10.Kapitel: Die Rückkehr

Harry rannte aufgeregt zum Krankenflügel. Er hatte heute Nacht von der Frau erfahren, dass Hermine wieder aufwachen würde. Sie schlief bereits seit drei Tagen.

Nur zu verständlich.

Als sie gefunden wurde, sah sie aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie schien so schwach und fast wie tot. Neben ihr waren lauter Blutflecken im Gras zu sehen und das Wasser des Sees war leicht rosa geworden. Doch woher dieses Blut kam war ungewiss.

Seit diesem Tag war Ron verschwunden. Und Neville. Harry konnte sich vorstellen, dass Hermines Zustand mit Ron zu tun hatte.

Er klopfte an der Tür zum Krankenzimmer an und als er keine Antwort hörte, trat er einfach ein. Der Anblick, den er sah, war so unglaublich schön. Das Licht der aufgehenden Sonne schien fein in das Zimmer. An einem der Fenster stand Hermine. Das Licht umspielte sanft ihre Gesichtszüge. Sie sah starr hinaus, hinaus in das Licht und Harry schien es fast, als wenn ihr Haar eine andere Farbe hätte und sich im Wind bewegte, obwohl alle Fenster geschlossen waren. Auch aus dieser Entfernung konnte er sehen, dass sie sehr traurig aussah. Doch jetzt verstand Harry was Ron so sehr an ihr mochte und warum er sich in sie verliebt hatte.

Als hätte sie ihn bemerkt wischte sie kurz mit dem Handrücken über ihre Augen, dann drehte sie sich zu ihm und sagte leise und schwach, aber immer noch so laut das man es hören konnte: „Ich muss mit dir reden Harry!"

So kam er ihr langsam näher und sie setzten sich auf eines der Betten. Ein langes Schweigen brach aus und niemand schien es brechen zu wollen. Beiden war anscheinend etwas sehr peinlich, nur wussten beide nicht, was es war.

So brach Harry das Schweigen: „Du siehst sehr traurig aus. Möchtest du mir erzählen, was passiert ist und was dich so traurig macht?"

Sie sah ihn an, als hätte sie gehofft, dass er das fragt.

Und so begann sie alles zu erzählen. Alles, was passiert war. Alles, bis auf den Traum. Während sie erzählte wurde sie zunehmend leiser und immer trauriger. Am Ende war es dann wieder so weit, dass sie anfing zu weinen. Sie war plötzlich nur noch ein Häufchen Elend. Doch Harry sah in ihr plötzlich nur noch die Frau, die sie war. Nicht mehr die Hermine Granger, die sie seit dem ersten Tag ihrer Freundschaft war. Sie war einfach nur noch eine Frau, die dringend Halt suchte.

Noch bevor er es hätte stoppen können, nahm er sie in den Arm und tröstete sie.

So saßen sie bestimmt mehrere Minuten da. Hermine weinte sich in seiner Schulter aus und er hatte Recht gehabt. Ron war an diesem Zustand schuld.

Als sich Hermine wieder gefangen hatte fragte sie: „Hast du in deinen Träumen auch so eine komische Frau getroffen?"

Harry verzog das Gesicht und stutzte. Woher wusste sie das mit der Frau?

„Du kannst es nicht verschweigen. Temperantia hat es mir gesagt." sagte sie fordernd.

„Bitte wer?" fragte Harry verstört.

„Na, die Frau mit den langen schwarzen Haaren und den roten Augen. Hat sie dir nie ihren Namen genannt?"

„Nein. Aber es ist genau diese Frau..."

Und beide unterhielten sich noch einige Zeit über ihre Träume und Harry offenbarte ihr, dass er nicht mehr lange unter ihnen bleiben wird und dass er sich in diese Frau verliebt hatte.

Dann jedoch warf Madam Pomfrey ihn aus dem Krankenzimmer, damit Hermine sich noch ausruhen konnte. Außerdem begann der Unterricht.

Harry verabschiedete sich und beide trennten sich sichtbar erleichtert, da jetzt nichts mehr zwischen ihnen stand. Sie hatten sich alles gesagt, all ihre Ängste und Geheimnisse. Sie waren wieder ein Stückchen näher gerückt.

Harry rannte los, um noch pünktlich zu Verteidigung gegen die dunklen Künste zu kommen.

Er kam fünfzehn Minuten zu spät und das war bei Professor Inaer unverzeihlich. Fünf Minuten zu spät, OK, das war noch in Ordnung. Zehn Minuten zu spät ließ sie gerade noch mal so durchgehen aber fünfzehn Minuten zu spät, war unverzeihlich und dein Todesurteil. Sie zog Gryffindor gleich 30 Punkte ab und verdonnerte ihn zum Nachsitzen.

Der Unterricht an sich war gut und lustig, wie immer.

Allerdings wunderte er sich, dass die Schule nicht schon geschlossen worden war. Zu viel war passiert, als dass sie hätte geöffnet bleiben können.

Doch beim Mittagessen geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte. Alle vermissten waren wieder zurück. Sie standen plötzlich in dem Eingangsportal zur Großen Halle.

Hermine war so verwundert Neville lebend zu sehen, dass sie ihm direkt um den Hals fiel und er nicht wusste, wie ihm geschah.

Ron nahm sie in den Arm und Ginny setzte sich wieder zu ihnen, so wie früher.

Alles schien wieder so, wie es einmal war.

Aber Harry und Hermine spürten, dass dem nicht so war.

Neville benahm sich genau so wie immer. Die anderen aber schienen irgend eine unperfekte Rolle zu spielen. Ron benahm sich Hermine und allen anderen gegenüber viel kälter als sonst. Ginny sah sich sehr genau um und nahm die männlichen Wesen anscheinend genau in Augenschein, doch ihre Blicke ruhten meistens auf Malfoy, welcher entweder Ginny anstarrte oder ohne wirklich jede Emotion (das hatte er früher nie ganz geschafft) auf seinen Teller sah. Pavati sah ständig neidisch durch die Gegend und Goyle war gefrässiger als sonst. Er wollte gar nicht mehr aufhören zu essen. Mit ihnen zusammen war George aufgetaucht, der anscheinend niemandem traute und sich zurück gezogen hatte.

Harry schien es so, als wäre etwas passiert, was er nicht erklären konnte. Die anderen waren alle zurück und alle stellten Fragen, die mit ihrem verschwinden zu tun hatten, aber keiner von ihnen antwortete auf diese Fragen, bis auf Ron, der fast vor Eitelkeit und Stolz zu platzen begann.

Diese Gefühle konnte Harry sich nicht mehr erklären. Sein Gehör wurde von Stunde zu Stunde immer schlechter und er befürchtete, dass er Morgen nichts mehr hören konnte.

Die, die verschwunden waren, waren wieder aufgetaucht und er fand es komisch, dass ihm das egal war. Es kümmere ihn nicht im geringsten. Es war, als ob er langsam die Fähigkeit etwas zu empfinden verlor und ihm plötzlich alles egal wurde.

Alle redeten durcheinander und das ging Harry auf die Nerven. So konnte er sich im Endeffekt nicht mehr zurück halten. Er stand abrupt auf und schrie durch die ganze Halle: „RUHE! Haltet alle die Klappe. Und ihr," er zeigte mit dem Finger auf die, die zurückgekehrt waren, außer Neville, „hört auf diese Schmierenkomödie zu spielen. Das ist doch alles Mist!" Bei diesen Worten warf er seinen Becher um und die ganze Halle sah ihn mit großen Augen an.

Übel gelaunt stapfte er aus der Halle und fünf Augenpaare folgten ihm misstrauisch und hasserfüllt, was aber niemand bemerkte, bis auf Hermine, die ihre Augen und Ohren nun immer sehr weit offen hielt. In dem Moment wusste sie, das sich ihr Wunsch noch nicht erfüllt hatte und Ron immer noch Superbia war.

Auch sie erhob sich und ging hinter Harry her. Harry stampfte gerade zu davon. Ungeschickterweise lief er an Peeves vorbei.

„Hallo Pooooooooooooootter." rief dieser Harry zu. Doch Harry schien das nicht zu interessieren. Er stampfte einfach weiter.

Der Poltergeist konnte sich doch so eine Ignorierung nicht gefallen lassen und so schnappte er sich die erst besten Sachen, was rein zufälligerweise Steine waren, die irgendjemand in eine Ecke des Schlosses gelegt hatte, aus welchem Grund auch immer, und ließ sie direkt über Harry nieder prasseln.

Peeves war sehr enttäuscht, dass das nicht die gewünschte Wirkung hatte. In der Tat schien es ihm so, als ob Harry nichts davon gespürt hatte.

Dem war auch so. Harry hatte das ganze überhaupt nicht gespürt. Er bemerkte gar nicht, dass etwas passiert war, bis zu dem Moment, als Blut ihm über die Stirn lief und von seinem Auge tropfte. Er fasste sich verwundert an die Stirn und zog die Hand zurück und besah sie sich. Wirklich, voller Blut. Er fragte sich, warum er das nicht gemerkt hatte, und da viel ihm ein, dass er dabei ist jegliches Gefühl zu verlieren. Das hatte er also schon nicht mehr gespürt. Er wusste, dass es bald so weit sein musste.

Hermine, die ihm in einigem Abstand gefolgt war, hatte ihn nun eingeholt.

„Harry, ich..." begann sie. Als sie dann Harrys Gesicht sah, war sie außer sich vor Sorge: „Harry, was ist passiert? Das sieht ja schlimm aus. Du musst sofort in den Krankenflügel!"

„Nein!" Diese Antwort kam leise, aber bestimmt und ernst. „Mach dir um mich keine Sorgen. Denk nicht so viel an andere. Denk bitte mal an dich selbst."

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging. Er ließ eine verblüffte Hermine zurück.

„Aber.." war das einzige, was sie noch raus brachte. Dann dachte sie nach und kam zu dem Schluss: Er hat ja recht. Ich sollte mich um mich selber kümmern. Wenn ich anderen helfen will, muss ich erst einmal mit meinen Problemen fertig werden.

Sie sah durch das Fenster. Sie sah einen Mond, der komischerweise von Oben abnahm. Da musste sie unweigerlich an Ron denken und leise Tränen rannen ihr wieder über das Gesicht. Mit gesenktem Kopf begab sie sich nun zu den Schlafsälen.

Harry beeilte sich nicht wirklich um pünktlich zu sein. Er musste noch zu seiner Nachsitzstunde bei Professor Inaer.

Als er dann doch hoffnungslos verspätet ankam war der Raum dunkel und leer. Im hinteren Bereich des Raumes konnte er eine Person wahr nehmen. Da saß jemand auf dem Lehrerpult. Er wusste nicht wer es war, aber er hatte die Ahnung, dass es Temperantia war.

So ging er langsam auf das Pult zu. Er versuchte sie auszumachen, aber es war schwer. Er konnte kaum noch was sehen.

„Wie ich sehe hast du mich jetzt gefunden. Und dein Wunsch geht langsam aber sicher in Erfüllung. Das sehe ich dir an."

Sie verließ das Pult und kam langsamen und federleichten Schrittes auf ihn zu. Bei ihm angekommen berührte sie seine Stirn. Bei dieser Berührung fühlte Harry tatsächlich ihre Hand und ihre Wirkung.

„So ist es schon besser, oder?" fragte sie ihn lächelnd.

Harry war sehr erstaunt. Nicht nur, dass er sie fühlen konnte, er konnte plötzlich auch wieder richtig sehen und schmecken, hören. Das war wie ein Wunder.

„Wie hast du..?" wollte er Fragen, sie antwortete aber schon bevor er diese Frage ausgesprochen hatte.

„Das war meine eigene Magie. Leider kann sie nicht lange gegen die Macht der Wünsche durchhalten. Im Gegensatz zu der Macht der Wünsche und der Worte bin ich schwach." Sie drehte sich von ihm weg.

„Es ist bald soweit, oder?" fragte Harry bedrückt.

„Ja. Du hast nicht mehr lange. Vielleicht wirst du aus dieser Nacht noch erwachen, aber bei der darauf ist es sehr unwahrscheinlich..." Ihre Antwort kam so bedrückt, wie er die Frage gestellt hatte. Sie hatte ihm nicht in die Augen gesehen. Auch jetzt konnte sie es nicht, da sie wusste...

„Wieso habe ich dich jetzt gefunden? Ich bin einfach zu spät zum Nachsitzen gekommen und dann warst du hier. Wo warst du die ganze Zeit über?" fragte er sie, damit keine peinliche Stille eintrat.

Sie drehte sich langsam zu ihm um, sah ihm aber nicht in die Augen.

„Warum fragst du das? Du weißt es doch, oder? Ich muss mich noch verstecken."

Sie sah auf den Boden. Harry kam näher. Seine Hände legten sich um ihr Gesicht. Er trug ihr Gesicht nun auf den Händen, er hob sie an und sah etwas, das er von ihr nie vermutet hatte: Sie weinte. Tränen rannen ihr Gesicht entlang und Trauer stand in ihren Augen.

„Wieso weinst du?"

„Weil ich das nicht will."

„Was willst du nicht?"

„Dass du durch meine Schuld schläfst."

„Wieso 'durch deine Schuld'?"

„Weil dein Wunsch für mich war."

„Nein, er war für mich."

„Was?"

„Weil ich mit dir schon damals zusammen sein wollte."

„Warum?"

„Weil ich dich lieb."

Jetzt war es raus. Er hatte es gesagt. Er hatte es ihr wirklich gesagt. Nun fuhr er aber fort: „Damals wusste ich es noch nicht so genau."

„Wieso dann?"

„Weil du da auch schon etwas besonderes für mich warst. Ich hatte einen Einblick bekommen, den sonst niemand gesehen hatte und da dachte ich, du hättest das verdient."

Bei diesen Worten warf sie sich in seine Arme und weinte hämmungslos. Sie schluchzte und weinte.

„Hättest du dir das nur nicht gewünscht."

„Warum?"

„Weil ich das nicht will. Du bist ein zu guter Mensch!"

„Nein, nicht wirklich. Aber... Empfindest du etwa etwas für mich? Mehr als Freundschaft? Darf ich hoffen?"

Sie drückte sich von ihm weg und sah ihm in die Augen.

„Natürlich! Auch wenn der erste Kuss von dir aus kam, ich würde nie jemanden küssen wenn es mir nicht ernst wäre."

In dem Moment war Harry so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Ehrlich gesagt, war er noch nie so glücklich gewesen.

Sie sahen sich an. Unwillkürlich senkte Harry seinen Kopf und beide schlossen die Augen. Es kam zu einem langen und innigen Kuss.

Dann nahm sie seine Hand und sagte ihm: „Folge mir."

Das wollte Harry gerne tun, doch davor wollte er noch etwas wissen: „Warte!"

Sie blieb stehen und sah ihn an.

„Wie ist dein Name? Ich kenne ihn immer noch nicht..."

Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Sie antwortete: „Inaer. Inaer Dumbledore."