May20: Nun ja, Neshem scheint ja fest entschlossen, dieses Ritual durchzuziehen. Faramir wird sich noch umgucken...

Khamul: Ja, Asaghal sieht Fari tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Sein Geheimnis wird schon noch gelüftet.

Darklayka: Deine Idee mit Faramirs Mutter klingt irgendwie gut. Mal sehen, ob ich das miteinbaue.

Feael: Dieses Ritual wird tatsächlich kein Edeldamen-Kränzchen. /zwinker/

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Kapitel 19: Der Beginn des Rituals

In dem dunklen Loch wurde es langsam unerträglich. Faramir merkte, dass er unter Platzangst zu leiden begann. Außerdem hatte er Hunger und Durst. Er wünschte sich inzwischen, man hätte ihn besser ausgepeitscht. Das war zwar schmerzhaft, ging aber vorüber. Aber hier in diesem Loch wurde er fast wahnsinnig. Er lag auf dem Rücken und starrte in die Dunkelheit.

Faramir hatte das Gefühl, nicht mehr genügend Sauerstoff zu bekommen. Hatten Neshem und Ancalime ihn hier unten vergessen? Warum taten sie ihm so etwas Grausames an? Lag es in der Natur der Haradrim, grausam zu sein? Nein, denn Avra hatte Faramir eines Besseren belehrt.

Avra! Als Faramir an sie dachte, traten Tränen in seine Augen. Sicherlich saß sie zuhause in Minas Tirith unter Denethors Obhut und wurde auf Schritt und Tritt bewacht. Und Boromir? Würde der Truchseß erlauben, dass er nach Faramir suchte? In Gondor gab es wichtigere Aufgaben: die Grenzen mussten gegen die Feinde gesichert werden. Boromir war einfach unentbehrlich.

Ich bin verloren, dachte Faramir verzweifelt und Tränen brannten in seinen Augen.

In diesem Moment öffnete sich die Falltür. Faramir setztet sich ruckartig auf und wischte beschämt die Tränen weg.

Neshem blickte zu ihm herab. Ihm war es nicht entgangen, dass sein neuer, störrischer Sklave geweint hatte. In seinem Gesicht zuckte es. Am liebsten hätte er Faramir in seine Arme genommen und getröstet.

„Steig nun heraus, Faramir", sagte erstreng, doch seine Stimme zitterte dabei leicht. „Du sollst nun im Tempel der Schwarzen Schlange gereinigt werden."

Faramir hatte keine Ahnung, was ihn erwartete. Er wurde wieder nach oben geführt. Natürlich streng bewacht von Neshems Leibwächter. Das helles Tageslicht blendete ihn und der junge Mann aus Gondor kniff die Augen zusammen. Neshem befahl ihm, sich auf ein Pferd zu setzen.

Wieder einmal wurde Faramir anschließend gefesselt. Das Pferd wurde von einem anderen Reiter geführt. Kurz fiel Faramirs Blick auf Ancalime, die im Hof stand und schweigend zusah.

Dann ritt der kleine Trupp los.

§

Boromir, Avra und ihre Begleiter hatten nun den Hafen von Umbar und somit Bar-Mikkath erreicht. Die Gondorianer, welche diese Stadt bisher nur vom Hörensagen gekannt hatten, waren sichtlich erstaunt über die Größe der Ansiedlung. Man hatte den Haradrim so etwas nicht zugetraut. Offensichtlich waren die Südländer doch weitaus kultivierter, als man in Gondor immer angenommen hatte.

Wir waren blind, dachte Boromir erschrocken. Wir hielten uns für die einzig hochstehende Kultur in Mittelerde. Dabei sind wir stehengeblieben, während die anderen sich weiterentwickelt haben. Gondor ist dem Untergang näher, als wir ahnen.

Rasch schüttelte er diese negativen Gedanken ab. Avra beobachetete ihn stirnerunzelnd.

„Sind wir nicht bald da?" maulte er die junge Frau an. Er hasste es, ertappt zu werden.

„Sei bitte ein wenig leiser", mahnte ihn Avra. „Du schreist hier laut in Westron herum, als wärest du irgendwo in Pelargir und nicht Bar-Mikkath."

„Weißt du überhaupt, wo sich das Haus deines Vaters befindet?" lenkte Boromir missmutig vom Thema ab. „Ich bin lange genug auf diesem Balrog von einem Maultier gesessen."

Avra musste überlegen: so genau war sie sich nicht sicher, wo das Haus lag, das ihr Vater gekauft hatte. Schließlich war sie selbst nicht mit dabeigewesen. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich bei den Leuten durchzufragen.

Boromir und die anderen wurden nervös: durch Avras Fragerei zogen sie die Aufmerksamkeit der Stadtbewohner auf sich. Schließlich kam auch ein Trupp schwer bewaffneter Haradrim-Krieger herbei.

„Was wollt Ihr hier in Bar-Mikkath?" fragte der Hauptmann der Truppe mürrisch.

„Wir verkaufen Ware aus Gondor auf dem Markt", erwiderte Avra rasch.

„Können Euere Begleiter nicht selbst für sich sprechen?" meinte der Hauptmann frech. „Oder hat man ihnen die Zungen herausgeschnitten?"

Jetzt reichte es Boromir.

„Wir sind nur einfache Händler!" rief er in der Sprache der Haradrim. „Laßt uns in Frieden."

Avra zuckte leicht zusammen, doch zum Glück sprach Boromir diese Sätze fast akzentfrei und sie atmete auf, als der Hauptmann schließlich Boromir zunickte und mit seiner Truppe weiterzog.

„Das war knapp", sagte sie zu dem Heermeister Gondors.

„War ich nicht gut?" grinste er schalkhaft.

Avra ging auf seine Frage nicht ein. Sie deutete auf ein kleines, weißgestrichenes Haus, welches am Ende der Gasse lag, durch die sie gerade ritten.

„Wir sind da."

§

Der Tempel der Schwarzen Schlange lag etwa 10 Meilen vom Fürstenhaus entfernt.

„Wir werden hier einige Tage verweilen", erklärte Neshem dem jungen Gondorianer. „Nach dem Ritual wirst du ein wenig Ruhe brauchen."

Faramir hob erstaunt eine Augenbraue. Was hatte Neshem mit ihm vor? Er erinnerte sich an Boromirs hitzige Rede in Pelargir. Die Haradrim beschnitten ihre Gefangenen und Sklaven, hatte er damals gesagt. Und wenn die Sklaven nicht gehorchten, wurden sie aufs Rad geflochten oder gekreuzigt. Faramir hatte unterwegs einige diese Kreuze gesehen, jedoch waren sie leer gewesen. In Gondor war diese Todesstrafe nicht üblich, das Rädern dagegen schon. Das Rädern war die grausamste Todessstrafe und wurde nur bei besonders schlimmen Verbrechern verhängt, zum Beispiel bei Eidbrechern.

„Was habt Ihr mit mir vor, Neshem?" fragte Faramir vorsichtig.

„Du wirst im Tempel gereinigt", sagte Neshem ernst. „Es ist ein Ritual, dem sich alle Männer in Harad unterziehen. Wir Haradrim werden bereits als Knaben beschnitten, doch Sklaven sind natürlich erwachsen."

Faramir erschauderte, als er das hörte. Er hatte einmal in einem Buch gelesen, wie so etwas vor sich ging. Wenn er an einem Stümper geriet, konnte er nur allzu leicht entmannt werden.

Neshem merkte, dass Faramir kalkweiß wurde.

„Du wirst nichts davon spüren, Mann aus Gondor", erklärte er freundlich. „Wir haben Mittel, um die Schmerzen zu betäuben."

Faramir sagte nichts darauf. Er konnte sich nicht weigern. Die Leibwächter, die neben ihn und hinter ihn ritten, hatten ihre Krummschwerter bereit. Als sie den Tempel erreicht hatten, der auf einem Hügel lag, musste Faramir vom Pferd steigen. Mit den Handfesseln war das natürlich umständlich. Zwei große Männer, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet waren und eine schwarze Schlange als Tätowierung auf der Brust trugen, kamen aus dem Tempel. Ihr Köpfe waren kahlrasiert und ihre Augen waren so dunkel wie Kohlen. Neshem ging zu ihnen hin und redete leise mit ihnen.

Die beiden Männer holten schließlich Faramir ab und nahmen ihn mit in den Tempel. Neshem wartete mit gekreuzten Armen draußen. Drinnen war alles recht dunkel, so dass der junge Gondorianer kaum etwas sehen konnte. Er war fast froh, dass die zwei Riesen ihn führten. Sie brachten ihn in einen kleinen Raum, in dessen Mitte sich ein Becken befand.

„Zieh dich aus und bade!" befahl einer von ihnen auf Sindarin.

Faramir war nicht begeistert, dass die Zwei stehenblieben und ihm dabei zusahen. Aber das Bad war ihm eigentlich ganz willkommen. Das Wasser roch gut nach frischen Kräutern und war angenehm warm. Faramir stieg hinein und genoß das Bad. Ihm war so behaglich, dass er sogar die Augen schloß. Plötzlich hörte er ein Rascheln und sah, dass Einer der Männer sich mit einem Messer über ihn beugte. Faramir wich erschrocken zurück.

„Ich will dir den Bart abnehmen", sagte der Tempeldiener lächelnd. „Keine Angst!"

Faramir schluckte: aufgrund seines numenórischen und elbischen Blutes hatte er nur wenig Bartwuchs und es hatte lange gedauert, sich die paar Stoppeln, die er im Gesicht trug herzuzüchten. Widerwillig ließ er die Prozedur über sich ergehen. Dannach musste er aus dem Becken steigen und sich abtrocknen. Einer der Tempeldiener wickelte ein rotes Tuch mit dem Abzeichen der Schwarzen Schlange um Faramirs Hüften.

„Mehr brauchst du für das Ritual nicht tragen", sagte der Haradrim mit dumpfer Stimme.

Faramir überlegte fieberhaft, wie er aus dem Tempel flüchten konnte. Er wollte sich nicht beschneiden lassen. Nein, auf keinen Fall!

„Trink das!" befahl der andere Tempeldiener und hielt ihm einen Pokal an den Mund.

Doch Faramir weigerte sich: er ahnte, dass es irgendeine Droge war, um ihn gefügig zu machen.

Er schüttelte energisch den Kopf. Das nächste, was er fühlte, war ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf und es wurde dunkel vor seinen Augen.