Wachs in ihren Händen - Mme O.

Da stand er nun, Severus Snape, in einer Muggelbehausung irgendwo im Norden dieses Landes, dessen klimatische Bedingungen ihn gerade heute an diesem Apriltag wieder einmal so sehr an seine eigene Heimat erinnerten.

Er ließ seinen Blick über die Bücher wandern, die einen großen Teil des Raumes in Beschlag nahmen und weiter bis zum Fenster, um das Wechselspiel von Sonne, Wolken und sogar Hagelschauern zu beobachten.

Severus seufzte – jawohl er seufzte, denn er hatte ein Problem. Es musste endlich ein Ende haben – diese Einmischungen, dieses Eindringen in sein Leben. Seit Monaten – ach was, seit Jahren duldete er, Mittelpunkt der Einbildungskraft unzähliger Autorinnen zu sein. Wie es angefangen hatte – und wo, daran konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Gefangen fühlte er sich, zerrissen zwischen den unzähligen bedruckten Seiten.

Seit langer Zeit hatte er sein Klassenzimmer nicht mehr gesehen. Nicht, dass er die Schüler vermisste – aber verdammt, wussten sie denn nicht, dass er der Meister der Zaubertränke war? Er wollte sein Labor, er wollte seine Sammlung schleimiger Pflanzen und Tierkadaver, eingelegt in gelblich trübe Essenzen, er sehnte sich nach dem Geruch von Kräutern und zermahlenen Schlangenhäuten, nach der Stille und Einsamkeit des dämmrigen Kerkers.

Insgeheim musste er sich eingestehen, dass es sehr wohl auch angenehme Erfahrungen gegeben hatte, ganz zu Schweigen davon, dass gewiss nur wenige Männer von sich behaupten konnten, ungestraft so viele parallele erotische Abenteuer erleben zu dürfen. Oh ja! Die hatte er erlebt – er wischte diesen Gedanken schnell fort. Ihm entglitt dennoch ein tiefer Seufzer bei der Erinnerung an eine äußerst prickelnde Episode in einem Zugabteil vor wenigen Tagen. Bei Merlin, sogar sein Patronus hatte inzwischen eine Form angenommen, die nicht unbeeinflusst war von seinem Leben als Held unzähliger Frauenherzen. Aber nun Schluss damit! Wie sollte er sonst seinen Plan in die Tat umsetzen.

Hier, heute und mit diesen beiden würde er beginnen. Warum mit ihnen? Nun, warum nicht, es hätte jede andere treffen können, nicht wahr! Nein, Severus, ermahnte er sich, belüg Dich doch nicht selbst Er warf einen Blick in Richtung der Tür, in der die beiden sicher bald auftauchen würden. Sie würden kommen. Sie kamen immer, wenn er sie rief. Nein korrigierte eine innere Stimme ihn still, Du kommst immer, wenn sie Dich rufen

Ein kehliges Lachen entwich von irgendwo aus den Tiefen seiner geschundenen Seele. Ganz sicher war es kein Zufall, dass er sich gerade diese beiden Frauen ausgesucht hatte, um seinem Ziel einen Anfang zu geben. Seit kurzem bildeten sie ein unzertrennliches Gespann, das es ihm unmöglich machte, sich auch nur einer Minute ihrer Aufmerksamkeit zu entziehen. Es musste ein Ende haben.

Musste es das tatsächlich?

Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Aufschrecken? IHN? Soweit hatten sie ihn schon gebracht. Er blickte zur Tür. Dort standen sie, zwei zauberhafte Geschöpfe, wie er zugeben musste. Zwei funkelnde grüne Augenpaare fixierten ihn - neugierig – auffordernd – lauernd. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Münder und Severus fragte sich zum tausendsten Mal, was nur geschehen war, dass zwei Menschen es wagten, ihm so unverhohlen zu zeigen, was sie von ihm dachten und erwarteten.

„Severus!", vernahm er Morticias süße Stimme. „Wie schön, Dich zu sehen."

„Worüber hast Du gelacht?", fragte Orlane lauernd und folgte ihrer Freundin, die inzwischen neben Severus stand.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nicht so wichtig."

„OH, alles ist wichtig", Morticia berührte wie zufällig seinen Arm.

Er räusperte sich, „Ich bin hier, weil ich heute diesem dauernden Theater ein Ende setzen will. Ich werde nicht länger der Spielball Eurer Phantasie sein!" Seine Stimme donnerte rau und dunkel durch den Raum. Er war sehr zufrieden mit sich.

„Und ich dachte Du wärst gekommen, um uns bei einer neuen Idee zu unterstützen", nicht der geringste Hauch eines Vorwurfs durchzog Orlanes sanfte Stimme.

Severus tastete unauffällig nach dem Zauberstab der, tief in seinem Umhang verborgen darauf wartete, all dies hier zu beenden. Für immer.

Morticias zierliche Hände glitten wie selbstverständlich durch sein schwarzes Haar, während Orlane sachte aber bestimmt seinen Arm aus dem Umhang zog. Der Zauberstab entglitt ihm und rutschte zurück in die schwarzen Tiefen.

„Severus!" Ein mahnender Unterton in Morticias verführerischer Stimme ließ ihn aufhorchen. „Severus, Du kannst uns nicht verlassen." Es war keine Bitte oder gar ein Flehen, sondern eine unmissverständliche Feststellung.

„Oh, ich kann!" Er versuchte, seine Stimme noch ein wenig bedrohlicher klingen zu lassen. Jahrelang hatte er schließlich damit Erfolg gehabt.

Die Frauen drückten ihn auf ein nahe stehendes Sofa und platzierten sich links und rechts neben ihm. Orlane seufzte und strich mit ihren Fingern leicht über den seidigen Ärmel seines Umhangs. „Du weißt, dass sie Recht hat", flüsterte sie.

Ein Schauer erfasste seinen Körper und ließ ihn frösteln.

„Du brauchst uns!", hauchte Morticia in sein Ohr. Severus schluckte. „Verdammte Weiber", zischte er, „ ihr habt mich verhext!"

Glockenhelles Gelächter erklang und ließ den Zauberer für einige Sekunden erstarren.

„Na, na, Severus, jetzt wirst Du aber albern! Wie sollten wir das denn angestellt haben?" Morticia streifte mit ihren Lippen ganz leicht sein Ohrläppchen und suchte für einen Moment Orlanes Blick. Die Freundin schenkte ihr ein verschwörerisches Lächeln.

„Aber ich bin kein verzauberter Frosch und auch kein Todesengel!" Severus wandte sich nun fast flehentlich an Morticia zu seiner Linken. „Aber nein, mein Lieber", säuselte diese beruhigend.

„Und ich will auch kein bedauernswerter Schatten in Deinem Schattenspiel sein!" sprach er nun nach rechts.

Orlane strich sanft mit dem Handrücken über sein blasses Gesicht. „Du bist überarbeitet! Vielleicht haben wir Dich tatsächlich ein wenig zu sehr beansprucht in letzter Zeit."

Severus nickte widerwillig und konnte sich gerade noch davon abhalten, seinen Kopf wie ein kleiner Junge in ihren Schoß zu legen. Wo verdammt war seine Entschlossenheit geblieben? Zück Deinen Zauberstab, Du Feigling! Obliviate! OBLIVIATE! Ein Wort und sie werden Dich vergessen. Du kannst endlich wieder Dein Leben führen!

„Das willst Du doch gar nicht." Morticia schmiegte sich an seine Schulter und schob eine Hand sachte unter seinen Umhang, um sie verspielt seinen Oberkörper auf und ab wandern zu lassen. Severus starrte sie entsetzt an. Hatte Morticia etwa seine Gedanken gelesen. Er suchte nach einem verräterischen Zeichen in ihrem Gesicht. Nichts – keine angestrengten Falten durchzogen ihr attraktives Antlitz, nicht einmal Blickkontakt hielt sie. Ihre Augen waren halb geschlossen.

Er spürte, wie Orlane sich zu seiner Rechten bewegte und nun ihren Kopf in seinen Schoß legte. Er schnappte nach Luft. Mit langsamen und nachdrücklichen Bewegungen, die gleichmäßige Wellen durch seinen Leib rauschen ließen, drehte sie sich in eine Position, in der sie bequem zu ihm aufblicken konnte. „Du weißt, dass sie Recht hat", flüsterte sie nochmals kaum hörbar.

Severus schloss die Augen. Was er wusste, war, dass es keinerlei Chance gab, der geballten Kraft und dem magischen Talent dieser beiden Autorinnen zu entrinnen. Schon gar nicht, solange sie in dieser Weise zusammenhielten.

War er nicht just in diesem Augenblick wieder das Objekt ihrer unerschöpflichen Phantasie? Für immer und ewig würden die Buchstaben für Morticia und Orlane tanzen und ihn nach ihren Wünschen formen.

-Seufz- und das ist auch gut so, nicht wahr?