2 Kapitel: Von Wasserschlachten, Skeptikern und Hochzeitsdrückern
: ; Elladan ; :
Ich ging unruhig auf und ab. Wo blieb Elrohir nur? Frustriert ließ ich mich schließlich nach langer, vergeblicher Wartenzeit auf das breite Bett fallen. Immer wieder fiel mein Blick zur Tür um kurz darauf wieder unruhig durch mein Zimmer zu gleiten.
Wie elektrisiert sprang ich wieder auf, denn die Türklinke wurde leise heruntergedrückt. Im nächsten Moment stand mein Zwilling auch schon im Zimmer. Ich versuchte, aus seiner Mimik zu lesen, doch er hatte jegliche Emotionen daraus verbannt, so dass es für mich unmöglich war, ihm die gerade geschehenen Ereignisse anzusehen. Nicht einmal seine Augen gaben mir einen Hinweis darauf.
Manchmal hasste ich es, dass mein Bruder die Eigenschaft hatte, selbst in absolut nervenaufreibenden Situationen die totale Ruhe zu bewahren. Dass machte mich immer nur noch nervöser und genau so war es jetzt auch.
„Raus mit der Sprache!", forderte ich nur ungeduldig und sah ihn erwartungsvoll an. Hoffnung schimmerte in meine Augen auf, Hoffnung darauf, der ungewollten Hochzeit zu entgehen.
„Du und deine Angewohnheiten! Warum bist du immer so hektisch? Bleib doch mal ruhig sitzen!", tadelte er mich.
„Jetzt erzähl schon, oder muss ich es aus dir herausquetschen?", zischte ich ungehalten.
Elrohir hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja gut, hab Geduld, Bruder." Er räusperte sich und schien erstmal nach den richtigen Worten zu suchen. „Nun denn, ich war eben wie versprochen bei Adar. Ich habe mit ihm über deine Zwangsverlobung gesprochen und natürlich habe ich versucht, es ihm auszureden."
„Keine Chance, oder?", fragte ich nur trübselig und ließ meinen Kopf hängen.
„Nein, für ihn steht das absolut fest. Es sei denn… und genau da liegt unsere Hoffnung… du kannst sie nicht ausstehen und auch sie will dich nicht heiraten. Aber um so die Hochzeit zum Platzen zu bringen, braucht es echt einen absoluten Härtefall."
„Das kriegen wir hin." Jedenfalls hoffte ich das. Auch wenn Elrohirs Pläne nahezu immer gelangen, so war unser Vater doch eine harte Nuss.
„Ich denke auch, aber warte doch mal ab. Als nächstes habe ich versucht, ihn über deine Braut auszufragen. Sie kommt aus dem Düsterwald und ist die Tochter von Thranduils oberstem Berater."
„Aaaha.", sagte ich nur gedehnt, doch ich wusste mit dieser Information nicht viel anzufangen. „Hat er noch mehr gesagt?" Mein Bruder hatte mich nun doch etwas neugierig gemacht. Schließlich würde es mir noch helfen so viel wie möglich über meine mir aufgezwungene Zukünftige zu wissen um sie möglichst unauffällig vergraulen zu können.
„Nein. Nur, dass sie ihre beste Freundin mitbringen wird."
„Das ist nicht viel. Und was machen wir jetzt?" Mein Hoffnungsschimmer schien in weite Ferne gerückt zu sein, doch ich hatte die Rechnung ohne meinen gerissenen Zwilling gemacht. Er war stets der Richtige gewesen, wenn es galt, Pläne auszuarbeiten oder Leute zu manipulieren. Ich war da eher ein Elb der Tat.
„Das hilft uns wenigstens ein wenig.", begann er zu erklären und zu meinem Leidwesen genoss er es sichtlich, mich auf die Folter zu spannen. „Auf jeden Fall sind die Waldspaziergänge gestrichen. Sie lebt im Wald und folglich liebt sie wohl auch Bäume.", sagte er mit bedeutungsvoller Miene.
„Und was sie liebt, das hasse ich und umgekehrt!", schloss ich, fest entschlossen meinen Plan durchzuführen, und er nickte. „Noch was?"
„Vielleicht. Wenn sie ihre beste Freundin mitbringt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zu den zart besaiteten Handkussladys gehört."
„Wieso das?", diesen Schluss konnte ich nicht nachvollziehen. Verwirrt blickte ich meinen Bruder an.
„Na ja, also sicher kann ich es nicht sagen, aber wenn sie ihre Freundin mitbringt, dann scheint sie Angst vor der neuen Umgebung zu haben. Zu einer wilden Kriegerin passt das nun wirklich nicht. Oder was meinst du?"
„Das erscheint logisch, ja.", bestätigte ich.
„Gut, dann fangen wir am besten mit den Planungen an.", schlug er vor und klatschte voller Tatendrang in die Hände, während seine Augen zu glänzen begangen.
„Aber sicher doch. Los geht's!"
: ; Anariel ; :
Schnell lenkte ich meinen Hengst wieder Richtung Elbensiedlung , nachdem ich bemerkt hatte, dass die Sonne schon hoch am Zenit stand. Somit war die Nachmittagszeit angebrochen und ich musste mich beeilen, um nicht zu spät zu meiner Verabredung mit Celendriel zu kommen. Ich beschloss, ihr erstmal nichts von dem Geschehenen zu erzählen.
‚Erst einmal muss ich mir selber über meine momentane Situation klar werden.', dachte ich mir im Stillen. Früher oder später würde Celendriel sowieso alles mitbekommen, da ich, wenn ich schon nach Bruchtal musste, sie wenigstens mitnehmen wollte.
Ohne sie würde ich es dort nicht aushalten und nach Imladris würde ich sowieso müssen. Ich kannte ihn schließlich gut genug, um das sagen zu können. Ein tiefer Seufzer entglitt meiner Kehle. ‚Wieso musste so was bloß immer nur mich treffen?'
Sicher, viele andere Elbinnen wären begeistert gewesen, einen echten Prinzen (und dazu noch Thronfolger) zu heiraten, ich jedoch liebte die Freiheit. Da mein Vater stets viel zu tun hatte und Thranduil stets mit Rat und Tat zur Seite stand, hatte er seit jeher wenig Zeit für meinen Bruder und mich gehabt.
Auch der frühe Verlust meiner Mutter prägte mich tief, da ich nicht durch eine führende weibliche Hand aufwuchs. So konnte ich stets in Wäldern umherziehen ohne auch nur getadelt zu werden. Sicher, die Nachbarn kümmerten sich oft um mich und meinen Bruder als wir noch klein waren, doch auch sie konnten nicht verhindern, dass mein Bruder mir heimlich das Kämpfen lehrte.
Früher zogen wir oft gemeinsam durch den Wald bis tief in die dunkelsten Ecken. Mein Bruder und ich besaßen seit jeher eine tiefe Bindung zu einander. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht als ich an all die gemeinsamen Abenteuer dachte, die wir erlebt hatten. Er war immer für mich da.
Als ihm das Kämpfen beigebracht wurde, lehrte er es mich heimlich ebenfalls. Heute war ich stolz darauf, eine der wenigen Elbinnen zu sein, die sich selber verteidigen konnten. Auch wenn ich mir dies schwer erarbeiten musste.
Und all dies sollte mir nun genommen werden. Ich ließ den Kopf hängen. ‚Ich werde nie wieder trainieren dürfen in Bruchtal. Man erwartet sicher das ich mich wie eine edle Dame benehme.' Entschlossen hob ich den Kopf. ‚Irgendwie, ja irgendwie werde ich ihn schon vergraulen können.' Meine Augen blitzen auf, denn neue Hoffnung hatte mich gepackt.
Als ich schließlich an unserem Haus ankam, erwartete mich Celendriel schon.
Sie schien von meinem Zuspätkommen nicht sehr begeistert zu sein." Wo warst du schon wieder Anariel?", sagte sie etwas tadelnd, als ich völlig außer Atem bei ihr ankam. Dabei hatte ich mich wirklich sehr beeilt.
"Es tut mir leid Celli. Ich habe vollkommen die Zeit vergessen. Ich war mit Bregolas unterwegs." Schuldbewusst senkte ich meinen Blick. „Dafür werden wir nun aber auch zum Waldsee reiten. Wie wäre es?"
Celendriel lachte leise auf. „Das ist mal wieder typisch für dich. Ich kenne keine andere Elbin, die, wie du, andauernd die Zeit vergisst. Aber komm! Soll sich der Ausflug zum Waldsee noch lohnen, müssen wir uns nun beeilen!"
Nach einem schnellen Ritt kamen wir bald beim Waldsee an. Fröhlich lachend hielten wir unsere Pferde erst kurz vor dem kühlen Nass an. Celendriel sprang geschwind von ihrer Stute herab und bevor ich reagieren konnte, flog mir schon eine Ladung Wasser ins Gesicht.
Mit funkelnden Augen und pitschnass sah ich Celendriel strafend an. "Na warte du! Das wird dir noch Leid tun!"
Laut kreischend versuchte Celendriel vor mir zu fliehen, doch ich war schneller und erwischte sie noch. Nach und nach entwickelte sich eine kleine Wasserschlacht zwischen uns beiden. Ich lachte so sehr wie schon lange nicht mehr und es war als ob ein kleines Stück Kindheit zu mir zurückgekehrt wäre, als wir beiden so fröhlich lachend im Wasser herumtollten.
Erst als die Dämmerung einbrach, machten wir uns langsam auf den Heimweg. Jetzt wo die Schatten immer länger wurden und die Welt langsam in Dunkelheit versank, wurde auch mir mein Problem wieder bewusst. Schweigend ritt ich neben Celendriel und dachte an meine Zukunft während sie fröhlich plapperte.
Abrupt hörte sie auf zu reden. Sie sah mich lange schweigend an, doch ich nahm dies nur am Rande wahr, da ich immer noch tief in Gedanken versunken war.
"Was hast du Anna? Warum bist du so schweigsam? So hab ich dich ja noch nie erlebt! Wo ist bloß meine fröhliche, immer strahlende Freundin geblieben?" Fragend sah sie mich an und Besorgnis lag in ihrem Blick.
Ich seufzte leise „Es ist nichts, Celli. Ich erklär 's dir ein anderes Mal, ja?"
"Hey komm schon, Anna! Du kannst mir doch alles sagen.", versuchte sie mich zu überreden und legte ihre Hand auf meine.
"Nein Celli. Diesmal nicht. Ich erzähl es dir schon noch, versprochen!"
"Na gut. Dann zieh aber jetzt auch nicht ein Gesicht wie ein Hobbit ohne Frühstück!"
"Mach ich doch gar nicht!", rief ich entrüstet und musste nun selbst über mich lachen. „Komm, wir müssen uns beeilen, bevor Vater noch wütend auf mich wird!"
Sie nickte und wir beschleunigten unser Tempo.
: ; Glorfindel ; :
Nachdenklich streifte ich durch die weitläufigen Gärten von Imladris. Lange weilte ich nun schon hier und lange währte meine Freundschaft zu Elrond nun schon. Wir kannten uns genau nach all den Jahren der Freundschaft die uns verband. Etwas lastete auf seinem Herzen, das konnte ich deutlich spüren. Immer war ich es gewesen, mit dem er über seine Gefühle, Ängste und Sorgen gesprochen hatte, ich war sein bester Freund. Doch warum hatte er sich mir dieses Mal nicht anvertraut? Ich machte mir Sorgen. Was war bloß geschehen?
Plötzlich nahmen meine Augen eine dunkle Gestalt wahr, die mit dem Rücken an einem starken Baum lehnte - Elrond. Ich beschleunigte meine Schritte und war bald bei ihm. „Glorfindel, mein Freund!", begrüßte er mich mit einen Lächeln. Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. „Bitte sprich mit mir darüber.", sagte ich schlicht und ein wenig drängend.
„Worüber?", kam nur die verwirrte Antwort.
„Elrond, halte mich nicht für so blind. Etwas lastet auf deinem Herzen. Bitte sag mir, was es ist, ich möchte dir helfen." Ich hoffte inständig, dass er meiner Bitte nachkommen würde.
Er lächelte, angesichts meiner Besorgnis, doch noch etwas anderes lag in seinem Blick. Etwas, das an Sorge, Zweifel und Kummer erinnerte. „Bald wird eine Gefolgschaft aus Eryn Lasgalen ankommen.", sagte er aber nur.
Ich runzelte leicht verwirrt die Stirn. „Aber das ist doch nichts Schlimmes. Wir bekommen doch nicht zum ersten Mal besuch von den anderen Stämmen der Elben." Ich konnte seine Sorge nicht nachempfinden. Was sollte Schlimmes an dem Besuch Unseresgleichen sein?
„Das schon, mein Freund, aber diese Gefolgschaft wird Elladans Verlobte hier her geleiten." Sein Blick glitt in die Ferne Richtung Düsterwalds, als könnte er von hier aus die hohen Baumwipfel von Thranduils Reich sehen.
Der Atem Stockte mir für einen Moment in der Kehle. Was hatte das zu bedeuten? Lange waren die Zwillinge nicht mehr im Düsterwald gewesen und es war auch lange her, seit wir das letzte Mal Besuch von dort bekommen hatten. Wann konnte der junge Prinz sie kennen gelernt haben? Er hatte nie etwas von einer heimlichen Liebe erzählt. „Aber… ich wusste gar nicht, dass Elladan heiraten möchte.", sagte ich nur und gab meiner Verwunderung Ausdruck. Ich betete im Stillen, dass sich meine Befürchtung als grundlos herausstellen würde. Doch meine Gebete blieben unerhört.
„Er will nicht heiraten, er muss!", bestätigte mir Elrond und ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare.
„Warum hast du ihn gezwungen?", fragte ich ein wenig verständnislos. Elrond war stets ein guter Vater für sein Kinder gewesen, warum sollte er nun seinen ältesten Sohn zu einer Heirat zwingen? Glaubte er nicht selbst an die eine große Liebe? War nicht er derjenige, der seine Gemahlin so sehr geliebt hatte, dass ihr Abschied ihn noch heute schmerzte? Warum wollte nun seinem Sohn verbieten, die wunderbare Erfahrung der wahren Liebe zu machen? Ich konnte seinen Gedankengängen nicht folgen.
„Imladris braucht einen Erben. Ich bin der Fürst und er ist mein ältester Sohn. Er braucht eine Braut, doch nie hat er jemanden gefunden. Ich werde Mittelerde bald verlassen und du mit mir. Dann muss er bereit sein, falls er nicht mit uns kommt."
„Das weiß ich, aber damit könntest du ihn unglücklich machen!", entfuhr es mir. "Willst du ihm die wahre Liebe verwehren? Er würde sie nie wirklich lieben und nie glücklich mit ihr werden."
Elrond seufzte. „Das weiß ich doch. Auch Elrohir hat sich schon für ihn eingesetzt, aber das war ja zu erwarten.", sagte er resignierend.
„Nun gut. Lassen wir sich die beiden doch erst einmal kennen lernen, mein Freund. Vielleicht mögen sie sich ja auch. Falls nicht, kannst du die Hochzeit immer noch absagen.", pflichtete ich ihm schließlich bei.
„Du hast wie immer Recht, Glorfindel.", kam die schlichte Antwort.
„Aber wer ist sie überhaupt?", wollte ich nun neugierig wissen.
Daraufhin erzählte mir Elrond alles, was er über sie und ihre Familie wusste.
