Kapitel 32

März 1995

Harry starrte empor zu der burgähnlichen Festung, die sich vor ihm erhob. Er spürte, wie ein eisiges Frösteln ihn erfasste. In einer der vielen Zellen von Askaban wurde Voldemort, sein Adoptivvater, gefangen gehalten. Es war nun über ein halbes Jahr vergangen, seit dem schicksalsschweren Tag, an dem sich alles verändert hatte. Die Erinnerung stieg in ihm auf und er ließ sie zu, unternahm keinen Versuch sie zurückzudrängen. Es war endlich Zeit für ihn sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Er war am Strand gewesen, als Caro zu ihm gekommen war und ihm die Zeitung hingehalten hatte. Sie hatte kein Wort gesagt, ihn nur angesehen, aber der Ausdruck in ihren grauen Augen war genug gewesen um aus den Tiefen seiner Gleichgültigkeit aufzutauchen. Er hatte auf die Zeitung gestarrt und die große Schlagzeile, die ihm ins Auge gesprungen war, hatte ihn wachgerüttelt. Als er gelesen hatte, dass in wenigen Tagen die Hinrichtungen des Dunklen Lords und seiner engsten Vertrauten stattfinden sollten, hatte er aufs Meer geschaut und sich gefragt, wie es weitergehen sollte.

Die letzten Monate hatte er zwischen Schuldgefühlen, hilfloser Wut, Hass und Selbstmitleid geschwankt und schließlich hatte er begriffen, dass es so nicht weitergehen konnte und dass es keine Lösung war vor seiner Vergangenheit und allem was in den letzten Jahren passiert war davonzulaufen. Diese Tatsache zu erkennen war jedoch um so Vieles leichter, als seinen Entschluss sich der Vergangenheit zu stellen, in die Tat umzusetzen. Doch er musste endlich eine Antwort auf seine Frage finden, die ihn seit damals unaufhörlich quälte. Warum hatte sein Adoptivvater seinen Fluch nicht abgewehrt?

Er hatte einfach nur dagestanden und nicht den kleinsten Versuch unternommen seinen Fluch abzuwehren. Warum? Unwillkürlich zog Harry seinen Umhang fester um sich. Er war sich immer noch nicht im Klaren darüber, welche Gefühle er seinem Adoptivvater entgegenbrachte. Seit er die Kinder entführt und Charlotte umgebracht hatte, war jegliche Zuneigung in ihm erloschen. Aber warum, fragte sich Harry, hatte er dann Alastor Moody daran gehindert seinen Adoptivvater zu töten? Harry seufzte. Es würde nichts bringen, so lange wie möglich hier draußen zu stehen. Tief Luft holend, verwandelte er sich. Der herrlich, gold glänzende Phönix bereitete seine Schwingen aus und flog himmelwärts.

Nach einigem Suchen fand er die richtige Zelle, flog durch das winzige Fensterchen und landete auf dem Boden.

Kaum hatte sich Harry zurückgewandelt, schwankte er und stolperte gegen die kalte Mauer. Er hörte seine Mutter seinen Namen schreien, sah, wie Charlotte von gleißend grünem Licht getroffen wurde. Harrys Magie glühte auf und die Wirkung der Dementoren, die das Gefängnis bewachten, ließ nach. Zitternd nach Luft schnappend, schirmte Harry die Zelle von der Macht der Dementoren ab. Sein Blick fiel auf die zusammengekrümmte Gestalt, die auf der Pritsche lag und er erschrak. Kam er zu spät? Er machte einen Schritt nach vorn und blieb jäh stehen, als sich die Augen des Gefangenen langsam öffneten und sich auf ihn richteten.

„ Harry.", krächzte die heisere Stimme.

„ Du bist gekommen."

Ein Lächelnd glitt über das ausgemergelte Gesicht.

„ Bei jedem Atemzug habe ich mir gewünscht, dass du kommst."

Harry starrte auf seinen Adoptivvater und widerstreitende Gefühle tobten in ihn. Es traf ihn bis ins Innerste den einst so mächtigen und Furcht einflößenden Zauberer so gebrechlich zu sehen.

„ Warum?", sagte er heftiger, als er es beabsichtigt hatte.

Lange Zeit war es still, Harry dachte schon, dass sein Adoptivvater ihn nicht gehört hatte, als dessen Stimme erklang.

„ Du bist mein Enkel.", sagte der ehemalige Lord unvermittelt.

Harry hob ruckartig seinen Kopf.

„ Deine Kette. Ich hatte die andere Hälfte.", fügte er hinzu.

Immer noch ungläubig starrend, kam nur ein heiseres:

Was?", über Harrys Lippen.

Die roten Augen, die ihn betrachteten nahmen einen beinahe liebevollen Ausdruck an.

„ In dem Moment, als ich sah, dass du die Kette trägst, habe ich es gewusst.", sagte er.

Ein wehmütiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

„ Es war im Oktober, als ich sie traf. Am Ufer des Sees sahen wir uns das erste Mal. Sie war ein Jahr jünger als ich und in Gryffindor, während ich in Slytherin war. Das war wohl der Grund, warum wir uns nie zuvor begegnet sind. Sie hatte wunderschönes rotgoldenes Haar und bernsteinfarbene Augen, die immerfort strahlten. Zum ersten Mal in meinen Leben war ich glücklich, wenn ich mit ihr zusammen war, vergaß ich meinen Hass, meinen Ehrgeiz der mächtigste Zauberer zu werden. Wie durch ein Wunder erwiderte sie meine Liebe. Eines Tages entwarfen wir die Ketten – ursprünglich waren es zwei identische Steine – versahen sie mit Schutzzaubern und versiegelten darin unsere Liebe."

Voldemort brach ab.

„ Was…was geschah dann?", fragte Harry, nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.

„ Die Sommerferien rissen uns auseinander. Ich schrieb ihr Briefe, sie hat keinen einzigen von ihnen beantwortet. Auch kam sie nicht zur Schule zurück. Ich war außer mir, die Lehrer erzählten mir, sie würde auf eine andere Schule gehen. All die Jahre dachte ich, sie hätte mich verraten. Ich hasste sie, den einzigen Menschen, der mir je etwas bedeutet hatte. Doch ich hatte Zeit, viel Zeit in den vergangenen Monaten, mich zu erinnern und zu begreifen, dass sie so etwas niemals getan hätte. Sie muss damals mein Kind erwartet haben. Ich weiß nicht, warum sie es mir nicht erzählt hat und warum sie mir nicht schrieb. Aber an jenem Halloween tötete ich unwissentlich meine Tochter und beinahe auch dich."

Husten ließ ihn verstummen. Nach einer Weile fuhr er fort:

„ Auch Cathy umgab dieses goldene Licht, jedenfalls, wenn sie wütend war, verzweifelt oder außer sich vor Angst. Ihr goldenes Licht war jedoch sehr viel stärker als deins. Manche behaupteten, sie stamme von Elfen ab, dies wäre zumindest eine Erklärung, doch, ob dies der Wahrheit entspricht…."

Harry lehnte sich aufgewühlt gegen die kalte Steinmauer. Er zweifelte nicht ein einziges Wort an, das er gerade gehört hatte. Sobald er den Namen des Mädchens erfahren hatte, wusste er, dass es die Wahrheit war. Cathy, dachte er, jetzt wusste, warum das Mädchen ihn so sehr an seine Mutter erinnert hatte. Hätte er gewusst, dass der Dunkle Lord sein Großvater war, hätte er sich dann anders verhalten? Wäre er auch geflohen? Langsam glitt er hinunter und auf dem Boden sitzend, zog er seine Knie zu sich heran. Seine Gedanken kreisten um das eben Gehörte. Er vergrub seinen Kopf in seinen Armen. Er wusste nicht warum, aber die unerwartete Enthüllung hatte ihn erschüttert. In seiner frühen Kindheit hatte er geglaubt, dass der Dunkle Lord sein Vater war, dann hatte er herausgefunden, dass dieser seine leiblichen Eltern getötet hatte und nun erfuhr er, dass er sein Großvater war.

„Also hast du deswegen meinen Fluch nicht abgewehrt…", sagte er leise.

Doch spielte es noch eine Rolle wer er war? Seine Identität änderte nichts an seiner Vergangenheit, er konnte sie nicht ändern, so gern er es auch getan hätte. Änderte es die Gegenwart und würde es seine Zukunft beeinflussen?

Warum sollte es das tun? dachte Harry, schließlich bin ich immer noch derselbe Mensch. Ich bin Harry Potter und darin wird sich nie etwas ändern. Harrys Gedanken schweiften in die Vergangenheit zurück und während er über sein verzweifeltes Ringen nachdachte eine Entscheidung zu treffen auf welcher Seite er stand, erkannte er,dass er immer nur die Seiten seiner Eltern und Dunbledore und die seines Großvaters gesehen hatte, aber was war, wenn beide Seiten falsch waren? Mochte sein Großvater den Krieg angefangen haben, mochten die Gründe für Dumbledore und seinen Orden einst ‚gut' gewesen sein, weswegen sie kämpften und mochten sie sich anfangs nur verteidigt haben, letztendlich hatten beide Seiten gemordet und gefoltert.

Ganz gleich was passiert wäre, immer hätte er gegen eine Seite gekämpft. Wäre die Halloween Nacht vor vierzehn Jahren nie geschehen, hätte er gelernt die Dunkle Seite zu hassen und irgendwann hätte er gegen Voldemort und seine Anhänger Krieg geführt. Vielleicht hätte er auch Caro und Draco eines Tages gegenübergestanden. Harry zuckte bei dieser Vorstellung zusammen. In Zukunft würden nur noch seine Überzeugungen ausschlaggebend sein, er würde sich danach richten, was er für richtig hielt und sich nie mehr von anderen sagen lassen, was er tun oder denken sollte. Als Harry den Kopf hob, fühlte er eine eigenartige Zuversicht. Harry dachte zurück an den sprechenden Hut. Ja, er hatte Recht gehabt, er hatte sich endlich für eine Seite entschieden, für seine eigene. Als er seine Vergangenheit akzeptierte, schienen auch die Schuldgefühle leichter zu werden.

„ Du hast die Kinder also entführt, um mich dazu zu bringen, nach Arreton Castle zu kommen?", fragte er schließlich.

„ Ich habe vermutet, dass du nach Hogwarts geflohen bist. Schließlich gab es nicht viele Möglichkeiten. Severus hat meine Vermutung dann bestätigt und ich fing an, mir zu überlegen, was ich tun könnte. Hogwarts angreifen war unmöglich und wäre zudem vollkommen nutzlos gewesen. Also blieb nur noch Severus. Als ich erfuhr, dass er seit Jahren Dumbledores Spion gewesen war, wollte ich ihn eigentlich töten, aber dann begriff ich, dass er der Schlüssel war, mit dem ich dich zurückholen konnte.

Als ich deinen Widerwillen zu foltern und zu töten bemerkte, begann ich darüber nachzudenken, wie ich dich trotzdem dazu bringen konnte, mir zu gehorchen. In einem meiner alten Bücher fand ich einen Zaubertrank, der mit einem Zauberspruch kombiniert, um ein Vieles stärker ist, als der Imperius- Fluch und nach einiger Zeit den Verfluchten sein Gedächtnis verlieren lässt und er würde nur dem Willen seines Gebieters unterworfen.

Ich ließ ihn den Trank in meiner Gegenwart brauen und die Fertigstellung des Trankes zog sich natürlich über einen langen Zeitraum hin. Auch brauchte es eine Weile bis die Wirkung einsetzte und Severus sein Gedächtnis verlor. Als es schließlich so weit war, dass Severus mit bedingungslos gehorchte und noch nicht einmal Dumbledore einen schwarzen Zauber hätte finden können, konnte ich meinen Plan in die Tat umsetzten. Sicher, ich wusste nicht, ob du auch kommen würdest, aber die Wahrscheinlichkeit war hoch und ich hatte ja nichts zu verlieren. Meine Befürchtung war, dass Dumbledore, dieser Narr, einen Weg finden würde, dich zurückzuhalten oder dich sogar im Schloss einsperren würde, sodass du nicht kommen würdest."

Harry neigte den Kopf.

„ Hättest du es auch getan, wenn du gewusst hättest, dass ich längst nicht mehr in Hogwarts war?"

„Ja, Harry, ich denke ich hätte meinen Plan auch dann nicht aufgegeben."

„ Du hättest mir das wirklich angetan, nicht wahr?", fragte Harry unvermittelt.

Sein Großvater schwieg lange, doch schließlich antwortete er:

„ Ja, das hätte ich und ich hätte dich damit verloren. Es war gut, dass du geflohen bist."

Harry schauderte, als er an Severus dachte und nahm sich vor, das Buch, von dem sein Großvater gesprochen hatte, so schnell, wie möglich zu lesen. Vielleicht fand sich ein Weg Severus Snape zu helfen.

Ein trockener Hustenanfall riss Harry aus seinen Gedanken und er wusste, dass er seinen Großvater nicht hier lassen konnte, trotz allem was der Dunkle Lord getan hatte und vorgehabt hatte, ihm anzutun. Harry wusste, dass er es sich nie verzeihen würde, würde er es zulassen, dass sein Großvater hingerichtet würde. Auch wenn es ein Risiko war, dachte Harry, nicht wissend, ob er fähig sein würde seinen Großvater daran zu hindern die Macht ein zweites Mal an sich zu reißen, sollte er es wider Erwarten versuchen. Doch eine Frage wollte er noch beantwortet wissen.

„Warum hast du den Krieg angefangen?", fragte er.

„Ich wuchs in einem Waisenhaus auf, Harry. Ich werde dir nicht erzählen, was ich dort alles ertragen musste. Es war die Hölle, das muss dir genügen. Als ich nach Hogwarts kam, war das für mich wie eine andere Welt. Ich war fasziniert von der Magie und schwor mir einst der mächtigste Zauberer der Welt zu werden. Niemals wieder wollte ich so hilflos sein, das Gefühl des Ausgeliefertseins spüren und niemals wollte ich mich demütigen lassen und ich wollte mich rächen. Die Leiter des Waisenhauses waren unter den Ersten, die ich später umbrachte.

Ich hatte nie gelernt mit anderen Menschen umzugehen, Harry und so blieb ich in Hogwarts allein bis ich Cathy kennen lernte. Ich liebte sie. Sie war der erste Mensch, der mir je etwas bedeutet hat. Als sie fort war und ich glaubte, sie hätte mich verraten, da hatte ich nur noch meinen Hass, meine Einsamkeit und meine Rache. Ich begann mir auszumalen, wie es wäre die Welt zu beherrschen und ich suchte mir Anhänger, die mir folgten und so führte eins zum anderen."

Harry ging zu ihm, kniete sich auf den Boden und ergriff die kalte Hand. Die roten Augen starrten ihn eindringlich an und zu Harrys größter Überraschung sah er Tränen in ihnen.

„ Harry, verzeih mir.", flüsterte er.

Harry spürte wie Mitleid in ihm aufkam. Doch gegen die Bilder, die sich ihm unwillkürlich aufdrängten, war er machtlos. Er erinnerte sich an Charlotte, an seine Eltern, die er nie kennen gelernt hatte, an Lizzie und Jamie, an Nell und er dachte daran, was sein Großvater ihm gerade erzählt hatte.

„ Ich werde es versuchen.", sagte er.

Die Hand seines Großvaters drückte seine.

„Danke."

Die roten Augen glitten zu seiner Kette und ein nachdenklicher Ausdruck trat in die roten Augen.

„ Du musst sie irgendwie bei dir gehabt haben. Sie muss dich geschützt haben, als ich damals versucht habe dich umzubringen. Das wäre in der Tat eine Erklärung dafür, dass du den Todesfluch überlebt hast.", krächzte er, streckte eine Hand aus und berührte den schwarzen, leicht schimmernden Stein, der um Harrys Hals hing.

„Der Stein strahlte einst in einem warmen Goldton. Er muss sich verfärbt haben, als der Todesfluch dich traf.", sagte er und bekam einen weiteren Hustenfall.

„Mag sein. Komm, ich bringe dich hier weg.", sagte Harry und half seinen Großvater sich aufzusetzen. Mühsam hievte er ihn hoch. Während er eine Hand um seinen Großvater schlang, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, brachte Harry mit der anderen Hand die Zellentür zum Verschwinden. Kaum hatten sie die Zelle verlassen, schwebte ihnen einen Dementor entgegen. Harry nahm Zuflucht zu Schwarzer Magie und vernichtete ihn. Ihm war jedoch klar, dass er nicht viel Zeit hatte. Sie mussten so schnell wie möglich das Gefängnis verlassen. Vorher hatte er allerdings noch etwas zu erledigen.


Das schwarzhaarige Mädchen klopfte an die Tür und rief:

„Harry, das Essen ist fertig."

Da Caro jedoch keine Antwort bekam, drückte sie die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich und Caro sah, dass das Zimmer leer war. Seltsam, wo mochte Harry wohl sein? Kopfschüttelnd machte sie sich auf den Weg in die Küche. Dort angekommen, sagte sie:

„Harry ist nicht in seinem Zimmer."

Draco sah auf und zuckte die Schultern.

„ Na und?"

Während er sich wieder seinen Bratkartoffeln zuwandte, setzte Caro sich und griff langsam nach ihren Glass. Einen Schluck von ihrem Kürbissaft nehmend, seufzte sie. Seit dem Tag in Areton Castle, fragte sie sich was sie tun konnte, um die Situation zu entspannen, aber bisher hatte sie keine Lösung gefunden. Harry schien nicht fähig zu sein aus seiner gedrückten, teilnahmslosen Depression hinauszufinden und interessierte sich offensichtlich überhaupt nicht darum, dass Draco vor lauter Sorgen um seine Eltern beinahe den Verstand verlor. Sie machte sich ebenfalls Sorgen um ihre Mutter und um Dracos Mutter, die sich so oft um sie gekümmert hatte, als sie klein gewesen war. Auch wenn sie zu ihrer Mutter nie ein sonderlich herzliches Verhältnis gehabt hatte, vermisste sie sie und unter keinen Umständen wollte sie, dass sie hingerichtet wurde.

Schließlich ist sie trotzdem immer noch meine Mutter, dachte Caro. Auf Harrys leeren Stuhl schauend, fragte sie sich, ob sein Verschwinden damit zu tun hatte, dass sie ihm die heutige Zeitung gezeigt hatte, in der mit großer Schlagzeile darüber berichtet wurde, dass bald die Hinrichtungen des Dunkeln Lords und seiner ranghöchsten Anhänger stattfinden würde. Wütend, dass es Harry nicht zu kümmern schien, war sie zum Strand marschiert und hatte ihm die Zeitung entgegengeschleudert.

Plötzlich legte Draco seine Gabel laut klirrend auf den Tisch und sagte:

„Wir müssen nach Askaban."

Caro starrte ihn an.

„Wie denn? Willst du etwa als Eichhörnchen die Mauern hochklettern?"

Draco warf Caro einen erbosten Blick zu, stand ruckartig auf, sodass der Stuhl über den Fußboden scharrte und stürmte hinaus. Hilflose Wut kochte in seinen Adern. Hätte er bloß einen Weg gewusst, wie er in die Festung von Askaban kommen könnte, hätte er schon längst seine Eltern befreien können. Und Harry, der fähig war sich in einen Phönix zu verwandeln und so in der Lage gewesen wäre, die Schutzzauber, die Askaban umgaben, zu passieren, weigerte sich seit Monaten ihm zu helfen, starrte ihn nur mit diesen smaragdgrünen Augen an.

Es reichte, das letzte halbe Jahr hatte er wieder und wieder versucht Harry dazu zu bringen ihm zu helfen seine Eltern zu befreien, hatte gesagt, dass Harry gleichzeitig auch seinen Adoptivvater retten würde können, doch hätte er wohl genauso gut gegen eine Wand reden können, dachte er erbittert. Draco blieb stehen. Er hatte es nicht glauben wollen, hatte geglaubt, dass Harry ihm helfen würde und hatte die Hoffnung nie aufgeben, aber nun gestand er sich ein, dass Harry ihn schlicht und einfach im Stich ließ. Er durchquerte die Halle und ging zu einem der großen bogenförmigen Fenster.

Zutiefst enttäuscht rang er sich endlich dazu durch einen Entschluss zu fassen: er würde Terley verlassen und zurückgehen zu dem Besitz seiner Eltern Er hätte es schon längst tun sollen und hätte nicht darauf warten sollen, dass Harry ihm half. Draco wollte sich schon abwenden, doch eine Bewegung zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er hielt den Atem an, als er die Menschen erkannte, die den breiten Weg zum Schloss hinaufliefen.


Harry spürte wie der Wind nachließ, als er die magischen Schutzwälle von Hogwarts passierte, auf dem Boden landete und sich verwandelte. Zum dem gewaltigen Schloss hochsehend, blieb er einen Moment unschlüssig stehen. Die Zeit, wo er hier gelebt hatte, kam ihm so fern vor. Sein Blick wanderte zu den Zinnen hinauf und verharrte dort. Sich erinnernd, wie er dort mit Ginny gestanden hatte. Ob sie ihn vergessen hatte oder immer noch an ihn dachte? Sie hatte ihm geschrieben, doch er hatte sich nicht dazu bringen können ihr zu antworten. Schließlich waren die Briefe immer weniger geworden. Harry konnte es sich selber nicht erklären, warum er so gehandelt hatte, aber nun war es zu spät es zu bedauern. Seine Hand glitt in eine seiner Taschen, wo er den Brief fand, den er heute Morgen von Dumbledore bekommen hatte, mit der dringenden Bitte sofort in Hogwarts zu erscheinen.

Seufzend führ er sich mit der Hand über die Stirn. Immer noch plagten ihn heftige Kopfschmerzen. Als er gestern seinen Großvater, Dracos Eltern und Bella befreit hatte, hatte er nicht bedacht, dass Askaban von einer Wand mächtiger Schutzzauber umgeben war, vor der sie bald darauf gestanden hatten und die Draco bisher davon abgehalten hatte, seine Eltern zu befreien.

‚Du schaffst es. Mach es genauso wie du damals meine Flüche an deinen Fenster gebrochen hast. Aber benutz nur einen kleinen Teil deiner Magie. Und benütz diesen Zauberspruch.', hatte sein Großvater geflüstert, sich zu ihm gebeugt und ihm ein Wort ins Ohr geflüstert. Harry hatte es auch geschafft einen Teil der Schutzbanne außer Kraft zu setzten, auf die Kopfschmerzen hätte er jedoch gut verzichten können. Wenigstens war er nicht ohnmächtig geworden, dachte er.

Harry spähte zum Schlossportal. Von der Aussicht durch das ganze Schloss laufen zu müssen, war er weniger angetan. Zuallererst wollte er mit Dumbledore sprechen. Sich wieder in einen Phönix verwandelnd, flog er hinauf zu Albus' Büro und klopfte mit seinem Schnabel gegen die Fensterscheibe. Wenig später wurde sie geöffnet und bald hatte Harry seine menschliche Gestalt angenommen und stand Albus Dumbledore gegenüber. Der alte Zauberer trat zu seinem Schreibtisch und setzte sich.

„Schön, dass du gekommen bist.", und bedeutete ihm ebenfalls Platz zu nehmen.

Albus sah ihn an und während er sprach, ließ er Harry nicht aus de Augen.

„ Voldemort, wie auch die Malfoys und Bellatrix Lestrange befinden sich nicht mehr in Askaban. Du hast nicht zufällig etwas damit zu tun?"

Obwohl seine Stimme leise klang, hörte Harry doch einen gefährlichen Unterton heraus. Albus' prüfenden Blick ungerührt standhaltend, antwortete er:

„ Er ist mein Großvater." Albus blinzelte.

„ Tom Riddle ist mein Großvater.", fügte Harry hinzu und erzählte Dumbledore alles, was er am vorherigen Tag erfahren hatte.

Als Harry zum Ende gekommen war, war Albus sprachlos. Ein Zustand, den er nicht häufig in seinen Leben erlebt hatte. Er konnte es nicht fassen. Lily sollte Riddles Tochter gewesen sein? Die wunderschöne liebenswürdigste Frau, die er wie eine Tochter geliebt hatte? Er wollte diese Möglichkeit schon weit von sich weisen, als eine Erinnerung in ihm aufstieg. Harry hatte von einer Cathy gesprochen. Catherine von Dunbarry. Sie war seine Schülerin gewesen. Ein stilles, unauffälliges Mädchen, so völlig anders als Lily mit ihren strahlenden Augen, die überall im Mittelpunkt gestanden hatte. Nicht weil sie es unbedingt darauf angelegt hatte, sondern einfach aus dem Grund weil sie einen verzaubert hatte mit ihrem fröhlichen überschäumenden Wesen.

Doch Lily hatte Catherines rotgoldene Locken gehabt und plötzlich setzte er sich ruckartig auf, als er sich an eine lang zurückliegende Begebenheit erinnerte. Er war damals spät nachts nach Hogwarts zurückgekommen und war an der Bibliothek vorbeigekommen. Er hatte Geräusche gehört und als er die Bibliothek betreten hatte, deren Tür angelehnt gewesen war, hatte er Lachen gehört, das aus der Verbotenen Abteilung zu ihm herüberschallte. Seine Anwesenheit war jedoch nicht unbemerkt geblieben, das matte Licht war jäh erloschen und wer immer das auch gewesen war, lief davon und bevor Albus den zweiten Ausgang erreicht hatte, war von den nächtlichen Herumtreibern nichts mehr zu sehen.

Es war Lilys Lachen gewesen und seltsamerweise, dachte Albus, hatte er das irgendwie auch immer mit ihr in Verbindung gebracht, aber zu dieser Zeit war Lily noch gar nicht geboren gewesen. Er erinnerte sich auch an die damalige Schulkrankenschwester, die von einigen rätselhaften Ohnmachtsanfällen erzählt hatte und dann wenig später entsetzt berichtet hatte, dass eines der Mädchen ein Kind erwartete. Ihr Vater hatte sie von der Schule genommen, als Dippet, der zu dieser Zeit der Schulleiter gewesen war, ihn davon in Kenntnis gesetzt hatte. Tom Riddle hatte nach dem Mädchen gefragt und jetzt fiel Albus ein, dass er sich in den Wochen danach verändert hatte. Albus schüttelte den Kopf. Warum hatte er den Ereignissen damals nicht mehr Beachtung geschenkt?

„Wenn das alles war?"

Harrys Stimme riss ihn aus seinen Erinnerungen. Albus schüttelte den Kopf und sammelte seinen Gedanken.

„Harry, Voldemort muss nach Askaban…."

Harry jedoch stand auf und sah ihn mit kalten Augen an:

„ Nein, ich werde ihn nicht zurückbringen und Sie werden dem Ministerium auch nicht erzählen, dass er sich in Terley befindet, noch, dass ich ihn aus dem Gefängnis befreit habe oder dass er mein Großvater ist. Er hat für seine Taten bezahlt. Sie brauchen nicht zu Befürchten, dass er jemals wieder versuchen wird, die Macht zu ergreifen. Ich werde dafür sorgen."

„ Warum sollte ich dem Ministerium mein Wissen verschweigen?"

„Weil Sie wollen, dass ich nach Hogwarts zurückkehre, weil sie auf jeden Fall verhindern wollen, dass ich ein Schwarzer Magie werde und weil Sie Ihre Schuld begleichen wollen, die sie mir und meinen Eltern gegenüber empfinden."

Albus zuckte leicht zurück.

„Was willst du damit sagen?"

„ Dass Sie sich die Schuld geben, dass meine Eltern ermordet wurden. Sie wussten, dass es einen Spion gab, nicht wahr? Peter hat es mir erzählt und später Sirius und Remus. Sie wussten es und trotzdem haben Sie nichts unternommen um die Katastrophe zu verhindern. Warum? Warum haben Sie nicht jedem Mitglied Veritaserum gegeben? "

Albus sah eingefallen und müde aus.

„ Es tut mir leid, Harry. Es tut mir so leid. Ich wollte es nicht glauben, dass es einen Spion gab, nicht in meinem Orden. Außerdem waren es nur Hinweise. Selbst Severus wusste nichts."

Was spielt es für eine Rolle wenn es nur Hinweise sind?", wollte Harry aufgebracht wissen.

„Hättest du es geglaubt, wenn jemand dir gesagt hätte, dass es deine Freunde sind? Wenn jemand dich darauf hinweisen würden, dass deine Freunde dich verraten, hättest du daran geglaubt?"

„Nein, natürlich nicht.", entgegnete Harry und der Zorn schwand aus seinen Augen.

„ Wenn man wüsste, was die Zukunft bringt, würde man keine Fehler machen. Ich wusste es nicht und deine Eltern und du mussten dafür bezahlen."

Die blauen Augen sahen ihn bittend an:

„Verzeih mir Harry und vor allem, dass ich dich für schuldig hielt, die Morde zu begehen."

Harrys Gesicht wurde zu Stein.

„ Peter hat erzählt, dass er es gewesen ist, nicht wahr?"

Albus nickte.

„Nun, er war es nicht. Ich habe es getan."

Dumbledore setzte sich auf und schüttelte den Kopf.

„ Nein…."

Harry lachte hohl.

„Sie wissen nicht, was Sie von mir halten sollen, oder? Auf welcher Seite mag ich wohl sein? Ich wollte es nicht. Es war ein Unfall. Als er uns angegriffen hat, habe ich die Kontrolle über meine Magie verloren und das Bücherregal hat ihn unter sich begraben. Peter hat Ginnys Bruder getötet."

Sich wieder setzend, seufzte Harry.

„ Eigentlich wäre es vermessen von mir Ihnen nicht zu verzeihen, oder? Schließlich habe ich genügend Fehler begangen und…."

Harry brach ab und starrte Albus an.

„ Hatte Mr. Farle Familie?"

„Ja, eine Frau und zwei Kinder."

Seinen Blick auf den Tisch senkend, schluckte Harry. Sich seiner Verantwortung zu stellen, würde schwerer sein als gedacht.

Für eine Zeitlang schwiegen sie. Dann lehnte sich Albus zurück und nickte.

„Also gut, Harry. Ich werde Stillschwiegen bewahren. Auch wenn ich nicht deiner Meinung bin und denke, dass Voldemort und die Eltern deiner Freunde ihre Hinrichtung verdient hätten.

Du wirst jedoch nach Hogwarts zurückkommen, nicht wahr?"

„Ja."

„Dann solltest du vielleicht wissen, dass du berühmt bist, jedenfalls als Harry Black. Sei also nicht überrascht, wenn du zurückkommst. Das Interesse, das du wecken wirst, wird erheblich größer sein, als damals. "

„ Aber wissen sie denn nicht…"

„Alles was im Archiv des Phönixordens geschehen ist, weiß nur der Innere Kreis und natürlich die Weasley Familie. Wir haben es vertuscht, sodass dich einige Mitglieder des Ordens, die ich nach Arreton Castle mitgenommen habe und etwas klatschsüchtiger waren, nur als Harry Black kannten. Die Zeitung erfuhren davon und obwohl alles reichlich verwirrend war und eigentlich keiner etwas Genaueres wusste, wuchsen sich alle Vermutungen zu wilden Spekulationen aus."

Harry nickte.

„ Das hat mir wahrlich noch gefehlt."

Sich erhebend, reichte er Albus die Hand und spürte wie sich die Abneigung, die er damals empfunden hatte, sich in Luft auflöste. Er verabschiedete sich und nachdem er versprochen hatte bald nach Hogwarts zu kommen, trat er in den Gang hinaus.


Lucius Malfoy starrte seinen Sohn entgeistert an. Draco erwiderte seinen Blick ungerührt.

„Harry ist sein Enkel. Außerdem verdankst du es ihm, dass du nicht mehr in Askaban sitzt. Es ist vorbei, Papa. Den Dunklen Lord und die Todesser gibt es nicht mehr."

Lucius sah seinem Sohn nach, schüttelte ungläubig den Kopf und sank schwerfällig in einen Sessel. Was Draco ihm gerade gesagt hatte, konnte nicht wahr sein. Aber sein Verstand sagte ihm, dass sein Sohn die Wahrheit gesprochen hatte. Lucius blickte auf seine Hände. Jetzt wurde ihm manches klarer, auch die Reaktion seines Gebieters, als Harry sie aus Askaban befreit hatte. Doch Lucius verstand es nicht. Wie hatte es soweit kommen können?

Er dachte zurück an den Tag, wo er die Kinder im Park gefunden hatte und er mit dem Gedanken gespielt hatte, den Jungen mit den smaragdgrünen Augen umzubringen. Er hätte es wahrlich tun sollen, dachte er grimmig. Dann wäre es nie soweit gekommen. In Zukunft würde er sich in seinem Schloss verstecken müssen, anderenfalls würde ihn dieser unselige Orden erneut nach Askaban bringen. Als sein Sohn längst gegangen war, stand Lucius entschlossen auf. Er musste mit seinem Gebieter sprechen und ihn überzeugen, dass noch nicht alles verloren war.


Mit leerem Blick starrte Sirius aus dem Fenster, während es in seinem Inneren tobte. Wie hatte Voldemort aus Askaban entkommen können? Als er gestern die Neuigkeit gehört hatte, war er buchstäblich erstarrt. Die Vorstellung, dass der Bastard, der Charlotte ermordet hatte, frei war, war unerträglich für ihn. Sirius wollte, dass er litt, genauso litt, wie er.

„Sirius, jetzt setz dich endlich hin. Sonst wird dein Tee kalt.", sagte Remus und legte die Zeitung hin, die er gerade gelesen hatte

Sirius sank in einem der Sessel und griff nach seiner Teetasse.

„Was schreiben sie?"

„Sie haben immer noch keine Spur von ihm, noch von Bellatrix Lestrange und den Malfoys.", erwiderte Remus und runzelte die Stirn. Er machte sich Sorgen. Sollte es Voldemort gelingen ein zweites Mal die Macht zu ergreifen, würde der Krieg wieder anfangen. Remus schauderte, als er sich das ausmalte.

„ Harry und die anderen müssen ihnen geholfen haben."

Remus schaute hoch. Auch ihm war dieser Gedanken schon durch den Kopf gegangen, aber er hatte ihn nicht ausgesprochen. Während er seinen Schluck von seinem Tee nahm, musterte er seinen Freund. In den letzten Monaten hatte er sich die größten Sorgen um Sirius gemacht. Verzweifelt und halb wahnsinnig vor Kummer, hatte Sirius alles drangesetzt so viele ehemalige Anhänger des Dunklen Lords zu finden und nach Askaban zu bringen, wie möglich. Er war kaum mehr nach Hogwarts gekommen und Emily hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, als Jamie zu sich zu holen.

„Ich muss sie finden.", sagte Sirius und ein fieberhaftes Glühen schien in seinen Augen, als er seine Tasse mit einem klirrenden Geräusch abstellte und aufstand.

„ Sirius, du weißt doch gar nicht, ob Harry damit etwas zu tun gehabt hat!", rief Remus aus und sprang auf. Irgendwie musste er Sirius von seiner wahnwitzigen Idee abringen. Wer weiß, was sein Freund tun würde. Bevor er jedoch dazu kam, klopfte es zaghaft an der Tür. Das zweite Mal war energischer.

„Herein.", rief Sirius.

Die Tür ging auf und Remus schloss für einen Moment die Augen. Es war Harry. Fast im selben Augenblick stand Sirius vor seinem Paten und forderte zu wissen:

„ Wo ist Voldemort? Wo habt ihr ihn hingebracht?"

Harry trat einen Schritt zurück und sein Gesicht wurde hart und abweisend.

„Das braucht niemand zu wissen. Ich bin gekommen…."

Das braucht niemand zu wissen? Hast du den Verstand verloren? Er ist für den Mord von tausenden Leuten verantwortlich! Ist dir das völlig gleichgültig? Er hat deine Eltern ermordet! Und Charlotte! Bedeutet dir das nichts!"

Die smaragdgrünen Augen flackerten.

„ Doch, es bedeutet mir sehr viel. Und es tut mir leid, Sirius, dass Charlotte…."

Harry brach ab und fuhr nach einem Moment fort:

„Aber Voldemort hat für seine Taten bezahlt und…."

„Bezahlt? Das ich nicht lache. Er muss zurück nach Askaban und du wirst mir jetzt sagen, wo er ist!"

Als Harry nicht antwortete, trat Sirius einen Schritt näher.

„Sag es mir endlich! Ist er in Terley? Schließlich ist es deine Schuld, dass das passiert ist!"

„Meine Schuld?"

„Ja, wenn du dich nicht in das Archiv geschlichen hättest und geflohen wärst, wäre das alles nicht passiert!", schrie Sirius.

„Wenn du der Geheimniswahrer meiner Eltern geworden wärst, wäre das auch alles nicht passiert!", schleuderte Harry zurück.

Sirius wurde kreideweiß. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Dann ging Sirius mit unsicheren Schritten an Harry vorbei und durch die Tür.

„Sirius.", sagte Harry leise und machte Anstalten hinterher zugehen.

„Nein, Harry. Lass ihn. Er wird sich schon wieder beruhigen.", hielt Remus ihn auf und führte Harry zu einem der Sessel. Ihm eine Tasse Tee reichend, die er schnell hergezaubert hatte, setzte er sich gegenüber. Harry nippte an seinem Tee und schüttelte den Kopf.

„ Ich wollte das nicht sagen. Ich wollte ihm nur sagen, wie leid es mir tut. Und jetzt ist alles schief gelaufen."

„Es war nicht deine Schuld, Harry, du hättest es nicht verhindern können. Was Sirius betrifft, lass ihm Zeit, Harry. Er hat Charlotte über alles geliebt."

„Ich weiß.", sagte Harry beinahe unhörbar.

Für eine Weile schwiegen sie. Dann lehnte Remus sich vor.

„ Warum Harry? Warum hast du Voldemort befreit? Willst du verantwortlich für einen zweiten Krieg sein? Er hat so viele Menschen umgebracht. Er muss…"

Harrys Kopf ruckte hoch.

„Und der Orden hat niemanden umgebracht? Wer hat denn Caros Vater getötet? Sie hat die Unterlagen gefunden. Sirius könnte es gewesen sein. Und du hast auch Leute umgebracht, oder? Außerdem…."

Die smaragdgrünen sahen ihm plötzlich mit solcher Intensität an, dass Remus den Blick abwandte. Als Harry ihm dann erzählte, was sich in Albus' Büro und am gestrigen Tag in Askaban abgespielt hatte, da wollte Remus es nicht glauben und schlagartig begriff er, dass Harry Voldemort in einem völlig anderen Licht sah, als er und auch gänzlich andere Wesenszüge von dem einst so mächtigen Zauberer kannte. Remus schüttelte den Kopf. Wie verwickelt alles doch war.

Aber Harry hatte Recht, erkannte. Es ließ sich nicht leugnen, dass auch ihre Seite gemordet hatte und sich trotz allem schuldig gemacht hatte.

Obwohl er immer noch reichlich skeptisch war, ob Voldemort nicht wieder versuchen würden, die Macht zu erlangen, wusste er, dass es zwecklos wäre, Harry zu überzeugen.

„ Es wird keinen zweiten Krieg geben, Remus. Ich verspreche es dir.", sagte Harry ernst und Remus wollte es glauben, vermochte es jedoch nicht so recht. Einen leichteren Ton anschlagend, sagte er schließlich:

„Du kommst also nach Hogwarts zurück?"


Wenige Tage nachdem Harry seinen Großvater aus dem Gefängnis geholt hatte, standen sie auf dem kleinem Friedhof und Harry sah zum ersten Mal das Grab seiner Eltern und während sein Großvater, nicht weit entfernt von ihm um seine verlorene Liebe trauerte, fragte Harry sich, ob seine Mutter gewusst hatte, wer ihre wahren Eltern gewesen waren. Er hatte herausgefunden, dass Cathy Lilys Geburt nicht überlebt hatte und er nahm an, dass Cathys Familie seine Mutter zu den Evans gebracht hatten, die sie dann groß gezogen hatten. Aber diese Fragen würden wohl für immer unbeantwortet bleiben.

Harry sah zu seinem Großvater hinüber. Dumbledore und Remus hatte er gesagt, dass der Dunkle Lord für seine Taten bezahlt hatte und es stimmte, dachte Harry. Gestern hatte er seinem Großvater das Foto gegeben, welches er in der Kammer des Schreckens gefunden hatte. Sein Großvater hatte ihn angeschaut, doch ohne ihn zu sehen, es war so gewesen als ob er irgendwo weit weg gewesen war.

‚Weißt du, wie es ist zu wissen, dass man seine eigene Tochter umgebracht hat? Dass man keinen Versuch unternommen hat der Frau, die man liebt, zu helfen?'

Daraufhin war sein Großvater zum Strand hinuntergegangen und es hatte sehr lange gedauert bis er wieder zurückgekommen war.

Harry umfasste den schwarz schimmernden Stein seiner Kette und zog seinen Umhang fester um sich, während er sah, dass es angefangen hatte zu schneien.

Er fragte sich was wohl passiert wäre, wenn Cathys Vater seine Tochter nicht nach Hause geholt hätte. Wäre der Krieg dann niemals geschehen und wäre er zusammen mit seinen Eltern und seinen Großeltern aufgewachsen?

Harry wusste es nicht, doch für einen Moment überließ er sich dem Träumen.