Darklayka: Noch ist die Sache nicht ausgestanden. Faramir und Co. befinden sich ja mitten in Feindesland.

Ali: Huhu Ali! Mönsch, wie geht's dir denn? Schön, dass du in diese Geschichte jetzt auch eingestiegen bist.

Feael: Ja, du hast Boro richtig erkannt. Erst handeln, dann denken. Hoffentlich macht er dann im nächsten Kapitel keinen Blödsinn. Zum Glück gibt es ja Avra, die so ein bisschen für ihn mitdenkt.

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Kapitel 21: Wiedersehen

Boromir, Avra und die Krieger hatten nun Bar-Mikkath verlassen. Sie waren auf den Weg zu Fürst Neshem. Avra wirkte sehr bedrückt und in sich gekehrt. Boromir wunderte sich über ihr Verhalten. Bisher hatte sie sich immer sehr aufgekratzt gezeigt, doch seit sie unterwegs zu ihrem Onkel waren, hatte sie sich in eine Art Schneckenhaus zurückgezogen. Boromir beschloß, dass es so nicht weitergehen konnte. Er musste einfach wissen, was los war.

Als sie eines Abends in einer kleinen Oase lagerten, fasste sich Boromir ein Herz und ging zu Avra, die ein wenig abseits von den anderen lagerte.

„Ich möchte mit dir reden", sagte Boromir so freundlich wie er konnte.

„Warum?" fragte Avra und stierte in das kleine Lagerfeuer, das dicht vor ihren Füßen flackerte.

„Ich merke, dass du schon seit einiger Zeit etwas auf dem Herzen hast", fuhr er vorsichtig fort. „Ich möchte dir gerne helfen."

Avra hob den Kopf und lächelte den blonden Mann traurig an.

„Das ist nett, aber du kannst mir nicht helfen, Boromir. Kannst du dir nicht denken, warum ich bedrückt bin?"

Boromir kratzte sich verlegen am Kopf. Er war ein exzellenter Krieger, aber kein scharfsinniger Denker wie sein Bruder.

„Hm, hat es vielleicht etwas mit deiner Heimat zu tun?"

„Ich bin eine Verräterin", platzte Avra endlich heraus und Tränen rannen über ihr Gesicht. „Ich tue dies hier alles, weil ich Faramir so sehr liebe, aber gleichzeitig verrate ich meine Heimat, die ich auch sehr liebe."

Boromir kniete jetzt neben ihr nieder und zog sie tröstend in seine Arme.

„Du gehörst zu Faramir und somit auch zu Gondor. Du hast dich längst entschieden, wo wirklich deine Heimat liegt."

Avra schluchzte noch eine ganze Weile in Boromirs starken Armen.

§

Es war irgendwie merkwürdig für Faramir, in das Fürstenhaus als freier Mann zurückzukehren. Er ritt langsam neben Ancalime und Neshem her und konnte sein Glück kaum fassen. Als sie schließlich angekommen waren, führte ihn der Fürst gastfreundlich durch sein Haus. Zum ersten Mal erblickte Faramir das Portrait von Asaghal und er war verblüfft über die Ähnlichkeit.

„Er könnte fast mein Bruder sein", stieß er erstaunt hervor.

„Er war Euer Bruder, Faramir", sagte der Fürst bedrückt. „Kommt mit in meine Privaträume. Ich habe Euch viel zu erzählen."

Neshem ging mit Faramir in ein riesiges Gemach, dessen steinerner Boden mit weichen Teppichen bedeckt war. Überall standen gemütliche Diwane herum und viele Kissen lagen auf ihnen. Faramir durfte Platz auf einem der Polstermöbel nehmen und sogleich trug ein Diener feine Speisen und edle Weine auf. Faramir erfuhr nun die ganze Geschichte von Asaghal, der einst Artamir geheißen hatte.

„Ich erfuhr Asaghals wahre Herkunft erst, als ich ihn schon zu liebgewonnen hatte", sagte Neshem zerknirscht. „Vielleicht könnt Ihr mich irgendwie verstehen, Faramir. Asaghal war der Sohn, den ich niemals hatte."

Faramir hörte ihm nachdenklich zu. Er versuchte Neshem zu verstehen, doch er hatte auch den Gram seiner Eltern vor seinen Augen.

„Meine Mutter hat Artamirs Verschwinden niemals verkraftet", sagte Faramir leise. „Sie starb, als ich 5 Jahre alt war. Und mein Vater begann mich zu hassen, weil ich ihm Artamir niemals ersetzen konnte. Ich fragte mich oft, wie es gewesen wäre, hätte Artamir bei uns bleiben können."

„Ich kann diesen Fehler niemals wieder gutmachen", seufzte Neshem tieftraurig. „Doch bedenkt, Faramir, dass ich nicht derjenige war, der Eueren Bruder entführt hatte."

Faramir legte freundlich seine Hand auf Neshems Schulter.

„Ihr habt Artamirs Leben gerettet. Macht Euch keine Vorwürfe. Ihr habt ihm Gutes getan."

„Ich habe seinen Tod niemals verwunden", murmelte Neshem leise und nahm einen tiefen Schluck Wein. „Meine Verwandten erklärten mich für verrückt, weil ich vor Trauer nicht mehr ein und aus wusste. Sie mieden mich. Mir geht es längst besser, wenn auch nie wieder so wie vorher. Könnt Ihr Euch jetzt vorstellen, was in mir vorging, als ich Euch das erste Mal auf den Sklavenmarkt erblickte? Ich hätte Haus und Hof verkauft, nur um Euch als Sklaven zu bekommen."

Die beiden Männer unterhielten sich an diesem Abend noch lange. Ancalime gesellte sich später zu ihnen. Faramir überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass sie Avra ähnlich sah. Doch er beschloß, diese Verbindung besser zu verschweigen.

§

Nach einigen unbeschwerten Tagen, die Faramir mit Ausruhen, Essen, Reiten und Schlafen verbrachte, fühlte er sich soweit wieder hergestellt, um die weite, beschwerliche Heimreise nach Gondor anzutreten. Als er an jenem Morgen Fürst Neshem dies mitteilen wollte, vermeldete ein Diener die Ankunft einer merkwürdigen Händlerkarawane im Hof des Fürstenhauses. Der Fürst zeigte sich davon wenig begeistert.

„Hier ist kein Markt. Schicke die Händler wieder weg, Korazir", wies er seinen Diener barsch an.

Boromirs Hand zuckte über dem Schwertgriff unter dem langen Umhang. Diesem Sklaventreiber, der Faramir in seiner Hand hatte, würde er es schon zeigen. Avra warf ihm einen warnenden Blick zu und Boromirs Hand wanderte wieder zum Zügel.

Avra glitt jetzt vom Maultier und riß sich die Kopfbedeckung herab.

„Du wirst doch deine Nichte nicht wegschicken, Onkel Neshem", sagte sie keck.

Faramir hatte die Stimme seiner Geliebten vernommen und traute seinen Ohren nicht. Rasch drängte er sich an Neshem vorbei.

„Avra!" stieß er mit erstickter Stimme hervor und zog sie in seine Arme.

Sie stieß einen Freudenruf aus und küsste Faramir, der die Küsse nur umso leidenschaftlicher erwiderte.

Neshem sah mit stummen Erstaunen dieser Begrüßung zu.

„Faramir?" fragte Boromir leise und kam langsam näher.

Faramir hielt jetzt inne und löste sich sanft von Avra.

„Das kann doch nicht möglich sein! Du bist auch hier, Boro?"

Boromir standen Tränen in den Augen.

„Wir haben schon geglaubt, du lebst nicht mehr. Avra hat die Hoffnung nie aufgegeben."

Faramir fiel stumm in die Arme seines Bruders. Die Beiden hielten sich lange fest. Sie lachten und weinten zugleich.

„Was hast du eigentlich mit deinem Bart gemacht?" fragte Faramir schließlich unter Tränen lächelnd.

„Deine Stoppeln sind auch verschwunden, wie ich feststelle", prustete Boromir.

Beide Brüder kicherten wie irre. Avra war inzwischen zu ihrem Onkel gegangen und erzählte mit gedämpfter Stimme, was passiert war.

„Faramir ist jetzt ein freier Mann, liebe Nichte", erklärte Neshem lächelnd „Ich weiß, wie ihr alle über mich gedacht habt. Doch die schlimmste Trauer ist überwunden und ich werde diesen Fehler nicht noch einmal wiederholen. Ich habe einiges gutzumachen an der Truchsessfamilie von Gondor."

Faramir und Boromir traten jetzt vor den Fürsten hin.

„Ich danke Euch, dass Ihr meinen Bruder freigelassen habt, Herr Neshem", sagte Boromir erleichtert. „Ich denke, dass wir Harad auf denselben Wege verlassen werden. Auch Faramir wird sich als Händler verkleiden."

Neshem runzelte die Stirne.

„Der Weg durch Harondor war sicher sehr gefährlich. Nehmt diesmal den Seeweg, meine Freunde. Im Hafen von Umbar liegt mein Schiff. Nehmt es und segelt damit nach Dol Amroth. Euch wird nichts geschehen, wenn Ihr unter meiner Flagge segelt. Die Korsaren werden Euch nicht behelligen."

Faramir und Boromir blickten sich an. Das hörte sich gut an. Auch Avra nickte bekräftigend.

„Wir hatten unglaubliches Glück, Boromir", sagte sie besorgt. „Ich glaube nicht, dass wir die Rückreise über Land so unbehelligt überstehen würden."

„Ich werde mitreisen nach Umbar", erklärte Neshem ernst. „Der Kapitän meines Schiffes ‚Seeadler' ist absolut zuverlässig. Er wird Euch sicher nach Dol Amroth bringen."

Faramir ergriff Avras Hand.

„Und du, meine Liebe? Was wirst du machen? Ich möchte, dass du mitkommst und meine Frau wirst."

Boromir seufzte kaum hörbar: das würde bestimmt noch Schwierigkeiten mit Denethor geben. Obwohl Avra großen Anteil an der Rettung Faramirs hatte, so würde der Truchseß niemals erlauben, dass einer seiner Söhne eine Feindin aus Harad heiratete.

Avra beachtete Boromirs bekümmerte Miene nicht. Mit leuchtenden Augen blickte sie Faramir an.

„Von Herzen gerne, Faramir!"

Fürst Neshem klatschte erfreut in die Hände und alle die anwesend waren, taten dies ebenso.

§

Am Abend gab es ein großes Festmahl im Fürstenhaus. Avra, die jetzt ein wunderschönes rotes Kleid trug, das sie von ihrer Base Ancalime geliehen bekommen hatte, wirkte ein wenig bedrückt. Gegen Ende des Mahles verließ sie die Gesellschaft und ging hinaus in den fürstlichen Garten, wo der Mond auf die Dattelbäume schien. Faramir folgte ihr besorgt.

Avra drehte sich zu ihm um und lächelte matt.

„Ich wusste, dass du kommen würdest, Liebster."

„Ich spüre, dass dir etwas auf der Seele liegt", erwiderte Faramir ernst und ergriff ihre Hände. „Es hat etwas mit deiner Heimat hier zu tun, stimmt es?"

Die junge Frau seufzte tief. Nachdenklich strich ihre Hand über den Stamm eines Dattelbaumes.

„Mein Vater wohnt ganz in der Nähe. Nur einen Tagesritt entfernt. Ich würde ihn gerne wieder sehen. Aber ich weiß, dass er mich nicht mehr fortlassen würde. Und er würde auch nicht dulden, dass ich einen Mann aus Gondor heirate. Er hat Gondor ewige Rache geschworen wegen meiner toten Brüder."

„Wenn du bei deinem Vater glücklicher bist, dann gebe ich dich auch frei, obwohl es mir sehr schwer fallen würde", sagte er leise.

„Nein, Faramir", meinte Avra kopfschüttelnd. „Ich liebe dich viel zu sehr. Ich werde mit dir nach Gondor kommen und dort leben."

Faramir lächelte und zog sie an sich, um sie zu küssen Heimlich gingen sie ins Haus hinein und begannen sich in Faramirs Gemach leidenschaftlich zu lieben. Sie hatten so lange einander entbehren müssen. Es sollte ihre letzte gemeinsame Nacht sein.