Kapitel 2:
Erst auf dem Bett ließ er sie wieder herunter. „Ich wusste gar nicht, dass du so stürmisch sein kannst", kicherte Elisabeth amüsiert. „Ich kann noch viel stürmischer sein, Liebste", entgegnete er, während er sich zu ihr herunterbeugte und ihren Hals küsste. Lizzie wurde mit einem Male bewusst, wieso er sie hierher gebracht hatte, und sie errötete leicht, während auch ihre Angst und ihre Nervosität wiederkehrten. Ihre Hände wurden feucht und sie wich leicht zurück.
Darcy bemerkte sofort die erneute Unsicherheit seiner Gattin. Er spürte ihre Angst und, da er ein Gentleman war und vor allem seine Lizzie niemals verletzen könnte, entschloss er sich, ihr soviel Zeit zu lassen, wie sie brauchte, um ihre Furcht zu überwinden. So gab er ihr noch einen kurzen Kuss auf die Lippen und erhob sich dann, um zum Fenster zu gehen. Er blickte hinaus in die weiße Schneelandschaft und versuchte seine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Er liebte Lizzie zu sehr, um noch lange die Kontrolle über sich zu bewahren, und er wünschte es sich, wie kaum etwas anderes, sie endlich im vollständigen Sinne zu seiner Frau zu machen. Aber dann war da auf der anderen Seite Lizzies Unsicherheit und Furcht und die Idee, etwas zu machen, was sie nicht wollte, wovor sie Angst hatte, quälte ihn so sehr, dass er es einfach nicht übers Herz brachte, mit seinen Handlungen von eben fortzufahren.
Lizzie hatte mit Erstaunen beobachte, wie ihr Ehemann sich von ihr zurückgezogen hatte und zum Fenster gegangen war. Erst hatte sie einen Moment geglaubt, sie habe irgendetwas falsch gemacht, so dass er kein Interesse mehr an ihr hätte. Dann aber sah sie, wie er sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf der Fensterbank aufstützte, so dass die Hände sich weiß färbten. Da wusste sie, dass er um Kontrolle rang. „Aber wieso?", fragte sie sich im Stillen. Schließlich war sie seine Gattin und er brauchte sich doch bei ihr nicht zu verstellen. „Was ist los, Fitzwilliam?", wollte sie irritiert wissen. Manchmal hatte er schon komische Stimmungsschwankungen haben, dass man überhaupt nicht verstehen konnte, was gerade mit ihm los war.
„Am besten du gehst jetzt ins Bett, es war ein langer Tag", war Darcys knappe Antwort. „Aber ich bin doch schon im Bett", erwiderte Lizzie verwundert.
„Ich meinte: In dein Bett." Einige Sekunden fühlte Lizzie nur Wut über diese beleidigenden Worte ihres Ehemanns und wäre sie nicht so überrascht von seinen Worten gewesen, sie hätte ihn gewiss angefaucht, aber so war sie zu überrannt, um überhaupt etwas zu sagen. Schließlich meinte sie, bemüht beherrscht, doch mit deutlich verletztem Unterton: „Ich würde viel lieber die Nacht bei dir verbringen, Fitzwilliam. Wir sind doch jetzt verheiratet." „Lizzie, geh jetzt bitte. Ich will dir nicht wehtun", entgegnete Darcy ohne sich zu ihr umzudrehen. Seine Stimme bebte bei diesen Worten und Lizzie konnte sehen, wie schwer es ihm fiel, diese Worte hervorzubringen.
Das war also, was ihn beunruhigte. Er hatte ihre Unsicherheit und ihre Angst bemerkt und befürchtete nun, gegen ihren Willen zu handeln und sie zu verletzen, wenn er sich ihr näherte. Leise stand Lizzie auf und schlich zu ihrem Gatten. Als sie direkt hinter ihm stand, strich sie ihm zärtlich durchs Haar und flüsterte: „Ich weiß, dass du mir niemals weh tun könntest, Fitzwilliam." Er zuckte ob ihrer Berührung und ihrer Worte spürbar zusammen. „Bitte, Elisabeth...", begann er, brach aber ab, als sie ihre Arme vertrauensvoll um seinen Hals schlang und hauchte: „William, ich liebe dich und ich vertraue dir. Du wirst mir nicht wehtun!"
Darcy konnte seine abweisende Haltung nicht mehr aufrechterhalten, sie hatte ihn noch nie William genannt. Mit einem Mal war alle seine Selbstbeherrschung vergessen: Er drehte sich zu seiner Gattin um und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. „Ich liebe dich", bekannte er ihr zwischen Küssen, „Aber ich will nicht, ...dass du es bereust. Ich habe mich nicht unter Kontrolle. Lizzie, ich kann mich nicht mehr zurückhalten." „Das musst du doch auch gar nicht", entgegnete Lizzie, „ich will in jeglichem Sinne deine Ehefrau sein, verstehst du?"
Darcy verstand durchaus, erinnerte sich aber immer noch an den furchtsamen Blick, den er erst vor einigen Minuten in ihren Augen gesehen hatte. Er zog sich etwas von ihr zurück und begnügte sich damit, die Locken zu streicheln, welche ihr ins Gesicht gefallen waren. „Warum hast du Angst vor mir?", erkundigte er sich, während er sie liebevoll musterte. Einen Moment lang blickte Lizzie auf den Boden, dann jedoch zwang sie sich ihrem Gatten in die Augen zu sehen: „Ich habe keine Angst vor dir!" „Blödsinn!", bemerkte dieser, „ich kann dir doch an der Nasenspitze ansehen, dass du lügst, also was macht dir an mir solche Angst? Ich dachte immer, ich wäre immer liebevoll und aufmerksam dir gegenüber gewesen, aber vielleicht habe ich mich da ja getäuscht." Seine Stimme klang verletzt, wenn er auch versuchte seine Worte möglichst unbeteiligt klingen zu lassen. „Du hast nichts falsch gemacht, Fitzwilliam", versicherte Lizzie ihrem Mann, während sie zärtlich mit ihren Fingern seine Gesichtskonturen nachzeichnete, „es ist auch nicht so, dass ich mich vor dir fürchte oder so, ich bin einfach nur ein bisschen aufgeregt und nervös. Aber das ist wohl normal, denke ich." Sie versuchte möglichst mutig und unberührt zu klingen, aber das leichte Beben ihrer Stimme verriet ihre wahren Gefühle.
„Lizzie, ich kann dir so viel Zeit geben, wie du brauchst", gab Darcy seiner Ehefrau zu verstehen, „du sollst dich zu nichts verpflichtet fühlen." „Ich fühle mich zu nichts verpflichtet, ich will die Nacht mit dir verbringen. Ich fürchte nur, dass ich etwas falsch mache und dir nicht das geben kann, was du dir wünschst. Ich will dich so gerne glücklich machen." „Du hast mich schon damit unendlich glücklich gemacht, dass du zugestimmt hast, mich zu heiraten. Und ich bin mir sicher, dass du mich sehr glücklich machen wirst", bekannte Darcy. Er betrachtete sie einen Augenblick und fragte dann geduldig und sanft: „Hast du immer noch Angst, Elisabeth?"
„Ja," gab Lizzie ohne Umschweife zu, „aber", mit diesem Wort hob sie ihren Kopf zu ihm empor, so dass ihre Lippen nur Millimeter von seinem Ohr entfernt waren, „ich habe einmal gehört, dass Konfrontation die beste Art ist, Angst und Furcht zu bewältigen, und außerdem bin ich nicht bereit mich so leicht einschüchternd zu lassen, zumal ich weiß, dass du nicht den ganzen Weg mit mir hierher gefahren bist, um mich zu erschrecken." Angesichts des Vertrauens, das seine Gattin in ihn hatte, und der Erinnerung an eine Unterhaltung mit etwa denselben Worten gab Darcy schließlich seinen Gefühlen nach. „Ich liebe dich, Elisabeth und werde ganz vorsichtig sein", flüsterte er in ihr Ohr, bevor er ihren Hals mit Küssen bedeckte.
Lizzie ließ ihren Ehemann gewähren und langsam schmolz angesichts seiner Zärtlichkeit ihre Furcht und ihre eigene Leidenschaft wurde geweckt. Auf dem Weg zum Bett löste sie mit zittrigen Fingern den Knoten seiner Krawatte und streifte seine Weste ab, er hingegen machte sich an den Knöpfen ihres Kleides zu schaffen. Bevor er jedoch ihr Kleid abstreifte, fragte er noch einmal nach, ob sie bereit sei.
Nervös befeuchtete Lizzie mit der Zunge ihre Lippen, nickte aber und lächelte ihn unsicher, aber zuversichtlich an. „Es wird einen Augenblick wehtun, Lizzie, aber ich werde ganz sanft sein, dir wird nichts geschehen", versicherte er ihr mit rauer Stimme. Erst als sie erneut ihre Zustimmung beteuerte, zog er ihr das Kleid über den Kopf.
Als Darcy am nächsten Morgen aufwachte, war das Erste, was er wahrnahm, dass er Lizzies warmen Körper nicht mehr neben sich spürte. Eine Welle der Enttäuschung überwältigte ihn. Wieso hatte sie ihn nur verlassen? War sie etwa heute Nacht noch in ihr eigenes Schlafzimmer gegangen? Und wenn ja, wieso?
Langsam öffnete er die Augen und schaute sich in seinem Schlafzimmer um. Und da sah er sie, seine Ehefrau: Sie hatte sich die Bettdecke um den Körper gewickelt und stand am Fenster und betrachtete den Sonnenaufgang über den Wäldern Pemberleys. Sie war ein Bild der Ruhe und des Friedens und Fitzwilliam legte sich zufrieden zurück und genoss eine Weile lang nur den Anblick, den seine Ehefrau darbot. Dann jedoch wurde er ungeduldig. So schön seine Gattin auch aus der Ferne zu betrachten war, er wollte sie lieber hier in seinen Armen halten. Er zog sich schnell etwas über und näherte sich seiner Ehefrau leise von hinten. „Guten Morgen, Liebste", flüsterte er ihr ins Ohr, als er direkt hinter ihr stand. Lizzie drehte sich sofort zu ihm um und schenkte ihm ihr süßestes Lächeln: „Fitzwilliam, ich dachte du schläfst noch." „Tja, so kann man sich täuschen", erwiderte er gutgelaunt. „Ich genieße gerade die schöne Aussicht", meinte Lizzie. Sie war etwas betreten angesichts allem, was gestern Abend zwischen ihnen vorgefallen war, und wusste nicht ganz genau, wie sie damit umgehen sollte.
„Willst du nicht zurück ins Bett kommen?", fragte Darcy, während er sie mit begehrenden Blicken musterte. Er spürte keinerlei Verlegenheit angesichts ihrer Situation. Es fühlte sich für ihn so richtig an, dass Lizzie nun endlich in jedem Sinne seine Frau war, dass er dieses Vergnügen am liebsten so schnell wie möglich wiederholt wüsste. Lizzie aber bemerkte weder den unterschwelligen Wunsch in seinen Worten, noch sonst irgendetwas. Sie starrte nur verlegen auf den Boden.
„Ich bin nicht mehr müde, Fitzwilliam", entgegnete sie und wandte sich wieder dem Fenster zu. „Was ist denn los?", wollte ihr Gatte nun beunruhigt wissen, „Habe ich etwas falsch gemacht?" „Nein", kam die eher einsilbige Antwort seiner Ehefrau. Darcy drehte Elisabeth zu sich, hob ihren Kopf leicht mit seinem Zeigefinger an, so dass sie gezwungen war, ihn anzuschauen. „Was ist los mit dir?", fragte er erneut, diesmal eindringlicher. „Ich weiß nicht", sprudelte es aus Lizzie heraus, „ich habe gestern sehr genossen, aber ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Meine Mutter meinte immer, dass es unschicklich ist, als Frau Freude an den ehelichen Pflichten zu haben." Ein unterdrückter Fluch entfuhr Darcy. Dass Mrs. Bennet Elisabeth dies erzählt hatte, konnte er sich lebhaft vorstellen. Er fragte sich, welche Sachen sie ihren Töchtern noch alles über die Liebe zwischen Mann und Frau erzählt hatte.
„Und welche Weisheiten hat dir deine Mutter zu diesem Thema noch weitergegeben?", erkundigte sich Darcy, während er nur schwer seine Empörung über die Ansichten Mrs. Bennets zur Ehe zurückhalten konnte.
„Dass es wehtut und unangenehm ist, dass ich nur so lange mit dir schlafen müsste, bis ich dir einen Erben geschenkt hätte, und dass du dir dann sicher eine Mätresse nehmen würdest", teilte Lizzie ihrem Gatten mit, was ihre Mutter ihr erzählt hatte. Darcys Augenbrauen zogen sich in Missfallen zusammen. „Verständlich, dass du Angst davor hattest", war alles, was er dazu äußerte. Dann begann er im Zimmer hin und her zu schreiten, bis er nach einiger Zeit wieder zu ihr trat: „Lizzie, bitte sage mir, glaubst du das wirklich?" Er betrachtete sie mit dem durchdringenden Blick, der ihm eigen war. „Nein", beantwortete Lizzie seine Frage, „dass es nicht unangenehm ist, davon hast du mich gestern überzeugt." Während sie das sagte, wurde sie knallrot und musterte erneut verschämt den Fußboden.
„Ich meinte das Andere", entgegnete Darcy, „glaubst du, dass ich das machen würde?" Verwirrt erwiderte Lizzie: „Ich weiß nicht, ich meine, ich habe gehört, dass es gang und gebe ist, aber es wäre so... es würde mich tief verletzen, aber was kann ich machen, ich meine, es ist dein gutes Recht, wenn du es so willst..." Hier brach sie ab. Ihre Angst angesichts der Vorstellung, dass ihr Ehemann sich eine Mätresse nehmen könnte, war deutlich in ihr Gesicht geschrieben.
Darcy trat einen Schritt auf seine Gattin zu und nahm ihr Gesicht in seine Hände. „Ich verspreche dir, es wird niemals eine andere Frau neben dir geben und zu dem anderen: So lange ich in deinem Bett willkommen bin, werde ich nachts zu dir kommen." Als Bestätigung für seine Worte gab er ihr einen zärtlichen Kuss.
„Willst du nicht jetzt wieder zu mir ins Bett kommen?", bat er sie erneut, aber ohne sie in irgendeiner Weise zu drängen. Lizzie schien immer noch etwas unentschlossen angesichts seiner Bitte, doch als Fitzwilliam etwas enttäuscht entgegnete: „Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Ich dachte nur, du würdest es eventuell auch wollen. Ich werde mich dann jetzt fertigmachen" und weggehen wollte, hielt sie ihn zurück und flüsterte liebevoll: „Ich will auch, ich dachte nur, es wäre nicht..."
„Schicklich", vollendete Darcy ihren Satz, „Ach, Lizzie, vergiss doch endlich mal die verqueren Regeln, die dir deine Mutter gegeben hat. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist das Natürlichste auf der Welt. Du solltest dich nicht dafür schämen. Außerdem seit wann hörst du auf das, was deine Mutter sagt?" Ein kleines Lächeln umspielte Lizzies Lippen. Fitzwilliam hatte Recht: Sie hatte noch nie auf den Rat ihrer Mutter gehört, noch etwas auf die fehlende Urteilskraft derselben gegeben, wieso sollte sie ihr in dieser Hinsicht Glauben schenken?
Liebevoll schaute sie zu ihrem Gatten empor, der selbstvergessen ihre Wange streichelte. Als er bemerkte, dass seine Ehefrau ihn ansah, fragte er zum dritten Mal, diesmal in einem verletzlicheren Tonfall: „Liebste Lizzie, wirst du mir nun endlich die Ehre machen und zu mir ins Bett kommen?" Seine Augen blickten sie flehend an, so dass es Lizzie, selbst wenn sie es nicht gewollt hätte, schwer gefallen wäre, nein zu sagen. Ohne auch noch eine weitere Sekunde darüber nachzudenken, sagte sie: „Ja, William, nichts würde eine größere Freude für mich sein." Mit diesen Worten ließ sie die Decke, die sie um ihren Körper gewickelt hatte, zu Boden fallen.
