Kapitel 20

April 1990

Harry seufzte, als er auf das viele Gepäck starrte, dass in seinem Zimmer stand. Es schien so, als ob er alles eingepackt hätte, was sich in seinen Räumen befunden hatte. Sich umsehend, schaute er nach, ob er nicht etwas vergessen hatte, aber als er feststellte, dass er wirklich an alles gedacht zu haben schien, machte er eine leichte Handbewegung und die unzähligen Sachen begannen zu schrumpfen. Nachdem er angefangen hatte, Magie ohne Zauberstab zu erlernen, versuchte er, wann immer es möglich war, auf seinen Zauberstab zu verzichten und er war davon, dass es ohne genauso gut funktionierte, wie mit, ungemein fasziniert.

Natürlich konnte er bis jetzt nur leichtere Zauber ausführen, aber er war entschlossen, bald auch mächtigere und schwerere Zauber und Flüche zu meistern. Als nun alles verstaut war, begann er nervös auf die Tür zu starren. Caro und er hatten abgemacht, sehr früh am Morgen aufzubrechen, so dass es eine Weile dauern würde, bis jemand ihr Verschwinden bemerken würde. Während er wartete, wippte Harry auf seinen Zehenspitzen ungeduldig auf und ab und fragte sich, ob es wirklich so eine gute Idee war, das Schloss zu verlassen.

Als er vor knapp zwei Wochen seine Entscheidung getroffen hatte, hatten er und seine Freunde sorgfältig begonnen zu planen und über alles genauestens nachzudenken.

Sie hatten nach nützlichen Zaubern und Flüchen gesucht, hatten hin und her überlegt, was sie auf alle Fälle brauchen würden und hatten ihr Taschengeld zusammengezählt. Nichtsdestotrotz hatte er immer noch, nur eine ziemlich vage Vorstellung davon, wie ihr neues Leben aussehen würde und das unruhige, besorgte Gefühl, hatte irgendwie zugenommen, als er seine Augen, wie er annahm, schon endlose Minuten auf die Tür gerichtet hielt. Dann hörte er endlich ein leises Klopfen und Caro trat ein.

„ Hat alles geklappt?", fragte Harry.

„ Ja, zum Glück hat meine Mutter nichts bemerkt. Ich habe den Schweigefluch verwendet. Vorsichtshalber, wäre nicht so grandios gewesen, wenn sie mich gehört hätte.", sagte Caro und ihre Finger klammerten sich fest um ihren Besen, während sie tief Luft holte.

„ Dann werden wir wohl bald aufbrechen, nicht wahr?"

Harry nickte.

„ Ja."

Sie warfen sich kurz einen Blick zu und wandten ihre Aufmerksamkeit der Tür zu. Obwohl Draco im Schloss bleiben würde, hatte er ihnen doch noch auf Wiedersehen sagen wollen. Also warteten sie. Beide hatten das Gefühl, dass die Minuten wie eine Ewigkeit vergingen.

„ Warum braucht er so lange?", murmelte Caro mehr zu sich selbst, als zu Harry.

„ Keine Ahnung. Aber er hätte längst hier sein sollen. Hoffentlich ist nicht passiert.", gab Harry nervös zurück.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ihr silberblonder Freund stürmte herein. Er sah fürchterlich aus.

Sein Gesicht war blass und unter seinen Augen befanden sich dunkle Schatten.

„ Draco, was um Himmels Willen ist passiert?", rief Harry besorgt.

„ Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich werde mitkommen.", sagte Draco mit flacher Stimme und ignorierte die Frage, die Harry gestellt hatte.

Erst jetzt bemerkten Harry und Caro den Besen, den er in der Hand hielt. Harry starrte Draco verwirrt an. Er wusste mit absoluter Gewissheit, dass irgendetwas mit seinem Freund nicht im Mindestens in Ordnung war.

„ Draco, was ist passiert? Warum hast du dich so plötzlich anders entschieden?"

" Ich komme mit, okay? Aber stellt mir keine Fragen. Ich will nicht darüber reden.", entgegnete er scharf.

Harry sah in die gequälten grauen Augen, während er sich fragte, was in aller Welt Dracos Zustand ausgelöst hatte. Da er ihn nicht bedrängen wollte, es ihnen zu erzählen, nickte er widerwillig, aber er schwor sich, dass er herausfinden würde, was Draco so durcheinander gebracht hatte. Außerdem war jetzt sowieso keine Zeit eine Diskussion zu führen, sodass alles warten musste, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Je schneller sie von hier wegkamen, desto besser.

„Dann kommt. Lasst uns gehen. Nell!", rief Harry und Sekunden später erschien die kleine Hauselfe.

In ihren Armen trug sie einige Pakete, in denen, wie Harry vermutete, verschiedene Köstlichkeiten enthalten waren. Er nahm sie Nell ab und hob sie hoch. Sie gingen zum Fenster und nachdem sie sich unsichtbar gezaubert hatten, bestiegen sie ihre Besen. Augenblicke später flogen sie hinaus in die klare, kalte Luft. Vor ihnen konnten sie den Beginn des Sonnenaufgangs erahnen. Es versprach ein wundervoll, sonniger Tag zu werden.

Harry konnte nicht umhin, als glücklich zu lächeln. Endlich flog er wieder. Seit dem Kampf in der Winkelgasse letzten September war er nicht mehr geflogen. Als der eisige Wind in sein Gesicht wehte, fühlte er sich einfach herrlich und seine Sorgen verschwanden ebenfalls. Er stieg höher und höher, während er Kurven und Schlenker flog. Er spürte, wie Nells kleine Händchen ihn fester um die Taille packten. Das wütende erschrockene Zischeln Diamonds veranlasste ihn jedoch wieder langsamer zu werden.

Also flog er tiefer und hielt Ausschau nach seinen Freunden. Obwohl unsichtbar hatte jeder von ihnen seinen Zauberstab auf solche Weise verzaubert, dass er ein mattes blaues Licht verbreitete, sodass sie sich nicht verlieren oder zusammenstoßen konnten, wie es bei ihren früheren Ausflügen beinahe geschehen wäre. Er entdeckte sie und flog neben einen von seinen Freunden her. Da es schien, als ob keiner of ihnen gewillt war, zu sprechen, legten sie ihren Weg in Schweigen zurück, während Harry darüber nachdachte, was passiert sein könnte, dass Draco seine Entscheidung im Schloss zu bleiben, geändert hatte.

Unvermittelt konnte Harry die Ruinen von Godric's Hollow unter sich sehen und er fühlte, wie die Aufregung und Unsicherheit zu ihm zurückkehrten. Kurz darauf landeten die Freunde vorsichtig in dem kniehohen Grass. Nachdem sie sich wieder sichtbar gezaubert hatten, sah Caro sie an und fragte:

„ Und nun? Ich denke, es wäre am besten, wenn wir uns erst um die Schutzzauber kümmern, oder?"

Harry nickte und holte etwas aus seinen Taschen hervor. Als er es vergrößert hatte, konnten Draco und Caro erkennen, dass es einige beschriebene Blatt Papier waren.

„ Das wäre wahrscheinlich wirklich am besten, da die augenblicklichen Schutzzauber sehr schwach und teilweise völlig zerstört sind. Hier habe ich einige Zauber aufgeschriebenen, die wir benützen können."

Draco nahm seinen Zauberstab und sagte energisch:

„ Also los. Fangen wir an, aus diesem Ort ein sicheres Plätzchen zu machen."

Während Harry seinen Freunden sagte, welche Zauber sie nehmen sollten, spürte er, wie Angst in ihm aufstieg.

Wäre es nicht doch besser gewesen im Schloss zu bleiben? Wie würden sie überleben? Würden sie sie hier nicht finden? Dann schüttelte er energisch den Kopf. Was auch immer für Schwierigkeiten auftauchen würden, er würde darüber nachdenken, wenn sie auftraten und gemeinsam würden sie es schon schaffen, sie zu meistern. Jetzt war es erst einmal wichtig Godric's Hollow mit Schutzbannen und Zauber zu umgeben, sodass sie hier sicher wären.


Charlotte Black, die gerade damit beschäftigt war gleichzeitig Frühstück zu machen und die Hausaufgaben ihrer Schüler zu korrigieren, schüttelte entnervt ihren Kopf, als ihr Federkiel auf den Boden fiel und unter den Tisch rollte. Als sie ihn endlich gefunden hatte und sie sich gerade wieder den Aufsätzen zugewandt hatte, wurde sie von einer fröhlichen kichernden Stimme unterbrochen.

„ Mama!"

Sie drehte sich um und lächelte ihren kleinen Sohn an, der bald seinen zweiten Geburtstag feiern würde, und der gerade versuchte seinen Kinderstuhl umzuwerfen, indem er sich hin und her warf. Sie ging to Jamie, beugte sich herunter und drückte einen Kuss auf sein weiches Haar, während sie sich fragte, ob sie Jamies Papa je wieder sehen würde. Zwei Tage waren bereits vergangen, seit sie zum letzten Mal eine Nachricht von Sirius bekommen hatte und nun wartete sie mit schrecklicher Ungeduldigkeit, die beinahe unerträglich für sie war, auf einen weiteren Brief, der ihr mitteilen würde, dass ihr Ehemann noch am Leben war.

Während sie ihren kleinen Sohn an sich drückte, fühlte sie, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Seitdem sie erfahren hatte, dass ihre Tante und ihr Onkel getötet worden waren, passierte es ihr oft, dass sie nicht fähig war ihre Tränen zurückzuhalten. Es war beinahe zwei Wochen her, seit der Dunkle Lord nach Frankreich gegangen war, zusammen mit tausenden von seinen Todessern, um den Widerstand zu besiegen, der von ihrem Onkel angeführt worden war. Er und ihre Tante waren unter den ersten gewesen, die ermordet worden waren.

Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass diese zwei Menschen, die sie und ihre Schwester aufgenommen hatten, als ihre Eltern ermordet worden waren, die sie aufgezogen und ihnen all die Liebe gegeben hatten, die sie besessen hatten, nun tot waren. Sie hatten ihnen ein Zuhause gegeben, nachdem ihre Welt über Nacht zusammengebrochen war und nun würde sie sie nie wieder sehen. Charlotte erinnerte sich an das kleine Haus in Frankreich, in dem sie gewohnt hatten, den kleinen Garten mit der alten Eiche, an der sie und Emily als Kinder immer hochgeklettert waren, um dort zu spielen oder sich zu verstecken. Sie dachte zurück an ihren letzten Besuch vor zwei Jahren, als sie Jamie erwartet hatte. Es waren so schöne, friedliche Tage gewesen, die sie mit den beiden verbracht hatte.

Aber zum letzten Mal gesehen, hatte sie ihre Tante und ihren Onkel im vergangenen August, als die kleine Meggie geboren worden war. Charlotte schloss gequält die Augen. Sirius war nun dort. In dem Land in dem sie einen Teil ihrer Kindheit und ihre ganze Jugend verbracht hatte. Dumbledore hatte viele Mitglieder des Ordens dorthin geschickt, um der verzweifelt kämpfenden Widerstandsgruppe zu helfen. Sirius und Remus waren unter ihnen und die Gewissheit, dass ihr Ehemann sich mitten in der Gefahrenzone befand, lastete schwer auf ihr. Plötzlich begann sie zu schluchzen, während sie Jamie immer noch an sich drückte.

„ Charlotte? Ist etwas passiert!"

Die verängstigte Stimme ließ Charlotte zusammenzucken. Sie drehte sich um und schüttelte den Kopf.

„ Nein, es ist nichts passiert, Hermione." Charlotte ging zu dem Mädchen, das sie immer noch ziemlich erschrocken ansah, und zog sie an sich.

„ Es ist nichts passiert, Liebling. Ich musste nur an meine Tante und meinen Onkel denken.", sagte sie leise und strich Hermione über den Kopf. Charlotte schämte sich, das sie so die Fassung verloren hatte und Hermione so erschreckt hatte. Als Sirius ihr vor zwei Jahren verkündet hatte, er wolle Hermione adoptieren, hatte sie es niemals für möglich gehalten, dass sie das Mädchen einmal so lieben könnte. Aber mittlerweile liebte sie Hermione, wie ihr eigenes Kind.

Das Mädchen klammerte sich an sie und flüsterte:

„ Wird es denn nie aufhören? Warum tun sie uns so etwas an? Können sie uns nicht in Ruhe lassen? Ich hasse sie, sie machen alles kaputt. Ich hasse sie!"

Charlotte schauderte, als sie den Hass in Hermiones Stimme hörte. Es war schlimm, wenn Kinder dazu gebracht wurden zu hassen. Aber sie konnte es ihr nicht verdenken, sie wusste, dass Hermione den Mord ihrer Eltern mit angesehen hatte. Ein Grauen, das sie niemals vergessen würde. Abgesehen davon, brodelte in ihr selbst ein gnadenloser Hass, der sie zuweilen erschreckte.

„ Ich weiß es nicht, Hermione. Ich weiß es nicht.", sagte sie traurig, während Verzweiflung in ihr hochstieg.

In der letzten Zeit hatte sie immer öfter das Gefühl, dass sie es nicht mehr ertragen konnte. Der Krieg zerstörte sie immer mehr, jeden Tag ein wenig mehr. Unaufhörlich, und sie konnte nicht das Geringste dagegen tun.

Dann straffte sie sich. Es würde niemanden etwas nutzen, wenn sie sich so gehen ließ. Sie musste stark sein, für ihren Ehemann, für Jamie und für Hermione, die sie und Sirius brauchten, für ihre Schwester und all die anderen, die ihr etwas bedeuteten.

Sie musste stark sein, aber manchmal ging es über ihre Kräfte.

„ Mama, hungig!", krähte mit einem Mal Jamie und erinnerte seine Mutter somit wieder an das halbfertige Frühstück.

Hermione lächelte, trat zu Jamie und hoch ihn hoch.

„ Weißt du, dass du bald zu schwer zum Tragen wirst, wenn du weiter so schnell wächst?", sagte sie, während sie das Baby durch die Luft schwang. Jamie streckte seine kleinen Händchen nach ihr aus und begann zu lachen, während seine Augen zu strahlen schienen.

Nachdem sie gefrühstückt hatten, verabschiedete sich Hermione von Jamie und Charlotte, holte ihren Zauberstab und begann durch das Schloss zu laufen. Da sie schon ein wenig zu spät für den Unterricht war, musste sie sich beeilen. Als sie endlich den richtigen Klassenraum erreicht hatte, klopfte sie und trat ein. Sie war nicht überrascht, dass bereits alle anwesend waren.

„ Entschuldige, dass ich zu spät bin, Bill.", sagte sie nach Atem ringend

„ Schon in Ordnung, Hermione.", antwortete Bill Weasley gutgelaunt und lächelte ihr zu.

Sie lächelte zurück und setzte sich neben Ron. Ein halbes Jahr zuvor hatten die Erwachsenen, wie aus heiterem Himmel entschlossen, dass die Kinder, die noch nicht das Alter von elf Jahren erreicht hatten, ebenfalls Unterricht gegen die dunklen Künste bekommen sollten. Hermione wusste nicht, was der Anlass dafür gewesen war, die Erwachsenen hatten nur gesagt, dass es notwendig sei, dass sie sich auch verteidigen konnten.

Seitdem wurden sie jeden Tag von einem der Siebtklässler ein, zwei Stunden unterrichtet und Hermione hatte deswegen unendlich stolz ihren ersten Zauberstab erhalten. Da es keinerlei Noten gab, machten die Unterrichtsstunden unglaublichen Spaß, aber nichtsdestotrotz lernten sie eine Menge. Als Hermione wieder zu Atem gekommen war, hob sie ihren Kopf und begann aufmerksam zuzuhören, was Bill für die heutigen Stunden geplant hatte.


Mittlerweile starrte Bella verwundert auf das leere Zimmer, das sich vor ihren Blicken erstreckte. Wo zum Teufel waren die Kinder? Als Carolina heute nicht zum Frühstück erschienen war und sie ihre Tochter auch nicht in ihrem Zimmer gefunden hatte, dass seltsamerweise leer gewesen war, hatte sie sich fluchend auf die Suche nach ihrer Tochter gemacht. Als sie nun sah, dass das Zimmer des jungen Lords sich in dem exakt gleichen Zustand, wie das ihrer Tochter befand und auch hier von jeglichen Möbeln keine Spur war, stieg langsam ein Verdacht in ihr auf. Aber das konnte nicht sein. Oder doch?

Bellatrix schwang wütend herum und kollidierte mit Lucius Malfoy.

„ Bella, hast du Draco gesehen? Er ist heute nicht zum Frühstück erschienen."

„ Nein, aber ich habe heute weder den jungen Lord noch meine Tochter gesehen. Sie sind verschwunden! Und offensichtlich sind sie ausgerissen!"

„ Ausgerissen? So ein Unsinn, Bellatrix. Wahrscheinlich sind sie im Park und spielen Quidditch."

„ Wenn sie im Park sind, Lucius, wie willst du dann erklären, dass all die Sachen aus Harrys und Carolinas Zimmer sich in Luft aufgelöst haben?", fragte sie mit sarkastischer, zuckersüßer Stimme.

Lucius' Augen weiteten sich überrascht, er drängte sich an ihr vorbei und sah ins Zimmer.

„ Nein, das kann nicht wahr sein. Draco würde niemals weglaufen.", antwortete er voller Überzeugung.

Bella zog ungläubig eine Augenbraue hoch.

„ So, würde er nicht? Und wo zum Donnerwetter sind sie dann, wenn sie nicht weggerannt sind?"

„ Draco würde so etwas niemals tun, Bella. Nach dem Kampf in der Winkelgasse hatte ich ein ernstes Gespräch mit ihm und er hat mir versprochen, dass er nie wieder so etwas Törichtes tun würde. Sie müssen irgendwo im Schloss sein. Es wäre wohl am besten, wenn wir das Schloss von unten nach oben durchsuchen würden."

Bella drehte ihre Augen himmelwärts und entgegnete bissig:

„ Bitte, tue das. Aber du wirst sehen, dass ich recht habe."

Lucius warf ihr einen giftigen Blick zu und apparierte.

Nachdem Bella eine Viertelstunde lang gewartet und überlegt hatte, wo die Kinder hingegangen sein könnten und was sie nun tun sollten, machte sie sich auf die Suche nach Lucius und fand in schließlich in Dracos Zimmer, wo er wie erstarrt und angewurzelt auf das Durcheinander vor ihm blickte. Verschiedene Schränke und Schubladen waren halboffen. Einige Umhänge und Roben lagen achtlos auf dem Boden. Abgesehen von diesen Kleidungsstücken und einigen anderen Dingen war der Raum ebenfalls leer. Alle Bücher, persönliche Sachen waren verschwunden. Bella schaute zu Lucius:

„ Glaubst du mir nun, dass die Kinder weggerannt sind?"

Lucius jedoch schüttelte verwirrt den Kopf.

„ Draco würde das nicht tun. Vielleicht sind sie entführt worden."

„ Entführt?"

„ Ja, warum nicht? Pettigrew ist doch auch verschwunden und bis jetzt ist er nicht wieder aufgetaucht. Er könnte es doch gewesen sein."

Bella starrte ihn an.

„ Hast du den Verstand verloren? Harry hat Schutzzauber an seiner Tür und seinem Zimmer. Jeder Fremde, der versuchen würde, dort einzubrechen, würde sofort das ganze Schloss alarmieren. Mein Haus ist auch beschützt. Wenn heute Nacht jemand dort eingebrochen wäre, ich hätte es bemerkt. Und du hast dein Haus so gesichert, dass noch nicht einmal eine Maus unbemerkt hineinschleichen könnte. Nein, Lucius, deine Theorie ist einfach unsinnig."

Lucius sah Bella einen Moment schweigend an. Er wollte es nicht glauben, es konnte nicht wahr sein. Draco würde niemals sein Versprechen ihm gegenüber brechen. Doch dann gestand er sich widerwillig ein, dass Draco genau dieses getan hatte. Die Kinder waren weggelaufen. Es gab keine andere Erklärung dafür.

„ Du hast Recht, Bella. Aber ich verstehe es einfach nicht. Warum sollten die Kinder weglaufen? Sie haben nicht den geringsten Grund dazu. Und was zum Teufel haben sie vor? Wo wollen sie denn überhaupt hin?"

„ Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Lucius, aber wir müssen sie so schnell wie möglich finden. Bevor sie Dumbledore in die Hände fallen."

„Wenn ich Draco gefunden habe, dann bekommt er Hausarrest für den Rest seines Lebens.", zischte Lucius Malfoy, der langsam vor Wut zu kochen begann, als er begriff, was alles passieren konnte. Dann stöhnte er auf:

„ Himmel, wenn Narcissa das erfährt, dann…"

Narcissa? Du machst dir Sorgen um deine Frau? Und was ist mir unserem Gebieter! Kannst du dir vorstellen, was er mit uns machen wird, wenn er herausfindet, dass wir seinen Sohn verloren haben? Er war schon letztes Mal nicht gerade erfreut, als die Kinder mitten im Kampf in der Winkelgase aufgetaucht sind, wenn du dich erinnerst."

Lucius' Augen weiteten sich erschreckt, und endlich begann er wieder klar zu denken, als er die Enttäuschung, die Draco ihm bereitet hatte, langsam überwand.

„ Wir müssen ihn finden, bevor der Dunkle Lord zurückkehrt. Sonst sind wir tot!"

Bella nickte grimmig.

„ Da hast du ausnahmsweise mal Recht, Lucius."


Am Abend saß Severus Snape gemütlich in einem seiner Sessel und sah angenehm entspannt in das tanzende Feuer, während seine fast zwei Jahre alte Tochter es sich auf ihm bequem gemacht hatte und friedlich schlief.

In ihren Räumen war es ausgeschlossen, dass jemand seine geheim gehaltene Ehe herausfand und so war es für Severus der einzige Platz, an dem er sein Familienleben genießen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass er entdeckt werden würde.

Als er auf seine Tochter blickte, erschien ein strahlendes Lächeln auf seinem schmalen Gesicht. Ein Anblick, den man eher selten sehen konnte. Sehr vorsichtig streichelte er über Lizzies weiche schwarze Locken. Ihre langen Wimpern flatterten leicht und Severus hielt den Atem an, während er betete, dass sie nicht aufwachen würde. Lizzie zum Schlafen zu bekommen, war immer extrem nervenaufreibend, da Lizzie nicht das Geringste davon hielt und lieber spielen wollte. Da Lizzie jedoch keine Anstalten machte, ihre Augen aufzuschlagen, seufzte Severus erleichtert auf und schloss ebenfalls seine Augen, während er Lizzies leisem Atmen lauschte.

Ein lautes Klopfen gegen die Fensterscheibe schreckte Severus auf. Er riss seine Augen auf und Lizzie öffnete ebenfalls ihre blauen während sich ihr kleines Gesicht zusammenzog und sie anfing zu weinen.

„ Oh, nein. Schhh Lizzie, weine nicht, mein Liebling. Es ist doch alles in Ordnung. Alles okay, mein Kleines.", murmelte Severus, als er seine Tochter sanft schaukelte, doch Lizzie schien den besänftigenden Worten ihres Vaters keinerlei Beachtung zu schenken.

„ Mama, Lizzie will Mama!", schrie sie und Severus seufzte.

Alison war vor einer Weile zu Charlotte und Emily gegangen und wie er seine Frau kannte, würde sie nicht so schnell wiederkommen. Die Lautstärke des Klopfens hatte sich inzwischen beträchtlich gesteigert. Verärgert und wütend setzte Severus seine immer noch schreiende Tochter in den Sessel, marschierte zum Fenster und riss es heftig auf. Als er des unbekannten schwarzen Phönixes ansichtig wurde, zückte er seinen Zauberstab. Der magische Vogel ließ einen Brief zu Boden fallen und flog ins Zimmer hinein.

Severus schwang herum und sah, wie der Phönix sich neben Lizzie nieder ließ und leise anfing zu trillern. Lizzie hörte augenblicklich auf zu schreien, starrte den Phönix verwundert an und streckte ihre Händchen nach ihm aus. Sobald Severus sicher war, dass der Phönix nicht die Absicht hatte, Lizzie etwas anzutun, musterte er den Brief und begann zu überprüfen, ob er nicht mit irgendwelchen Flüchen belegt worden war. Als er nichts finden konnte, hob er den Brief auf und öffnete ihn neugierig.

Snape

Schicken Sie mir so schnell wie möglich ein Fläschchen Veritaserum.

Harry Riddle

Severus blickte auf den einen Satz, während er sich fragte, für was der Erbe des Dunklen Lords um Himmels Willen Veritaserum brauchte. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, aber im Grunde genommen spielte das auch überhaupt keine Rolle. Schließlich wusste er, dass er alles tun würde müssen, was das Kind von ihm verlangte, da es dem Dunklen Lord leider zu jeder Zeit mitteilen konnte, dass er ein Spion war. Also drehte er sich um und ging zu seiner Tochter, die, mit einem strahlenden Lächeln auf ihrem kleinen Gesicht, immer noch damit beschäftigt war, die schwarz glänzenden Federn des Phönixes zu streicheln.

Er beugte sich hinunter und hob Lizzie hoch. Dieses entpuppte sich jedoch als Fehler, da, kaum hatte er sie hochgehoben, sie wieder zu schreien anfing. Erschrocken setzte er sie wieder hin und augenblicklich verstummte sie, während sie sich an den Phönix kuschelte. Er verfluchte den Vogel und nachdem er sich versichert hatte, dass Lizzie nichts passieren konnte, verließ er das Zimmer und eilte hinunter zu den Kerkern. Dort suchte er in den vielen Regalen nach dem Zaubertrank und in Eilschritten machte er sich wieder auf den Weg zurück, wo er zu seiner Erleichterung alles so vorfand, wie er es zurückgelassen hatte. Der Phönix trillerte kurz und Sekunden später flog er mit dem Fläschchen hinaus in die Nacht. Erstaunlicherweise fing Lizzie jedoch nicht an zu weinen, sondern hob ihre kleine Hand und begann zu winken.

Severus schloss das Fenster und machte es sich mit Lizzie wieder in dem Sessel gemütlich. Doch nun sah Lizzie ihn mit ihren großen blauen Augen, die in so sehr an Alison erinnerten, erwartungsvoll und hellwach an und hatte wohl nicht die leiseste Absicht wieder einzuschlafen. Severus seufzte. Dies würde wieder ein langer Abend werden.


Harry lehnte sich gegen das Fenster und starrte in die Dunkelheit. Das matte Licht des Mondes hatte den Garten in gespenstische Schatten getaucht, die im Wind zu tanzen schienen. Er fühlte sich völlig erschöpft, aber dies war kaum überraschend, da sie den ganzen Tag über gearbeitet hatten. Sie hatten das Grundstück mit Schutzzaubern versehen und hatten Godric's Hollow wieder aufgebaut. Obwohl sie noch eine Unmenge zu erledigen hatten und sich noch um den Garten kümmern mussten, hatten sie es doch geschafft die Ruinen in ein gemütliches kleines Haus zu verwandeln. Als Harry sich umdrehte und das Wohnzimmer ansah, fühlte er Stolz.

Caro lag auf dem Sofa und war offensichtlich eingeschlafen. Neben ihr, auf einer der Kissen, hatte es sich Nell gemütlich gemacht.

Die kleine Hauselfe hatte sie heute mit unglaublich leckeren Mahlzeiten verwöhnt und hatte ihnen mit ihrer Elfenmagie noch dazu tatkräftig geholfen. Sein Blick wanderte weiter und sein Lächeln verschwand, als er Draco ansah, der, wie eine Marmorstatue, in seinem Sessel saß und mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck ins Feuer starrte. Obwohl er und Caro versucht hatten Draco zu überreden ihnen zu erzählen was passiert war, hätten sie doch genauso gut gegen eine Wand reden können. Harry machte sich Sorgen, aber so lange, wie er nicht wusste, was Draco bedrückte, konnte er nichts tun, um ihm zu helfen.

Ein Rascheln ließ ihn zum Tisch blicken. Dort war Diamond gerade damit beschäftigt sich in den Briefen, die Dracos Eltern und Bella ihnen geschickt hatten ein Schlafplätzchen zu machen. Die Briefe hatten sie wenige Stunden nach ihrem Verlassen des Schlosses erreicht, und waren Portschlüssel gewesen. Harry konnte immer noch nicht fassen, dass er so dumm gewesen war. Draco hatte ihn in letzter Minute daran gehindert, einen der Briefe hochzuheben und gesagt, dass sein Vater sie bestimmt verflucht hatte. Nach einigen Minuten hatten sie festgestellt, dass sie in der Tat verzaubert worden waren und zwar in Portschlüssel. Wütend hatten sie sie daraufhin vernichtet, aber Harry konnte es immer noch nicht glauben, dass er so leichtsinnig gewesen war.

Man hätte glauben können, dass er in all den Jahren in denen sein Adoptivvater ihn unterrichtet hatte, nicht das Geringste gelernt hatte.

Es war natürlich klar, dass Bella, Lucius und Narcissa alles versuchen würden, um sie zu finden. Er presste seine Nase gegen das kalte Glas und versuchte seinen Phönix zu entdecken, den er vor einiger Zeit zu Severus Snape gesandt hatte. Hoffentlich würde er ihm das Veritaserum bald schicken. Er war so gespannt endlich zu erfahren, was Pettigrew mit seinen Eltern zu tun gehabt hatte.

Zurzeit residierte die Ratte in einer großen Holzkiste, die mit Antiapparationszaubern belegt war, sodass er nicht fähig war, zu fliehen. Harry seufzte, irgendwie war es ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass er im Haus seiner Eltern stand. Als sie es heute wieder aufgebaut hatten, hatte er nicht verhindern können, dass er sich vorstellte, wie seine Eltern hier gestorben waren, ermordet von seinem Adoptivvater. Ein lautes Klopfen ließ ihn zusammenzucken. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass Rainbow auf dem Fenstersims gelandet war. Er öffnete das Fenster und bemerkte erfreut, dass ein kleines Fläschchen an ihr Bein gebunden war. Lächelnd nahm er es ab, während Rainbow kurz trillerte und ins Zimmer hinein flog.

„ Harry, was ist das?", fragte Caro, die sich mittlerweile aufgesetzt hatte und sich nun schlaftrunken die Augen rieb.

„ Das ist Veritaserum."

Caro blinzelte ungläubig und Harry bemerkte, dass Draco, der sich vom Feuer abgewandt hatte, nun auch ziemlich erstaunt aussah.

„ Wo zum Donnerwetter hast du das bloß herbekommen?", wollte Caro wissen.

„ Als ich das erste Mal an einer Todesser Versammlung teilgenommen habe, fand ich heraus, dass einer von ihnen ein Spion ist. Da ich dachte, dass es für ihn eher möglich ist, an den Zaubertrank zu kommen, habe ich ihm vorhin geschrieben, dass er mir ein Fläschchen schicken soll."

„ Ein Spion? Und du hast ihn laufen lassen?", fragte Draco aufgebracht.

Harry sah seinen Freund an und sagte leise:

„Ich wollte nicht schuldig an seinem Tod sein."

In Dracos Augen flackerte etwas und er nickte.

„ Verstehe."

Seine Stimme klang seltsam besiegt und Harry und Caro warfen sich hilflose und ziemlich ratlose Blicke zu

Für einen Moment schwiegen sie. Schließlich fragte Caro:

„ Wie wollen wir Pettigrew eigentlich befragen? Wir müssen irgendwie sicherstellen, dass er uns nicht entwischt."

Harry nickte energisch.

„Ja, natürlich.", sagte er und stellte das Fläschchen mit dem Zaubertrank auf den Tisch.

Dann ging er in die Halle und holte die Holzkiste, in der sie die Ratte gefangen hielten. Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, öffnete er den Kasten, nahm seinen Zauberstab zu Hand und zwang Pettigrew sich wieder in einen Menschen zu verwandeln. Um zu verhindern, dass er floh, fesselte ihn Harry mit seiner Magie. Pettigrew kämpfte gegen die Fesseln und sah sich panisch um. Als seine Augen auf Harry fielen, wurde er aschfahl und begann zu stottern:

„ Harry, du wirst mich doch nicht töten, oder? Ich hab es doch nicht gewollt! Harry, bitte, ich bitte dich, töte mich nicht!" Der letzte Teil war ein verzweifelter Schrei und Harry, mittlerweile etwas irritiert, legte einen Schweigefluch auf ihn.

Unterdessen hatte Caro den Flakon mit dem Zaubertrank in die Hand genommen und Draco war ebenfalls aufgestanden.

„ Sollen wir den Imperius- Fluch benutzen, um ihn dazu zu bringen, dass er das trinkt?", fragte Draco und deutete auf das Fläschchen in Caros Hand. Harry biss sich nachdenklich auf die Lippe und nickte dann.

„ Ja, ich denke, das wäre am besten. Aber ihr müsst mir helfen. Momentan bin ich zu erschöpft, um es alleine zu machen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich es alleine schaffen würde.", antwortete Harry.

Seit der Dunkle Lord nach Frankreich gegangen war, hatten Bella und Dracos Eltern schon einmal angefangen Darco und Caro die Unverzeihlichen Flüche beizubringen. Obwohl seine beiden Freunde es noch nicht fertig gebracht hatten, den Imperius- Fluch zu brechen, konnten sie ihm doch helfen Pettigrew zu verfluchen. Harry richtete seinen Zauberstab auf den Animagus, nickte seinen Freunden zu, zählte laut bis drei und dann riefen sie zusammen:

„ Imperio!"

Harry gab Peter den Trank und befahl ihm einen Schluck zu nehmen. Als Pettigrews Augen glasig wurden und sie sahen, dass die Wirkung des Tranks eingesetzt hatte, konnten sie endlich erschöpft den Fluch aufheben.

Harry bemerkte, dass seine Hand zitterte und wusste, dass er sich heute magisch verausgabt hatte.

Es wäre wohl klüger gewesen, wenn sie bis morgen gewartet hätte, um Peter zu befragen. Aber schließlich hatte er ja schon so lange gewartet und noch länger zu warten, würde er nicht aushalten. So ließ er sich auf einen Stuhl fallen. Aufgeregt begann er eine Frage nach der anderen zu stellen und er lernte mehr über seine Eltern, als er es sich je erträumt hätte.

Er erfuhr, dass sein Papa auch ein Animagus gewesen war, dass er zusammen mit seinen besten Freunden Sirius Black, Remus Lupin und leider Peter Pettigrew oft über die Ländereien von Hogwarts gewandert war und das sie sich in ihrer Schulzeit zahlreiche Streiche ausgedacht und in die Tat umgesetzt hatten. Er erfuhr, dass sie von allen die Rumtreiber genannt worden waren. Seine Mutter dagegen hatte immer versucht die vier Freunde aufzuhalten Sie hatte Klavier gespielt und hatte es geliebt Bücher zu lesen, während sie neben dem Hogwartssee im weichen Gras gesessen hatte. Er erfuhr, dass er eine Patentante und einen Paten hatte und viele andere Dinge, die ihm unglaublich viel bedeuteten. Erzählt von einem Verräter, wie er jetzt wusste. Unvermittelt verschwand der glasige abwesende Blick und Peters Augen wurden wieder klar. Offensichtlich hatte der Trank seine Wirkung verloren. Er blinzelte, hob abrupt sein Gesicht und sah Harry direkt in die Augen, während ihm Tränen über sein Gesicht liefen.

„ Es tut mir so leid, Harry. Ich wollte es doch nicht tun. Aber ich hatte keine Wahl."

Harry starrte den Verräter seiner Eltern wortlos an. Als er dann sprach, zitterte seine Stimme ein wenig.

„ Warum haben Sie meinen Eltern nicht erzählt, dass Sie von Voldemort gezwungen worden waren, ein Spion zu werden, bevor sie Sie zu ihrem Geheimniswahrer gemacht haben? Sie hätten sich zusammen mit meinen Eltern verstecken können. Wenn Sie es erzählt hätten, hätte der Phönixorden bestimmt eine Lösung gefunden!"

Peter öffnete seinen Mund, schloss ihn aber gleich darauf. Anscheinend wusste er nicht was er sagen sollte. Er senkte seinen Blick auf den Boden und flüsterte beinahe unhörbar.

„ Ich hatte solche Angst. Solche Angst, dass er es herausfinden würde."

Harry brauchte nicht zu fragen, wen Pettigrew mit ‚er' meinte.

„ Was wirst du mit ihm tun, Harry?", warf Caro ein, während sie Peter verächtlich betrachtete.

Harry blickte auf den gebrochenen Mann und erkannte er, dass er Mitleid mit ihm hatte. Obwohl er seine Eltern verraten hatte, wusste er doch sehr gut, dass ein anderer sie umgebracht hatte und zwar sein Adoptivvater.

Verwirrt schüttelte Harry den Kopf.

„ Ich weiß es nicht. Ich denke, er könnte hier bleiben. Er könnte Besorgungen für uns machen.", sagte er gähnend und merkte erst jetzt, wie unglaublich müde und erschöpft er war.

Peter hob ruckartig seinen Kopf und blickte ihn verdattert und hoffnungsvoll an:

„ Du wirst mich nicht töten, Harry?"

„ Nein, Peter. Aber wage es ja nicht, uns zu verraten und Voldemort zu erzählen, wo wir sind. Sonst könnte ich es mir doch noch anders überlegen."

Peter zuckte zusammen, sah sich um und schien zum ersten Mal seine Umgebung zu registrieren. Seine Augen weiteten sich.

„ Das…kann nicht sein. Wo…sind… wir?"

„ In Godric's Hollow. Wir sind weggelaufen, und haben es wieder fast aufgebaut. Mein Adoptivvater weiß nicht, dass ich Godric's Hollow kenne. Hier wird er uns nicht finden."

„ Adoptivvater?"

„ Ja, der Dunkle Lord hat mich aufgezogen."

„ Er hat…dich….Harry, er wird dich finden! Glaube mir, vor ihm kannst du dich nicht verstecken. Das ist unmöglich."

Harry schluckte.

„ Wenn du es ihm nicht erzählst, wird er es nicht herausfinden."

Peter sah ihn an und in seinen Augen erschien ein seltsamer Ausdruck.

„ Ich werde dich nicht verraten, Harry. Nicht noch einmal." , sagte er sanft.

„ Aber der Dunkle Lord hat Mittel und Wege, die du dir noch nicht einmal vorstellen kannst. Glaube mir, er wird dich finden."

„ So ein Quatsch! Keiner wird uns hier finden! Und du wirst uns nicht verraten!", schrie Draco, der mit zitternder Hand seinen Zauberstab auf Pettigrew richtete.

„ Avada Ked…"

„ Draco!"

„ Nein!"

Entsetzt und erschrocken, griffen Caro und Harry nach Dracos Armen.

„ Draco, was zum Teufel sollte das? Was ist bloß los mit dir?" Harry, der spürte, wie sein Freund bebte, hatte plötzlich genug, von Dracos seltsamen Verhalten, dass er die ganze Zeit über an den Tag gelegt hatte. Resolut nahm er ihn am Arm und führte ihn zum Sofa.

„ Draco, jetzt sagst du uns aber endlich was heute Morgen passiert ist! Wir sind deine Freunde, du kannst uns vertrauen, das weißt du. "

Draco sackte zusammen und murmelte:

„ Sie haben sie getötet. Sie haben sie einfach getötet!"

Caro, die sich neben Dracos andere Seite gesetzt hatte, umarmte ihn tröstend und fragte leise.

„ Wer hat wen getötet?"

Als Draco nicht antwortete, flüsterte sie.

„ Erzähl es uns, bitte, wir wollen dir doch nur helfen."

„ Ich konnte gestern nicht schlafen. Ich musste immer daran denken, dass ihr das Schloss verlassen wollt.

Irgendwann bin ich durstig geworden. Also bin ich aufgestanden und in die Küche gegangen um mir etwas zu holen. Auf dem Rückweg hab ich meinen Papa bemerkt. Er stand am Kamin und via Flohpulver ist er zu den Kerkern gegangen. Und ich… Gott, ich weiß noch nicht einmal warum, aber ich bin ihm gefolgt. Ich war wohl neugierig.", sagte Draco bitter und brach ab.

In Harry stieg ein furchtbarer Gedanke auf und er schloss für einen Moment die Augen. Er konnte sich denken, was nun kommen würde. Oft genug hatte er die schrecklichen Schreie, die aus den Kerkern hallten, gehört.

Er musste sich zwingen, um zu fragen:

„ Was…was ist dort passiert?"

„ Sie haben mich nicht gesehen. Aber ich konnte alles beobachten. Da waren eine Frau und ein kleines Mädchen. Mein Papa … sie haben sie gefoltert und…das Mädchen, Caro, sie sah dir ähnlich. Sie hielt einen Teddybär in ihren Armen, genauso einen, wie du ihn früher immer hattest. Sie haben sie einfach, einfach ermordet!", schluchzte Draco, während Caro ihn an sich drückte.

„ Oh, Draco."

Nachdem sie Draco einigermaßen beruhigt hatten, sagten sie sich Gute Nacht, ließen Peter, bewacht von Diamond, Rainbow und Nell, im Wohnzimmer zurück und gingen schweigend zu ihren Zimmern. Als Harry eine Weile später in sein Bett kroch und seinen Kopf auf das weiche Kissen fallen ließ, seufzte er erleichtert. Er fühlte sich, als ob ihm alles wehtun würde. Sein Kopf schmerzte höllisch. Es war einfach alles zu viel gewesen, was heute passiert war. Die Flucht, die Notwendigkeit für sie, so viele Zauberspruche zu sprechen, die Geschichten, die Peter erzählt hatte, das Furchtbare was Draco erlebt hatte.

Aber er stellte schnell fest, dass es ihm absolut nicht möglich war zu Ruhe zu kommen. Bilder seiner Eltern schwirrten im durch den Kopf, er erinnerte sich an das verängstigte Gesicht seiner Mutter, das er gesehen hatte, als der Dementor ihm nahe gekommen war. Er sah seinen Papa, mit seinen Freunden über die Ländereien von Hogwarts schleichen, seine Mama am See sitzen und ein Buch lesen.

Irgendwann schlug er die Bettdecke zur Seite, sprang aus dem Bett und rannte zum Fenster, das er aufriss. Ihm war so heiß. Als die kalte Luft ihn frösteln ließ, schloss er es wieder, drehte sich um und begann sein Fotoalbum zu suchen. Wieder im Bett blätterte er langsam die Seiten um. Nun erkannte er auch einige andere Personen und zum ersten Mal schenkte er den anderen Menschen, die dort abgebildet waren, richtige Beachtung. Bisher hatte er sie nur am Rande registriert. Er sah auf Sirius Black, seinen Paten, auf Remus Lupin und die Frau, die ihn in ihren Armen hielt, als er ein kleines Baby gewesen war, musste seine Patin sein, Minerva MacGonagall, wie er annahm.

Als er weiterblätterte fiel sein Blick auf eines seiner Lieblingsfotos. Seine Eltern standen nebeneinander und seine Mama hielt ihn im Arm. Er starrte auf die strahlenden Gesichter seiner Eltern und plötzlich begann er zu schluchzen. Die Geschichten, die Peter ihm erzählt hatte, hatten ihm seine Eltern nah gebracht und hatten ihm unmissverständlich bewusst gemacht hat, was er verloren hatte. So weinte er um das, was hätte sein können, wenn seine Eltern vor Jahren an Halloween nicht ermordet worden wären. Es dauerte lang, bevor Harry sich endlich in einen unruhigen Schlaf weinte.