Kapitel 2
2.11.1981
Es war eisig auf dem Friedhof. Die Schneeflocken und der heftige Wind ließen Sirius Black frösteln, doch er spürte die Kälte nicht. Seit Halloween schien er nur noch aus Hass und Verzweiflung zu bestehen, während das Bild des zerstörten Godric's Hollow ihm dauern vor Augen schwebte Er drehte den Kopf und ließ seine Blicke über die Menge schweifen. Er war überrascht, dass so viele Menschen zu dem Begräbnis gekommen waren.
Aber eigentlich sollte er es nicht sein. Die Potters waren sehr respektiert gewesen und waren von Vielen geliebt worden. Sie hatten mit einem Mut gegen Voldemort gekämpft, den nicht viele besaßen. Sie waren eine von den alten Zaubererfamilien gewesen und nun waren sie umgebracht worden. James' und Lilys Körper waren in den Ruinen Godric's Hollows gefunden worden, aber nicht Harrys.
Der junge Mann schloss gequält die Augen, als er sich vorstellte, wie die Trümmer des Hauses Harry unter sich begraben hatten und wieder spürte er, wie das Gefühl der Schuld ihn erdrückte. Warum hatte er nicht gesehen, dass der Verräter Peter war? In den letzten zwei Tagen hatte er sich diese Frage unzählige Male gestellt, er hatte jedoch keine Antwort finden können. Selbst jetzt noch konnte er nicht fassen, dass er sich so in seinem ehemaligen Freund getäuscht hatte. Immer noch nagte die Frage nach dem Grund für Peter Pettigrews Verrat unaufhörlich an ihm. Er war unfähig, es zu verstehen. Wieso hatte Peter seine besten Freunde an Voldemort ausgeliefert? Wie hatte er das nur tun können?
Sirius blickte hoch in den grauen düsteren Himmel, als ob dort eine Antwort zu finden sei und erinnerte sich daran, wie schwierig es gewesen war Dumbledore und die anderen davon zu überzeugen, dass nicht er der Geheimniswahrer gewesen war, sondern Peter. Nur seine Bitten unter Veritaserum auszusagen, hatten ihn vor Askaban bewahrt und schließlich hatten sie ihm geglaubt. Sirius schauderte bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn sie es nicht getan hätten. Obwohl er es eigentlich verdient hatte. Wenn er James nicht überredet hätte, Peter zu nehmen, sondern selbst der Geheimniswahrer geworden wäre, wie James das von Anfang an gewollt hatte, dann wären sein bester Freund, Lily und sein kleiner Patensohn noch am Leben. Sirius schluchzte auf, und während der Schmerz ihn überwältigte, begann er heftig zu weinen.
Remus Lupin, der wenige Meter neben Sirius stand, trauerte ebenfalls. Stumme Tränen rannen ihm über das eingefallene, verhärmte Gesicht. James, Lily und Harry waren seine Familie gewesen. Die einzige, die er je gekannt hatte. Seine Freunde hatten ihn akzeptiert und nie waren sie ihm mit Verachtung und Geringschätzigkeit begegnet, nicht wie alle anderen es getan hatten, sobald sie erfahren hatten, dass er ein Werwolf war. Ohne James' Verbindungen zum Zaubereiminister, wäre es nie möglich für ihn gewesen Auror zu werden. Sie hatten ihm geholfen und unterstützt, wo sie nur konnten. Doch, als sie Hilfe gebraucht hatten, war er nicht für sie da gewesen.
Er hatte den Überfall nicht verhindern können. Alle waren sie tot und Harry, er war nur ein Jahr alt gewesen. War das Gerechtigkeit? Remus fühlte solch einen Schmerz, dass er Peter ohne einen Gedanken z u verschwenden, sofort umbringen hätte können. Allerdings war Peter seit Halloween spurlos verschwunden. Seitdem hatte niemand ihn gesehen. Wahrscheinlich war er schnurstracks zu Voldemort gelaufen, um sich vor ihnen zu verstecken, dachte Remus zynisch. Peter. Er schüttelte den Kopf.
Er hätte nie gedacht, dass Peter ein Verräter war. Dabei war es eigentlich so offensichtlich. Peter war der schwächste von ihnen gewesen, der am wenigstens Mut gehabt hatte. Immer hatten James, Sirius und er selber Peter helfen müssen, wenn dieser in Schwierigkeiten hineingeraten war, doch nie hatte Peter einem von ihnen geholfen. Nicht, wenn es wirklich irgendwelche Unannehmlichkeiten gegeben hatte. Aber erst jetzt, im Nachhinein, erkannte er das.
Als er den Kopf wandte, sah er Sirius und für einen Moment erfüllte ihn Zorn. Warum nur hatte er James dazu überredet Peter zu nehmen? Warum hatte er nicht ihn gefragt, wenn er schon nicht selbst der Geheimniswahrer hatte werden wollen? Hatte Sirius ihm nicht getraut? Doch dann verschwand seine Wut, als er Sirius' verzweifelte Gesicht bemerkte. Sein Freund hatte es nicht wissen können.
Genauso wenig, wie er nie auf den Gedanken gekommen war, dass Peter ein Spion Voldemorts war. Er schüttelte fassungslos seinen Kopf. Wie hatten sie nur alle so blind sein können? Seine Wut und sein Hass richteten sich stattdessen auf Peter und an diesem Tag schwor der Werwolf die Potters zu rächen und Peter für seine Tat bezahlen zulassen.
Keiner von den Anwesenden, die sich trauernd zusammengefunden hatten, bemerkte die Ratte, die versteckt hinter einem Baum saß und auf den Friedhof schaute. Peter ließ seine Augen über die vielen Menschen wandern und sagte sich immer wieder, dass er es hatte tun müssen, dass er nicht die geringste Wahl gehabt hatte, als der Dunkle Lord von ihm verlangt hatte, den Aufenthaltsort der Potters preiszugeben. Er wäre getötet worden, hätte er sich geweigert. Es war nicht seine Schuld gewesen. Aber warum fühlte er sich dann so elend?
Er hatte keine Wahl gehabt und er würde nicht mehr darüber nachdenken. Es hatte ohnehin keinen Zweck. Es war vorbei. James, Lily und Harry waren tot. Die Ratte drehte sich um und lief so schnell, wie sie nur konnte davon, während das Laub leise raschelte, als das Tier durch die welken Blätter hetzte.
Stunden später, als ein Schneesturm um das Schloss des Dunklen Lords heulte, lag ein kleines Kind in einem der vielen Zimmer in einer kleinen Wiege, fest in seine warmen Decken gewickelt und hatte einen Albtraum. Harry sah einen Blitz von gleißenden grünem Licht auf sich zurasen und hörte ein grausames kaltes Lachen. Erschrocken riss das Baby seine smaragdgrünen Augen auf und begann zu schreien.
Die undurchdringliche Dunkelheit, die ihn umgab, machte ihm Angst und er rief nach seiner Mama, die er schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Er wartete jedoch vergeblich. Seine Mutter kam nicht. Stattdessen erschien Nell und versuchte ihn zu beruhigen. Die kleine Hauselfe hob das schwarzhaarige Baby hoch und drückte es behutsam an sich, während sie es langsam wiegte und beruhigende Worte murmelte. In der kurzen Zeit, seit sie sich um Harry kümmerte, hatte sie das Kind lieb gewonnen. Sie fand ihn so süß und sie hatte Mitleid mit ihm. Obwohl sie nicht wusste, was passiert war, hatte sie erkannt, dass es nichts Gutes gewesen sein konnte. Harry klammerte sich an sie und sah mit seinem tränenüberströmten Gesichtchen zu ihr auf.
„ Mama, Mama!"
Nell seufzte nur traurig, als Harry wieder nach seiner Mutter fragte. Es zerriss sie, ihren kleinen Schützling so unglücklich zu sehen, aber sie konnte ihm seinen Wunsch nicht erfüllen. Sie legte das Kind in die Wiege zurück und wischte ihm sanft die Tränen von den Wangen. Seitdem der Dunkle Lord Harry zu ihr gebracht hatte, war er nicht einmal vorbeigekommen, worüber Nell nur erleichtert war. Sie fürchtete sich vor ihrem Gebieter.
Nell deckte Harry zu und setzte sich auf den Rand des Bettchens. Als sie das Kind betrachtete, das nun fast aufgehört hatte zu weinen und dem langsam die Augen zufielen, da wusste sie, dass sie ihren kleinen Liebling vor allen Gefahren schützen würde, die in der Zukunft auftreten würden.
