Bad little girl: Ich denke tatsächlich, dass Tolkien sich die Haradrim-Kultur ähnlich vorgestellt hat. Leider geht er ja in seinen Büchern nicht näher darauf ein. Ich habe mich da an verschiedenen englischen Fanfiktionen orientiert.
Leonel: Im nächsten Kapitel taucht dann endlich Denethor auf. Seine Reaktion wird sicher interessant zu lesen sein.
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Kapitel 5: Denethor
Die Weiße Stadt mit den sieben Festungsringen, die sich an den Berg Mindolluin schmiegte, versetzte Avra in sprachloses Staunen. Hatte Pelargir sie schon sehrbeeindruckt, so raubte ihr Minas Tirith jetzt vollkommen den Atem. Als sie durch das riesige Stadttor ritten, ertönten Fanfaren aus silbernen Trompeten, die einige Männer auf einem der Wachtürme beim Stadttor bliesen. Sie kamen zu einem großen Platz mit einem riesigen Reiterstandbild. Fast ehrfürchtig betrachtete Avra die Statue. Sie ahnte, dass hier wohl Elendil oder einer seiner Söhne dargestellt war. Eine große Menschenmenge versammelte sich am Straßenrand und sie bejubelte Boromir und Faramir. Während sich der ältere der beiden Brüder unverhohlen in seinem Ruhm sonnte, wurde Faramir immer schweigsamer und einsilbiger. Er bekam es jetzt allmählich mit der Angst zu tun. Vor Boromir gestern Abend hatte er den starken Mann gespielt. Aber das war er nicht. Natürlich musste er damit rechnen, dass sein Vorhaben schiefging.
Langsam durchquerten sie die einzelnen Zirkel der Stadt. Avra bestaunte die vielen Dinge, die es in den einzelnen Festungsringen zu sehen gab. Die Handwerker und einfachen Bürger der Stadt wohnten in den unteren Zirkeln. Weiter oben residierten Militär und der Adel. Je weiter sie nach oben ritten, desto prächtiger und luxuriöser wurden die Gebäude. Im sechsten Festungsring waren es kleine Paläste, die den Straßenrand säumten. Die Truppe ritt jetzt in einen großen Hof, in welchem die Stallungen lagen. Die Soldaten stiegen von den Pferden und auch Avra kletterte von ihrer Stute herunter. Sie blickte Faramir etwas ängstlich an. Dieser versuchte ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, aber es gelang ihm auch nicht so richtig.
Ein blonder Soldat in einer silbernen Rüstung kam auf die Brüder zu.
„Ihr hohen Herren, der Truchseß wünscht Euch sofort zu sehen!"
„Danke, Irolas, wir wollen sowieso gleich zu ihm gehen", erwiderte Boromir gelassen und drehte sich neugierig zu seinem Bruder um.
Dieser hatte den Kopf ein wenig gesenkt, so dass ihm Boromir nicht richtig in die Augen sehen konnte.
Zusammen mit Avra betraten sie den siebten und letzten Festungsring, in welchem die Zitadelle und der Weiße Turm lagen. Avra erblickte den berühmten weißen Baum Gondors, der abgestorben in der Mitte des Hofes stand. Sie fragte sich, warum man dieses traurige Etwas in dem erhabenen Hof stehen ließ.
Sie betraten das große Portal, das in die Zitadelle führte. Avra staunte über die mächtige Eingangshalle, die aus Marmor bestand und mit dem weißen Banner der Truchsessen geschmückt war. Faramir wandte sich jetzt an sie.
„Bleibt hier, Avra! Kommt erst in die Halle der Könige, wenn ich Euch rufen lasse", sagte er mit leiser Stimme.
Die Südländerin nickte wortlos: ihr war das Zittern in Faramirs Stimme aufgefallen und das behagte ihr nicht.
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Denethor saß in grauer Düsternis auf seinem schwarzen Stuhl unterhalb des Königthrones. Sein Gesichtsausdruck war grimmig. Er hatte von einigen Boten Dinge über seinen jüngsten Sohn erfahren, die ihm nicht gefielen. Die ihm sogar ganz und gar nicht gefielen. Unruhig spielte er mit seinen weißen Stab herum, indem er ihn von einer Hand in die andere fallen ließ. Endlich öffnete sich das Portal und seine beiden Söhne traten ein. Boromir in der silbernen Rüstung der Turmwache und Faramir in lederner Waldläuferrüstung. Denethor ergriff jetzt seinen weißen Stab ganz fest, so dass seine Fingerknöchel hervortraten. Boromir ging ihm lächelnd entgegen.
„Vater, was für eine Freude, dich wiederzusehen!"
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des strengen Mannes und sein Herz erwärmte sich für einen Moment. Er war froh, dass es Boromir gab: ein Held Gondors, wie es ihn seit vielen Zeitaltern nicht mehr gegeben hatte. Das krasse Gegenteil von Faramir, dem Außenseiter der Familie. Jedenfalls sah ihn Denethor so. Immer ging der junge Mann eigene Wege, verbrachte viel Zeit mit Gandalf und steckte seine Nase in die alten Schriften. Obwohl Faramir ebenso tapfer wie Boromir seine Pflichten als Soldat erfüllte, konnte er es seinem Vater nie recht machen. Immer hatte Denethor etwas auszusetzen an ihm. Doch der Truchseß geizte extra mit Lob für seinen jüngsten Sohn: er wollte einfach, dass Faramir härter wurde und weniger Zeit mit den schönen Künsten verbrachte.
„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Boromir", sagte Denethor ernst.
Dann wandte sich der Truchseß Faramir zu, der mit unbewegter Miene neben seinem Bruder stand.
„Du hast gegen das Gesetz verstoßen, Feldhauptmann", knurrte der Truchseß unwillig. „Jeder Rekrut in Gondor weiß, dass Feinde nicht gefangengenommen , sondern getötet werden."
„Und wenn dieser Feind eine Frau ist?" wagte Faramir tapfer zu protestieren. „Seit wann töten wir Frauen?"
Denethor sprang jetzt zornig hoch von seinem Stuhl und warf seinen Stab zu Boden. „Du wagst es mir zu widersprechen, junge r Mann?"
Faramir wich erschrocken einen Schritt zurück. Boromir schickte unterdessen Stoßgebete zu den Valar: er hatte wirklich Angst, dass sein Vater nun endgültig die Geduld mit Faramir verlieren könnte.
„Vater, du musst mich unbedingt anhören", fuhr nun Faramir mutig fort. „Diese Frau könnte sehr..."
„Deine Pläne interessieren mich nicht!" schrie Denethor seinen jüngsten Sohn wütend an. „Es ist ja doch nur Unsinn, der in deinem Kopf herumspukt. Fest steht, dass du gegen das Gesetz verstoßen hast. Ich werde mir eine geeignete Strafe für dich überlegen. Scher dich hinaus!"
Boromir beobachtete besorgt seinen Bruder, der mit versteinertem Gesicht dastand und die Schimpftirade seines Vaters über sich ergehen ließ.
„Ich bitte mir nur noch eines aus", begann Faramir erneut zu sprechen.
„Du hast nichts mehr zu bitten!" herrschte der Truchseß seinen Sohn grimmig an und wies auf den Ausgang.
„Vater, jetzt laß ihn doch bitte ausreden", schaltete sich jetzt Boromir dazwischen, der den Streit nicht länger ertragen konnte.
Denethor blickte Faramir wutschnaubend mit blitzenden Augen an.
„Also?"
„Ich erbitte nichts für mich", sagte Faramir mit leiser Stimme. „Ich möchte nur, dass Avra, Fürstentochter aus Asram, behandelt wird wie ein Gast und nicht wie eine Gefangene."
„Das werde ich mir noch überlegen", zischte Denethor grimmig, hob seinen Stab auf und ließ sich mit einem dumpfen Seufzen auf seinen Stuhl fallen.
Boromir warf seinem Bruder einen warnenden Blick zu: es war genug gesprochen worden. Es war jetzt wirklich besser, wenn er den Thronsaal verließ.
Faramir presste die Lippen zusammen, verneigte sich kurz vor seinem Vater und ging hinaus.
§
Avra erhob sich erschrocken von der steinernen Bank, als Faramir mit blassem Gesicht aus der Halle kam.
„Was ist passiert?" fragte sie ahnungsvoll. „Ich konnte die laute Stimme des Truchsessen bis hierher hören."
„Er wird sich schon wieder beruhigen", meinte Faramir mit einem verkrampften Lächeln. „Kommt mit! Ich werde Euch in ein Gastgemach führen."
Er ging mit der jungen Frau in den Wohnflügel der Zitadelle. Dort zeigte er ihr ein freundliches Gemach mit einem kleinen Balkon. Es gab dort ein großes, weiches Bett und Teppiche auf dem steinernen Fußboden. Überall an den Wänden und an den Möbeln war das Symbol des weißen Baumes von Gondor zu finden.
Avra merkte, dass Faramir tief bekümmert war. Sie legte vorsichtig ihre Hand auf seinen Unterarm.
„Möchtet Ihr mir nicht erzählen, was Euer Vater entschieden hat?"
„Er hat noch gar nichts entschieden", murmelte der junge Mann bedrückt. „Aber seid getrost: Euch wird nichts geschehen."
„Er wird Euch bestrafen", erwidert e Avra leise und sie fuhr mit ihren Fingern über Faramirs raue Wange.
Er lächelte plötzlich und nahm ihre Hände. Ihre Gesichter kamen sich ganz nahe und dann geschah es: sie küssten sich. Es war ein vorsichtiger, sanfter Kuss, der bald leidenschaftlich und fordernd wurde.
Faramir war ein wenig erstaunt, als Avra plötzlich ihr Kleid von den Schultern streifte und dann völlig nackt vor ihm stand. Sie begann an seiner Lederrüstung herumzunesteln, während er sie stürmisch weiterküsste. Normalerweise ging er nicht so forsch an Damen heran, doch hier hatte sein brennendes Verlangen rasch die Oberhand gewonnen. Wenige Minuten später lagen beide unbekleidet auf dem großen, weichen Bett und begannen sich leidenschaftlich zu lieben. Zu Faramirs Überraschung war Avra keine Jungfrau mehr. Geschickt verwöhnte sie ihn mit ihren Händen und alsbald verschmolzen ihre Körper miteinander.
Schließlich lagen sie atemlos nebeneinander.
„Ich liebe dich, Avra", keuchte Faramir atemlos. „Schon vom ersten Augenblick an."
„Ich weiß", lächelte sie und sah ihn liebevoll an.
Ihre Finger fuhren über seinen rötlichen Bart und über seine vollen Lippen.
„Ich muß dir etwas gestehen, Faramir", begann sie leise. „Ich war schon einmal verheiratet. In Haradwaith ist es Sitte, dass die Mädchen im Alter von 12 Jahren verheiratet werden. Ich musste damals einen Mann heiraten, der drei Mal so alt wie ich war. Wenige Jahre nach der Hochzeit fiel er im Kampf gegen Gondor. Ich habe ihn nicht geliebt. Aufgrund meiner Witwenschaft durfte ich wieder nach Hause zu meinem Vater ziehen. Mir steht es nun frei, ob ich wieder heiraten will. Bis vor kurzem hatte ich tatsächlich vor, niemals wieder zu heiraten..."
Sie stockte, weil Faramir sie so bekümmert ansah. Er stützte sich auf einen Ellbogen auf und seine Hand streichelte ihren Körper.
„Ich weiß nicht, welche Strafe sich mein Vater für mich ausdenkt, aber ich fürchte wohl, dass ich an eine Heirat in der nächsten Zeit nicht denken darf", seufzte er bedrückt.
Dann stand er auf und schlüpfte in seine Hosen.
„Es tut mir leid, was da eben zwischen uns passiert ist. Ich hätte nicht so viele Hoffnungen in dir wecken dürfen."
Avra setzte sich im Bett auf.
„Faramir, ich liebe dich auch. Das sollst du wissen."
Sie ergriff seinen Arm und hielt ihn fest.
„Was auch immer geschieht: nichts und niemand wird verhindern können, dass wir uns lieben."
Faramir lächelte jetzt wieder. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft auf den Mund.
