Kapitel: Die Wahrheit

Harry stand verblüfft neben Andariel, die gerade die Geschichte ihrer Eltern erzählt hatte. Neben ihm stand die Tochter des Mondes und der Sonne, deren Eltern die Hölle erschaffen hatten.

Er schluckte.

„Solche Kinder wie ich sind sehr selten. Wir sind allmächtig und man nennt uns Silberlinge, da wir alle silberne Haare haben. Allerdings bringt dies auch etwas bedrückendes mit sich: Wir leben vielleicht ewig aber die Meisten von uns sind, wie ich, nicht in der Lange zu fühlen. Wir fühlen nichts, weder auf der Haut, noch in den Herzen. Wir sind vollkommen neutral. Und das müssen wir auch sein. Denn wir sind die Wächter über das Gleichgewicht der Mächte." erklärte sie ihm dazu.

„Werdet ihr eingreifen?" fragte Harry sie voller Wissbegier.

„Ja." war ihre Antwort. „Aber momentan gibt es kein 'ihr'. Es gibt nur ein 'ich'. Wir sind vielleicht unsterblich, was das altern betrifft, aber wir können durchaus getötet werden. Momentan bin ich die Einzige, die eingreifen kann. Und das Gleichgewicht beginnt nun gefährlich in eine Richtung zu kippen. So lange, wie ich lebe, werde ich dieses Gleichgewicht bewahren."

Das war eine eindeutige Kriegserklärung. Da viel Harry etwas ein: „Und was war mit Voldemort? Warum hast du ihn damals nicht aufgehalten? Wenn dir das Gleichgewicht so wichtig ist, warum hast du da nichts unternommen?" Wenn er nur daran dachte, dass seine Eltern vielleicht noch leben konnten, verlor er jede Beherrschung.

„Ganz einfach." antwortete sie in bereits gewohnter Kälte und ohne eine Miene zu verziehen. „Das war nicht meine Aufgabe, sondern deine!"

Harry war überrascht. Seine Aufgabe?

„Ganz recht." fügte sie hinzu. „Wir sind uns gleich. Du bist wie ich das Kind eines Wesens des Lichts und der Finsternis."

Jetzt wusste er gar nicht weiter. Dann erinnerte er sich an etwas: „Moment mal! Meine Haare sind zum einen nicht silbern und zum anderen kann ich fühlen."

„Zum ersten Punkt: Du kannst dein Aussehen nach belieben ändern und so hast du dich James Potter ähnlich gemacht. Zum zweiten Punkt: Ich habe doch bereits eingeräumt, dass es Ausnahmen gibt."

„Und wieso kann ich dann nicht auf diese Kräfte zurück greifen?"

„Nun, das liegt daran, dass du alles nur unbewusst tust und du diese Kräfte bis jetzt noch nicht gebraucht hast. Leider wirst du nun lange üben müssen, bis du deine Kräfte kontrollieren und damit nutzen kannst."

Das macht Harry nachdenklich. Sollte das heißen, dass alles, was bis jetzt geschehen war nicht seinem Glück zu verdanken war, sondern nur seinen unbewusst genutzten Fähigkeiten?

„Soll das heißen, ich könnte mit meinen Kräften ganz einfach Voldemort beseitigen?" fragte er ungläubig.

„Das ist nicht mehr nötig. Er ist bereits tot. Dein Freund Ron hat ihn in die Finsternis gezogen."

„WAS?" entfuhr es Harry. Das konnte nicht sein. Oder doch? Möglich war es. Ron war jetzt ja nicht mehr Ron, sondern Superbia. Trotzdem konnte er es nicht glauben. Außerdem hätte er so gerne den Mord seiner Eltern gerecht. Seine Eltern... wer waren seine wirklichen Eltern gewesen?

So fragte er Andariel.

Sie sagte dazu nur: „Ich dachte, du fragst gar nicht mehr. Du bist von edler Herkunft. Deine Mutter war niemand anders als Gabriel, der Erzengel des Wassers. Im Gegensatz zu vielen Meinungen ist dieser Engel eine Frau. Dein Vater jedoch war niemand sonst als der Teufel höchst persönlich. Früher einmal war mein Vater der Teufel, aber nach seinem verschwinden musste ein neuer diesen Platz einnehmen. Aber die Wahrheit ist, dass in dir große Taten und unglaubliche Kräfte schlummern. Vielleicht wird es dir auch vergönnt sein, deine Mutter und deinen Vater zu treffen."

„Und was ist mit Gott?"

„Gott bekommt, schon seit sein Sohn starb, nichts mehr von dem mit, was auf der Erde geschieht. Er versteckt sich im Turm Etemenanki und wirft nicht mal ein halbes Auge herunter. Ab und zu wird eine heilige Seele geboren, doch die letzte war Jeanne d'Arc und die ist schon seit mehr als 550 Jahren tot. Gott ist diese Welt egal geworden. Vielleicht langweilt ihn diese Welt sogar und er hat bereits einen neuen kranken Plan, wie er die Menschen vernichten kann, so wie die Dinosaurier und so manch andere Wesen vor euch."

Es wunderte ihn überhaupt nicht, dass sie so über Gott herzog. In ihrer Lage war das auch nur zu verständlich. Gott... Ein mächtiges Wesen. Aber warum gibt es dann so viele Prophezeiungen? Ach, a pro po Prophezeiungen: Es gab da doch diese Prophezeiung die besagte, dass Harry Voldemort oder Voldemort Harry töten sollte. Er fragte sich selbst, warum er das nicht als beendet abstempelte, denn Voldemort war jetzt ja tot. Aber er war eben schon von Natur aus so neugierig.

„Es gab da doch diese Prophezeiung." begann er, „In der sollten Voldemort und ich gegeneinander..."

„Falsch!" antwortete sie direkt. „Die Prophezeiung hat nie behauptet, dass ihr gegeneinander antreten müsst. Das hat einfach gezeigt, dass ihr in schicksalhafter Verbindung standet. Eben jenes hat ja auch dein Zauberstab bewiesen, da er der Zwilling von Toms Zauberstab war. Das bedeutet aber auch, dass, wenn ihr gegeneinander angetreten wärt, keiner von euch beiden überlebt hätte. Ihr hättet euch gegenseitig getötet, denn wenn du stirbst, stirbt auch Voldemort und umgekehrt."

Das leuchtete ihm irgendwie ein.

Da fiel ihm etwas auf: „Aber ich lebe doch jetzt noch, oder?"

„Ja und Nein. Ich dachte, man hat es dir erklärt. In diesem Zustand bist du mehr tot als lebendig. Du schläfst den ewigen Schlaf. Du schläfst so lange, bis du stirbst. Daher macht es auch keinen Unterschied, ob Tom noch lebt oder nicht."

„Warum nennst du Voldemort eigentlich Tom?" fragte Harry verdutzt.

„Nun, weil es sein Name ist. Der Name, der ihm verliehen wurde. Wie sehr er seinen Namen auch ändert, wie oft er ihn auch verwünscht, es ist und bleibt sein Name, der ihm geschenkt wurde. Namen sind etwas ganz besonderes und sie sind sehr wichtig, denn sie verleihen den Menschen und den Dingen ihre Kraft. Der Name ist das, was ein Wesen ausmacht."

Nun begann sie umherzugehen. Ihr Blick schweifte immer wieder Richtung Sonne. Dann blieb sie stehen und sah ihn an.

„Alles, was ich dir erzählt habe, war nicht weiter, als die Wahrheit, ob du es glaubst oder nicht ist egal. Es ist mein Wahrheit und deine Realität. Du musst dir deine Wahrheit selber bilden, aus der Realität musst du die für dich gültige Wahrheit finden."

Das wiederum verstand Harry nicht. Und so blickte er sie fragend an.

„Vielleicht verstehst du das jetzt noch nicht, aber nach dem Training, wirst du es bestimmt verstehen."

Jetzt war er überrascht.

„Wie? Was für ein Training?"

„Ganz einfach," antwortete sie, „das Training, das wir jetzt machen werden, damit du deine Kräfte benutzen kannst, denn auch wenn sich das hier nicht so anfühlt, du schläfst immer noch. Durch deine eigene Kraft kannst du erwachen. Deine Kraft ist größer als die der Wünsche."

„Und wenn ich dann wach bin, was passiert dann? Kehrt Voldemort dann auch wieder zurück?"

„Tom wird tot bleiben. Du wirst dann zwar leben, aber eure Verbindung ist getrennt worden. Ihr seid beide tot. Außerdem wirst du nicht mehr Harry sein, wenn wir hier fertig sind. Und wir machen das hier, weil ich deine Hilfe brauchen werde. Sie sind zu stark. Wenn sie ihre Kräfte vereinen, bin sogar ich machtlos."

„Gut. Also ist es zum Wohle der Menschheit."

„Ja. Also fangen wir mit dem Training an. Beginnen wir mit Meditationsübungen um deine Kräfte zu aktivieren..."

Die fünf Tugenden hatten sich in Hogwarts stationiert. Von hier aus sollte alles geschehen.

Luna hatte schon seit einiger Zeit so ein komisches Gefühl.

Sie spürte, dass es bald zum alles entscheidenden Kampf kommen würde und das er nicht so enden würde, wie sie es sich dachten.

Aber irgendetwas beunruhigte sie. Sie wusste nur noch nicht was.

Luna oder besser gesagt Justitia irrte durch das Schloss, unentschlossen, was sie jetzt tun sollte.

Plötzlich rempelte sie jemanden an.

„Entschuldigung!" sagte sie daraufhin.

„Macht nichts." war die Antwort der vermummten Gestalt. Anscheinend war es ein Mann und er kam Luna unglaublich bekannt vor.

„Warte mal!" rief sie dem Mann hinterher, der schon weitergegangen war. „Kenne ich dich irgendwo her? Wer bist du? Und was wolltest du hier?"

Der Mann blieb stehen und wandte sich um. „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig." antwortete er gelassen. „Aber, ja. Du kanntest mich. Wer ich bin trägt aber nichts mehr zur Sache. Was ich hier wollte fragst du? Nun, ich habe nur einem alten Freund einen Besuch abgestattet."

Das Mondlicht fiel durch eines der Fenster und traf direkt auf die Gestalt. Doch so sehr sich Justitia anstrengte, sie vermochte sein Gesicht nicht zu sehen. Aber er war groß und auch wenn er diesen Mantel trug, konnte sie erahnen, dass er schlank sein musste. Trotzdem wusste sie noch nicht, wer das war.

So fragte sie misstrauisch: „Und welchen alten Freund?"

„Nun, auch wenn ich dir wiederum keine Antwort schulde, so sollst du sie doch erhalten: Ich habe nach Harry gesehen, dessen Körper sich hier, dessen Seele sich aber auf dem Berg befindet."

Justitia verstand nicht. Wie meinte er das mit dem Körper und der Seele. Und was hatte das mit dem Berg auf sich? Doch zum Fragen kam sie nicht mehr. Der Unbekannte drehte sich nun vollends zu ihr um und ein Wind ging durch den Gang. Justitia wurde von dem Wind kalt und sie sah, dass dieser von dem Fremden ausging. Er schien sich in den Wind zu verwandeln. Jetzt wusste sie, wer er war.

„Spes." flüsterte sie leise.

Grüne, strahlende Augen sahen sie an und er antwortete: „Ich werde nun meinen Bruder wieder zur Besinnung bringen."

Und so wie der Wind verschwunden war, war auch er verschwunden und Justitia wusste nicht so genau, was sie mit seinen letzten Worten anfangen sollte. Aber sie dachte sich, dass sie es sowieso bald erfahren würde.

Der, dem sie eben über den Weg gelaufen war, konnte nur Spes gewesen sein. Sie selber konnte zwar das Wetter kontrollieren und damit einen Teil jedes Elements beherrschen, aber den Wind so perfekt verwenden konnte sie nicht. Das konnte nur Spes. Aber, es war unmöglich. Es konnte einfach nicht Spes sein.

Sie sah noch einmal zum Fenster hinaus und der Mond schien hell. Es war Halbmond und sie konnte zwei Gestalten erkennen, die gerade auf die Schule zugeflogen kamen.

„Die Zwillinge kehren zurück."