Kapitel 16

September 1989

Der fünfzehnjährige Charlie Weasley lächelte stolz während er sein Vertrauensschülerabzeichen betrachtete. Gerade saß er in der Großen Halle von Hogwarts and sah den neuen Erstklässlern zu, wie sie in ihre Häuser sortiert wurden. Sein Bruder Bill würde dieses Jahr Schulsprecher sein. Über diese Neuigkeit hatte sich ihre Mutter sehr gefreut und hatte sie so fest umarmt, dass sie ihnen fast die Knochen gebrochen hätte. Ihre Noten mussten jedoch gut sein, wenn sie Auroren werden wollten.

Als sie dieses allerdings ihrer Mutter gesagt hatten, war diese prompt in Tränen ausgebrochen. Er wusste nur zu gut, dass seine Mutter überhaupt nicht von ihrer Idee Auror zu werden, angetan war, aber nichtsdestotrotz würden sie es werden, beider Entschluss stand fest. Es war ihre Pflicht gegen den Dunklen Lord zu kämpfen.

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er merkte, dass die Zwillinge an der Reihe waren den Sprechenden Hut aufzusetzen und natürlich rief der Hut bei beiden Gryffindor. Es war nicht gerade eine Überraschung, dass seine Brüder ebenfalls in Gryffindor gelandet waren, da bis jetzt ihre ganze Familie in dieses Haus sortiert worden war. Charlie schaute zu seinen Eltern hinüber, die an einem großen Tisch in der Nähe der Lehrer saßen und freudestrahlend klatschten, während Fred und George zu den Tischen hinübergingen.

Seine Familie war diesen Sommer endlich auch nach Hogwarts gezogen. In ihrem Dorf war es langsam zu gefährlich geworden und schließlich hatten seine Eltern entschieden ihr Haus doch zu verlassen, obwohl es seiner Mutter fast das Herz gebrochen hatte. Aber das Risiko war zu groß geworden und sollte es zu einem Überfall kommen, hätte sich seine Familie kaum verteidigen können. Hier in Hogwarts würden sie sicher sein. So viele Jahre hatten sie enormes Glück gehabt, dass die Todesser ihr kleines Häuschen nicht angegriffen hatten, doch man sollte das Glück lieber nicht zu lange herausfordern.

Da nun fast alle Schüler in Hogwarts lebten, hatte es dieses Jahr keinen Hogwarts - Express gegeben. Die wenigen Schüler, die mit ihren Familien in irgendwelchen Verstecken wohnten, waren mit Portschlüsseln angereist. Charlie seufzte traurig und fragte sich was sich wohl noch alles ändern würde. Er bedauerte es, dass sie nie wieder in dem Zug fahren würden. Erst wenn der Krieg zu Ende wäre und erst dann würden sie auch wieder in ihr Haus zurückkehren können, dachte Charlie düster.

Nicht nur seinen Eltern war es schwer gefallen ihr Zuhause zu verlassen. Er zweifelte jedoch daran, dass der Krieg je aufhören würde. Seit er zurückdenken konnte, herrschte Krieg, er hatte nie etwas anderes gekannt. Doch schien es immer schlimmer zu werden. Während Charlie nach oben blickte und die verzauberte Decke betrachtete, betete er, dass es dem Dunklen Lord niemals gelingen würde, Hogwarts anzugreifen. Kurz darauf sah er auf den Tisch hinunter und begann zu essen.


Eine Woche später starrte Harry entsetzt auf die Ruinen von Godric's Hollow. Obwohl er natürlich gewusst hatte, dass Godric's Hollow zerstört worden war, hatte er niemals erwartet, so ein Chaos zu sehen. Es schien so, dass niemand etwas verändert hatte und dass der Ort immer noch genauso aussah, wie an Halloween 1981. Das zerstörte Haus und der mittlerweile völlig verwilderte Garten waren von mehreren hohen Bäumen und einer dichten Hecke umgeben. Acht Jahre früher musste der Garten wunderschön gewesen sein, nun wuchs jedoch alles in einem totalen Durcheinander. Harry fühlte die Zauberbanne, die diesen Ort umgaben, aber er spürte wie extrem schwach sie waren und an einer Stelle war ein großes Loch. Er nahm an, dass der Dunkle Lord dies verursacht hatte, als er nach Godric's Hollow gekommen war.

„ Und nun?", fragte Draco.

„ Ich weiß es nicht, Draco. Ich wollte es nur sehen."

Harry durchquerte den Garten und trat näher an das zerstörte Haus heran. Die Fläche vor ihm war ein einziges Chaos. Er konnte zerbrochene und kaputte Möbel erkennen, einige Dinge, von denen er nicht sagen konnte, was es war, etwas das aussah, als ob es einmal eine Treppe gewesen war, ziemlich viele Dachziegel und eine Menge an Schmutz und Staub. Er begann vorsichtig durch dieses Durcheinander zu waten. Seine Schritte machten knirschende Geräusche. Plötzlich fiel sein Blick auf etwas Glitzerndes. Er ging hin, bückte sich und hob einen zerbrochenen Bilderrahmen auf.

Das Glas des Rahmens hatte das Sonnenlicht reflektiert. Er wischte die Glassplitter weg und mit seinem Ärmel versuchte er den Staub abzulösen. Langsam kam ein Foto zum Vorschein. Seine Eltern und ein kleines Baby waren darauf zu sehen. Sein Vater hatte den Arm um seine Mutter gelegt, während sie ein kleines Bündel, aus dem ein Büschel schwarzer Haare herausguckte, in den Armen hielt.

Seine Eltern winkten ihm und Harry fühlte Tränen in seine Augen steigen.

„ Hast du was gefunden?"

Harry zuckte leicht zusammen. Er hatte nicht gemerkt, dass Caro neben ihn getreten war.

„ Ja…ich…hier, ich habe ein Foto meiner Eltern gefunden."

Caro nahm es ihm ab und betrachtete es.

„ Vielleicht sollten wir ein bisschen suchen." Dann hob sie den Kopf und sah ihn an.

„ Du wolltest nach Sachen suchen, die deinen Eltern gehört haben, nicht wahr? Deshalb wolltest du hierher kommen."

„ Ich habe nichts von ihnen, Caro. Nur die Erinnerung an meine Mutter, als ich den Dementor gesehen habe und das eine Foto, das wir im Tagespropheten gefunden haben, aber wir haben die Zeitung ja leider nicht mitgenommen."

„ Okay, dann schauen wir uns doch ein bisschen um. Draco! Komm, du kannst uns helfen!"

Also gingen die drei Freunde vorsichtig durch das verfallene und zerstörte Haus und suchten nach Dingen, die nicht gänzlich zerbrochen waren. Draco tat es mit einem unwilligen Gesichtsausdruck, während er darüber nachdachte, wie nützlich es nun wäre, einen Hauselfen zu haben.

Nach zwei Stunden waren sie wirklich erfolgreich gewesen. Sie hatten eine goldene Kette mit einem seltsamen schwarzen Stein, ein kleines Holzkästchen, auf dessen Deckel ein goldenes ‚P' von einem Meer von Flammen umzüngelt wurde und einen kleinen Spiegel, der es seltsamer Weise geschafft hatte nicht zu zerbrechen, als das Haus zusammengestürzt war, gefunden.

Außerdem hatten sie ein, in Leder gebundenes, Fotoalbum gefunden. Obwohl der Einband beinahe hinüber war und so staubig, dass sie eine kleine Spinne in einer der Ecken fanden, waren die Fotos in einem überraschend guten Zustand. Harry argwöhnte, dass sie wahrscheinlich durch Magie gegen Zerstörung geschützt worden waren. Alle anderen Sachen waren kaputt, undefinierbar oder so tief unter den kaputten Möbeln und dem zerstörten Haus begraben, dass sie nichts mehr finden konnten.

Draco, der genug von diesem Ort hatte, schlug vor noch schnell in die Winkelgasse zu gehen, bevor sie nach Hause zurückkehren würden. Da es doch schade wäre, solch eine Gelegenheit nicht zu nutzen.

„ Oh, ja. Vielleicht ist die süße Eule immer noch da.", rief Caro, die es immer bedauert hatte, dass sie damals nicht genügend Geld bei sich gehabt hatte, um die Eule zu kaufen.

Harry stimmte zu, obwohl er seine Zweifel hatte, ob die Eule immer noch im Schaufenster des Ladens sitzen würde. Also machten sie sich auf den Weg in die Winkelgasse. Nachdem sie von ihren Besen gestiegen waren, betraten sie die Winkelgasse und wurden unvermittelt unfreiwillige Zuschauer eines Kampfes. Offensichtlich lieferten sich Auroren und Todesser gerade ein heftiges Gefecht. Plötzlich schrie Draco:

„ Papa!", und rannte mitten in die Kämpfenden hinein.

Harry fluchte und folgte seinem Freund.

Von einem Augenblick zum anderen fanden sich die drei Freunde in einer tödlichen Falle wieder.

Lucius Malfoy, der gerade mit dem Auror Alastar Moody kämpfte, blieb beinahe das Herz stehen, als er seinen Sohn erkannte.

Draco! Was zum Teufel tust du hier?", schrie der große blonde Mann, in einer Stimme, die nichts Gutes verhieß, für den Fall, dass Draco den Kampf überleben sollte.

Als sein Blick auf Harry fiel, verlor sein Gesicht jegliche Farbe, während er lauthals fluchte.

Er wusste, dass er die Kinder sofort aus der Gefahrenzone herausbringen musste. Er wollte überhaupt nicht über die Folgen nachdenken, wenn der Sohn des Dunklen Lords getötet werden würde. Das würde er seinem Gebieter nämlich niemals erklären können. Das jähe Auftauchen der Kinder war natürlich nicht unbemerkt geblieben und hatte nicht nur die Auroren und Mitglieder des Phönixordens sondern auch die Anhänger der Dunklen Seite verunsichert, sodass der Kampf für einen Moment zu stocken schien. Die Todesser sahen zu Lucius Malfoy hinüber, als ob sie sich von ihm Hilfe versprechen würden, doch dieser wusste selbst nicht recht, war er nun tun sollte. Bevor Lucius sich jedoch zu einer Entscheidung durchringen konnte, kam Bewegung in die Zauberer, die mit scharlachroten Umhängen angetan waren. Einer von ihnen stürmte vor, richtete seinen Zauberstab direkt auf die Kinder und schrie:

„Petrificus Totalus!"

Harry, Caro und Draco, die dicht nebeneinander standen, verschwendeten keinen Gedanken und fingen an sich zu verteidigen.

Als einer der ranghöheren Auroren schrie:

„ Bringt mir die Kinder her! Aber verletzt sie nicht!", verschlechterte sich die Situation dramatisch.

Harry begriff, dass die Auroren sie entführen wollten. Wahrscheinlich wollten sie sie vor der Dunklen Seite retten oder wollten ihre Eltern erpressen. Aber über die genauen Gründe nachzudenken, war nun sicherlich nicht die richtige Zeit.

Er hatte alle Hände voll damit zu tun sich zu verteidigen. Lucius Malfoy, der in Panik geraten war, hatte unterdessen einen seiner Todesser losgeschickt um Hilfe zu holen und um dem Dunklen Lord zu berichten, dass drei gewisse Kinder, einer sein Sohn und seine beiden Freunde in dem Kampf aufgetaucht waren. Lucius wusste, dass sein Gebieter die Botschaft verstehen würde, während sein Bote niemals ahnen würde, dass der schwarzhaarige Junge der Erbe des Dunklen Lords war. Die Kinder verfluchend, wehrte er einen Fluch ab und versuchte sich einen Überblick über die Situation zu schaffen. Wenn sie den Kampf alle heil überstehen sollten, würde Draco etwas erleben. Seine Benommenheit abschüttelnd, schrie er viel zu spät:

„ Beschützt die Kinder!", und setzte gleichzeitig alles dran um in ihre Nähe zu gelangen.

Wie um Gottes Willen hatten sie es geschafft aus dem Schloss zu schleichen? Während er kämpfte versuchte er die Kinder im Auge zu behalten. Überraschenderweise kämpften sie ziemlich gut, dachte er stolz. Harry benützte einige Flüche, die er nicht erkannte, aber bis jetzt gelang es ihnen ihre Angreifer abzuwehren. Sobald die Auroren gemerkt hatten, dass die Kinder sich verteidigten und keineswegs die Absicht hatten, sich von ihnen entführen zu lassen, hatten sie jegliche Rücksicht aufgegeben. Plötzlich sah Lucius wie Carolina von einem Zauber getroffen wurde und zu Boden sank.

Caro!", schrie Harry.

Er sprang vor sie, schrie einen Fluch, den Lucius wieder nicht erkannte, und der Auror der Bellas' Tochter getroffen hatte, fiel ebenfalls zu Boden. Die Auroren versuchten derweil sie von den Kindern zu trennen. Lucius fluchte. Verdammt noch mal, warum kam ihnen denn niemand zu Hilfe?

Wie lange brauchte dieser Idiot, den Dunklen Lord zu informieren? Oder hatte er sich zersplintert?

Dann sah er, wie sein Sohn auf die Knie fiel und seinen blutenden Arm hielt. Aber Gott sei Dank war er am Leben. Harry wehrte einen Fluch ab, der für Draco bestimmt gewesen war und versuchte seine verletzten Freunde zu beschützen.

Lucius fühlte wie eine unwillige Bewunderung für diesen Jungen in ihm aufstieg. Es gab keinen Zweifel, dass der neunjährige junge Lord mächtig war und sehr viel wusste. Zum ersten Mal kam es ihm gar nicht mehr so abwegig vor, dass dieses Kind der Erbe seines Gebieters war. Trotz seiner mangelnden Erfahrung war Harry ein ernstzunehmender Gegner für die Auroren. Was jedoch viel wichtiger war: er beschütze seine zwei Freunde mit einem Mut, den Lucius von Harry nicht erwartet hätte. Lucius war nur allzu gut bewusst, dass Harry seinen Sohn vor einem Fluch gerettet hatte und dass er nun seinen verletzten Sohn beschützte. Er würde Harry für immer dankbar dafür sein und er wusste, dass er von nun an, den jungen Lord respektieren und achten würde.


Charlotte Black konnte es nicht glauben, dass ihre Kollegen wirklich gegen diese Kinder kämpften und dass einer von ihnen – sie hatte nicht mitbekommen wer – sogar befohlen hatte, die Kinder zu entführen. Wütend schüttelte sie ihren Kopf. Sie war sich sicher, dass Albus so einen Befehl niemals gegeben hätte. Es war einfach nicht richtig Krieg gegen Kinder zu führen. Selbst wenn sie die Kinder von Todessern waren. Sie konnten ja nichts dafür, wer ihre Eltern waren. Sie hatten schließlich keine Schuld, dass sie sich im Krieg befanden.

Nun sah sie, wie das Mädchen bewusstlos zu Boden fiel. Kurz darauf wurde der silberblonde Junge getroffen und Charlotte stand plötzlich dem schwarzhaarigen Jungen, der als einziger noch nicht verletzt worden war, gegenüber.

Er hob seinen Zauberstab und dann schoss ein rotes Licht direkt auf sie zu. Obwohl es ihr missfiel gegen den Jungen zu kämpfen, hatte Charlotte in dem Augenblick keine andere Wahl als sich selber zu verteidigen. Während sie mit ihm kämpfte – sie schätzte ihn auf ungefähr zehn Jahre – wunderte sie sich wer er war. Im nächsten Augenblick jedoch dachte sie nur noch daran sich zu verteidigen. Er war schnell und benützte Zauber, die sie nie zuvor gesehen hatte. Fassungslos stolperte sie rückwärts. Grimmig nahm sie sich vor nie wieder einen Gegner zu unterschätzen. Charlotte schwang herum und während ihr Herz einen Sprung machte, schaffte sie es im letzten Augenblick auszuweichen.

Bis jetzt hatte sie sich noch zurückgehalten, aber nun begann sie mit aller Kraft zu kämpfen, während sie sich sagte, dass sie jetzt keine Rücksicht darauf nehmen konnte, dass er noch ein Kind war. Schließlich kämpfte er nicht wie eines. Plötzlich schoss ein dunkelgoldenes Licht mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit auf sie zu. Ihr schnell herbei gezaubertes Schild war zu schwach und das letzte was sie sah bevor sie zu Boden fiel, waren smaragdgrüne Augen. Während sie fiel, schoss ihr durch den Kopf, dass sie nie zuvor solch eine intensive Augenfarbe gesehen hatte. Dann wurde sie von Dunkelheit umhüllt.


Lucius Malfoy seufzte erleichtert. Endlich hatten es einige Todesser geschafft, die Reihen der kämpfenden Auroren zu durchbrechen und einen schützenden Ring um die Kinder zu bilden. Im gleichen Moment erschienen endlich auch mehrere Todesser und sogar der Dunkle Lord selbst. Das unerwartete Auftauchen des Dunklen Lords verursachte einen Aufruhr unter den Kämpfenden. Aber mit den neu angekommenen Streitkräften wurde der Kampf in Sekunden entschieden. Sobald der Phönixorden begriffen hatte, dass sie gegen so viele Todesser keine Chance hatten, apparierten sie so schnell wie möglich davon, während sie noch schnell versuchten ihre verletzten, bewusstlosen oder toten Kollegen zu ergreifen.

„ Harry!"

Lucius drehte sich um und erblickte Carolina, die sich über Harry beugte. Also war sie nur mit einem Schockzauber getroffen worden, dachte er erleichtert. Harry hatte sie wahrscheinlich aufgeweckt und war nun offensichtlich in Ohnmacht gefallen. Es schien so, dass der junge Lord zu viel Magie und Energie auf einmal verbraucht hatte. Lucius ging zu seinem Sohn, fasste ihn am Ärmel und riss ihn hoch. Sein Sohn war schneeweiß im Gesicht, aber abgesehen von seinem Arm war er unverletzt. Der Dunkle Lord hob unterdessen Harry hoch, packte Carolinas Arm und apparierte davon. Lucius folgte mit Draco, während unter den verbliebenen Todessern, deren Gesichter fassungslos und entsetzt aussahen, ein Wispern und Flüstern ausbrach.


Eine Stunde später hatte sich der Innere Kreis des Phönixordens versammelt und Alastor Moody, ein sehr respektierter Auror und Mitglied des Orden, erzählte den anderen Mitgliedern, die nicht anwesend gewesen waren, was sich in dem heute stattgefundenen Kampf ereignet hatte.

Es war immer noch ein völliges Rätsel, woher und warum die Kinder plötzlich aufgetaucht waren. Was allerdings am mysteriösesten und unerklärlichsten war, war, dass der Dunkle Lord selbst am Schauplatz des Kampfes erschienen war, etwas, was er bisher nur in wichtigen strategischen Kämpfen getan hatte. Aber heute war kein wichtiger Kampf gewesen.

Nun fragte Albus Dumbledore, der Anführer des Ordens:

„Und du hast keine Ahnung, wer diese Kinder waren, Alastor?"

„ Der blonde Junge war offensichtlich Malfoys Kind. Er hat ihn mit ‚Papa' angesprochen. Wer das Mädchen und der andere Junge war, weiß ich nicht. Aber ich denke nicht, dass das Mädchen oder Malfoys Sohn ein Problem darstellen. Es ist der schwarzhaarige Junge, um den wir uns Sorgen machen müssen. Er hat sieben unserer Leute in kürzester Zeit kampfunfähig gemacht. Er hat zwar keine Unverzeihlichen Flüche angewendet, aber er hat definitiv Schwarze Magie benutzt. Selbst ich habe einige seiner Flüche nicht erkannt."

Albus' Blick wanderte umher und blieb an Sirius und Remus hängen. Remus bemerkte seinen fragenden Gesichtsausdruck und sagte:

„ Emily passt auf die Kinder auf, aber Charlotte wurde verletzt."

„ Ist es schlimm?"

Sirius schüttelte den Kopf.

„ Nein, Poppy hat gesagt, dass sie bald wieder auf den Beinen sein wird."

Alastor räusperte sich und lehnte sich vor.

„ Was ich sagen wollte, ist, dass obwohl die anderen zwei Kinder besser als der Durchschnitt waren und auch nicht schlecht gekämpft haben, wenn man bedenkt, dass sie vielleicht zehn Jahre alt sind, kann der schwarzhaarige Junge ein wirkliches Problem werden, wenn er erwachsen ist. Ich habe noch nie so etwas wie ihn gesehen. Er ist ein Naturtalent was das Kämpfen betrifft und die meiste Zeit hat er gegen mehr als einen Auror gekämpft. Und er hielt bis zum Ende durch. Erst danach wurde er ohnmächtig. Ich habe mich übrigens unsichtbar gezaubert und bin noch eine Weile geblieben. Und was ich gesehen habe, was wirklich merkwürdig. Unser Lord schien richtig besorgt über das Kind zu sein und er hat ihn sogar aufgehoben. Wenn der Junge nicht wichtig wäre, hätte Voldemort das nie getan."

Albus Dumbledore überlegte einen Moment.

„ Das ist in der Tat seltsam. Weißt du wer dieses Kind sein könnte, Severus?"

„ Ich kenne Draco, und das Mädchen muss Bellatrix Lestranges Tochter sein. Aber wer der Junge ist, habe ich keine Ahnung.", entgegnete Severus gleichmütig.

Alastor Moody begann erneut zu sprechen.

„Wir sollten unseren Kindern und Schülern auch so früh beibringen sich selber zu verteidigen. Die Todesser bringen ihren Kindern alles bei, was auch nur im Entferntesten nützlich sein kann. Wir sollten mal darüber nachdenken. Wenn sie erwachsen sind, müssen sie sowieso kämpfen. Je eher sie damit anfangen, desto besser.

Außerdem sollten wir uns Gedanken über unsere drei talentierten Zauberer machen. Offensichtlich sind sie ziemlich wichtig für unseren Lord, besonders der schwarzhaarige Junge, sonst wäre er kaum dort erschienen und das gefällt mir irgendwie überhaupt nicht. Es ist ein Jammer, dass wir sie nicht gefangen nehmen konnten. Der Junge könnte in Zukunft wirklich ein Desaster für uns werden, wenn er auf deren Seite kämpft."

Nachdenklich seinen Kopf auf seine Hände stützend, nickte Albus.

„ Du hast Recht, Alastor, mir gefällt es auch nicht. Ich denke nicht, dass wir jetzt noch eine Chance haben, sie zu entführen. Ich glaube kaum, dass sie jetzt noch zulassen werden, dass die Kinder ohne Beaufsichtigung auf die Straßen schleichen. Wahrscheinlich wollten die Kinder in die Winkelgasse gehen und sind unbeabsichtigt in den Kampf geschlittert. Aber vielleicht… Severus du wirst versuchen herauszufinden wer der schwarzhaarige Junge ist. Ich muss gestehen, dass ich ziemlich neugierig bin, was seine Identität betrifft."

Severus nickte kurz und der Orden begann über andere Dinge zu sprechen, obwohl das nicht gerade erfolgreich war, da die Gedanken von fast jedem noch um die Geschehnisse, die sich an diesem Tag ereignet hatten, kreisten. Diejenigen Mitglieder, die nicht am Kampf beteiligt gewesen waren, fühlten zum ersten Mal in ihrem Leben ein leichtes Bedauern, dass sie einen Kampf vermisst hatten.


Als Harry die Augen öffnete lag er in seinem Bett und hatte ein eiskaltes Tuch auf seiner Stirn. Der Dunkle Lord saß neben ihm und beobachtete ihn.

„ Caro und Draco, geht es ihnen gut?" Seine Stimme hörte sich heiser und kratzig an.

„ Ja, dank dir haben sie sich nur leicht verletzt."

Die roten Augen starrten ihn plötzlich durchdringend an.

„ So, was hattet ihr da eigentlich zu suchen?"

Harry zitterte. Er fühlte sich grauenhaft, aber er wusste, dass er sich verausgabt hatte. Sein Kopf tat höllisch weh und da ihn das Licht störte, schloss er seine Augen.

„ Wir wollten in die Winkelgasse. Es tut mir leid."

„ Verstehe. Ich muss dir sagen, dass ich stolz auf dich bin, Harry. Für jemanden deines Alters hast du dich hervorragend geschlagen. Nichtsdestotrotz wirst du das nicht noch einmal tun. Es ist zu gefährlich. Wenn du und deine Freunde das Schloss verlassen wollt, werdet ihr Wachen mitnehmen. Und jetzt wirst du dich erholen. Wenn du wieder fit bist, werden wir beginnen die restlichen Unverzeihlichen Flüche zu studieren. Ich habe dich leider die letzten Wochen vernachlässigen müssen. Außerdem denke ich, dass es Zeit wird, dass du an den Todesser Versammlungen teilnimmst. Seit dem Kampf werden die Todesser sich fragen wer du bist. Es wird nicht mehr lange möglich sein, deine Identität zu verheimlichen."

Dann stand der Dunkle Lord auf und verließ das Zimmer, während Harry bitter über seine Identität nachdachte. Warum, warum hatte das geschehen müssen? Warum hatte sein Adoptivvater seine richtigen Eltern umbringen müssen?

Harry war immer noch hin und her gerissen zwischen seinen Gefühlen für seine Eltern, an die er sich nicht erinnerte und seinen Adoptivvater. Wegen seinen chaotischen Gefühlen hatte er die letzten Monate gar nichts getan. Sein Gefühl sagte ihm, dass er den Dunklen Lord eigentlich hassen sollte, für das, was er seinen Eltern angetan hatte, aber irgendwie konnte er es nicht. Nicht richtig jedenfalls. Aber manchmal tat er es doch, wenn er von seiner Mama oder von seinem Papa träumte. Und heute das Haus. Irgendwie hatte es ihn getroffen, es so zerstört zu sehen. Harry seufzte. Die letzten Monate, seit er die Wahrheit herausgefunden hatte, war in einigen europäischen Ländern ein großer Widerstand ausgebrochen, der rasch ziemlich mächtig geworden war. So hatte sich der Dunkle Lord dort hinbegeben um den Widerstand zu brechen und hatte sich über Wochen nicht um ihn gekümmert.

Harry war allerdings eher erleichtert gewesen. Seit Harry die Wahrheit herausgefunden hatte, hatte er sich in der Anwesenheit seines Adoptivvaters nicht mehr wohl gefühlt. Er hatte nicht gewusst, wie er sich verhalten sollte. Einige Zeit hatte er wirklich daran gedacht mit ihm zu sprechen, ihm zu sagen, dass er die Wahrheit kannte.

Dann hatte er die Idee jedoch verworfen. Harry hatte vor der Reaktion seines Adoptivvaters Angst, wenn er erfuhr, dass er die Wahrheit wusste. Warum musste immer alles so verdammt kompliziert sein? Also hatte er gar nichts getan. Aber was hätte er denn tun können? Das Schloss verlassen? Doch wohin hätte er dann gehen können? Harry drehte sich vorsichtig zu Seite. Sein Kopf fühlte sich an, als ob er gleich explodieren würde. Er war gerade beim einschlafen als er plötzlich im Bett hochschoss. Die Sachen! Wo waren die Dinge, die er in Godric's Hollow gefunden hatte?

Panisch schaute er sich in seinem Zimmer um, bis er seine Anziehsachen entdeckte, die über der Stuhllehne hingen. Langsam kletterte er aus seinem Bett und taumelte zu dem Stuhl. Er hob seine Robe hoch und fasste in die Tasche, wo er als erstes seine Schlange herausfischte, die sich prompt um seinen Arm schlängelte. Zitternd zog er die gefundenen Sachen heraus. Unglaublich erleichtert, dass der Dunkle Lord sie nicht gefunden hatte. Jäh musste er sich am Stuhl festhalten, als es vor seinen Augen flimmerte. Vorsichtig ging er zu seinem Bett zurück. Er würde die Sachen morgen genauer betrachten, wenn es ihm besser ging.

Als er die Augen schloss, war er nur noch erleichtert, dass sie den Kampf überstanden hatten – es war wirklich nützlich gewesen, dachte er, dass er so viele Male in den Büchern weitergeblättert hatte, als er eigentlich gesollt hatte– und das sein Adoptivvater ihm geglaubt hatte, dass sie in die Winkelgasse wollten. Wenig später schlief er tief und fest.


Remus Lupin saß auf einer Bank in der Nähe des Hogwarts See und war gerade dabei seiner Tochter etwas vorzusingen. Er konnte immer noch nicht richtig glauben, dass dieses wunderschöne kleine Wesen sein Töchterchen war. Sie hatte seine grauen Augen und hatte das dunkelbraune Haar von Emily geerbt. Seine kleine Meggie. Sie war nun fünf Wochen alt und er war völlig hingerissen von seiner Kleinen.

„ Moony, was machst du da?"

Remus drehte seinen Kopf und sah Sirius Black vor sich stehen. In seinen Armen trug er seinen Sohn und Lizzie. Er stellte die quengelnden Kinder auf den Boden und setzte sich ebenfalls auf die Bank, während die Kinder zu krabbeln begannen.

„ Ich war gerade dabei ein Schlaflied zu singen, bevor du mich unterbrochen hast, Sirius."

„ Singen? Ich wusste gar nicht, dass du das kannst."

„ Sehr witzig, Sirius. Sag mir nicht, dass du Jamie nie etwas vorsingst."

Sein Freund wurde rot und zuckte mit den Schultern.

„Wie geht es Charlotte? Emily wollte sie gerade besuchen.", sagte Remus.

„Ja, ich weiß. Ich hab sie getroffen, Alison auch und sie hat mir natürlich gleich Lizzie in die Arme gedrückt. Es geht ihr wieder gut. Morgen kann sie den Krankenflügel verlassen.", antwortete Sirius.

Auf das blaue Wasser sehend, dachte Sirius, welch grauenhafte Angst ihn für einen Augenblick erfasst hatte, als er erfahren hatte, dass seine Frau im Kampf verletzt worden war und seine grenzenlose Erleichterung, dass es nur eine geringfügige Verletzung gewesen war. Jamie und Lizzie anblickend, spürte Sirius ein so starkes Bedürfnis seine Familie zu schützen, dass es ihn die Kehle zuschnürte. Er wusste, dass er sie nicht beschützen konnte. Es war ihm heute in aller Deutlichkeit bewusst geworden. Hätte dieser Junge den Todesfluch verwandt, dann hätte er Charlotte heute verloren. Diesen schrecklichen Gedanken verdrängend, schlug er plötzlich seine Faust gegen die Bank. Mit wildem Blick sah er Remus an:

„ Ich kann sie nicht beschützen, Remus. Ich kann es nicht und weißt du was? Heute habe ich begriffen, dass Jamie auch eines Tages kämpfen werden muss und dass ich das nicht verhindern kann!"

In Remus Augen sah er Verständnis. Er sah auf Meggie hinunter und fuhr dem Baby über das Haar.

„ Glaubst du, dass wir jemals diesen Krieg gewinnen werden, dass unsere Kinder vielleicht nicht mehr kämpfen müssen?", fragte Sirius heftig.

„ Ich weiß es nicht. Ich denke die Chance, dass wir gewinnen ist gleich Null. Aber wir werden unsere Kinder beschützen, Sirius. Ihnen wird nichts geschehen.", sagte Remus beschwörend und drückte seine Tochter an sich.

„ Bist du sicher?'

Remus antwortete nicht und für eine Weile saßen sie schweigend da und schauten den Kindern zu, die glücklich miteinander spielten.

„ Ich wünschte sie wären hier.", sagte Sirius plötzlich.

Remus war verwirrt.

„ Wer?"

„ James. Lily und Harry. Sie sollten auch hier sein. Ich vermisse sie so sehr, Moony. Ich weiß, es ist beinahe acht Jahre her, aber…. Harry, er wäre jetzt neun Jahre alt. Weißt du das? Mein kleiner Patensohn wäre neun Jahre alt. Es war alles meine Schuld. Alles war meine Schuld."

„ Sirius, wie kannst du so was sagen? Du wusstest doch nicht, dass Peter der Verräter war!"

„ Wenn ich ihn je wieder treffe, Remus, dann werde ich ihn umbringen."

„ Ja, ich auch. Ich habe es sogar geschworen. An dem Tag, wo sie begraben worden, habe ich es schworen. Eines Tages werden wir unsere Rache haben."

„ Bist du sicher?", fragte Sirius abermals und wieder bekam er keine Antwort von seinem Freund.

So saßen Sirius und Remus auf der Bank und erinnerten sich an ihre Freunde und an ein kleines schwarzhaariges Baby.