Harry spürte, wie es in seinem Hals enger wurde, während Ginny ihn auf eine Reaktion wartend anstarrte. "Ähm... Ich glaub, Pig muss noch gefüttert werden," murmelte Ron und verzog sich in Richtung Haus. Hermine nickte. "Stimmt, ich schau mal, wo Krummbein steckt..." Auch sie verschwand, und Harry bleib mit Ginny zurück. "Hi," brachte er nur hervor. Es folgte eine peinliche Stille, in der beide in unterschiedliche Richtungen schauten. Ginny brach sie schließlich. "Hast du nochmal... Über uns... Nachgedacht?" Fragte sie vorsichtig. Harry glaubte nun, einen Quaffel im Hals stecken zu haben, und schüttelte traurig den Kopf. "Es geht vorerst einfach nicht.. Du weißt, wieviele Leute schon wegen mir sterben mussten.. Auch wenn du meinst, es wäre in Ordnung, wenn Voldemort dich kriegt, um mich zu erpressen... Ich könnte es nicht mehr ertragen..." Harry war sich bewusst, dass er ihr das zum zweiten Mal erzählte, aber was sollte er sonst sagen? Ginny sah nachdenklich aus und nickte dann. "Ich denke, du hast Recht... Und vielleicht wär es besser... Wenn wir das Ganze komplett vergessen, bis es vorbei ist. Es kann noch Jahre dauern, bis Voldemort besiegt wird. Sollen wir so lange warten?" Harry schüttelte resignierend den Kopf. Klar, er hatte gehört, dass man locker Jahre warten kann, wenn man jemanden wirklich liebt, aber Ginny... Ginny schien eine Beziehung zu brauchen wie die Luft zum atmen. Und die konnte er ihr auf unvorhersehbare Zeit nicht geben. Jetzt schob der Quaffel sich langsam in seinem Hals hör, und er spürte, wie ihm die Tränen hochkamen. "Entschuldige mich," sagte er mit zitternde Stimme und eilte ebenfalls ins Haus. Ginny sah ihm nach, seufzte schließlich ud verließ den Garten, um einen stillen Platz aufzusuchen.
Harry rannte beinahe in Hermine, die soeben ihr Zimmer verließ. Sie blieben voreinander stehen und sahen sich an. "Und... Oh... Lief nicht gut, oder?" Harry, dem nun zwei Tränen die Wange runterkullerten, schüttelte den Kopf und schniefte. Hermine kam auf ihn zu und umarmte ihn. Er erwiederte die Umarmung und spürte, dass es gerade das war, was er brauchte - Trost. Er legte sein Gesicht auf ihre Schulter und ließ seinen Tränen freien Lauf. "Wieso kann ich nicht einmal was vom Leben haben? Warum muss Voldemort mir alles kaputtmachen? Womit hab ich das verdient?" Er hob den Kopf und sah Hermine an, die ihren gewohnt nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Sie sah jetzt, sechs Jahre nach ihrer ersten Begegnung, soviel erwachsener aus. Ihre Haare waren nur noch wellig, kein ungezähmtes Gewirr mehr. Die Falten, die sich auf ihre Stirn legten, wenn sie überlegte, wirkten ernster. Und doch war es der gleiche Blick, die gleiche Haltung, welche die Elfjährige Hermine einst hatte. Aber scheinbar gehörte Hermine jetzt zu Ron, und sein Herz zog sich leicht zusammen, als er daran dachte. Er beschloss jedoch, dass es daran lag, dass er Angst um die alte Freundschaft zwischen ihnen war. Schließlich riss Hermine ihn aus seinen Gedanken. "Komm, gehen wir etwas spazieren," sagte sie.
Eine halbe Stunde später saßen sie an einem Teich, der gut zehn Minuten vom Fuchsbau entfernt lag. Harry warf im Sekundentakt immer wieder kleine Steine ins Wasser, bis ihm noch etwas einfiel. "Sag mal... Was ist nun mit dir und Ron? Ich meine, eure Reaktionen vorhin..." Hermine seufzte und sagte erstmal nichts. Schließlich öffnete sich ihr Mund. "Wir haben nach Dumbledore's Beerdigung viel über uns nachgedacht. Naja, und dann hat sich etwas mehr ergeben, bevor du herkamst... Aber Ron muss einfach noch so viel lernen in einer Beziehung. Er denkt, es geht bloß darum, sich ständig gegenseitig die Zunge in den Hals zu stecken... Als ich ihn drauf angesprochen hab, war er beleidigt... Und naja, da haben wir gemerkt, dass wir wohl doch zu unterschiedlich sind..." Harry nickte langsam. "Verstehe. Und nun ist das Eis zwischen euch wohl wieder gefroren..." Hermine nickte traurig. "Scheinbar ist es uns beiden nicht vergönnt, glücklich zu werden," seufzte sie. Im nächsten Moment biss sie sich jedoch auf die Unterlippe, als hätte sie etwas falsches gesagt. Die restliche Zeit starrten beide wortlos auf den Teich, und nach kurzer Zeit begann Harry wieder damit, Steine hineinzuwerfen.
Harry fühlte sich durch das Gespräch mit Hermine wieder etwas besser, aber scheinbar sah er immernoch recht geknickt aus, denn Ron sah ihn direkt nachdenklich an, als er das gemeinsame Zimmer betrat. "Nichts mehr?" Fragte er nur. Harry nickte und ließ sich aufs Bett fallen, den Blick auf die Decke gerichtet. Ron sprach weiter. "Naja, das letzte Jahr war wohl nicht so die Zeit für Beziehungen... Ich und Hermine..." Harry unterbrach ihn. "Ich weiß schon. Hab grad mit ihr geredet." "Oh." Beide gingen eine Weile ihren Gedanken nach, bis Ron wieder sprach. "Was willst du nun eigentlich wegen diesen Horcruxes machen? Ich meine, wo willst du danach suchen? So klein ist diese Welt nichtmal..." Harry zuckte mit den Schultern. "Ich halte es für sinnvoll, erstmal wieder nach Hogwarts zu gehen. Vielleicht gibts da Hinweise... Ich meine, Voldemort hat Hogwarts genau wie ich als sein Zuhause gesehen. Warum sollte ich da nicht fündig werden?" Ron kratzte sich am Kopf. "Jaah, gut möglich... Welche Horcruxe sind nochmal über?" Harry seufzte und zählte es zum hundertsten Mal auf. "Der Kelch, eventuell das Medaillon, Voldemort's Schlange, etwas von Gryffindor oder Ravenclaw, und Voldemort selbst. Das Schlangenvieh dürfte recht einfach sein, aber die anderen Sachen... Das ist es ja, wenn ich bloß wüsste, ob das Medaillon zerstört ist..." Bei dem Wort 'Medaillon' versuchte irgendeine flüchtige Erinnerung in ihm auszubrechen, aber es wollte ihr nicht gelingen, und auch die nächste Zeit sollte Harry sich nicht dran erinnern, dass das Medaillon sich vor zwei Jahren bereits vor seiner Nase befand.
Am nächsten Morgen, dem Tag der Hochzeit, war Harry überraschend früh wach - Dem tiefblauen Himmel nach zu schließen, war es noch keine fünf Uhr. Er wollte jedoch nicht wieder einschlafen. Leise, um Ron nicht zu wecken, huschte er in seine Anziehsachen und schlich sich durch das Treppenhaus in den Garten. Er lehnte sich an einen Baum und blickte in den Himmel. Die Sterne strahlten noch in Massen, und Harry erkannte das Sternbild Sirius. Beim Gedanken an seinen Paten seufzte er. Sirius hätte sicher wieder haufenweise Ratschläge parat... Sirius würde ihm zustimmen, dass Hermine außerordentlich hübsch und nett ist... Erschrocken bemerkte er, was er soeben gedacht hatte. Wo kam das her? Er durfte es nicht nochmal denken... Und selbst wenn... Für Hermine galten die gleichen Spielregeln wie für Ginny. Kein toter Voldemort, keine emotionale Bindung. Schnell schlug er sich diese Gedanken aus dem Kopf. Er sah wieder in die Sterne, während zwei Stockwerke höher Hermine verwirrt aus dem Schlaf schreckte, weil sie im Traum eine verschwommene Person geküsst hatte, die Harry erschreckend ähnlich sah.
