Ich freue mich, dass für dieses Kapitel doch noch ein paar Reviews gekommen sind. Wenn fast keine Rückmeldung kommt, hat man als Autorin irgendwie das Gefühl, dass niemand mehr die Story liest, und ich war schon drauf und dran, diese Story einzustellen. Deswegen danke ich euch, Leonel, Ali und Badlittlegirl, für die Reviews. Ich würde mich auch freuen, wenn sich die anderen Leser, die am Anfang so enthusiastische Kommentare geschrieben haben, auch mal wieder melden würden.

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Kapitel 7: Das Urteil wird vollstreckt

Faramir lief rasch in sein Gemach, damit niemand in der Zitadelle seine Tränen sehen konnte.

Er ließ sich auf sein Bett sinken und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Nach einer Weile fühlte er eine Hand sanft auf seiner Schulter ruhen. Vorsichtig hob Faramir den Kopf: er hatte gar nicht gemerkt, dass Avra ins Gemach eingetreten war.

„Es ist alles aus", murmelte Faramir vor sich hin. „Mein Vater bestraft mich sehr hart. Ich muß die Zitadelle für immer verlassen."

„Ohne dich werde ich auch nicht hierbleiben", beteuerte Avra entsetzt. „Ich will diesen grausamen Herrn nicht sehen, der dir dies antut. Was ist das für ein Vater, der sein eigenes Kind aus seinem Hause jagt?"

„Du musst hierbleiben", sagte Faramir mit erstickter Stimme. „Bitte, tue es für mich! Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren."

„Aber wie sollen wir uns zukünftig noch sehen können, wenn du woanders wohnen musst", rief Avra verzweifelt aus.

„Es wird Mittel und Wege geben", meinte der junge Mann und Avra dachte das Gleiche wie er: Boromir!

Er ergriff Avras Hände.

„Mein Vater wird sich wieder beruhigen. Ich kann nicht glauben, dass er mich für immer aus seinem Hause verbannt."

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Denethor blickte Boromir finster an, als dieser alles berichtet hatte. Natürlich hatte Faramirs Vorhaben Hand und Fuß, und es ärgerte ihn, dies zugeben zu müssen.

„Trotzdem hat dein Bruder gegen das Gesetz verstoßen und du hast ihm geholfen", sagte er nicht ganz so grimmig wie vorher. „Die Strafe wird auf jeden Fall vollstreckt."

„Bitte, Vater, erspare Faramir die Schmach mit den Peitschenhieben!" bat Boromir den Truchseß noch einmal.

Doch Denethor machte seinen Entschluß nicht rückgängig. Er schickte jetzt seinen ältesten Sohn aus dem Gemach.

Dann setzte er sich seufzend an seinen Schreibtisch nieder: niemand sah, dass dem sonst so strengen Mann Tränen in den Augen standen.

Boromir suchte sofort seinen Bruder auf. Ohne Anzuklopfen stürmte er in Faramirs Gemach. Avra, die neben Faramir auf dem Bett saß, und seine Hand hielt, sprang erschrocken auf.

„Kleiner, dieses Mal bist du wirklich zu weit gegangen!" fuhr Boromir seinen Bruder enttäuscht an.

Avra schlich sich rasch aus dem Gemach. Boromir sah ihr einen Moment hinterher, dann wandte er sich wieder seinem Bruder zu.

„Ich habe Vater noch niemals so außer sich erlebt. Und ich habe dich gewarnt. Jetzt kannst du die Suppe auslöffeln, die du dir eingebrockt hast!"

„Es tut mir leid", stieß Faramir verzweifelt hervor. „Am meisten ärgert es mich, dass du auch bestraft wurdest. Du hast das nicht verdient. Ich wünschte, ich könnte deine Strafe auch auf mich nehmen."

„Schon gut", murmelte Boromir und wanderte unruhig im Zimmer hin und her. „Ich werde die Zeit da draußen in Henneth Annûn schon überleben. Vater weiß genau, dass es Verschwendung ist, mich zu den Waldläufern zu schicken. Er will mir nur eine Lehre erteilen."

„Er will, dass wir beide uns entzweien", ergänzte Faramir erschüttert. „Das ist seine wahre Absicht. Er kann es nicht ertragen, dass du immer zu mir hältst."

„Das wird er niemals schaffen, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!" beteuerte Boromir leidenschaftlich.

Faramir lächelte verzerrt und ließ sich traurig auf das Bett zurücksinken, das nun bald nicht mehr das Seine war.

§

Avra hastete die Korridore entlang. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es war nun klar, dass sie Faramir niemals heiraten konnte. Während sie in der Zitadelle bleiben musste als Quasi-Gefangene, war Faramir für immer daraus verbannt worden. Sie wollte nicht bei diesem schrecklichen Truchseß bleiben. Avra hatte Denethor noch nicht gesehen und sie hoffte, dass sie ihn nicht so schnell zu Gesicht bekommen würde. Doch das Schicksal kam ihr zuvor.

Avra begann ihr Gemach zu suchen. Sie ärgerte sich, weil sie doch tatsächlich die Orientierung in der großen Zitadelle verloren hatte. Ein älterer Mann kam ihr entgegen in kostbarer Kleidung. Versehentlich hielt Avra ihn für einen Bediensteten, denn sie hatte sich Denethor ganz anders vorgestellt: mit hellen Haaren, so wie seine Söhne.

„Könnt Ihr mir bitte sagen, wo das Gastgemach liegt?" fragte sie den alten Mann forsch.

Der Angesprochene betrachtete si e finster.

„Habt Ihr Euch verlaufen, junge Dame?"

„Ich fürchte, mein Herr", erwiderte Avra höflich. „Aber ich bin mir sicher, dass Ihr Euch hier in diesem Hause gut auskennt."

„Und ob!" grinste Denethor schief. „Ich bin schließlich der Truchseß."

Avra war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Dieser Mann entsprach ganz und gar nicht ihrer Vorstellung von Denethor. Sein Haar war dunkel und er wirkte, als ob er rasch gealtert sei. Seine grüngrauen Augen flackerten unruhig, was auf eine große Anspannung hinwies.

„Verzeiht, mein Herr", krächzte Avra und verneigte sich.

„Ihr seid also Faramirs Kriegsgefangene", meinte Denethor spöttisch. „Fürwahr, mein missratener Sohn hat einen guten Geschmack."

„Faramir ist nicht missraten!" platzte Avra heraus, die diese Schmähungen über Faramir nicht ertragen konnte. „Er ist ein edler und gütiger Mann."

„Zu gütig für diese Welt", lästerte der Truchseß weiter. „Ihr könnt froh sein, dass ich Euch hierbehalten werde in meinem Hause. Ihr werdet mir noch von großem Nutzen sein. Dafür wird es Euch an nichts mangeln."

Doch, dachte Avra bissig. An Freiheit mangelt es mir.

§

Kurz nachdem Boromir gegangen war, traten zwei bewaffnete Soldaten der Turmwache in Faramirs Gemach. Der junge Hauptmann kannte sie beide gut: Marugond und Peredhon. Sie hatten mit ihm zusammen ihre Soldatenausbildung gemacht. Sie blickten Faramir traurig an.

„Es tut uns so leid, aber wir müssen Euch nun in den sechsten Festungsring führen."

Faramir presste die Lippen zusammen und nickte: er wusste, was das bedeutete. Im sechsten Festungsring lag der „Hof der Gerechtigkeit". Dort wurden straffällige Menschen hingerichtet oder körperlich gezüchtigt. Oft genug war Faramir dort gewesen und hatte mitansehen müssen, wie Menschen aufgrund von Gesetzesverstößen bestraft wurden. Er hätte sich nie träumen lassen, dort selbst einmal eine Strafe zu empfangen.

Der Truchseß hatte gut daran getan, das Urteil gegen Faramir sofort zu vollstrecken. Auf diese Weise konnte sich die angebliche Schande nicht wie ein Lauffeuer in Minas Tirith herumsprechen. Trotzdem stand eine große Gruppe Schauslustiger bereits im Hof, ebenso waren alle Hauptmänner des Heeres anwesend, die momentan in Minas Tirith weilten. Faramir lief frei zwischen den beiden Soldaten. Sie hatten ihn nicht gefesselt. Er hatte ihnen versprochen, nicht zu fliehen. Und sie vertrauten Faramirs Wort.

Die Hauptmänner machten teils betroffene, teils erstaunte Mienen. Einige blickten beschämt zu Boden, andere wieder machten grimmige Gesichter. Das anwesende Zivilvolk jedoch johlte und verhöhnte Faramir. Statt Heldenlieder wurden nun Spottlieder über ihn gesungen. Faramir setzte eine möglichst teilnahmslose Miene auf .Der junge Mann wurde zu einem Pfahl in der Mitte des Platzes geführt. Oben von der Spitze baumelten Eisenketten herunter.

Man wartete nun, bis der Truchseß kam. Denethor erschien nun im „Hof der Gerechtigkeit" und das Volk jubelte ihm zu. Hinter ihm marschierte Boromir mit traurigem Gesicht. Ihm wiederum folgte Avra.

Ein Soldat blies in ein Horn. Dann erschien Ancir, der Kerkermeister von Minas Tirith, der als grausamer Schlächter bekannt war. Er war so groß und kräftig wie ein Bär. Sein Gesicht war von einer schwarzen Kapuze bedeckt, so dass man nur die Augenschlitze sah. Seine muskulösen Arme waren unbedeckt und in seiner prankenartigen Rechten hielt er eine Peitsche. Faramir schluckte, als er Ancir sah. Der Kerkermeister würde kein Erbarmen zeigen.

„20 Schläge für Faramir von Gondor!" rief Denethor laut über den Platz.

Es wurde jetzt ganz still.

„Zieh dein Hemd aus, sonst reiße ich es dir herunter!" befahl Ancir Faramir mit barscher Stimme.

Nervös zog der junge Mann sein Hemd über den Kopf. Ancir packte es und schleuderte es zu Boden, dann packte er Faramirs Handgelenke und steckte sie in die zwei eisernen Ringe der Kette, die vom Pfahl herabhing. So wurden Faramirs Arme nach oben gerissen und er konnte den Peitschenhieben des Kerkermeisters nicht ausweichen. Der junge Mann stand mit dem Gesicht zum Pfahl und schickte ein Stoßgebet zu den Valar, dass diese Bestrafung rasch vorüberging.

Ancir holte mit aller Kraft aus und die Peitsche traf zum ersten Mal mit einem lauten Klatschen Faramirs Rücken. Der junge Mann hatte das Gefühl, als ob ein glühendes Eisen seine Haut verbrannte. Nur mühsam konnte er einen Aufschrei unterdrücken.

Boromir schloß entsetzt die Augen und Avra schlug die Hände vor den Mund. Nur Denethors Miene blieb unbewegt. Der zweite Peitschenhieb traf Faramirs entblößten Rücken. Diesmal hatte er das Gefühl, als ob ihn der Riemen zerreißen würde und er konnte nicht länger einen Aufschrei unterdrücken. Ancir schlug weiter zu und jetzt wurde jeder Hieb von einem lauten Schrei Faramirs begleitet. Sein Rücken war schnell von blutigen Striemen bedeckt.

„Laß es gut sein, Vater", sagte Boromir leise zu Denethor. „Ancir wird ihn noch umbringen, wenn das so weitergeht."

„Das waren erst zehn Peitschenhiebe", sagte der Truchseß unnachgiebig. „Ich habe Faramir zu zwanzig Hieben verurteilt."

Boromir schüttelte den Kopf: er sah genau, dass sein Vater mit Faramir mitlitt. Jegliche Farbe war aus dem Gesicht des Truchsessen gewichen und in seinen Augen schimmerte es verdächtig feucht.

Nach fünfzehn Peitschenhieben verlor Faramir das Bewusstsein. Er hing bewegungslos an den Ketten. Ancir sah sich nun unsicher zu Denethor um: normalerweise hörte man auf mit dem Auspeitschen, wenn der Verurteilte ohnmächtig wurde.

„Hört auf!" befahl Denethor endlich.

Nur Boromir vernahm das Zittern in der Stimme seines Vaters.

Ancir schloß die Ketten widerwillig auf und Faramir landete unsanft im Sand. Stöhnend erwachte der junge Mann. Er spürte, wie er von einigen starken Armen gepackt und weggeschleift wurde.