Er spürte die weichen Fingerspitzen auf seinen Wangen. Wie sie beruhigend durch sein Haar fuhren. Er spürte wie die durchdringenden Augen des Elben auf seiner Haut brennende Spuren hinterließen. Er fühlte sich geborgen. Er fühlte sich sicher. Sie waren schon seit langer Zeit gute Freunde und schon häufig hatten sie Nächte zusammen in Wäldern verbracht, doch noch nie hatte sich diese Wärme in ihm ausgebreitet, wenn er die Nähe seines Freundes spürte. Er wünschte sich, dass diese einfachen Berührungen nicht enden mögen und rügte sich im selben Moment selbst dafür.
Schließlich waren sie doch nur Freunde. Schließlich wartete doch Arwen auf ihn. Er wollte sie heiraten. Er liebte sie mehr als alles andere auf der Welt. Mehr als alles andere? Dessen war er sich in diesem Augenblick nicht mehr sicher. Doch sie waren nur Freunde. Er durfte nicht so empfinden wie er es gerade gerne wollte. Er durfte nicht daran denken, wie es wäre, wenn er sich aufrichtete und selbst über die seidigen, goldenen Haare streichen würde. Was passieren würde, wenn zärtlich mit seinen Fingerspitzen über die zarten Lippen seines Gefährten fahren würde, um diese anschließend zu küssen.
Es ärgerte Aragorn, dass er diese Gedanken nicht stoppen konnte. Genauso wie er unfähig war sich zu bewegen. Die liebevollen Gesten zu erwidern oder von sich zu weisen.
Er dachte an Arwen, wie er ihr unter die Augen treten könnte, wenn sie erfahren würde, was er in diesem Moment über seinen besten Freund und treuesten Gefährten dachte.
Und so genoss er die Wärme, gab sich ihr hin und viel schon bald in einen ruhigen, traumlosen Schlaf.
Als er am nächsten Morgen die Augen öffnete, fielen vereinzelte Sonnenstrahlen in die Höhle und spielten mit dem nassen Stein. Er sah nach oben und blickte direkt in das lächelnde Gesicht seines Freundes.
Nie hatten diese Lippen eine so starke Anziehungskraft auf ihn gehab wie in diesem Augenblick.
Nie hatten die Augen seines Freundes so gestrahlt wie in diesem Moment.
Er richtete sich auf und nur noch wenige Zentimeter trennten seine Lippen von Legolas.
Er sah den fragenden Blick in dessen Augen und riss sich im letzten Moment von ihnen los.
Er stand auf und ging langsam zum Ausgang der Höhle.
Legolas folgte ihm.
Der Sturm hatte Spuren hinterlassen. Die Äste der Bäume waren abgeknickt und das Wasser des am Vortages noch kleinen Flusses, war so stark angestiegen, das er zu einem mächtigen Strom angestiegen war und die kleine Brücke unter den Wellen begraben lag.
In diesem Zustand war es für sie unmöglich den Fluss zu überqueren.
„Wir müssen warten,", begann Legolas, „bis das Wasser die Brücke wieder freigibt."
Aragorn nickte bedächtig. „Gut das wir in den Satteltaschen der Pferde noch einige Vorräte haben, hier ist wenig essbares zu finden."
Legolas hatte sich bereits dazu aufgemacht die Sättel von den Rücken der Pferde zu nehmen und sie zurück auf die Wiese zu führen wo er sie an einen Baum band, um sicherzugehen, dass sie nicht in die Fluten gerieten.
Unsicher was er nun tun sollte, setzte Aragorn sich auf einen der Felsen und starrte auf den Fluss. Es gab nichts zu tun, so abgeschnitten von jeder Zivilisation. Die wenigen Äste um sie herum würden nicht ausreichen, um eine neue Brücke zu bauen und schwimmen wäre reinster Selbstmord gewesen.
Legolas setzte sich ihm gegenüber und einige Zeit saßen sie einfach nur da und gingen ihren eigenen Gedanken nach.
„Was denkst du, wie lange wird es dauern, bis wir die Brücke wieder überqueren können?", unterbrach Aragorn die Stille.
„Ich kann es dir beim besten Willen nicht sagen. Vielleicht einen Tag. Vielleicht aber auch eine Woche. Wir werden sehen. Mich interessiert viel mehr wie es Gimli geht. Hoffentlich wurde er nicht von weiteren Orcs überrascht."
Aragorn nickte. „Es wird ihm schon gut gehen. Das hoffe ich zumindest."
„Und nun?" , fragte Legolas nach einer weiteren Weile des Schweigens.
„Jetzt können wir nur noch abwarten und Däumchen drehen.", antwortete Aragorn leicht zerknirscht.
„Ich wollte in 2 Tagen heiraten und Arwen weiß noch nicht einmal wo genau wir uns im Moment befinden und ob es uns gut geht.", Aragorn lehnte den Kopf an die kühle Felswand und lies sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
Er musste eingeschlafen sein, denn als er die Augen wieder öffnete, blickte er direkt in die von Legolas. Unfähig sich zu bewegen starrte er ihn an.
„Was ist los mit dir? Erst schläfst du wie ein Stein und dann guckst du mich an als wäre ich ein Geist. Du solltest dich in den Schatten legen du hast schon einen ziemlichen Sonnenbrand und wenn du nicht aufpasst, gesellt sich bei deinem Glück auch noch ein Sonnenstich hinzu."
Verdattert blinzelte Aragorn. „Ja du hast recht." Erhob sich und lehnte sich stattdessen in den Höhleneingang in dem es kühl und schattig war.
Legolas setzte sich ihm gegenüber und musterte ihn eingehend.
„Was ist?"
„Was soll schon sein?"
„Was musterst du mich so? Mir geht's gut, wirklich."
„Neben den Pferden bist du das einzigste Lebewesen in dieser Schlucht. Ich versuche lediglich mich nicht zu langweilen."
„Aha. Dazu bin ich also gerade noch gut genug."
„Ja eindeutig."
„Na dann bin ich ja froh wenn ich wenigstens für irgendwas gut bin."
„Wenn du wirklich etwas zu tun haben möchtest, dass dich nützlich macht, dann mach mir was zu essen. Ich sterbe vor Hunger."
„So ist das also jetzt will sich der gnädige Herr auch noch bedienen lassen."
„So ist es!"
Beide grinsten sich an und Aragorn erhob sich.
„Na dann wollen wir doch mal sehen, was wir dem Prinzen des Düsterwaldes anbieten können. Und natürlich habe ich nichts dagegen, ihn zu bekochen, wo doch jedes Lebensmittel, dass er auch nur ansieht ungenießbar wird."
„Willst du damit sagen ich kann nicht kochen?"
„Ja.", antwortete Aragorn kurz und beugte sich dann über die Tasche mit den letzten Vorräten.
„Also ich kann dir anbieten ... einen Lembasbrot. Oder Lembasbrot. Oder Lembasbrot. Was sagst du?"
„Nur Lembasbrot? Wo ist das ganze Obst das wir gestern noch hatten?"
„Das ist für mich. Wenn ich schon koche, dann nur zu meinem Vorteil."
Ungläubig sah Legolas zu ihm hinüber. Dann stand er auf. Schlich leise von hinten an Aragorn heran, der sich noch immer über die Tasche gebeugt hatte und überfiel ihn plötzlich.
Er ergriff seine Arme, hielt sie fest und griff sich einen der Äpfel aus der Tasche.
„Da wollen wir doch mal sehen wer hier das Lembasbrot isst.", lachte er und wollte gerade genussvoll in den Apfel beißen, als Aragorn seine Arme aus seiner Hand befreite und zum Gegenangriff überging.
Der Apfel rollte auf den Boden und Aragorn drehte Legolas geschickt auf den Rücken, setzte sich auf seine Beine und hielt seine Arme auf dem Boden.
„Ja das wollen wir doch mal sehen.", sagte er breit grinsend, als er Legolas überraschtes Gesicht sah.
Plötzlich verschwand das Grinsen von Aragorns Lippen, als er seinen Freund wehrlos unter sich liegen sah.
Wieder spürte er diese starke Anziehungskraft, wieder war er unfähig sich zu bewegen.
„Aragorn?"
Die Stimme drang nur schwach zu ihm vor.
Wie in Trance beugte er sich langsam nach vorne. Immer näher kamen sich ihre Gesichter.
Legolas wagte es nicht sich zu bewegen. Er hatten diesen Ausdruck noch nie in den Augen seines Freundes gesehen und es fiel ihm schwer sich vorzustellen, was nun passieren würde. Auch wenn er sich zeitweise so sehr gewünscht hatte. Er hatte sich damit abgefunden, dass sie nur Freunde waren. Nie hatte er darüber nachgedacht, dass Aragorn ebenso für ihn empfinden würde. Er liebte doch Arwen.
Er spürte seinen Atem auf seinen Gesicht, starrte ihn immer noch verständnislos an. Doch er hatte nicht die Kraft sich zu wehren. Er konnte ihn nicht von sich wegstoßen zu sehr fesselte ihn dieser Blick, zu sehr entsprach dies seinem innigsten Wunsch. Auch wenn er sonst ein sehr rationaler und emotionsloser Mensch war. Diesmal war es seinem Verstand nicht möglich sich über seine Gefühle zu stellen.
Er spürte die weichen Lippen auf seinen, wagte nicht zu atmen, wagte nicht, darüber nachzudenken, dass es doch falsch war was sie taten.
Er war Arwen versprochen. Er würde sie heiraten. Ein Leben in dem sie beide die Hauptrollen spielen würden, hätte keine Zukunft.
Und dennoch erwiderte er den Kuss ohne zögern.
Aragorn löste den Kuss. Sah ihm in die Augen. Einen kurzen Moment. Bevor sie sich erneut küssten.
Bevor Aragorn realisierte, was er tat.
Abrupt stand er auf. Verließ die Höhle und ging hinunter zum Fluss.
Legolas richtete sich auf, folgte seinem Gefährten aber nicht.
Er konnte sich vorstellen, wie ihm zumute war. Er musste sich genauso fühlen, wie er, als er das erste mal verstand, warum und was er überhaupt für seinen Freund fühlte.
Er saß weiterhin im Höhleneingang, beobachtete wie Aragorn unruhig am Flussufer auf und abging.
Ihm war klar, dass das, was passiert war eine einmalige Sache sein musste. Wenn sie in ein oder zwei Tagen diese Schlucht verließen würde Aragorn wie geplant Arwen heiraten. Und er würde wie geplant nach der Hochzeit zurück nach Düsterwald gehen. Zurück zu seinem Volk.
Die Sonne versank hinter den Felswänden und ein kühler Wind über die Wiese. Noch war die Brücke nicht wieder zu sehen, aber die letzten Sonnenstrahlen, tauchten den weitaus ruhiger gewordenen Fluss in ein schimmerndes Gold.
Nur wenige Wolken waren am Himmel und ließen freien Blick auf Mond und Sterne.
Der Boden war trocken und warm und wieder prasselte ein kleines Feuer vor Legolas. Er hatte das vom Sturm noch feuchte Holz nur mit viel Mühe zum brennen bekommen und einige Male wäre es beinahe wieder erloschen doch seine Geduld zahlte sich nun durch Wärme und beruhigendes Licht aus.
Er hörte, wie sich Schritte von hinten näherten und sah zu Aragorn auf, der sich unsicher neben ihn setzte.
„Was da eben passiert ist ...", begann er hilflos.
„Ist schon OK.", antwortete Legolas ruhig und nahm beruhigend Aragorns Hand.
Dieser zuckte unter der Berührung leicht zusammen und sah seinen Freund an.
Lange, viel zu lange, diese bekannte kleine Ewigkeit sah er ihn an.
Unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, zögerte er kurz, bevor er Legolas erneut küsste.
Dieser jedoch entzog sich seiner Berührung und sah ihn fragend an.
„Bist du dir ...", weiter kam er nicht, denn Aragorn küsste ihn erneut.
Noch einmal vermochte er sich nicht dagegen zu wehren, ließ es geschehen, ließ seine Gefühle zu und erwiderte den Kuss.
