Kapitel 25

September 1992

Ginny Weasley runzelte nachdenklich die Stirn und während sie Hermione, die neben ihr ging, einen schnellen Blick zuwarf, sagte sie:

„ Aber Hermione. Warum sollten sie uns anzulügen?"

„ Ich weiß es nicht, Ginny. Es ist nur alles so merkwürdig. Sirius hat niemals zuvor von einem Bruder gesprochen und ich habe Fotos von seiner Familie gesehen. Einen Bruder habe ich auf ihnen nie gesehen. Und dann Caros Bemerkung, dass sie sich verstecken mussten. Wie passt dann Draco ins Bild? Sie kennen sich, das ist offensichtlich. Haben sie sich alle zusammen versteckt? Warum sind sie nicht vor einem Jahr nach Hogwarts gekommen? Und Caro ist schon dreizehn. Nein, irgendetwas stimmt da nicht."

Hermione öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und trat zu dem großen wuchtigen Schrank, der in einer der Ecken stand. Ginny ließ sich auf Hermiones Bett nieder.

„ Hättest du nicht gestern schon packen können?"

„ Nein, hätte ich nicht. Ich musste gestern auf Jamie, Lizzie und Emilys Kinder aufpassen. Später war dann die Auswahlfeier und heute hatten wir schon Unterricht. Also hatte ich bis jetzt keine Zeit.", entgegnete Hermione leicht gereizt.

„ Caro hatte wohl auch noch keine Zeit ihre Sachen nach Slytherin zu bringen.", bemerkte Ginny und wies mit dem Kopf auf das zweite Bett, auf dem ein Buch lag.

Hermione zuckte die Achseln.

„ Sirius war überhaupt nicht begeistert davon, dass Caro, Harry und Draco alle nach Slytherin gekommen sind. Als ich gestern Jamie Gute Nacht sagen wollte, habe ich gehört, wie er mit Charlotte gesprochen hat."

„ Daran wird er wohl nichts ändern können.", sagte Ginny, stand auf und schaute auf Caros Buch hinunter.

„ Das Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 3.", murmelte sie.

„ Sollen wir es ihr bringen?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, hob sie es hoch und wollte sich gerade abwenden, als sie stutzte. Unter dem Kissen lag etwas. Neugierig schob sie es beiseite. Es war ein Foto. Ein schwarzhaariger Mann, mit lachenden dunklen Augen blickte ihr entgegen. Wäre seine linke Wange nicht von einer hässlichen Narbe verunstaltet gewesen, hätte er ziemlich gut ausgehen.

„ Das muss Caros und Harrys Vater sein.", sagte Ginny und hielt Hermione, die näher getreten war, das Foto hin.

Hermione nahm es. Fast augenblicklich weiteten sich ihre Augen. Ihr Gesicht verlor jegliche Farbe und während sich ihre Hände um das Foto krallten, sank sie auf das Bett.

„ Hermione! Was hast du?", rief Ginny erschrocken.

Hermione wandte langsam den Kopf und starrte sie mit seltsam leblosen Augen an. Ginny setzte sich neben Hermione, legte einen Arm um ihre Schultern und fragte sanft.

„ Hermione, was ist los? Kennst du den Mann?"

„ Er hat meinen Vater ermordet." Im ersten Moment war Ginny nur erleichtert, dass Hermione gesprochen hatte, aber als sie den Sinn des Gesagten verstand, erstarrte sie.

„ Was?", fragte sie verwirrt.

Ihre Freundin sah sie an. Tränen schimmerten in ihren braunen Augen.

„ Ich habe es gesehen, Ginny und ich habe es nie vergessen. Ich bin mir sicher. Er hat meinen Vater umgebracht. Er ist ein Todesser.", sagte sie mit brüchiger Stimme und ließ das Foto fallen. Sie zitterte. Wie vor einer Woche in der Bibliothek, holte Hermione die Vergangenheit ein. Sie sah das gleißend grüne Licht, sah erst ihren Vater, dann ihre Mutter zu Boden fallen, sah…

„Hermione! Hermione!"

Ginny schüttelte sie.

„ Soll ich Charlotte holen?", fragte sie.

Charlotte, dachte Hermione, hatte sie es gewusst? Hatte sie gewusst, dass Sirius' Bruder ihren Vater ermordet hatte? War deswegen niemals von ihm die Rede gewesen? Weil Sirius' Bruder ein Todesser war?

„ Nein.", sagte sie langsam.

„ Ginny, bitte, lass mich einen Moment allein. Ich…muss nachdenken."

Doch Ginny rührte sich nicht.

„Charlotte hat es bestimmt nicht gewusst, Hermione."

Hermione schüttelte den Kopf.

„Aber sie haben uns die Wahrheit verschwiegen. Und vielleicht existiert auch Sirius' Bruder nicht und Harry, Draco und Caro wurden gefangen genommen. Ich weiß es nicht!"

Ginny einen flehenden Blick zuwerfend, sagte sie:

„ Bitte! Lass mich für ein Weilchen allein."

Ginny zögerte, doch zu Hermiones Erleichterung ging sie schließlich aus dem Zimmer. Kaum schloss sich die Tür hinter Ginny, rollte sich Hermione zusammen und fing an zu schluchzen.


Harry fluchte, als er sich in einem leeren Klassenzimmer wieder fand. In diesem Raum befand sich der Eingang zu Slytherins Kammer definitiv nicht. Enttäuscht wandte er sich um. Nicht zum ersten Mal verwünschte er den Umstand, dass sein Adoptivvater ihm zwar erzählt hatte, dass solch eine Kammer existierte, die nur jemand öffnen konnte, der Parsel beherrschte, ihm aber nie den genauen Weg beschrieben hatte. Slytherins Kammer wäre natürlich ideal gewesen. Dort würden sie ungestört sein und niemand würde sie finden können. Irgendwo musste der Eingang doch sein.

Schließlich hatten sie bisher wenig Zeit gehabt danach zu suchen. Vielleicht würden ja Caro und Draco erfolgreich sein. Sie waren sofort einig gewesen sich aufzuteilen. Die größte Schwierigkeit allerdings war, dass sie nicht genau wussten, wonach sie suchten. Er bog um eine Ecke und steuerte auf die Treppe zu, die, wie er wusste, zur großen Halle, führte. Großartig, dachte er, jetzt bin ich im Kreis herumgelaufen. Er hatte seinen Fuß schon auf die oberste Stufe gesetzt, als sein Blick auf ein großes Bild fiel, das neben der Treppe an der Wand hing.

Das Bild lag ziemlich im Schatten, aber er war sich sicher, dass er eine Schlange erkannt hatte. War das purer Zufall oder hatte es eine Bedeutung? Er trat näher und sah, dass es nicht nur eine Schlange war, sondern sehr viele. Sie alle ringelten sich um einen mächtigen Baum. Sogar zwischen den grünen Blättern schauten Schlangen hervor. Es war ein merkwürdiges Bild und während er es anstarrte, schienen einige der Schlangen ihre Köpfe zu heben.

„ Ich schätze nicht, dass ihr mir sagen könntet, wo der Eingang zu Slytherins Kammer ist?"

„ Du musst hindurchgehen."

Harry blinzelte.

„ Hindurchgehen?", zischelte er und betrachtete das Bild aufmerksam.

Bevor er sich jedoch entschieden hatte, ob er der Anweisung der Schlange Folge leisten sollte oder nicht, ließ ihn ein leises Geräusch herumwirbeln. Ginny Weasley starrte ihn mit großen dunkelbraunen Augen entsetzt an. Sie hatte sein eher ungewöhnliches Gespräch natürlich mit angehört. Sie schluckte und begegnete seinem Blick. Einen Moment schien sie zu zögern, aber dann fragte sie:

„ Kann ich dich kurz sprechen?"

Harry war überrascht, doch er zeigte es nicht, während er überlegte welchen Grund Ginny haben könnte, mit ihm sprechen zu wollen. Sie kannten sich schließlich kaum.

„ Sicher.", entgegnete er.

Sich umsehend, meinte sie.

„ Aber nicht hier. Können wir zum See gehen?"

Während sie neben einander hergingen, schwieg Ginny und sah stur geradeaus. Harrys Gedanken beschäftigten sich unterdessen mit dem Bild. War es wirklich der Eingang zur Kammer? Hoffentlich würde das Gespräch mit Ginny nicht zu lange dauern, dachte er ärgerlich. Was wollte sie überhaupt von ihm? Als sie wenig später am Hogwarts See angekommen waren, fragte er ungeduldig.

„ Also was ist los?"

Ginny antwortete ihm nicht. Stattdessen hielt sie ihm ein Bild vor die Nase.

„ Woher hast du das?"

„ Wir haben es in Hermiones Zimmer – auf Caros Bett – gefunden. Hermione hat ihn erkannt. Er ist der Mörder ihres Vaters. Eure Eltern sind Todesser und all die Lügen, dass Sirius euer Onkel ist, sind deswegen, nicht wahr?"

Ihre Augen blitzen ihn zornig an.

Harry sah auf Ginny hinunter und nahm ihr das Foto aus der Hand. Dumbledores und Sirius' Plan ihre Identität geheim zu halten, würde sich wohl schwieriger erweisen, als sie angenommen hatten.

„Hat der Orden euch gefangen genommen?"

Harry zog eine Augenbraue hoch und lachte leise.

„ Nein. Wir wuchsen in Voldemorts Hauptquartier auf. Da wir aber nicht besonders geneigt dazu waren, zu lernen, wie man am effektivsten foltert und tötet sind wir nach Hogwarts geflohen. Der Phönixorden befürchtet nur, dass Voldemort Hogwarts angreifen könnte, wenn er erfahren sollte, dass wir hier sind, sodass Dumbledore es für besser hielt unsere richtigen Namen zu verschweigen."

„ Warum sollte er für drei Kinder Hogwarts angreifen und soviel aufs Spiel setzten?", fragte Ginny skeptisch.

„ Weißt du, wer die Malfoys und Lestranges sind?"

„ Ja, es heißt sie seien seine engsten Vertrauten. Aber was hat…"

Ginny brach ab.

„ Sind das eure Eltern?"

„ Dracos Eltern sind die Malfoys und Caro ist eine Lestrange. Und ich bin Voldemorts Adoptivsohn. Verstehst du jetzt, warum der Gedanke nicht so abwegig ist, dass mein Adoptivvater Hogwarts angreifen könnte, sollte er herausfinden, dass wir hier sind?"

Ginny starrte ihn ungläubig an und trat einen Schritt zurück.

Sein Adoptivsohn?"


Caro eilte missmutig zurück zum Gemeinschaftsraum der Slytherins. Sie hatte einstweilen genug davon nach etwas zu suchen, von dem sie nicht den geringsten Anhaltspunkt hatte, wie es aussah.

Vielleicht vermochte ja auch nur diejenigen die Kammer zu finden, die der Schlangensprache mächtig waren. In dem Fall war es sowieso totale Zeitverschwendung, wenn sie nach der Kammer suchte. Eine Treppe hinunterlaufend, bog sie um eine Ecke und sah sich unvermutet einem rothaarigen jungen Zauberer gegenüber.

Da sie ihm ausweichen wollte, ging sie zur Seite. Als er jedoch dasselbe tat, machte sie einen Schritt in die andere Richtung und stürmtevorwärts. Augenblicklichprallte sie mit ihm zusammen, da er abermals das gleiche getan hatte, wie sie.

„Sorry.", sagte er und Caro sah hoch. In dem Moment, als sie in seine lachenden dunklen Augen sah, vergaß sie alles um sich herum.

„Was?", stammelte sie, merkend, dass er gesprochen hatte, von dem sie nichts verstanden hatte.

Er reichte ihr seine Hand.

„ Ich bin Charlie Weasley Und du?"

„ Carolina Les…Black, aber meine Freunde nennen mich Caro.", sagte sie, als sie sich wieder gefasst hatte.

„ Ah ja richtig. Sirius Blacks Nichte, nicht wahr? Ginny hat von dir und den anderen erzählt. Kann es sein, dass du dich verlaufen hast? Du bist ziemlich weit entfernt vom Gemeinschaftsraum der Slytherins. Oder wolltest du woanders hin?"

„ Ich habe mich verlaufen.", sagte sie und es stimmte. Sie hatte tatsächlich nur eine vage Ahnung, wo sie sich befand.

„ Dann komm. Ich bringe dich hin."

Während sie Charlie folgte, fragte sie ihn neugierig, ob er noch zur Schule ging. Charlie schüttelte seinen Kopf

„ Ich bin im Sommer fertig geworden. Jetzt möchte ich ein Auror werden. Ich muss helfen die Dunkle Seite auszulöschen."

Mittlerweile waren sie in der großen Halle abgekommen und Caro sagte kalt.

„ Danke. Aber von hier finde ich den Weg allein.", und ließ Charlie mit perplexem Gesichtsausdruck stehen.

Den Korridor entlanglaufend, beschleunigte sie wütend ihre Schritte, während sie sich fragte, warum es sie kümmerte, dass Charlie Weasley ein Auror werden wollte. Ihretwegen konnte er werden, was er wollte. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie sich auf dem restlichen Weg zum Slytherin Gemeinschaftsraum auch noch verlief. Fluchend wählte sie nach kurzem Überlegen die linke Abzweigung. Ihr Blick glitt über eine silberne Ritterrüstung, die in einer Ecke stand und sie blieb wie angewurzelt stehen. Sie starrte auf das alte Schwert, das in der metallenen Hand des Ritters stak. Sie streckte eine Hand aus und berührte die messerscharfe Klinge. Blut quoll aus ihrer Fingerkuppe.

Blind vor Tränen fuhr sie über die eingravierten Buchstaben und das Wappen. Sie brauchte nicht sehen zu können, um zu wissen, dass es ihres Vaters Schwert war. Als sie sich vorstellte, wie der Mörder ihres Vaters auch noch dessen Schwert stahl, trockneten Caros Tränen schnell. Eisige Kälte blieb in ihren grauen Augen zurück. Sie nahm ihren Zauberstab und kurze Zeit später fand sie den rechten Weg zurück. In ihrer Hand hielt sie fest umklammert das nunmehr winzige Schwert. Als sie ihren Schlafsaal betrat, war sie erleichtert zu sehen, dass er verlassen war. Sich auf ihr Bett setzend, seufzte sie. Seitdem sie nach Hogwarts gekommen war, ließ der Gedanke an ihren Vater ihr keine Ruhe. Es war Zeit zu handeln.

Das kleine Schwert betrachtend, dachte sie darüber nach, wie sie herausfinden könnte, wer ihren Vater getötet hatte. Es würde schwierig werden, das wusste sie, aber aufgeben würde sie nicht. Es musste irgendwo Aufzeichnungen von den einzelnen Überfallen und Angriffen geben. Auch die Anhänger des Dunklen Lords führten genau Buch über die Kämpfe und Caro wusste auch, wen sie darum bitten würde, ihr zu helfen. Sie hatte Nell die Freiheit nicht ohne Hintergedanken geschenkt. Auch, dass sie das Schwert gefunden hatte, kam ihr wie ein Fingerzweig des Schicksals vor.

Doch noch immer zögerte sie. Weshalb, dachte sie wütend, musste Harry ihr auch soviel bedeuten? Allerdings würden ihre Gefühle ihm gegenüber sie nicht dazu bewegen ihren Schwur zu brechen, den sie kurz nach dem Tod ihres Vaters geleistet hatte. Sie würde herausfinden, wer der Mörder war und dann würde sie sich rächen. Caro blickte zum Nachttisch und wollte nach dem Foto ihres Vaters greifen. Im selben Moment, in dem sie sah, dass das Foto nicht auf ihrem Tischen lag, fiel ihr ein, dass sie es in Hermiones Zimmer vergessen haben musste.

Aufspringend lief sie aus dem Schlafsaal. Als sie außer Atem die Gemächer der Blacks erreichte, fand sie die Tür verschlossne. Doch Caro hatte nicht umsonst ihrer Mutter oder Dracos Eltern zugehört und diese Zauber waren für sie kein großes Problem. Zu ihrer Überraschung sah sie Hermione auf ihrem Bett liegend. Denkend, dass sie schlief, begann Caro nach ihrem Foto zu suchen.

„ Dein Foto ist nicht hier."

Caro fuhr herum. Die braunen Augen Hermiones starrten sie feindselig an.

„ Wo ist es?"

Hermione antwortete nicht, sodass Caro einen Schritt auf Hermione zutrat und ihre Frage wiederholte. In ihrer Stimme lag nun ein drohender Unterton.

„ Dein Vater hat meinen ermordet.", sagte Hermione hasserfüllt.

„ Was hast du mit meinem Foto gemacht?", zischte Caro und richtete ihren Zauberstab auf Hermione.

„ Dein Foto hat Harry.", erklang eine Stimme von der Tür her und Ginny betrat den Raum.

„ Ich wollte es dir bringen."

Caro senkte den Zauberstab, wandte sich wortlos um und ging mit schnellen Schritten hinaus. Hermione oder Ginny würdigte sie mit keinem Blick.


Im Gegensatz zu Sirius, der nach dem gemeinsam eingenommenen Abendrot aufgebrochen war, um mit Remus einen Spaziergang zu machen, war Charlotte Hermiones gedrückte Stimmung nicht entgangen, sodass sie, nachdem sie Jamie zu Bett gebracht hatte und den ersten Besten, der an ihrer Tür vorbeigegangen war, gebeten hatte, kurz auf Jamie aufzupassen, sich auf den Weg machte zum Schlafsaal der Gryffindors, wo Hermione künftig ihre Zeit hauptsächlich verbringen würde, jedenfalls solange Schule war. Bald darauf kroch Charlotte zu Hermione in das gemütliche Himmelbett, nahm das überraschte Mädchen in den Arm und flüsterte:

„Hermione, Liebes, ist etwas geschehen?"

Hermione schüttelte den Kopf.

„ Nein, nichts.", sagte sie tonlos und vermied Charlotte in die Augen zu sehen.

„ Es wird uns keiner hören. Die Vorhänge habe ich verzaubert. Hermione, ich sehe doch, dass irgendetwas nicht stimmt. Vielleicht kann ich dir helfen.", versuchte Charlotte erneut Hermione zum Sprechen zu bringen. .

Als Hermione hochsah, zuckte Charlotte vor dem Schmerz in ihren braunen Augen zurück. Sie schienen Charlotte stumme Vorwürfe zu machen.

„ Weshalb habt ihr uns alle angelogen? Weshalb habt ihr uns nicht gesagt, dass Harrys, Caros und Dracos Eltern Todesser sind?"

Hermione starrte sie an und ihre Stimme brach, als sie weiter sprach:

„Caros Vater hat meinen getötet. Ich habe ihn heute auf einem ihrer Fotos erkannt."

Als Charlotte begriff, was Hermione gesagt hatte, schloss sie für einen Moment die Augen. Dann nahm sie das Mädchen fest in ihre Arme und strich über Hermiones braune Locken.

„ Es tut mir so leid, Hermione. Der Orden hielt es für besser ihre wahren Identitäten geheim zu halten, weil…"

„…der Dunkle Lord sonst das Schloss angreifen könnte. Ich weiß, Ginny hat mir gesagt, dass Harry sein Adoptivsohn ist. Was ich nicht verstehe ist, warum Sirius so aus dem Häuschen ist, seit Harry und die anderen nach Hogwarts gekommen sind."

Charlotte seufzte und die Frage beiseite schiebend, woher Ginny derartiges Wissen her hatte, sagte sie:

„ Du weißt doch, wer James und Lily Potter waren? Und was mit ihnen geschehen ist? Jeder dachte, dass ihr Sohn Harry damals auch getötet worden war ist. Es stellte sich jedoch vor kurzem heraus, dass er überlebt hat. Deswegen ist Sirius so glücklich, weil er sein Patenkind wieder gefunden hat."

Hermiones Augen weiteten sich und Begreifen spiegelte sich auf ihrem Gesicht.


Albus' Augenbrauen glätteten sich, als er den vertrauten Gesang von Fawkes vernahm. Das lange Ausbleiben seines Phönixes hatte ihn schon beruhigt. Zum offenen Fenster sehend, erwartete er jeden Moment, dass Fawkes

hinein geflogen käme. Tatsächlich musste er sich auch nicht lange gedulden. Was ihn jedoch erstaunte, war der einzigartige Umstand, dass Fawkes nicht allein in sein Büro flog. Ein tiefschwarzer, im Licht der magischen Kerzen leicht goldgrün schimmernder Phönix schwebte neben Fawkes, dessen lieblicher Gesang sich nun mit Fawkes' vermischte. Albus, der versunken die magischen Vögel betrachtete, fiel ein, dass Harry Potter solch einen Phönix besaß. Albus' Gedanken wanderten zu Harry und er seufzte. Einige Ordensmitglieder davon zu überzeugen, dass Harry und seine Freunde keinerlei Gefahr für den Orden darstellten, war harte Arbeit gewesen. Aber das war es nicht, was dem alten Zauberer Kopfzerbrechen bereitete.

Harry war es. Er hatte versucht mit dem Jungen, der Lilys smaragdgrüne Augen besaß und James so ähnlich sah, zu reden, hatte von ihm erfahren wollen, ob er der Dunklen Seite anhing. Doch, wie er zugeben musste, war er kläglich gescheitert. Harry hatte ihm zwar mit unbewegtem Gesicht zugehört, aber Albus war sich sicher, dass er sich genauso gut mit einer Wand hätte unterhalten können und von sich aus hatte der Junge überhaupt nichts gesagt, sodass Albus nichts Nennenwertes erfahren hatte. Auch bereitete es ihm Sorgen, dass Harry und seine Freunde alle nach Slytherin gekommen waren. War Toms Einfluss doch stärker, als Albus glauben wollte? Wenn dem allerdings so war, warum waren sie dann geflohen?

Warum war Harry so magisch verausgabt gewesen, als sie vor beinahe zwei Wochen hier angekommen waren? Albus stützte sein Kinn auf seine Hände, richtete seinen Blick geistesabwesend auf die Phönixe, die sich eng aneinander geschmiegt hatten und schalt sich selbst. Harry war in Hogwarts, somit war er dem Einfluss Tom Riddles entzogen und würde in Zukunft auch nicht gegen sie kämpfen. Er sollte optimistisch sein und sich freuen. Vielleicht brauchte Harry auch nur Zeit sich einzugewöhnen, dachte Albus. Zuversichtlich nahm Albus sich vor, dass er eines Tages das Vertrauen Harrys gewinnen würde. Sich zurücklehnen, schloss er seine Augen und lauschte dem Gesang der Phönixe.


Es war später Abend, als Harry zusammen mit Caro und Draco zu dem Bild schlichen, das den Eingang zur Kammer verbarg, wie Harry vermutete. Er starrte auf die vielen Schlangen und zischelte.

„ Also müssen wir nur hindurchgehen?"

Als einer der gemalten Reptilien nickte, zuckte Harry die Achseln, holte tief Luft, ergriff mit einer Hand Caros und mit der anderen Dracos Hand und machte einen ausladenden Schritt nach vorn. Einen Augenblick fanden sie sich in schwarzer Finsternis wieder. Harrys Magie ließ die Dunkelheit weichen und eine Treppe, die sich in Schwindel erregende Tiefen wand, wurde sichtbar. Caro schaute nach unten und schluckte nervös.

„ Dann lasst uns mal gehen.", sagte Harry schließlich and setzte seinen Fuß auf die erste Stufe.

Die einzelnen Stufen waren so eng, dass sie sich am Geländer festhalten mussten and alle vermieden es tunlichst nach unten zu schauen. Es dauerte lange bis sie endlich die unterste Stufe erreicht hatten. Nachdem sie wieder zur Atem gekommen waren, sahen sie, dass sie in einer großen steinernen Kammer standen. Harrys Licht fiel auf hohe Säulen, die empor zur Decke ragten.

„ Slytherins Kammer.", flüsterte Draco ehrfürchtig. Als sie zur gegenüberliegenden Wand gingen, hallten ihre Schritte durch den langen Saal.

„ Hier werden wir wenigstens ungestört sein.", bemerkte Harry zufrieden. Das andere Ende erreichend, sahen sie zwei abzweigende Korridore. Neugierig, wohin sie wohl führen würden, nahmen Harry und Caro den rechten und Draco den linken. Während Caro und Harry den schmalen Gang entlang schritten, blieb Caro plötzlich stehen, wandte sich an Harry und sah ihn an.

„ Harry, ich möchte, dass du mir hilfst den Mörder meines Vaters zu finden.", sagte sie.