Das letzte Licht ist nun mit der Dämmerung gewichen, Vögel zwitschern ihr Nachtlied auf den Bäumen zu Ende und langsam legt sich die Dunkelheit über das Land. Es ist Nacht, es ist Zeit. Ich stehe auf, ziehe meinen Umhang etwas enger um mich, mit der Nacht kommt auch langsam die Kälte zurück. Und du. Ich fröstle. Eigentlich friere ich nie, heute ist es aber auch nicht die Kälte, die mich zittern lässt. Einen Gedanken schenk ich dir jetzt, ich denk an deine Augen. Ein Lächeln streicht über meine Lippen.
Ich darf nicht mehr an deine Augen denken.
Der Tag ist fort, das Licht mit ihm und ich stehe jetzt auf kalten Pflastersteinen in dieser dunklen Gasse. Stehe da, starr in das Schwarz hinaus und warte. Wirst du kommen? Zweifel kommen auf, ich verdränge sie. Du wirst kommen, wie jede Nacht. Du kommst immer wieder zurück… zu mir. Was du mir nie sagen wirst, kann ich in deinen Augen lesen. Du liebst mich. Du kommst zurück.
Schritte hallen an grauen Steinwänden, ein leichter Windstoss. Gleich bist du da. Ich kann fühlen, wie dein Herz schlägt. Ich glaube, ich kann dich riechen. Dieser leichte Duft nach frischem Moos, sanft und irgendwie beruhigend. Du bleibst stehen. Ich höre dich atmen, höre dich leben. Mein Arm bahnt sich seinen Weg durch die Dunkelheit zu dir, berührt deine Schulter. Du hältst ihn fest, es ist nur ein Moment, doch ich fühle, dass du etwas zu fest drückst. Eine kleine, winzige Nuance. Sie soll mir sagen, dass ich dir gehöre. Du lässt langsam los. Deine Arme schlingen sich um meine Hüfte, ziehen mich ganz nah zu dir. Dein Atem streift meinen Hals. Ein Schauer wandert über meinen Rücken. Das vertraute Gefühl schleicht sich in meinen Bauch. Ich will mich in deinen Armen fallen lassen, noch ein letztes Mal. Du streichst mir über den Rücken, dein Mund berührt zart meine Wange. Nein. Ich denk nicht mehr an deine Augen. Du weißt ja nicht, wie schwer du es mir machst. Bitte…
Ich schlisse meine Augen und versuche, deine Zärtlichkeit zu ertragen. Mein Verstand versucht, sich von meiner Seele zu lösen, übernimmt die Kontrolle über mich. Das Messer. Es ist noch immer in meiner Hand. Du bist auch in meiner Hand, ich hab dich. Dein Mund fährt meinen Hals hinab. Ich streiche mit meiner freien Hand wie mechanisch über deine Wange. Du lachst. Lach nur, solange du mir nicht in die Augen schaust. Deine Augen, ihr Glänzen, das Schimmern und die Liebe. Weg damit. Verdammt noch mal. Du hast getötet, du hast gequält, du hast gefoltert. Und du liebst…
Meine Hand ballt sich fest um das Messer. Es ist nicht besonders lang. Aber es wird reichen. Genug lang, um dir das Lachen von den Lippen zu schneiden. Jeder Muskel in meinem Körper zieht sich zusammen. Schreie von sterbenden Kindern, Körper, die tot zu Boden fallen, Blut. Deine Augen. Ich kämpfe. Mein Herz kämpft gegen meinen Verstand. Du hast deinen Mund von meiner Haut gelöst. Du schaust mich an. In meine Augen. Eine einzige Sekunde zu spät.
Etwas Warmes fließt über meinen Arm, ich schmecke Kupfer. Blut schmeckt metallisch, nach Kupfer. Du sinkst in die Knie, ziehst mich mit hinunter. Das Messer steckt tief in deiner Brust. Viel zu tief. Blut quillt aus deinem Mund, überall Blut, dein Lebenssaft. Ich spüre, wie du mir etwas sagen willst, sehe dir jetzt direkt in das Gesicht. In deine Augen, in denen das Leben langsam stirbt. Dieser Schmerz. So tief, wie ich ihn noch nie gefühlt habe. Tiefer, noch ein bisschen tiefer, treibst du mit diesem Funken ungewollt einen Dorn in mein Herz.
„Ich liebe dich"
Mein Herz bricht, es raubt mir den Verstand. Drei Worte von dir, geflüstert, ganz leise und doch direkt in mein Herz hinein. Mit keinem Zauber hättest du mich schmerzlicher verdammen können. Nichts schmerzt mehr, als deine Liebe.
Ich hab den dunklen Lord zur Strecke gebracht.
Ich hab mein Herz getötet.
