Ja, das ging jetzt schnell, weiß auch nicht wieso ich das Kap. So schnell fertig hatte. (Vorweg: Das wird nicht zur Gewohnheit) Aber irgendwie habe ich das Kapitel runtergeschrieben, hat richtig Spaß gemacht. Und nun wünsche ich euch viel Spaß mit Nr. 4!
Eine Gestalt ritt über die Ebene. Zusammengekrümmt saß sie auf dem Pferd, die Zügel hatte sie losgelassen und die Hände in die Mähne gekrallt. Der einzige Halt, den sie noch hatte. Ihre Welt schwamm.
Immer wieder sackte ihr Bewusstsein weg und sie wusste nicht einmal, ob sie in Schlaf oder Ohnmacht fiel. Wenn sie wieder aufschreckte und blinzelte, verschwammen die Konturen vor ihren Augen und sie konnte außer hellen, sehr hellen Flecken nichts mehr sehen. Auch die dunklen Flecken auf ihrer Haut sah sie nicht.
Jeder Muskel schmerzte auf ihren Knochen, Schweiß rann ihren Rücken hinunter und automatisch tastete sich ihrem Zunge immer wieder aus ihren ausgedörrten Mund um die aufgesprungenen Lippen zu befeuchten, obwohl sie wusste, dass sie dafür schon gar keinen Speichel mehr hatte. Das Schlimmste war der Durst.
Auch ihre Hand fuhr zum tausendsten Male zur Flasche in ihrer Satteltasche und zum tausendsten Male zog sie sie wieder zurück, als ihr bewusst wurde, dass sie bereits leer war. Ihr Durst war stärker gewesen als ihr Wille sich den Wasservorrat einzuteilen.
Warum war es nur so heiß? So heiß war es doch schon seit Jahren gewesen. Sie wollte sich den Schweiss von der Stirn wischen, aber sofort zuckte ihre Hand zurück als hätte sie sich verbrannt. Nicht die Sonne war es, die glühte, sie selbst war es!
Fieber. Sie hatte Fieber. War es schon soweit? War es die Krankheit? So schnell? Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Nicht jetzt schon.
Wie zur Antwort krampfte sich ihr Körper plötzlich zusammen, sie rutschte seitlich vom Pferde und übergab sich. So fühlt sich also der Tod an, dachte sie beinahe belustigt, fragte sich aber im gleichen Moment, wie krank man sein musste, um so etwas komisch zu finden.
Als es endlich vorbei war, fühlte sie sich nicht besser. Zitternd lehnte sie sich gegen den warmen Leib ihrer Stute, die ihren Kopf ihr zuwendete und sie fast schon besorgt anschaute. Das Tier verstand nicht, was mit dem zweibeinigen-Flügelwesen los war. (Anmerkung der Autorin: Pferde können nicht k**zen!).
Das Atmen fiel Seraphin plötzlich ungemein schwer. Jetzt nicht nachgeben, sagte sie zu sich. Noch nicht. Du kannst noch! Das Problem war nur, dass sie sich kein bisschen glaubte.
Irgendwie schaffte sie es aber doch, wieder in den Sattel zu kommen. Kaum war sie dort angekommen, setzt sich ihr Pferd schon langsam und vorsichtig in Bewegung, so als wüsste es um den Zustand seiner Reiterin.
Auf einmal hörte Seraphin einen schrillen, hohen Ton über sich, als sie aber mühsam den Kopf hob, konnte sie nichts weiter als einen dunklen, verschwommenen Punkt an dem grellblauen Himmel erkennen. Sie kniff die Augen zusammen und strengte sich an um klarer zu sehen bis sie einen Vogel erkannte. Einen Falken. Unter anderen Umständen hätte sie sich gefreut wieder einmal einen Falken zu Gesicht bekommen, diese Vögel waren hier äußerst selten. Im Moment fragte sie sich aber nur, ob er auf ihren Tod wartete. Irgendwo hatte sie einmal gehört, dass es Vögel gab, die plötzlich über verirrten, sterbenden Wanderern auftauchten, warteten bis sie tot waren und sie dann fraßen.
Seraphin wusste allerdings nicht, ob es diese Vögel nur in der früheren Welt, in der die Engel gelebt hatten, gegeben hatte und sie wusste auch nicht, ob es Falken gewesen waren.
Eigentlich glaubte sie es nicht, aber sie wünschte sich dennoch, dass der Vogel verschwinden würde.
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Er tat es nicht. Auch Stunden später schwebte er noch über ihnen, aber Seraphin merkte es nicht mehr. Sie merkte eigentlich so gut wie gar nichts mehr. Es flimmerte vor ihren Augen und ihr Atem ging schwer und stossweise. Sie wusste nicht wie lange sie noch durchhalten würde. Auf jeden Fall nicht mehr allzu lange, das war sicher. Sie bedauerte nur, dass sie es nicht geschafft hatte, auch nur irgendetwas für ihr Volk zu tun. Oder auch für sich.
Und dieser Mistvogel war immer noch da. Lange musste er jedenfalls nicht mehr auf sein Abendessen warten. Oder auf sein Mittagessen. Frühstück? Es spielte ja auch gar keine Rolle. Zuerst hatte der Gedanke, von einem Vogel gefressen zu werden, sie aufrecht erhalten, aber mittlerweile war es ihr egal. Sie wünschte sich fast, dass es so schnell wie möglich zu Ende wäre, nur damit diese verdammten Schmerzen aufhörten und ihr nicht mehr übel war.
Der Wille zu kämpfen wurde von Minute zu Minute schwächer. Oder auch von Stunde zu Stunde. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Und so wusste sie auch nicht, wie lange es gedauert hatte, bis sie schließlich aus dem Sattel rutschte. Sie sah noch, eigenartigerweise sehr deutlich, den Boden auf sich zu kommen, konnte noch schnell Endlich ist es vorbei zu denken und dann wurde es dunkel.
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Kühle Luft strich über ihr Gesicht und sie spürte etwas Feuchtes und Weiches unter ihren Fingern. Sie hatte keinen Durst mehr. Das war das Erste, was sie feststellte und sie wunderte. Das zweite, und das was sie noch mehr verwunderte, war, dass sie noch zu leben schien.
Sie öffnete langsam die Augen und sah etwas Grünes zwischen einigen anderen Farbklecksen. Enttäuscht stellte sie fest, dass sie immer noch nicht klar sehen konnte, sondern nur Umrisse und Farben. Nur das Moos, auf dem sie lag, konnte sie klar erkennen. Wo war sie nur?
Hast du also doch noch hierher gefunden, Seraphin, Gabriels Tochter.
Seraphin richtete sich ruckartig auf und sofort fuhr ihre Hand zu ihrem Kopf, der hammerartig zu schmerzen angefangen hatte. Aber wenigstens konnte sie wieder klar denken.
Woher kennt Ihr meinen Namen? fragte sie und schaute sich suchend um, konnte außer verschwommenen Umrissen allerdings nichts erkennen.
Langsam kehrte ihre Sehstärke jedoch wieder zurück und dann sah sie, dass sie sich in einer Art Höhle befand, in der aber bis auf die Felswände nichts darauf hinwies, dass es sich um eine solche handelte. Sie war eingerichtet wie ein Haus, mit Stühlen, einem Tisch und einem Schrank. Seraphin lag, beziehungsweise saß jetzt, auf einer Art Lager aus Moos uns Stroh. In einer Ecke des 'Raumes' fiel ihr eine weiterer Tisch auf, auf dem mehrere Kräuter und einige merkwürdige Gefäße auszumachen waren; soweit Seraphin dies eben in ihrem derzeitigen Zustand tun konnte.
Und dann sah sie neben diesem Tisch noch etwas. Eine Gestalt. Als diese aus den Schatten trat, erkannte sie, dass es eine Frau war. Eine Frau ihre Volkes. Eine alte, sehr alte Frau. Sie hatte weißes, langes, schütteres Haar und sah so zerbrechlich aus als würde sie jeden Moment in sich zusammenfallen. Ihre geschmeidigen und kraftvollen Bewegungen straften ihr offensichtliches Alter aber mit Lügen.
Seraphin starrte sie an. Wer bist du? fragte sie.
Ich bin das, was einst war. antworte die Alte und lächelte, aber in ihren Augen war etwas Trauriges, das Seraphin nicht entging. Und das, was bald wieder sein wird. fügte sie hinzu.
Sie trat näher und ließ ihren Blick unverhohlen über ihr jüngeres Gegenüber schweifen. Wenn du deine Aufgabe erfüllt hast.
Seraphin verstand überhaupt nichts. Ich? Was für eine Aufgabe?
Bist du nicht deswegen gekommen?
Jetzt wusste Seraphin plötzlich, wen sie vor sich hatte.
Ich habe nach dir gesucht. Du musst uns helfen. Unser Volk stirbt.
Ich weiß. Aber es ist nicht unser Volk. Es ist dein Volk. Nicht meines.
Nicht mehr.
Seraphin sah all ihre Hoffnungen schwinden. Dann wirst du uns nicht helfen?
Fassungslos starrte Seraphin in das von Falten zerfurchte Gesicht.
Aber du bist die Einzige, die vielleicht einen Ausweg weiss. rief sie aufgebracht und die der weißhaarige Kopf nickte.
Das stimmt. Einen Ausweg weiß ich.
Und trotzdem willst du nicht helfen?
Doch, das will ich. Jetzt verstand Seraphin gar nichts mehr.
Dann tut es doch! schrie sie. Sie konnte kaum noch an sich halten.
Die alte Frau blieb davon unbeeindruckt. Das kann ich nicht. sagte sie sanft. Nur du kannst es.
Seraphin zog es aufgrund ihrer immer mehr zunehmenden Verwirrtheit vor, diesmal nichts zu sagen, sondern zu warten, bis die Alte ihr das alles von allein erklärte. Wenn sie das tat.
Sie tat es nicht. Vorerst jedenfalls nicht. Sie ging zu dem Tisch mit den Kräutern und goss in zwei dort stehende Becher eine rote Flüssigkeit ein. Einen von den beiden Bechern reichte sie Seraphin. Diese zögerte.
forderte die alte Frau sie auf. Es ist nicht vergiftet, wenn du das glaubst. Zum Beweis nahm sie selbst einen großen Schluck. Sie schmatzte genüsslich. Nichts geht doch über einen guten Wein. Sie stellte den Becher wieder ab.
Seraphin schaute etwas skeptisch in ihr Trinkgefäss und roch an dem Getränk. Wein? Von so einem Gebräu hatte sie noch nie gehört. Vorsichtig ließ sie den Wein in ihre Kehle laufen... Und musste husten.
Um Gottes willen... was ist denn das? Das ist ja... ungenießbar. krächzte sie und hustete noch mehr.
Die Alte schien belustigt. Als du noch bewusstlos warst, hast du es ohne Widerwillen getrunken.
Seraphin schaute überrascht auf. Ihr habt...
Ich habe dich gesund gepflegt, ja. beendete die andere Frau den Satz.
Seraphin schüttelte den Kopf. Nein, das wollte ich nicht sagen. Ihr habt mir das Leben gerettet. Ihr Gesicht verdunkelte sich, als sie weiter dachte. Warum wollt Ihr das nicht auch für die Anderen tun?
Ich habe dir nicht das Leben gerettet. Ich habe dich nur gepflegt. antwortete die Alte zu Seraphins Überraschung. Sie fasste sich an den Hals und fischte eine Kette aus ihrem Dekolleté, an der ein kleiner, blau schimmernder Stein hing.
Das hat dich gerettet.
Seraphin stockte der Atem. Was... ist das? fragte sie, obwohl sie es ahnte. Aber das konnte nicht sein!
Das ist Lebalin.
Seraphin entfuhr ein Laut der Ungläubigkeit, der Überraschung und der Freude. Lebalin? Er ist hier? Aber, aber... das würde ja bedeuten...
erwiderte die Greisin. Seraphins Miene fror ein.
Ihr werdet so einfach nicht wieder unsterblich. Sie hielt die Kette noch ein Stück höher und betrachtet ihn aufmerksam. Es ist nur ein Splitter. erklärte sie. Lebalin ist an einem anderen Ort. Dieser Splitter konnte dich heilen, aber für euer ganzes Volk reicht seine Macht nicht aus.
Sie schaute Seraphin an. Ich trage diese Kette bei mir seit die Elben uns vertrieben. Solange habe ich auf dich gewartet.
Seraphin klappte der Mund auf. Solange? Aber dann seit ihr ja...
Alt, richtig. Die Alte nickte. Sehr alt. Ich habe alles gesehen. Ich war dabei.
Ihr Blick war plötzlich ins Leere gerichtet, so als würde sie dort etwas sehen, was weit in der Vergangenheit lag. Tausende von Jahren in der Vergangenheit. Ich war dabei als sie uns vertrieben. Wegen den Menschen. Nur weil wir sie beschützen wollten. Sie lachte bitter auf. Und plötzlich war da keine Brüderlichkeit mehr. Wie wir uns bekämpft haben. Wegen der Menschen. Einen Kampf, den wir verloren. Alles nur wegen der Menschen. Wegen der Unsterblichkeit. Die Greisin blickte auf.
Deshalb haben sie uns Lebalin genommen. Und mit ihm die Unsterblichkeit. Ich kam mit meinem Volk hierher, habe diesen Splitter behütet und mit dem Rest meines Volkes gewartet. Viele hundert Jahre. Bis sie mich vertrieben. Weil ich anders war. Weil ich die Vergangenheit kannte. Sie konnten sie nicht ertragen. Und deshalb mich nicht.
Ihr Gesicht erhellte sich und sie lachte plötzlich, aber es klang nicht echt. Was erzähle ich? Du kennst die Geschichte ja.
Seraphin nickte. Ja, sie kannte die Geschichte. Jeder Engel kannte sie. Ihr wart dabei.. flüsterte sie. Aber wie konntet ihr nur..
So alt werden? fragte die Alte. Seraphin nickte diesmal nicht. Langsam wurde es ihr unheimlich, wie diese Frau immer wusste, was sie sagen wollte.
Die alte Frau schwenkte die Kette. Das ist der Grund für mein Alter. Der Splitter hat mich so alt werden lassen. Und nun... gebe ich ihn dir.
Seraphin erstarrte.Mir? Aber...
Die Alte unterbrach sie. Du wirst ihn brauchen.
Du musst nach Mittelerde zurückkehren.
Seraphins Augen weiteten sich bei diesen Namen. stammelte sie. Es gibt einen Weg dorthin? Von hier? Und warum...?
Die Greisin fasst sie bei den Schultern. Ja. Du musst Lebalin finden. Er ist dort. Mit dem Kopf wies sie auf die Kette, die Seraphin in der Hand hielt. Diese wusste allerdings nicht, wie sie dahin gekommen war.
Das wird dir helfen.
Als die alte Frau dies sagte, fiel Seraphin etwas auf. Aber... Wenn ich den Stein nehme... Werdet Ihr dann nicht sterben?
Die Frau lächelte. Ich bin alt. sagte sie. Meine Zeit ist vorbei. Eine neue Zeit muss beginnen. Sie schaute plötzlich hoch als würde sie etwas hören. Es ist Zeit. Du musste gehen.
Seraphin stiegen Tränen in die Augen. Sie kannte diese Frau erst seit ein paar Minuten, aber in diesen paar Minuten hatte sie sie bereits ins Herz geschlossen. Und jetzt musste sie sie schon verlassen Wie soll ich den Weg finden? fragte sie leise.
Die Greisin hob die Hand und Seraphin hörte ein Flattern. Ein Vogel landete auf dem Arm der Alten. Der Falke! Es war derselbe. Der, der die ganze Zeit über sie und ihren Pferd geflogen war. Da fiel ihr etwas ein.
Dein Pferd wartet draußen. Die Alte hatte es schon wieder getan! Aber komischerweise gewöhnte sich Seraphin allmählich daran.
Der Vogel flog über ihren Kopf zum Ausgang der Höhle. Seraphin drehte sich überrascht um. sagte die Frau. Seraphin zögerte. Jetzt geh schon. Dermott wartet nicht gerne.
Ich.. ich danke euch. Seraphin wusste nicht so recht, was sie zum Abschied sagen solle.
Die Alte nickte. Ich wünsche dir alles Gute. Und jetzt geh.
Seraphin lief zum Höhlenausgang, wo sie sich noch einmal umdrehte. Aber die Alte war in der Dunkelheit der Höhle verschwunden.
