Feael: Mir fällt das mit der Haarfarbe gar nicht mehr auf. Aber wenn es wirklich stört, dann werde ich versuchen, das zukünftig zu vermeiden.
Leonel: Dein dickes Lob ehrt mich zutiefst. Du schreibst ja selber so super Geschichten.
Gwyneth: Juhu, eine neue Leserin! Ich hoffe, du schreibst deine Boro/Haradrim-Story weiter und veröffentlichst sie auch. Diese Story würde mich sehr interessieren.
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Kapitel 4: Abschied von Pelargir
In dieser Nacht lag Avra lange wach und dachte an Faramir. Er war wirklich ein gutaussehender Mann, obwohl er so anders aussah, als die Männer in ihrer Heimat. Seine Haut war hell, ebenso wie seine Augen und seine Haare. Sie versuchte die Gedanken an ihn zu verdrängen. Es gelang ihr nur schwer. Schließlich übermannte sie der Schlaf: es war ein anstrengender Tag gewesen.
Doch Faramir konnte ebenfalls nicht schlafen: er hatte sein Schlafgemach aufgesucht und blickte nachdenklich zum Fenster hinaus. Er wusste, dass sein Bruder unten in der großen Halle auf ihn wartete und sein Gewissen regte sich. So lange waren sie getrennt gewesen und eigentlich war es eine Schande, hier oben im Gemach zu grübeln.
Ein Klopfen an der Zimmertür ließ ihn herumfahren. Bevor Faramir den Anklopfer hereinbitten konnte, trat dieser selbst ein. Es war – fast schon wie erwartet – Boromir. Er blickte seinen jüngeren Bruder finster und streng an.
„Was machst du hier oben?" fragte er ungehalten. „Hat sie nicht gewollt – oder was?"
„Ich wünschte, du könntest mich ein wenig besser verstehen", seufzte Faramir bedrückt und wandte sich von seinem Bruder ab.
Doch Boromir packte ihn grob an der Schulter.
„Ich verstehe überhaupt nichts, Kleiner", sagte er erzürnt. „Ich sehe nur, dass du hier eine Feindin wie eine vornehme Edeldame aus Minas Tirith behandelst, und das ist gegen das Gesetz!"
„Ich möchte Avra verstehen lernen", erklärte Faramir vorsichtig. „Ich möchte wissen, warum die Haradrim anders sind als wir. Warum sie dem dunklen Herrscher vertrauen und warum ihre Kultur so anders ist als die unsrige. Heute abend hat mir Avra erzählt, wer sie ist. Eine Fürstentochter aus Asram."
„Du bist und bleibst ein Träumer, kleiner Bruder", meinte Boromir deutlich milder und schüttelte resignierend das blonde Haupt. „Schon immer wolltest du die Welt verbessern. Wann wird dir endlich klar, dass dir das nicht gelingen wird?"
„Niemals", erwiderte Faramir mit fester Stimme. „Warum soll Gondor mit Haradwaith nicht irgendwann Frieden schließen? Ich glaube fest, dass es eines Tages soweit sein wird."
Boromir lachte belustigt auf. Er schlug seinem Bruder auf die Schulter.
„Komm und laß uns einen Becher Wein trinken. Unser Gastgeber besitzt einen wohlgefüllten Weinkeller."
Faramir seufzte leise auf und begleitete seinen Bruder hinunter in die Halle.
Die nächsten Tage verliefen sehr ruhig für Faramir, Boromir und auch für Avra. Die Wunde der jungen Frau aus Haradwaith verheilte relativ schnell. Ab und zu durfte sie Faramir in die Gärten begleiten, aber ansonsten musste sie in der Kemenate bleiben. Dort kam sie sich vor wie ein Fremdkörper: die gondorischen Frauen verhielten sich sehr merkwürdig. Sie waren sehr geschwätzig und kicherten viel. Außerdem kleideten sie sich viel zu freizügig für die Augen einer Südländerin. In Haradwaith trugen die Frauen hochgeschlossene Kleider und mussten in manchen Gegenden sogar ihre Gesichter und Haare verhüllen. Hier in Gondor hatten die Frauenkleider tiefe Ausschnitte und vielen Frauen schien es sogar zu gefallen, wenn ihnen die Männer auf den Brustansatz starrten. Avra verspürte in diesen Tagen großes Heimweh. An Flucht war nicht zu denken: Faramir, der schlaue Fuchs, ließ sie rund um die Uhr bewachen, ohne dass sie es richtig merkte. Im ganzen Palast standen verteilt Wachen, die immer ein Auge auf sie hatten. Wenn sie die Kemenate verließ, folgten ihr die Wachen sogar.
Eines Abends beim Nachtmahl erfuhr Avra, dass man am nächsten Morgen nach Minas Tirith aufbrechen würde. Sie sah Faramir an, dass er die Reise gerne noch aufgeschoben hätte. Aber sie verstand nicht, warum. Sie war doch nur eine Gefangene.
Ein letztes Mal ging sie mit Faramir an diesem Abend in den Gärten des Palastes spazieren. Beide waren sehr schweigsam. Avra betrachtete die wundervollen Blumen in den Beeten und wünschte sich, in ihrer Heimat würden auch solche prächtigen Pflanzen wachsen. Doch Haradwaith war eine wüstenartige Region, in der es nur spärlichen Pflanzenwuchs gab.
„Es tut mir leid", sagte Faramir schließlich bedauernd. „Ich wollte Euch nicht so schnell zu meinem Vater bringen. Euere Wunde ist noch nicht ganz verheilt. Ich hätte Euch gerne ein paar weitere Tage Ruhe gegönnt."
„Ich spüre die Verletzung kaum mehr", erwiderte Avra gefasst und bewegte vorsichtig ihren Arm. „Ihr müsst Euch nicht länger um mich sorgen."
„Wenn wir in Minas Tirith sind, habe ich nicht länger die Befugnis über Euch", fuhr Faramir schwermütig fort. „Mein Vater wird dann entscheiden, wie mit Euch verfahren wird. Doch seid getrost: ich werde mich für Euch einsetzen. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr in einem Kerker schmachten werdet."
Avra blickte Faramir unsicher an: sie hatte eine böse Vorahnung, was Minas Tirith betraf. Und ihr Herz krampfte sich zusammen, wenn sie an diesen Denethor dachte, von dem in Haradwaith als größter Schurke Mittelerdes gesprochen wurde. Faramir schien großen Respekt vor diesem Mann zu haben. Sie verspürte keine allzu große Lust, dem Truchseß zu begegnen. Aber genau zu ihm wollte Faramir sie bringen, und sie zürnte ihm deswegen dafür.
Plötzlich legte sie ihre zarte Hand auf seinen Unterarm.
„Faramir, könnt Ihr mich nicht hierlassen?" fragte sie leise. „Ich verspreche Euch auch, dass ich nicht fliehen werde."
Der junge Mann blickte sie traurig an und seufzte.
„Von Herzen gerne würde ich dies tun, aber wenn mein Vater erfahren würde, dass ich hier eine Haradrim-Frau versteckt halte, würde er mich wegen Eidbruches töten lassen."
„Aber das könnte man doch vor Euerem Vater irgendwie geheim halten", drängte sie Faramir.
Er nahm ihre Hände in die seinigen und seine Miene wurde ernst.
„Avra, zu viele Leute wissen bereits, dass Ihr hier seid. Der geschwätzige Stadtverwalter wird diese Neuigkeit bereits in den Adelskreisen Pelargirs herumgetratscht haben. Es ist nur eine Frage von Wochen, bis mein Vater dies erfahren würde. Ich muß dem unbedingt zuvorkommen, sonst ist mein Leben verwirkt. Möglicherweise ist es das aber sowieso schon, denn es ist mir nach dem Gesetz nicht erlaubt, Feinde gefangenzunehmen."
Avra wurde blaß und senkte ihr schönes Haupt.
„Es tut mir leid, dass ich Euch um so etwas gebeten habe. Ich konnte ja nicht wissen..."
„Wir sollten jetzt diesen lauen Sommerabend genießen", unterbrach sie Faramir und lächelte sie an.
Avra ließ es sich gefallen, dass er ihre Hand die ganze Zeit festhielt.
Am nächsten Morgen brach eine große Truppe zu Pferd nach Minas Tirith auf. Faramir, seine Waldläuferschar und Boromir mit einer Gruppe von Soldaten in silberner Rüstung begannen Richtung Norden zu reiten. Avra ritt schweigend neben Faramir. Sie trug ein bequemes Reitkleid und ihre pechschwarzen Locken hatte sie mit einem Tuch verhüllt. Der junge Hauptmann wirkte sehr bedrückt, während sein Bruder Boromir an der Spitze des Zuges recht fröhlich und ausgelassen wirkte.
„Männer, ich freue mich schon auf die Tavernen im vierten Festungsring", frohlockte er. „Wenn wir in Minas Tirith sind, dann spendiere ich euch Freibier in meiner Lieblingstaverne ‚zum schwarzen Adler'. Und ich will am ersten Abend alle Tavernen besuchen."
„Wir müssen auch unbedingt in das ‚Rote Roß'!" rief Cirion, ein Unterhauptmann, der recht gut mit Boromir befreundet war. „Dort gibt es die schönsten Mädchen!"
Boromir lachte laut und drehte sich im Sattel um zu Faramir.
„Na, kleiner Bruder, willst du nicht mitkommen? Die Maiden im ‚Roten Roß' bringen dich schnell auf andere Gedanken!"
Faramir warf seinem Bruder einen beleidigten Blick zu und erwiderte nichts. Boromirs Miene verfinsterte sich augenblicklich. Das Verhalten seines kleinen Bruders gefiel ihm nicht. Seit er diese Haradrim-Frau bei sich hatte, war er vollkommen verändert. Und es war nach Boromirs Meinung keine positive Veränderung.
In einer kleinen Talsenke, dicht am Ufer des Anduin, schlugen sie das erste Nachtlager auf. Boromir beobachtete ungehalten, wie sich Faramir aufmerksam um Avra kümmerte. Er sorgte dafür, dass sie ein großes Zelt bekam und ein weiches Nachtlager darin. Weiterhin hatte er extra leicht gewürzte Köstlichkeiten aus Pelargir für sie einpacken lassen, damit sie nicht die derbe Kost der Soldaten essen musste. Boromir spürte, wie Zorn in ihm aufwallte. Als Avra endlich in ihrem Zelt verschwunden war, packte er Faramir grob am Arm und zerrte ihn aus dem Lager.
„Wir müssen jetzt mal unter vier Augen reden, Freundchen!" zischte er ihm wütend zu. Doch Faramir blickte ihn gelassen an und machte sich los von seinem unsanften Griff.
„Ich weiß überhaupt nicht, was du willst, großer Bruder", sagte er fast spöttisch.
Boromir packte seinen Bruder kurz an der Tunika, ließ ihn aber gleich wieder los und winkte entmutigt ab.
„Es hat ja doch keinen Zweck mit so einem sturen Maulesel wie dich zu reden. Morgen Nachmittag werden wir Minas Tirith erreichen und dann wird es für dich und deine Haradrim-Braut ein böses Erwachen geben. Das kann ich dir garantieren! Ich habe das Gefühl, du leidest an Gedächtnisschwund: hast du unseren Vater tatsächlich so lange nicht mehr gesehen, dass du nicht mehr weißt, wie er auf deine Pläne reagiert?"
„Ich werde ihm etwas sehr Wichtiges vorschlagen", entgegnete Faramir mit fester Stimme. „Und er muß einfach damit einverstanden sein."
„Vater muß gar nichts", erwiderte Boromir ärgerlich lachend. „Er hat seine eigenen Vorstellungen und die heißen, dass lebendige Haradrim, egal ob Mann oder Frau, nichts in Minas Tirith verloren haben."
Faramir stand jetzt seinem Bruder mit blitzenden Augen und geröteten Wangen gegenüber. Seine Fäuste hatte er trotzig geballt.
„Einmal in seinem Leben muß er mir zuhören, und das wird er morgen tun, auch wenn du etwas dagegen hast", zischte er seinem älteren Bruder wütend zu.
Boromir konnte sich nicht erinnern, wann er seinen Bruder zum letzten Mal so in Rage gesehen hatte. Faramir war immer ernst, schweigsam und in sich ruhend.
Er schüttelte traurig den Kopf.
„Kleiner Bruder, ich bin nicht eifersüchtig, ganz und gar nicht. Ich will dich nur warnen. Du hattest es noch niemals leicht bei unserem Vater und morgen verspielst du vielleicht auch das letzte bisschen Verständnis bei ihm."
Er packte Faramir nochmals am Arm.
„Laß Avra einfach laufen, kleiner Bruder."
Faramir lachte freudlos auf.
„Du weißt genau, dass Avra innerhalb weniger Stunden von unseren Soldaten diesseits oder jenseits des Anduin getötet würde. Sie würde es niemals bis nach Haradwaith schaffen. Ich werde es schon richten, Boromir."
Mit stolz erhobenen Haupt ließ Faramir seinen Bruder stehen und ging ins Lager zurück. Er sah nicht, dass Boromir nur mühsam die Tränen zurückhalten konnte. Viel mehr als Faramir fürchtete er den Zorn des Vaters und diesmal würde es kein Erbarmen für den jüngsten Truchseß-Sohn geben.
