Kapitel 7
Februar 1985
In dem Augenblick als Severus und Alison sich küssten, brach die Sonne aus den Wolken und verwandelte den zugefrorenen See und den grauen Schnee in ein glitzerndes, strahlendweißes Meer. Minerva McGonagall klatschte und während sie unter Tränen lächelte, betrachtete sie das junge Paar, das gerade geheiratet hatte.
Alison und Severus sahen so glücklich aus. Sie schienen nur Augen füreinander zu haben. Minerva war froh, dass Severus jemanden gefunden hatte, den er lieben konnte und Alison besaß so ein liebenswertes Wesen.
„ Sind sie nicht ein wundervolles Paar?", flüsterte sie ergriffen und wandte sich an Albus, der neben ihr stand und sich zum Schutz gegen die Kälte fest in seinen Umhang gewickelt hatte.
„, Ja, das sind sie. Es ist eine Schande, dass sie ihr Glück in Zukunft verstecken müssen.", erwiderte Albus traurig.
Minerva starrte Albus verständnislos an. Als dieser ihren Blick sah, fügte er hinzu:
„Ihre Heirat wird ein Geheimnis bleiben müssen. Es wäre zu gefährlich, sollte Voldemort davon erfahren. Nur der Innere Kreis des Ordens wird Kenntnis von ihrer Heirat haben und so wird es auch bleiben. Jedenfalls solange wir Voldemort nicht besiegt haben."
Minerva seufzte betrübt. Doch sie wusste, dass Albus zweifelsohne Recht hatte. Es wäre tatsächlich zu gefährlich für Severus und Alison, sollte der Dunkel Lord von ihrer Verbindung erfahren. Während sie zusah, wie die Neuvermählten die zahlreichen Glückwünsche entgegennahmen, musste sie unwillkürlich an die letzte Hochzeit denken, auf der sie eingeladen gewesen war. Auch James und Lily waren überglücklich gewesen und dann hatte es in einer Tragödie geendet.
Heiße Tränen stiegen Minerva in die Augen. Sie vermisste sie so sehr und natürlich Harry, ihr Patenkind, das süße, schwarzhaarige Baby, das sie jedes Mal strahlend angelacht hatte, wenn sie auf den Kleinen aufgepasst hatte. Ein lautes Lachen hallte zu ihr herüber und Minerva tauchte aus den Tiefen ihrer Erinnerungen empor. Sie sollte nicht so traurig sein und an die Potters denken, nicht an Alisons und Severus' Hochzeit. Mit ihrem ganzen Herzen hoffend, dass die Zukunft der beiden nicht so schrecklich enden würde, ging sie zu ihnen hinüber.
Wie alle anderen, nahm Severus auch Minervas Glückwünsche mit einem Händeschütteln und einem knappen Wort des Dankes entgegen, wobei er hinterher nicht hätte sagen können, mit wem er überhaupt gesprochen hatte. Immer wieder sah er zu Alison hinüber, deren Haare in der Sonne wie flüssiges Gold glänzten. Wie er sie liebte! Er hatte es nicht gewollte, er hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt und doch war er letztendlich machtlos gegen seine immer stärker werdenden Gefühle gewesen. Alle seine Versuche sich einzureden, dass er Alison nicht liebte, waren kläglich gescheitert.
Erst als Alison ihn vor drei Monaten rundheraus gefragt hatte, ob er sie heiraten würde, hatte er sich endlich eingestanden, dass er Alison mehr als alles andere in der Welt liebte. Nichtsdestotrotz hatte er sie nur wortlos angesehen, nicht wissend, wie er antworten sollte, da er sie niemals durch seine Schuld in Gefahr hatte bringen wollen. Aber Alison hatte gesagt, dass sie bereits in Gefahr sei, so dass es nichts ändern würde, wenn sie heirateten.
Als er daran dachte, spürte er, wie eine wohlige Wärme ihn erfasste, die jedoch jäh schwand. Es war verwirrend, dass ein Mensch im selben Atemzug so viel Glück und gleichzeitig solch grauenvolle Angst empfinden vermochte. Allein der Gedanke Alison zu verlieren, erschreckte ihn zu Tode. Ruckartig wandte Severus sich um und erleichtert sah er Alison lachend neben Minerva und Poppy Pomfrey stehen. Sie hob ihren Arm und warf den Hochzeitsstrauß hoch. Die Weasley Kinder rannten schreiend umher und versuchten den Strauß zu fangen, doch es war vergeblich.
Die Blumen flogen durch die Luft und landeten in den Armen von Sirius Black. Severus schnaubte. Er konnte nicht verstehen, warum Alison darauf bestanden hatte, Black und Lupin einzuladen. Wenn er hätte entscheiden können, wären sie nie bei seiner Hochzeit dabei gewesen. Und nun hatte dieser Kasper tatsächlich den Hochzeitsstrauß gefangen. Die Gäste lachten und klatschten. Black grinste und verbeugte sich, während Severus sich fragte, warum sie ausgerechnet bei seiner Trauung anwesend sein mussten.
Harry gähnte und starrte mussmutig auf das dicht beschriebene Pergamentblatt, welches vor ihm auf dem Tisch lag. Seit Bella ihm gesagt hatte, dass sein alltäglicher Unterricht heute ausfallen würde – sie hatte ihm noch nicht einmal einen Grund genannt – hatte er sich durch die ersten Aufgaben, die Bella ihm zur Bearbeitung gegeben hatte, gekämpft, aber nun verspürte er nicht die kleinste Neigung sich noch weiter mit diesen eher langweiligen Aufgaben zu beschäftigen. Viel lieber mochte er es Zaubern oder neue Zaubersprüche zu lernen. Das war viel interessanter und spannender. Am Anfang hatte es ihm einige Schwierigkeiten bereitet, die diversen Zauber auszuführen, aber nach einer Weile war es ihm gelungen. Sein Vater hatte ihn ein paar Mal besucht, während Bella ihren Unterricht abgehalten hatte, ihm zugesehen und ihn sogar gelobt.
Harry warf noch einen Blick auf die Aufgaben, zögerte einen Moment und rutschte dann von seinem Stuhl. Er würde die Aufgaben am Nachmittag fertig stellen. Harry schielte zur Tür und nagte unentschlossen auf seiner Lippe herum. Es wäre toll, wenn er das Schloss auskundschaften könnte. Seit seinem Besuch in der Winkelgasse hatte er allmählich gemerkt, wie ihn seine Gemächer einengten. Es war langweilig den ganzen Tag nur in seinen Räumen zu sitzen.
Allerdings wusste er, dass es ihm verboten war, seine Zimmer zu verlassen. Aber dann zuckte Harry mit den Achseln. Er würde halte vorsichtig sein müssen und aufpassen, dass ihn keiner erwischte. Er rief Nell und bat sie die Tür zu öffnen. Die kleine Hauselfe sah ihn mit großen Augen an, nickte kurz darauf und wenig später schritt Harry den düsteren breiten Korridor entlang. Nell huschte ihm hinterher. Das Schloss kam ihm riesengroß vor und seine Blicke wanderten neugierig umher. Einen der schweren dunklen Vorhänge, die die großen Fenster verdeckten, ein Stück beiseite schiebend, zuckte er erschreckt zurück, als blendendes Licht in den dunklen Flur flutete und ließ den Vorhang abrupt los. Verwirrt starrte Harry einen Augenblick auf den Vorhang. Langsam streckte er die Hand wieder aus. Diesmal hielt er den schweren Stoff fest, als er in die Helligkeit blinzelte. Staunend sah er in die weiße, glitzernde Landschaft hinaus.
„Nell, was ist das?"
„Das ist Schnee, My Lord. Es schneit oft im Winter.", sagte Nell mit ihrem hohen Stimmchen.
„ Schnee.", wiederholte Harry ehrfürchtig.
Als er weiterging, vergaß Harry, dass er vorsichtig sein musste und es ihm verboten war seine Zimmer zu verlassen. Es war viel zu interessant und aufregend, die einzelnen Gemächer zu erkunden. In einem Raum hingen seltsame Bilder an der Wand, auf denen Furcht erregende Wesen abgebildet waren. Manche Türen waren verschlossen und da Nell ihm sagte, dass hier einige Anhänger – was immer das auch zu bedeuteten hatte –seines Vaters wohnten, fiel ihm wieder ein, dass er vorsichtig sein musste, sodass er rasch weiterging. Er folgte einer kleinen Wendeltreppe und öffnete die nächste Tür. Sein Blick wurde augenblicklich von einem großen, blauen Himmelbett angezogen. Harry, der schon etwas erschöpft war und dessen Beine anfingen wehzutun, setzte sich auf das weiche Bett. Eine zischelnde Stimme ließ ihn gleich wieder aufspringen.
„ Immer diese dummen Menschen, ständig müssen sie mich stören."
Nells Augen weiteten sich angstvoll, als sie eindringlich flüsterte:
„ Es ist eine Schlange, My Lord. Bitte lasst uns gehen."
Harry, der seinen ersten Schrecken überwunden hatte, war jedoch mehr neugierig als ängstlich. Zaghaft hob er die blausamtene Bettdecke hoch. Eine kleine zusammengerollte Schlange kam zum Vorschein. Sie war schwarz und hatte silberne Quadrate auf ihrem Rücken, die im Licht schimmerten. Harry bestaunte das kleine Tier und fragte:
„ Was machst du hier?"
Nell zuckte zurück und starrte ihren jungen Herrn an, der gerade in gleicher Weise gezischelt hatte, wie die Schlange Augenblicke zuvor. Das kleine Reptil hatte ihren Kopf gehoben und blinzelte sie an.
„ Du kannst unsere Sprache sprechen; wie interessant. Ich habe geschlafen."
„ Tut mir Leid, dass wir dich geweckt haben. Würdest du mit mir kommen?" fragte Harry, der ungemein fasziniert von der Schlange war.
„ Ja, warum nicht?", entgegnete das Reptil nach einer Weile des Überlegens und schlängelte sich um Harrys Handgelenk, der sich wieder auf das Bett gesetzt hatte. Nell beobachtete ihren Schützling mit aufgerissenen Augen. Obwohl sie wusste, dass die Schlange ihm nichts antun würde, hatte sie Angst um das Kind, das sie so sehr liebte. Harry, der von Nells Sorge um ihn nichts merkte, setzte unbekümmert sein Gespräch mit der kleinen Schlange fort.
„ Wie heißt du?", wollte er wissen.
„ Mein Name ist Diamond."
„ Diamond? Das ist ein lustiger Name. Ich bin Harry."
Unvermittelt erstarrten Harry und Nell. Jemand lief mit hastigen Schritten an ihrer, nur angelehnten, Tür vorbei. Die Schritte entfernten sich und Harry atmete aus. Er stand auf und merkte wie hungrig er war. Er war schon viel zu lange fort gewesen und die Aufgaben musste er ja auch noch erledigen. Da er den Weg zurück zu seinen Räumen nicht mehr wusste, überließ er Nell die Führung. Bald darauf erreichte Harry erschöpft, aber glücklich mit Nell und Diamond sein Zimmer, froh, dass niemand ihn gesehen hatte.
Am nächsten Morgen blieb Bellatrix Lestrange wie angewurzelt stehen, als sie auf dem Arm ihres Schülers eine ziemlich giftige Schlange sah und hörte wie Harry leise zu dem Tier sprach. Sie gewann ihre Fassung jedoch schnell zurück. Sie hätte damit rechnen sollen, dass der Junge diese seltene Gabe besitzen würde, schließlich war auch ihr Gebieter ein Parselmund. Während Harry wenig später einige Zauber vorführte und sie ihm dabei zuschaute, dachte sie, dass er sicherlich einmal ein sehr mächtiger Zauberer werden würde. Nie zuvor hatte sie gesehen, dass ein solch kleines Kind diese Zauber so perfekt beherrschte. Allerdings war sie über Harrys Talent unglaublich erleichtert.
Es bewahrte sie vor nicht gerade angenehmen Bestrafungen. Es war gut, dass sich ihre Bedenken, es würde sich als schwierig erweisen den Sohn ihren Gebieters zu unterrichten, nicht bewahrheitet hatten. Beobachtend, wie Harry ein Buch einige Meter über den Tisch schweben ließ, nahm sie sich vor auch ihrer Tochter, die ein Jahr älter war als Harry, Unterricht in Magie zu geben. Harrys Fortschritte waren äußerst zufrieden stellend, sodass Bella, die sich nach dem Unterricht auf den Weg zu ihrem Gebieter gemacht hatte, um ihm Bericht zu erstatten, ihre Schritte nicht verlangsamte. Als sie ihm mitteilte, dass Harry eine Schlange zu seinem Haustier erkoren hatte und er ebenfalls ein Parselmund war, verwirrte sie die Reaktion des Dunklen Lords komplett. Sie hatte erwartet, dass er diese Neuigkeit mit einem zufriedenen Nicken quittieren würde. Stattdessen starrte er sie mit seinen roten Augen auf ziemlich merkwürdige Weise an.
„ My Lord?", wagte sie zaghaft zu fragen.
Der Dunkle Lord hörte Bella jedoch nicht. Er war völlig in seinen Gedanken versunken. Dieses Kind schaffte es doch immer wieder ihn zu überraschen. Harry war also ein Parselmund. Ohne es zu bemerken, schüttelte er seinen Kopf. Wie konnte das möglich sein? Nur direkte Nachfahren von Salazar Slytherin besaßen diese seltene Gabe und er selber war der letzte Nachkomme des großen Zauberers. Jedenfalls hatte er dies immer geglaubt. Vielleicht stammte James Potter von Salazar Slytherin ab. Das wäre immerhin möglich. Die Potters waren eine uralte Zaubererfamilie. Jäh wurde ihm bewusst, dass Bella immer noch vor ihm stand. Nun, er würde versuchen dieses Rätsel eines Tages zu lösen. Aber im Augenblick begnügte er sich damit kurz zu nicken.
„ Das ist in der Tat eine gute Nachricht.", sagte er und sah, wie Bella sich entspannte.
