Greyhound - Schatten der Vergangenheit

Disclaimer:
Mir gehört (fast) nichts! Die Meisten Charaktere und anderes habe ich dem Film PotC entnommen! Und ich verdiene auch kein Geld mit dieser Geschichte!

Inhalt:
Jack wird von seiner Vergangenheit eingehohlt. Wird er sich dem stellen, oder weiterhin davon laufen? Außerdem hat Jack Will und Elizabeth mit an Bord - doch Norrington gibt nicht auf. Hartnäckig verfolgt er seinen Feind. ... Mehr verrate ich einfach nicht!

Hauptpersonen:
Jack, Will, Elizabeth, Anamaria, Norrington, Jana,... jede Menge Leute!

Rating:
R

Anmerkung der Autorin:
And here we are... somit liefere ich endlich kap 25.... und das Ende rutscht wieder mal in weite Ferne!

Kapitel 25

Anamaria lachte. Es war ein heiteres und zugleich schmunzelndes Lachen, als sie an Jack vorbei zu Elizabeth schlenderte und dem Piratenkapitän dabei die Antwort schuldig blieb. "Alle Achtung. Scheint, als wollt ihr beiden die verlorene Zeit möglichst rasch wieder aufholen, was?", meinte sie zu Elizabeth. Die junge Frau lachte ein wenig.
"Na hör mal! Also ob ich es jetzt darauf angelegt hätte… es ist eben passiert.", meinte sie schlicht. "Schon mal davon gehört, dass das dabei herauskommen kann, wenn Mann und Frau eine Koje teilen?" Damit wandte sie sich schließlich ab und marschierte zum Bug des Schiffes. Sie wollte das Thema nun wirklich nicht weiter breit treten. Außerdem wollte sie dann schön langsam zu Bett gehen.

Jack hingegen hatte die ganze Zeit über abschätzende Blicke zu Anamaria geschickt und ihren Körper mehr als ausführlich von oben bis unten betrachtet. Nun wandte sie sich um und blickte ihn teils forschend, teils herausfordernd an. "Was ist los?", fragte sie schlicht, ganz so als hätte er vorhin gar nicht nach einer möglichen Schwangerschaft gefragt. Jack warf einen kurzen Blick über Deck und ging dann wortlos zu Anamaria. Ehe sie etwas sagen konnte, hatte der Pirat sie bereits hochgenommen und sich über die Schulter geworfen.
"Das muss ich mir ja nun doch eingehend ansehen.", murmelte er mehr zu sich selbst als zu irgendwem sonst, doch jene Besatzungsmitglieder, die seine Worte verstanden hatten grinsten sehr zweideutig. Es gelang Jack, seine Beute ohne große Gegenwehr in die Kajüte zu schaffen. Dort setzte er Anamaria jedoch nicht sofort ab.
"Bist du, oder bist du nicht?", verlangte er erneut zu wissen. Anamaria lachte.
"Was bin ich? Oder bin ich was nicht?", frotzelte sie. Jack verdrehte die Augen. Er setzte die Frau zu Boden und marschierte in seinem gewohnt torkelnden Gang um sie herum. Eingehend musterte er ihren Bauch und ihre Brüste, doch das weite Hemd machte es unmöglich, zu sagen, ob sich irgendetwas verändert hatte, oder nicht.
Eigentlich war es ja nicht lange her, seit er ihre Gestalt ohne Kleidung begutachtet hatte, doch da hatte Jack nicht auf Anzeichen einer möglichen Schwangerschaft geachtet und er war jetzt mehr als verunsichert.
"Nun gut. Da die Dame nicht zu reden gewillt scheint, wird der anwesende Pirat sie nun einer eingehenden Leibesprüfung mit Befragung unterziehen und die Dame sollte zuvor davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der anwesende Pirat bislang noch jede Antwort bekommen hat, die er verlangte.", meinte Jack nun mit einem Tonfall, als hätte er soeben ein Todesurteil verkündet. "Die Dame sollte sich des Weiteren darüber im Klaren sein, dass der prüfende Pirat keinen Einschränkungen unterliegt und von seinem Recht gebrauch machen wird, auch andere zu Rate zu ziehen.", meinte er nun mit einem dreckigen Grinsen.
"Untersteh dich!" Ein forschender Blick erreichte ihre Augen. Doch Anamaria wollte ihn noch nicht aus der Ungewissheit entlassen. Seine ersehnten Antworten würde Jack Sparrow schon noch erhalten. Nur eben später. "Was wäre, wenn?", platzte sie unvermittelt hervor und ihre Augen bohrten sich förmlich in die Augen des Mannes, der vor ihr stand und an seiner Unterlippe knabberte.
Nachdenklich strich sich Jack durch den Bart. "Nicht gut.", murmelte er schließlich. "Es wäre der falsche Zeitpunkt…. Und an Bord eines Schiffes hat ein Kind auch nichts zu suchen… und wie das aussieht… ich meine,… ein schwangerer Captain?! Das geht nicht… und überhaupt…ein KIND?! Ich bin definitiv nicht bereit dafür… zu jung… viel zu jung… und du auch.", murmelte Jack unaufhörlich vor sich hin. Anamaria lachte leise. Der Gedanke, Vater zu werden machte den Piraten sichtlich nervös.
Beruhigend legte sie eine Hand auf seinen Arm und strich ihm mit der anderen Hand sanft über die Wange. Lange sah sie Jack in die braunen Augen, ohne ein Wort zu sagen. Doch der Pirat verstand auch ohne Worte, was sie ihm mitteilen wollte. "Nein!", jaulte er leise auf. Doch Anamaria nickte bestimmt. Sie tupfte mit einem Finger gegen seine Nase und lachte leise.
"Wie lange, werter Captain Sparrow, gedachtet ihr die Koje einer Frau teilen zu können, ohne dabei für reiche Nachkommenschaft zu sorgen?", meinte sie schmunzelnd. Jack machte große Augen.
"Reiche Nachkommenschaft?", raunte er heiser. "Es sind doch nicht etwa zwei?!" Anamaria legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. Da klang tatsächlich Panik in der Stimme des furchtlosen Piratenkapitäns. Nun gut, sie hatte wahrlich nicht mit Begeisterungsstürmen gerechnet, doch sie hatte auch nicht erwartet, dass er es so schlecht aufnehmen würde. Sie hätte es ihm vielleicht schonender beibringen sollen. Aber dafür war es nun auch schon zu spät.
"Nein, das denke ich nicht.", meinte sie ruhig. Jack starrte sie an und schüttelte schließlich den Kopf.
"Ich brauch jetzt nen Schluck Rum… nein, besser eine ganze Flasche davon… ein Fass! Auf jeden Fall brauch ich frische Luft.", murmelte der Pirat und wandte sich ab. Ein wenig unsicher warf er nochmals einen Blick zurück, ehe er zur Türe der Kabine ging. Die Tür war bereits einen Spalt offen, als er erneut Anamarias Stimme in seinem Rücken vernahm.
"Jack!" Betont langsam drehte er sich erneut zu ihr um und blickte die dunkle Schönheit erwartungsvoll an. "Geh nicht über Bord." Sie grinste ihn an. Jack blickte ertappt nach oben und grummelte etwas, das sich wie "verdammt" anhörte, ehe er ihr ein scheues Lächeln zuwarf und sich endlich davon machte. Kopfschüttelnd setzte sich Anamaria auf das Bett und strich sich gedankenverloren über den Bauch. Sie grinste ein wenig. "Na… hoffentlich wirst du deinem Vater nicht allzu ähnlich!", murmelte sie leise.

Irgendwie wollte diese ganze Sache nicht so recht in Jacks Kopf. Vater? Er? Und warum zum Henker musste das ausgerechnet jetzt passieren? Während der Pirat vor sich hin grübelte, fiel er in ein - der Mannschaft nur zu wohl bekanntes - Verhalten zurück. Ruhelos und ebenso ziellos streifte er über Deck.

Lächelnd beobachteten Jana und Will die beiden Kinder. Patrick hatte sich mit Nora auf den Boden gehockt und spielte nun mit ihr. Allerlei Kram hatte er nun schon herbeigeschafft, unter anderem Steine und Stöckchen, und ließ das Mädchen alles ausprobieren. Jedoch ließ er sie nicht aus den Augen, damit ja nichts passierte. Da ihre Tochter wohl in guten Händen war, wandte sich Jana nun endlich Will zu und blickte ihn aufmerksam an.
"Danke für die Einladung. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Gibt es denn einen bestimmten Anlass dafür?" Will lachte und schüttelte den Kopf.
"Nein. Eigentlich nicht. Brauche ich denn einen bestimmten Anlass, um Zeit mit Freunden zu verbringen? Du hast mir sehr geholfen… ich wollte dir einfach mal meinen Dank aussprechen.", erklärte der junge Waffenschmied ehrlich. Jana lächelte etwas beschämt, doch ehe sie etwas erwidern konnte, hatte Will schon das Thema gewechselt. "Ich hatte heute Besuch! Du errätst bestimmt nicht, von wem." Will verschränkte abwartend die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück.

Nachdem Will seinen Bericht vom Besuch des Gouverneurs beendet hatte, begann er langsam, den Tisch abzuräumen. Als Jana ihm sogleich helfen wollte, legte er die Hand auf ihren Unterarm und schüttelte den Kopf. "Du bist hier der Gast! Setz dich!", meinte er grinsend. Jana gehorchte und Will ging vorsichtig an Nora vorbei in Richtung Küche.
Das Mädchen betrachtete den "Onkel" und ließ sich dann auf die Hände plumpsen. Zögernd rutschte sie über den Boden, eine Mischung aus Krabbeln und Robben. Zielstrebig hielt sie auf die Türe zur Küche zu. Patrick quiekte vergnügt auf. "Jetzt haben wir nen Hund in der Wohnung.", grinste er und zog ein wenig an Janas Kleidung, damit diese ihre Tochter sah. Jana lachte.
Als Will gerade wieder aus der Küche kommen wollte, hatte es das Kind bereits bis in die Türe geschafft und dort saß sie nun und blickte den jungen Mann erwartungsvoll an. Will lachte und nahm das Mädchen auf den Arm. "Ach herrje!", meinte er schmunzelnd. "Jetzt ist dann gar nichts mehr sicher vor meinem kleinen Wiesel, nicht wahr? Aber nimm dich vor den Treppen in Acht, Sonnenscheinchen. Die sind gefährlich." Liebevoll drückte er das Mädchen an sich.
Jana betrachtete Will eingehend. Und er würde eben doch ein guter Vater werden. Aber sie sagte nichts. Als der Abend weit fortgeschritten war, erklärte Jana, dass sie nach Hause wollte. Nora kuschelte sich bereits in ihre Arme und döste vor sich hin und auch Patrick gähnte beizeiten. Will nickte und stand auf. "Ich bringe dich noch nach Hause.", meinte er bestimmt.
"So weit ist es nicht. Ich komme schon zurecht.", wehrte Jana ab, doch Will schüttelte den Kopf und nahm ihr das Mädchen aus den Armen.
"Keine Widerrede! Da draußen treiben sich zu viele böse Buben herum. Bei dieser Dunkelheit! Nein, ich bringe dich nach Hause und damit basta.", erklärte Will fest. Rasch blickte er zu Patrick, der am Tisch saß. "Kommst du mit, oder willst du lieber schon ins Bett gehen?", fragte er den Jungen. Doch Patrick beschloss gähnend, dass es an der Zeit war, ins Bett zu kriechen. Mit einem liebevollen Lächeln nickte Will dem Jungen zu. "Dann gute Nacht, Patrick. Ich bin bald wieder zurück." Kurz darauf machten sich Jana, Nora und Will auf den Weg zu Norringtons Haus.

Jack hatte sich wohl nun doch wieder beruhigt. Zumindest hockte er in der Kabine und rannte nicht ständig auf und ab. Anamaria betrat den Raum und schloss leise die Türe hinter sich. "Hier steckst du also. Ich habe dich schon gesucht.", meinte sie leise und trat näher. Jack blickte auf und grinste schief.
"Jetzt hab ich zwei schwangere Frauen am Hals.", meinte er frotzelnd. "Nur gut, dass wir die Jagd schon lange abgeblasen haben… sonst müsste ich das jetzt tun." Anamaria hockte sich einfach auf Jacks Schoß und schlang die Arme um seinen Hals.
"So schlimm?", fragte sie liebevoll. "Aber Jack…. Das ändert mich doch nicht. Ich bin doch weiterhin einfach nur Anamaria…. Deine Anamaria." Ihre Stimme war leiser geworden. Aufmerksam blickte Jack sie an, ehe er die Arme um sie legte und die Frau eng an sich drückte. Behutsam hauchte er einen Kuss auf ihren Scheitel.
"Nein.", meinte er leise. "Es ändert für dich nichts…. Für mich schon." Er fühlte, wie sie sich in seinem Arm versteifte und musste unwillkürlich lächeln. Als ob er sie fortschicken könnte! Er hätte es zuvor schon nicht gekonnt und jetzt konnte er es noch viel weniger. Ein weiterer Kuss landete auf ihrer Stirn. "Ich muss mir jetzt bald noch Sorgen um so ein kleines Würmchen machen… dabei sorge ich mich doch schon genug um dich.", flüsterte er leise.
Anamaria atmete auf. Mehr noch. Sie freute sich, denn es klang ganz so, als würde Jack sich langsam aber sicher an den Gedanken gewöhnen. Er löste den Griff ein wenig und schob behutsam eine Hand über ihren Bauch. Anamaria lächelte. Ja, er gewöhnte sich definitiv an den Gedanken! "Hm.", murmelte er plötzlich. "Daddy Jack Sparrow…. Das klingt doch nach was. Aber…. Wo krieg ich jetzt noch den Captain unter?" Mit einem leisen Lachen senkte er die Lippen auf ihre, hielt jedoch inne, ehe sich ihre Lippen wirklich berührten. "Verdammt… ich liebe dich.", flüsterte der Pirat, ehe er sie küsste.

Will betrachtete das kleine Mädchen auf seinem Arm. Nora schlief tief und fest. Jana ging schweigend neben ihm her. Die Geräusche der Nacht umgaben die drei Menschen, die Dunkelheit umschloss sie. In einer Seitengasse erklangen die Geräusche der Lust. Missmutig blinzelnd sah Will auf. Er war froh dass Nora schlief.
"Was ist los?", erklang leise Janas Stimme neben ihm. Will schüttelte den Kopf. Wie sollte er ihr sagen, dass es ihm missfiel, so etwas hier draußen zu vernehmen? Er fühlte nur Verachtung für die Männer, die hilflose und verarmte Frauen so ausnützten. Zögernd schüttelte er den Kopf. Jana lächelte ein wenig. "Keine seltenen Geräusche, wie du wissen solltest.", meinte sie nur. Langsam nickte der junge Schmied.
"Ich … ich verstehe diese Männer nicht… und ich fühle Mitleid für diese Frauen… was soll ich sonst sagen?" Schweigen. "Ich hoffe, dass du so etwas nie wieder durchmachen musst.", erklärte er schließlich leise. "Wie ergeht es dir bei Norrington? Ich meine… fordert er noch immer…" Jana lachte leise.
"Will, ich bin seine Hure. Das ändert sich nicht dadurch, dass ich in seinem Haus lebe. Er behandelt mich nicht unbedingt anders. Aber was zerbrichst du dir den Kopf darüber? Lass es gut sein, Will, ich bin ein großes Mädchen und ich komme schon klar." Will öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Jana kam ihm zuvor.
Sie schüttelte bestimmt den Kopf. "Nein Will. Das ist lieb, aber es ist nicht deine Angelegenheit. Angenommen, ich würde ihn verlassen… was wird dann aus mir und vor allem aus Nora? Niemand in Port Royal würde mir Arbeit geben. Das ist nun mal so in dieser gehobenen Gesellschaft. Mein Leben wäre die Hölle, wenn ich Norrington verlassen würde, noch viel schlimmer als es jetzt ist, verstehst du?" Will schluckte schwer.
Es war nicht lustig, doch Will musste lachen. "Woher wusstest du, was ich sagen wollte?", fragte er nur.
"Ich kenne dich. Du bist durchschaubar, weil du von Grund auf ein guter Mensch bist, mein lieber Schmied. Ich meine, welcher dieser Menschen hier hätte Patrick aufgenommen? Nachdem er dich beklauen wollte?"
"Und später sogar beklaut hat.", murmelte Will. Erneut fühlte er den Schmerz der Enttäuschung, der ihn ins Herz stach. Mit knappen Worten berichtete er von der Kette. Jana nickte bedächtig.
"Macht der Gewohnheit, denke ich." Will nickte knapp. Doch er machte sich Sorgen. Schweigend gingen sie weiter und hatten kurz darauf schon das Anwesen des Kommodore erreicht. Behutsam gab Will das kleine Mädchen seiner Mutter zurück und verabschiedete sich von Jana und dem Baby. Doch ehe Jana die Türe erreicht hatte, wandte er sich nochmals um.
"Ihr könntet Port Royal verlassen. Wo anders ein neues Leben beginnen.", meinte er leise. Jana schüttelte den Kopf.
"Wo sollten wir hin? Ich wage es nicht, mit Nora jetzt eine lange Seereise zu unternehmen und alles andere wäre zwecklos. Ich müsste weit von ihm weg. Nein. Vielleicht begreift der Commodore eines Tages, dass er einen Menschen anders behandeln sollte… vielleicht, sieht er in Nora irgendwann das, was sie ist: sein eigen Fleisch und Blut." Damit drehte sie sich um und betrat das Haus. Will seufzte und ging zurück zur Schmiede. Er wollte Jana so gerne helfen. Doch wie, das wusste der junge Mann wahrlich noch nicht.

Als Will später nach Hause kam, schlich er leise in die Wohnung. Tatsächlich lag Patrick schon im Bett und schlief tief und fest. Rasch entkleidete sich Will und kroch ebenfalls unter seine Decke. Doch Schlaf wollte er keinen finden, vorerst zumindest.
Seine Gedanken wanderten ab, zurück zu den Ereignissen des Tages, zurück zu den Ereignissen der Vergangenheit und zurück zu den Worten, die Jana ihm vor einiger Zeit einmal gesagt hatte. Er würde einmal ein guter Vater sein. Seufzend rollte Will sich zusammen und steckte den Kopf unter den Arm. Jetzt war er ja fast schon ein Vater für Patrick… er hoffte nur, er würde den Jungen unter Kontrolle bringen. Er machte sich ernsthafte Sorgen um den Knaben.
Über all der Grübelei und dem Brüten über düsteren Gedanken, schlief Will am Ende doch ein.

"Warum, Jack!? Du hattest versprochen, uns zu beschützen!"
"Wo warst du nur, Jack?"
"Warum hast du uns verlassen?"
"Ich habe dir vertraut, Jack. Ich habe an dich geglaubt! All die Jahre war ich an deiner Seite und du verschwindest einfach so?"
"War alles nur eine Lüge?"
"Du hast dein eigen Fleisch und Blut verraten, Jack!"

Anamaria und Elizabeth kamen auf Jack zu. Schrammen und Blutspuren zeichneten sich in ihren Gesichtern ab, Blut klebte auf der Kleidung der beiden Frauen. Jede trug ein verschnürtes, winziges Bündel auf dem Arm. Blutiges Tuch umhüllte, was auch immer sie dort trugen.

"Sieh sie dir an! Sieh nur, was du getan hast! Sieh dir an, was du ihnen angetan hast!", schrieen ihn beide an und hoben ihm die blutigen Bündel entgegen. Jack wich zurück, doch die Wand hinderte ihn daran, weiter davonzulaufen. Ein Lachen erklang, dröhnte in seinen Ohren. Ein gutes Stück hinter Elizabeth schälte sich eine Gestalt aus dem Schatten. Es war Norrington und er hatte seinen Degen stoßbereit in der Hand.
Jack wollte die junge Frau warnen, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er wollte ihr helfen, doch seine Muskeln bewegten sich nicht. Hilflos und Tatenlos sah er mit an, wie sich das spitze Eisen in den Rücken der jungen Frau bohrte und an der Vorderseite wieder heraustrat, direkt unter ihrer linken Brust, blutüberströmt.
Erst jetzt, da es zu spät war, konnte Jack sich wieder bewegen und mit einem Aufschrei stürzte er sich auf den Kommodore. Norrington war augenscheinlich überrascht, denn er wehrte sich kaum gegen den Angriff. Innerhalb eines Atemzuges hatte Jack seinen Dolch tief in die Brust des Mannes gerammt. Ungläubig starrte Norrington auf die Hand, die den Griff des Dolches der aus seiner Brust ragte umfasst hielt. Jack riss die Waffe wieder heraus und der Mann vor ihm sank in die Knie. Der Dolch entglitt Jacks Hand und fiel scheppernd zu Boden, Blut spritzte von der Waffe auf den Untergrund.
"Jack", erklang ein leises Röcheln und als er auf den Sterbenden hinuntersah, blickten ihm zwei braune Augen entgegen. "Warum hast du mir das angetan?", fragte Will noch, ehe er seinen letzen Atemzug tat.
Jack wirbelte herum. Ein Zauber, ein Fluch. … ein übler Traum! Das alles konnte nicht wahr sein, doch er erwachte nicht! "Mörder!", kreischte Anamaria auf, doch sie meinte nicht ihn. Jack wirbelte erneut herum und sah gerade noch, wie Captain Blackrose der dunkelhaarigen Schönheit die Kehle durchtrennte. Blut quoll aus der Wunde. Jack stürzte hinüber, doch der Täter war verschwunden und es gelang ihm gerade noch den fallenden Körper abzufangen, ehe sie hart auf dem Boden aufschlug. Ausdruckslos starrten ihre Augen auf den Piraten, ihre Arme umklammerten noch immer das blutige Bündel.
Zögernd zog Jack ihre Hand beiseite und schlug das blutbefleckte Tuch auf. Doch wider Erwarten blickte er nicht auf einen Säugling. Blaugraue Augen starrten ihm entgegen und das Gesicht war unverkennbar. Es hatte sich schon vor langem in Jacks Seele gebrannt. Wer ihm dort entgegenstarrte, war der kleine Zack Hallvorden, dessen Bekanntschaft er auf Port Royal am Pranger gemacht hatte.
Rasch stand Jack auf und entfernte sich von Anamaria und dem Bündel. Dort lag nur der Kopf… der Rest des Jungen fehlte! Jack wurde schlecht. Da bewegten sich plötzlich die Lippen des toten Jungen. Mit einem Aufschrei taumelte Jack zurück, stolperte über den toten Will und wachte endgültig auf.

Jack blinzelte ein, zweimal und blickte sich irritiert um. Das Gewicht auf seiner Brust erschwerte ihm das Atmen und behutsam schob er Anamaria von sich herunter. Zu seiner Überraschung und seinem Erstaunen stellte der Pirat fest, dass sein Herzschlag völlig ruhig ging und er auch nicht schwer atmete. Er war einfach nur ruhig, entspannt. Das konnte doch eigentlich nicht sein! Nach dem Traum?! Oder hatte er nur geträumt, dass er schlecht geträumt hatte? Angesichts dieser Überlegung musste Jack schmunzeln.
Nein, es bestand kein Grund zur Sorge. Es war alles in Ordnung. Sie segelten auf direktem Weg zurück nach Tortuga, Anamaria lag neben ihm im Bett und schlief ganz ruhig, Elizabeth lag in der kleinen Kabine von Martin, dem Steuermann, Will war in Port Royal und vorerst noch in Sicherheit. Er musste sich um nichts und niemanden sorgen. Mit einem leisen Aufatmen rutschte Jack ein wenig auf die Seite und schloss erneut die Augen. Es war alles in bester Ordnung.

Doch bis Tortuga war es noch ein langer Weg und Jack wähnte sich wohl zu früh in Sicherheit!

Ein neuer Morgen begann. Glühend rot ging die Sonne auf, über Port Royal, über Tortuga und ebenso über dem karibischen Meer. Viele Augen blickten hinauf in die Sonne, Augen die einander kannten, Augen, die etwas teilten.

In einer Gasse mitten in Port Royal stand ein junger Mann und blickte hinauf in den dunklen Himmel, der sich nun mit den Farben des Sonnenaufgangs mischte. Seine braunen Augen wirkten traurig und seine Züge angespannt. Müdigkeit und Mattheit strahlte er aus, wie er dort stand, an die Mauer gelehnt, tief in Gedanken versunken. Ihm war, als würde die Zeit still stehen und die Sonne nicht weiter aufgehen. Es schien, als würde diese Nacht niemals wirklich enden wollen.

Auf Tortuga saß ein alter Mann in einem schwarzen Umhang vor einer kleinen Hütte im taufrischen Gras. Auf seinem Schoß lag ein breites Brett, darauf befand sich Pergament. Feine Linien zogen sich über die helle Oberfläche, doch nur zögernd entstand der Text. Die Gedanken, die ihn bewegten in sinnvolle Worte zu fassen, fiel im schwer.
Seufzend legte er die Feder beiseite und besah sich den bisherigen Brief, ehe er ihn zerknüllte und fort warf. Kopfschüttelnd hob er den Blick und betrachtete eine Weile die rote, runde Scheibe, ehe er einen neuen Bogen hervorzog und ein weiteres mal begann, die Worte aus seinen Gedanken auf Pergament zu bannen.

Mitten im Meer stand ein Mann an Deck eines kleinen Schiffes der Royal Navy. Kleidung und Perücke wiesen ihn als hohen Offizier aus, seine Haltung zeugte von Selbstsicherheit. Die Stimmung des Kommodore stieg mit jeder Minute, wusste er sich doch bald in der Sicherheit des heimatlichen Hafens. Auch wenn ungewiss war, was die Heimat bringen würde, war es ihm ein Anliegen, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu verspüren.

Durch das matte Glas der Scheiben blickten zwei Augenpaare aus einer Kabine auf den Sonnenaufgang draußen. Verträumt und müde, ruhig und fast sorglos betrachteten sie, wie die Sonne unaufhaltsam höher stieg.

Weit außerhalb der Piratensiedlung stand eine verhüllte Gestalt am Rande der Klippen und blickte hinaus aufs Meer. Die Person wirkte einsam und verloren, ganz so, als sollte sie eigentlich nicht hier sein. Und doch stand dieser Mensch dort, seit vielen Stunden schon. Allein, unbewegt, wie eine Statue und jedem Beobachter, der hier zufällig vorbei kommen mochte, musste einfach klar sein, dass die Gestalt wartete. Auf jemanden oder etwas, doch bestimmt nicht auf den Morgen, denn den Sonnenaufgang betrachtete sie ebenso teilnahmslos wie die Wellen, die unterhalb der Klippen an den Felsen zerschellten.

Weiter nördlich jedoch war ein Mann so gar nicht teilnahmslos. Den Sonnenaufgang betrachtete er vom Deck eines alten Schiffes aus voller grausamer Gier. Der glutrote Ball der Sonne tauchte auch das Meer in ein tiefes rot. Blutrot waren die Schaumkronen auf den Wellen. Der Mund des Mannes verzog sich zu einem grausamen grinsen. Verächtlich stieß er mit dem Fuß gegen den Körper, der zu seinen Füßen lag. Ein lebloser Körper.
"Wie schön, dass der Sonnenaufgang so gut zu meiner Stimmung passt.", meinte er mit kalter Stimme. "Werft den Kerl über Bord. Sollen die Haie noch ihren Spaß mit ihm haben. Und dann nehmen wir ordentlich Fahrt auf! Hart Steuerbord. Wir gehen auf die Jagd!" Ein laute Grölen und Jubeln brandete nach seinen Worten auf. Zufrieden grinsend stieg Duncan Blackrose über den verstorbenen Offizier hinweg und zog ein Fernrohr hervor. Mit dem geschulten Blick eines erfahrenen Jägers suchte er den Horizont ab, auf der Suche nach einer guten Prise (Bezeichnung für ein aufgebrachtes feindliches Schiff oder allgemein eine Beute von Piraten).

"Guten Morgen!" Patricks fröhliche Stimme riss Will aus seinen Gedanken. Er erwiderte den Gruß und beobachtete den Jungen dabei, wie er sich etwas zum Frühstück richtete. Will hatte schlecht geschlafen und war noch vor Sonnenaufgang aufgewacht. Er war müde, doch die Arbeit rief und konnte nicht warten.
"Gut geschlafen?", wandte er sich an Patrick, als dieser am Tisch Platz genommen hatte. Der Junge nickte
"Wie ein Stein. Danke."
"Das freut mich." Schweigen legte sich über den Tisch. Nach einer Weile räusperte sich Will. "Ich habe dich gestern beobachtet, als du mit Nora gespielt hast.", meinte er in beifälligem Tonfall. Patrick schluckte und blickte Will skeptisch und abwartend an. "Ich war überrascht, wie gut du mit ihr umgegangen bist. Hast du da Erfahrung?" Fragend blickte Will den Jungen an, doch dieser schwieg verbissen und starrte auf die Tischplatte. "Patrick?" Vorsichtig setzte Will sich auf und beugte sich ein wenig zu dem Jungen vor, wollte ihm die Hand auf die Schulter legen. Doch der Knabe wich seiner Berührung aus.
Irritiert beobachtete Will seinen Schützling. Scheinbar hatte er etwas ziemlich falsches gesagt. "Patrick.", sprach er ihn abermals sanft an. Patrick schüttelte knapp den Kopf, und hielt den Blick weiterhin gesenkt. "Was ist denn los?", versuchte Will es erneut.
"Auch auf der Straße gibt es kleine Kinder.", meinte Patrick schließlich und räusperte sich. Er war sichtlich bemüht, sich wieder normal zu verhalten, doch Will entging nicht, dass die Augen des Jungen ein verräterisches Glänzen aufwiesen. Er hatte offensichtlich gerade Salz in eine tiefe Wunde gestreut, doch nahm sich der Schmied vor, den Knaben nicht weiter zu bedrängen. Sie würden ein anderes Mal darüber reden, zumindest hatte er das vor.

Der Tag hatte nicht sonderlich gut begonnen. Anamaria fühlte sich nicht wohl, sie war etwas gereizt. Jack streunte voller Sorge ständig um sie herum, obgleich die Frau des öfteren beteuerte, dass er sich keine Sorgen machen müsse, es sei ihr bekannt, dass die Schwangerschaft mit Unwohlsein und Übelkeit einhergehen konnte. Auch Elizabeths Bestätigung, dass sie sich auch manchmal nicht wohl fühlte, vermochte nicht, Jack die Sorgen zu nehmen.
Vormittags zogen dann auch noch dunkle Wolken auf und trübten die Stimmung der Besatzung. "Gib doch das Kommando für ein paar Stunden ab und leg dich hin." Den Satz hatte Anamaria in den wenigen Stunden seit Sonnenaufgang wohl schon ein Dutzend Mal gehört. Entnervt schüttelte sie auch dieses Mal den Kopf. Jack seufzte. "Na gut.", meinte er nur, ließ die verhältnismäßig blasse Frau jedoch keine Minute aus den Augen.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und der Wind frischte auf. Klar und deutlich hallte Anamarias Stimme über Deck, als sie befahl, das Großsegel einzuholen, damit sich der Wind nicht fangen konnte. Die heftigen Böen hätten sonst wohl den Verlust des Segels bedeutet.
Jack war so gar nicht wohl, doch er vermochte nicht zu sagen, woran genau seine schlechte Stimmung lag. Er schob es einfach auf Anamarias üble Laune und die Wolken, doch die Ahnung einer bevorstehenden Gefahr blieb und er war nicht der einzige, der Gefahr witterte.

Langsam schleppten sich die Stunden dahin.

Besorgt blickte Will aus dem Fenster der Schmiede. Das Wetter war schlechter geworden und noch immer war Patrick nicht nach Hause zurückgekehrt. Der Junge hatte morgens um Erlaubnis gebeten, einen Spaziergang durch Port Royal unternehmen zu dürfen. Wills Bitte "Pass auf dich auf.", hatte er nur lachend abgetan und geantwortet, dass er dort draußen aufgewachsen war. Mit den Worten "Mir passiert schon nichts" hatte der Junge die Türe hinter sich geschlossen.
Doch nun war es bereits Mittag und Patrick war noch nicht zurückgekehrt. Einen Moment dachte Will daran, dass er sich nicht so viele Sorgen machen sollte. Schließlich war Patrick kein kleines Kind mehr. Doch erwachsen war er eben auch noch nicht und Will fühlte sich verantwortlich für den Jungen.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Der Wind draußen konnte ihm in der Schmiede keine Linderung verschaffen und doch konnte Will sich jetzt keine Pause gönnen. Wenn der Wind stärker wurde, würde er bald das Feuer löschen müssen, um nicht zu ersticken, denn der Rauch würde dann durch den Schornstein zurück in die Schmiede gedrängt werden.
Der Schmied legte sein Werkzeug schließlich doch beiseite und trat hinaus auf die Straße. Die Leute, die sich noch draußen aufhielten, waren dringendst bestrebt, ihr Haus zu erreichen. Heftig zerrte der Wind an seiner Kleidung. Will seufzte und kopfschüttelnd ging er wieder hinein. Den Impuls, loszuziehen und den Jungen zu suchen, unterdrückte er. Schließlich konnte Patrick überall sein, es war wohl kaum realistisch, dass er ihn so einfach fand. Am Ende ergab er sich der Situation und arbeitete weiter.

Es pochte laut an der Türe. Will ließ den Hammer sinken. "Herein!", rief er in Richtung Eingang, doch anstatt die Türe zu öffnen und einzutreten, pochte die Person vor der Türe erneut heftig gegen das Holz. Will schüttelte den Kopf und ging - den Hammer noch immer in der Rechten - zur Tür um aufzumachen. "Was ist denn?", maulte er ein wenig unfreundlich nach draußen, doch was er erblickte, verschlug dem jungen Mann sofort die Sprache.

Vor ihm stand Patrick, den Blick gesenkt, mit hängenden Schultern. Sein Gesicht wurde von einem großen Veilchen über dem linken Auge entstellt und eine kleine Platzwunde war an der linken Schläfe zu erkennen. Die Hände des Knaben steckten in schweren, eisernen Handschellen. Hinter Patrick standen zwei Soldaten und blickten Will mit einer Mischung aus Missbilligung und Triumph an. "Er sagt, er gehört zu euch, aber wir gehen davon aus, dass der Knabe lügt."

Will war wie vor den Kopf geschlagen. Völlig perplex blickte er von einem zum anderen, unfähig, zu begreifen, was ihm seine Augen zeigten. Er schüttelte langsam den Kopf. "Nein, nein… das ist wahr. Er lebt hier bei mir.", meinte er langsam. Vorsichtig legte er den Zeigefinger unter Patricks Kinn und versuchte, das Gesicht des Jungen nach oben zu drücken. Er wich ihm aus. "Was… was soll das. Warum ist der Junge so übel zugerichtet? Wer hat ihm das angetan?" Wills Stimme bebte.
"Ein Straßenköter hat keine Rechte und verdient keine bessere Behandlung.", presste einer der beiden Männer knapp hervor.
"Straßenköter?", brauste Will auf. "Er ist ein Mensch, ein Junge und kein Straßenköter!" Die beiden Männer lachten.
"Sir, es bringt nichts, denen zu helfen. Es ist zwecklos. Man sollte sie einsammeln und fortschaffen. Ausschiffen, oder in die Minen bringen, damit diese kleinen Biester sich auch mal nützlich machen." Will packte den Mann am Hemdkragen und funkelte ihn wütend an.
"Er macht sich nützlich. Der Junge arbeitet hier.", zischte er. "Lasset ihn frei. Das ist kein Straßenköter."
"Das ändert nichts daran, dass er ein Dieb ist.", erwiderte der andere triumphierend und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt. Unten am Marktplatz. Da er sich nicht freiwillig stellen wollte, mussten wir Gewalt anwenden." Will schluckte hart. Patrick hatte nun die Schultern hochgezogen und den Kopf noch tiefer gesenkt. Schuldbewusst harrte er des Donnerwetters. Doch Will sparte sich die Worte, die ihm in den Sinn kamen. Seufzend nickte er und blickte die Männer schließlich an.
"Na schön. Wie groß ist der Schaden? Ich werde es bezahlen.", meinte er matt. Die Soldaten lachten.
"So geht das nicht. Er wurde schon oft beobachtet und sein Gesicht ist wohl bekannt. Das Bürschchen wandert ins Gefängnis. Widerholungstäter können keine Gnade erwarten.", meinte der eine ruhig. Will starrte die Männer an.
"Gefängnis? Das ist ein Kind! Er hat doch in so einem Loch keine Aussicht auf ein Überleben!", meinte er entsetzt. "Bitte. Er ist doch noch so jung! Ich zahle den Schaden, den er verursacht hat,… das Kind hat doch eine Chance verdient.", versuchte er den beiden ins Gewissen zu reden. Doch die Soldaten ließen sich nicht beirren. Wills Faust schloss sich noch fester um den Hammer, seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Der Gedanke schlich sich in seinen Kopf, dass er die beiden einfach erschlagen sollte. Doch er hatte seine Wut gut im Griff. "Ihr könnt kein Kind ins Gefängnis sperren. Das ist unrecht!", beteuerte der junge Mann erneut.
"Wollen sie statt dem Jungen ins Gefängnis?" Der größere der beiden Soldaten blickte Will herausfordernd an. Dieser stockte. Wie weit ging seine Zuneigung zu dem Jungen? Doch ehe er antworten konnte, ließ Patrick ein schwaches "Nein!" vernehmen. Der Soldat schüttelte ihn heftig an der Schulter, schon dieser Anblick ließ Will erneut kochen. "Was hast du gesagt, du Ratte?"
"Nein. Er hat nichts damit zu tun. Ich habe gestohlen, nicht Will.", gab Patrick zurück, den Blick noch immer gesenkt.
"Los jetzt.", murrte der Soldat und rempelte Patrick hart an.
"Einen Moment!", rief Will und verschwand in der Schmiede. In Windeseile landeten Schmiedeschürze, Handschuh und Hammer auf einem Haufen und noch ehe die Soldaten fragen konnten, was los sei, stand er wieder bei ihnen. "Ich komme mit." Erklärte Will bestimmt. Die Entschlossenheit in seiner Stimme und seinem Blick ließen die Soldaten zögern.
"Wozu?", fragte schließlich der kleinere nach. Kälte lag in Wills Blick, als er den fragenden musterte.
"Erstens will ich sichergehen, dass diese Wunden versorgt werden, ehe er in dieses Drecksloch gesteckt wird, zweitens werde ich darauf achten, dass er nicht noch mehr Beulen und Prellungen auf dem Weg ins Gefängnis bekommt und außerdem werde ich mit dem Gouverneur reden. Das kann einfach nicht ohne weiteres passieren, dass ein Kind ins Gefängnis gesteckt wird.", gab Will in einem Tonfall zurück, als wäre es das normalste der Welt, dass kleine Straßendiebe mit Samthandschuhen anzufassen waren.
Die Soldaten wagten nicht, dem Schmied zu widersprechen. Sollte sich doch der Gouverneur mit dem Mann herumschlagen. Ihre Aufgabe war es schließlich nur, die Verbrecher festzunehmen.
Sanft legte er dem Knaben die Hand auf die Schulter. Patrick zuckte unter der Berührung zusammen, voller Angst. "Komm.", meinte Will sanft und mit behutsamem aber bestimmtem Druck führte er seinen verhafteten Schützling die Straße entlang, flankiert von den beiden Soldaten, die jeden seiner Schritte genauestens beobachteten, als würde er mit dem Jungen jederzeit einen Fluchtversuch wagen.

Tatsächlich hatte Will durchgesetzt, dass die Platzwunde an Patricks Schläfe versorgt wurde. Auch auf dem Weg zur Zelle wich der Schmied nicht von der Seite seines Schützlings und hinderte die Wachen somit daran, den Knaben zu grob herumzustoßen. Patrick landete zum Glück in einer kleinen Zelle, in der sonst noch niemand war. Das beruhigte Will nun doch, denn er wollte gar nicht daran denken, was die richtigen Verbrecher mit dem Jungen anstellen würden, wenn sie ihn in die Finger bekamen.
Die ganze Zeit über hatte Patrick eisern geschwiegen. Was hätte er auch sagen sollen? Nichts konnte den Schaden aus der Welt schaffen, den er angerichtet hatte, auch wenn es ihm wirklich Leid tat. Er konnte selbst nicht so recht begreifen, warum er gestohlen hatte. Schließlich fehlte es ihm bei Will an nichts. Doch unten am Hafen, auf dem Markt hatte sein altes Leben wieder nach ihm gegriffen und ehe er es selbst recht begriff war seine Hand schon blitzschnell in die Tasche einer älteren Dame geglitten und hatte den kleinen Lederbeutel mit den Münzen fest umschlossen.
Die schwere Eisentüre fiel krachend ins Schloss und mit lautem Klacken des Schlosses sperrte der Wächter ab. Patrick hockte sich auf den Boden, legte die Arme um die Knie und steckte den Kopf zwischen die Ellenbogen. Will betrachtete ihn noch einen Augenblick, ehe er sich abwandte. "Es tut mir leid.", vernahm er die zaghafte Stimme des Jungen in seinem Rücken. "Mir auch.", flüsterte Will, als er die Türe durchschritt.

"Das kann unmöglich euer letztes Wort sein!" Will schritt in dem Raum auf und ab. Er war sichtlich aufgebracht. Weatherby Swann saß in seinem Sessel und beobachtete den jungen Mann. Er schüttelte den Kopf und seufzte erneut.
"Mir sind die Hände gebunden!", meinte er schließlich. "Ich kann nicht anfangen Diebe zu begnadigen, weil sie sich ändern wollen. Da könnte ja jeder kommen!" Will ballte abermals die Hände zu Fäusten. Nur mühsam zügelte er sein Temperament, denn am liebsten hätte er den Mann dort in seinem Sessel angebrüllt.
"Die Hände gebunden?", zischte er stattdessen. "Ihr seid der Governeur von Port Royal, es steht euch frei, Verbrecher zu begnadigen!"
"Und wer garantiert mir, dass dieser Dieb nicht auszieht und den nächsten Passanten bestielt?" Will legte den Kopf in den Nacken und schluckte den Ärger hinunter.
"Ich bürge für ihn.", erklärte er fest. "Er wird es nicht noch einmal tun. Das war ihm gewiss eine Lehre. Wenn er tatsächlich noch einmal ein Verbrechen begeht, steckt mich zusaammen mit ihm in die Zelle. Dann sollen wir beide dort drin verrotten." Bittend sah er den Gouverneur an. Der alte Mann jedoch schüttelte erneut den Kopf.
"Mein lieber Junge, was redet ihr? Bürgen für einen Verbrecher? Ebenso gut könntet ihr euch gleich selbst die Schlinge um den Hals legen!" Will trat an den Tisch und schlug mit beiden Fäusten auf die dunkle Platte. Seine Augen funkelten und blitzten förmlich, als er den Gouverneur über den Tisch hinweg anstarrte.
"Ich bin nicht euer lieber Junge, Governeur Swann. Ich bin längst kein Junge mehr. Dieser ach so schreckliche Verbrecher, der in einer dreckigen Gefängniszelle verrotten soll, DAS ist ein Junge und sein Name ist Patrick. Er lebt bei mir, ich habe ihn aufgenommen. Ihr habt mir Elizabeth genommen, nehmt mir nicht auch noch den Jungen."
Das hatte gesessen. Will hatte seine Worte ruhig hervorgebracht, doch sie trafen den alten Mann mit aller härte. Weatherby Swann schluckte schwer. Er blinzelte ein, zweimal, ehe er tief Luft holte.
"Vielen Dank, Mister Turner. Eure Bitte wurde angehört und abgelehnt. Bitte verlasst diesen Raum.", meinte der Gouverneur trocken.

Will biss die Zähne hart aufeinander. Ein Muskel in seiner Wange zuckte, ebenso seine Hände. Schließlich richtete er sich auf und nickte knapp. "Guten Tag, Governeur Swann."
Die Türe fiel krachend ins Schloss, noch ehe der Gouverneur etwas erwidern konnte.

Das Wetter hatte sich weiter verschlechtert. Dicke Tropfen prasselten aus den schwarzen Wolken herunter, ein heftiger Wind fegte durch die Straßen und inmitten der schwärze zuckten grelle Blitze über den Himmel. Das triste und aufgewühlte Wetter passte nun geradezu perfekt zu Wills Stimmung. Er war wütend.
Wütend auf sich selbst, weil er nicht besser auf den Knaben acht gegeben hatte, wütend auf den alten Gouverneur, der so uneinsichtig darauf bestand, dass Patrick für seine Taten bestraft werden musste, wütend auch auf Patrick, weil dieser überhaupt wieder geklaut hatte...
Will wusste sich nicht zu helfen, er musste sich dringend abreagieren, doch machte es bei diesem Wetter keinen Sinn, seinem Beruf nachzugehen, denn der Wind war längst zu stark geworden und drückte den Rauch nun zurück in den Kamin, somit konnte Will gerade kein Feuer machen. Und Schmieden ohne Feuer ging bekanntlich auch nicht. Schließlich schüttelte Will den Kopf und rannte los. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, der Wind zerrte an seiner Kleidung, doch das war Will egal. Er brauchte jetzt das Meer.

Ohne weiter darüber nachzudenken rannte Will durch Port Royal, bis er endlich die Häuser hinter sich lassen konnte und weiter, bis er nach kurzem eine kleine Bucht erreichte. Da das Wasser hier zu seicht war für größere Schiffe war die Bucht für den Hafen ungeeignet und bei diesem Wetter lag sie verlassen und einsam vor dem jungen Schmied.
Will wusste sich alleine, unbeobachtet und endlich brüllte er sich seinen Frust von der Seele. Mit lauter Stimme schrie er gegen den Wind an, der ihm die Worte förmlich von den Lippen riss. Es tat ihm gut, sich endlich Luft zu machen, einem imaginären Governeur Swann das entgegen zu schleudern, was er sich nicht erlauben durfte. Nach einiger Zeit sank Will schwer atmend und entkräftet zu Boden. Er schlang die Arme um seine Beine, stützte den Kopf auf die Knie und starrte hinaus aufs Meer. Der unsäglich starke Wunsch, endlich wieder auf einem Schiff zu stehen, anstatt in der Schmiede, ergriff sein Herz. Will seufzte leise. "Jack!", flüsterte er matt vor sich hin. "Wo bist du nur?"

Jack war noch immer damit beschäftigt, Anamaria endlich von Deck zu schaffen. Ihre verhältnismäßig blasse Gesichtsfarbe gefiel ihm so gar nicht und Wind, Wellen und Regen, die auf das Schiff einpeitschten waren ihrer Gesundheit nun wahrlich nicht zuträglich. "Jack, zum letzten Mal: ich bin hier der Captain und ich werde mein Schiff bei diesem Wetter nicht unter ein anderes Kommando stellen! Du solltest das doch eigentlich wissen.", meinte sie ruhig. Jack nickte schließlich.
"Ich werde mal nach Elizabeth sehen. Sei vorsichtig.", meinte er und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Stirn. Anamaria nickte.
"Bin ich doch immer.", gab sie zurück. Jack verkniff sich einen Kommentar und marschierte zur kleinen Kajüte des Steuermanns, wo er Elizabeth wusste. Die junge Frau hockte in der Kajüte auf dem Bett und auch sie war reichlich blass. Jack trat ein und betrachtete sie nachdenklich.
"Alles in Ordnung?" Elizabeth nickte schwach. Doch ihr Gesicht zeigte nur zu deutlich, dass ihr nicht wirklich wohl war. "Das wird wieder. So ein Wetter dauert ja nicht ewig.", meinte Jack sanft. Elizabeth seufzte laut.
"Warum konnte dieses Unwetter nicht noch ein paar Tage warten? Zumindest so lange, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben?", murrte sie vor sich hin. Jack grinste schief.
"Nicht ganz seetauglich, Mylady?" Für seinen dummen Kommentar erhielt er jedoch nur einen reichlich giftigen Blick. Rufe erklangen vom Ausguck, doch Jack verstand nicht recht, was gerufen wurde. Er nickte Elizabeth kurz zu und eilte wieder an Deck.

"Schiffe voraus! Kanonefeuer!", schrie der Posten im Ausguck erneut. Ein kalter Schauer jagte Jacks Rücken hinab und er eilte sogleich zu Anamaria, die am Bug der Broken Heart stand und mit einem Fernrohr in die Ferne blickte. Noch ehe er sie erreicht hatte, hallten bereits ihre Befehle über Deck.
"Martin! Hart Steuerbord! Bring uns Längseits zu den beiden Schiffen in Position. Wir greifen in die Schlacht ein. Wenn wir näherkommen, rafft bei 2 Seemeilen das Rahsegel. Ich will sie nicht verfehlen!" Sie drehte sich um und erblickte Jack, der nun auch bei ihr angekommen war. Anamaria drückte dem Piraten das Fernrohr im Vorbeigehen in die Hand. "Jack.", meinte sie leise und verließ das Vorderdeck noch ehe er fragen konnte, was los war. Irritiert blickte er ihr nach.
Rasch hob Jack das Fernrohr und suchte nach den Schiffen. Tatsächlich fand er schnell die beiden Schiffe, die trotz des heftigen Sturms eine erbitterte Seeschlacht führten. Rausch stieg auf und wurde sofort vom Wind erfasst und verwirbelt. Das Blitzen der Kanonen zeigte, dass die beiden Schiffe unerbittlich aufeinander feuerten. Doch als das größere der beiden Schiffe für einen Moment von einer hohen Welle emporgehoben wurde, blieb Jack beinahe das Herz stehen. Er fühlte sich, als würde ihm das Blut in den Adern gefrieren.

"Die Greyhound!", stieß er leise hervor. "Verdammt!"


Tadaaa! Ja, ich habe lange gebraucht, ich hoffe, die Warterei hat sich gelohnt. Zwei Anmerkungen: Ich habe jetzt beschlossen, das Rating für Greyhound auf R zu heben, dann muss ich nicht mehr so aufpassen, wie genau meine Beschreibungen werden dürfen. (Jacks Albtraum hat übrigens keinen tieferen Sinn… der entstand nachts um halb 4 … alles klar, oder? o ) Und: ICH HABE ES GESCHAFFT!!!!!!!
Dort vorne ist die Greyhound!!! Ich hab ja nur 25 Kaps gebraucht, um die Schiffe endlich zusammen zu bringen. g

Die Black Pearl is übrigens schon noch da. Dazu komme ich im nächsten Kap. Die Doppelschwangerschaft möge mir bitte verziehen werden. Bei Jack und Anamaria musste es ja so kommen und dass Lizzy auch schwanger ist… na, ich wollte Will sein Kind endlich mal gönnen. g (nachdem ich ihm Patrick wieder genommen habe…)

So, ich hoffe, ihr reviewt wieder fleißig. Je mehr Reviews eintrudeln, desto schneller schreib ich, das kann ich euch garantieren. g Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, scheut euch nicht, mich anzumailen. Ich beiße (normalerweise) nicht. ggggg

So, nun zu den lieben Reviews, die auf das letzte Kap hin eintrafen:

Manu2211: lööl und ich bin absoluter Cliffhanger-Fan Nun aber mal im Ernst: Das Kap muss irgendwoe enden und wenn ich ihre Antwort noch hinzugenommen hätte, wär das ja wieder ewig geworden... (siehe dieses Kap). Vielen Dank für dein Review. Ich hoffe, dir gefällt dieses Kap auch wieder!

Brigitte: Jepp, sorry, dass es so gedauert hat... aber mehr als Schreiben kann ich ned. Na, wie gesagt... Norrie ist pure Ansichtssache und ich mag ihn nicht. hüstel Und nu is es auch schon zu Spät... so wie ich ihn gestaltet habe, wird der nimma normal. Kleine Familie kommt sofort. g Und die Greyhound liefere ich hier ja auch schon. Ich hoffe, du bist zufrieden! H/C... na, mal sehen. ich weiß es noch ned genau. Danke für dein Review!!

Mary Hawk: Das freut mich, zu hören! Na, macht ja nichts... hauptsache, ich merke noch, dass jemand die Story liest! Hoffe, dieses Kap gefällt dir... ach ja und dass du die Story liebst ist ein ganz tolles kompliment! Danke dafür!

Amnesia: Hallo! Ups.... rennt los und holt Patrick zurück Nene, ich mag den kleinen selbst total gerne. Er wird gewiss nicht umkommen! Vielen Dank für deine Komplimente... es freut mich sehr, dass du die Story so komplex und toll findest! Ich gebe mir auch wirklich Mühe damit! Will wird wirklich noch lange in dem Glauben leben müssen, dass seine Liebste tot ist... ich weiß, ich bin böse! schäm Danke fürs Reviewn und ich hoffe, ich les dich wieder hier!

Bloody Mary Read: Vielen Dank für dein Lob, freut mich sehr!! Sorry, ich dachte, das hätt ich mal wo erklärt?? Mein Fehler! Kiel holen: 1. Das Schiff an Land bringen und auf die Seite legen, um den Rumpf von Krebschen und anderem zu befreien, fehler auszubessern und ähnliches und 2. (die Bedeutung, die ich hier benutze) Ein Besatzungsmitglied an einem langen Tau unter dem Schiff hindurchziehen, Bestrafungsmethode, die nicht selten tödlich endete. Hoffe jetzt is alles geklärt. Sorry, dass es wieder so lang gedauert hat mit dem Kap.... ich werde mich noch mehr reinknien!

Sparky-Lemon: rotwerd Ich danke vielmals für dein Review... das hat gut getan. Aber Perfekt bin ich noch lange nicht. Es freut mich sehr, dass du die Story so gut findest. zum Thema BP und Meuterei: das war ned meine Schuld, da sind die Figuren wieder außer Kontrolle geraten und ich hatte gewiss nicht die Absicht ABER: Jack und Anamaria wären nicht zusammengekommen, wenn beide auf ihren Schiffen geblieben wären... Er wird seine Nussschale schon wiederbekommen, versprochen! Nochmals vielen Dank für dein Review, ich hoffe, du lässt ab und an wieder was von dir hören!

Ich hoffe, das nächste Kap kann ich schneller liefern.