichtete Leo. Piper sah zu Wyatt,
der immer noch ruhig in seinem Laufstall saß. Unschuldig sah er zu seinem Vater, der ihn erst jetzt zu sehen schien.
"He, mein Kleiner!" sagte Leo, als er auf Wyatt zu ging und ihn in den Arm nahm. Er drückte
Wyatt einen Kuss auf die Stirn und schaukelte ihn sanft hin und her.

"Müssen wir uns Sorgen machen?" fragte nun Phoebe. Leo sah die drei eine Weile an.
"Ich weiß es nicht. Im Moment glaube ich nicht!" Piper drehte sich zur Küche und sah Chris an, der sich
inzwischen zu ihnen gesellt hatte. Er versuchte sein nasses Hosenbein mit einem Geschirrtuch trocken zu legen.
"Kannst du heute auf Wyatt aufpassen?" fragte Piper, die sich wieder Leo zuwandte. Leo sah zuerst
zu seinem Sohn, dann wieder zu Piper.
"Natürlich! Ich nehme ihn mit nach oben." Piper nickte zufrieden.
"Gut, dann werde ich jetzt in den Club fahren! Paige, du versuchst herauszufinden, wie wir Chris VOR
Ablauf der 24, oder 48 oder wie viel Stunden auch immer, von deinem Zauber erlösen können!
Und du, Chris, beseitigst erst mal das angerichtete Chaos in der Küche ...!"
Chris wollte etwas entgegnen, doch Piper unterbrach ihn "... ohne dich dabei zu verletzten! Bitte!"
"Ich komm mit dir mit!" trällerte Phoebe.
"Wie wäre es, wenn du den beiden behilflich bist?" entgegnete Piper und es klang dabei mehr wie ein
Befehl, als ein Vorschlag. Phoebe rümpfe die Nase. Piper gab Wyatt noch einen Kuss und
verabschiedete sich von allen mit einem "Bis später!"