Kapitel 14:

By TeeKay

Lizzy stand am Fenster. Ihr Blick schweifte in die so bekannte Gegend ihrer Kindheit. Sie erinnerte sich daran, oft geträumt zu haben, eines Tages hier her zurückzukommen, glücklich verheiratet, mit Kindern – Kinder. Der Gedanke an eine Familie ließ sie schmerzlich zusammenzucken. Damit war ja jetzt wohl... doch auf einmal verschwammen die Bäume vor dem Fenster zu einer großen, schwarzen Masse. Lizzy fühlte, wie sie langsam zu Boden sank. Dann erinnerte sie sich an gar nichts.

Dr. Malcom sah Jane ermutigend an, die aufgeregt ihre Hände zusammenpresste.

„Es ist nichts Ernstes, Mrs. Bingley. Oder eigentlich schon, aber nicht in dem Sinne, dass sie sich darüber Sorgen machen müssten. Eigentlich ganz im Gegenteil. Ihre Schwester ist guter Hoffnung." Glücklich schaute Jane dem Arzt über die Schulter, zu der schmalen Gestalt am Fenster:

„Oh, Lizzy, welch eine Freude! Mr. Darcy wird vor Stolz platzen, wenn er es erfährt!" Kommentarlos starrte Lizzy weiter aus dem Fenster.

Ein Kind. Ein Kind ohne Eltern. Sie seufzte. Jetzt konnte sie Darcy unmöglich verlassen, denn obwohl keine Liebe mehr zwischen ihr und ihrem Ehemann möglich zu sein schien, dieser kleine Mensch in ihr hatte ein Recht auf ein angesehnes Zuhause. Die Schande, nur von seiner Mutter erzogen zu werden, konnte sie dem Kind unmöglich antun. Und sie wusste, dass Darcy ein guter Vater sein würde, sie kannte ihn schließlich.

Sie lächelte Jane an, die etwas unsicher die ganze Zeit ihr gratuliert hatte, und sie jetzt mit großen Augen musterte.

„Danke Jane. Ja, es ist toll. Entschuldige mich bitte, ich muss jetzt einen Brief schreiben."

„An wen, liebe Lizzy?"

„An Mr. Darcy."

Darcy lief wie ein Tiger im Käfig von einer Seite zur anderen, und warf dabei seinem Cousin Fitzwilliam immer mal wieder Blicke zu, während er ununterbrochen von Lizzy, von Derbyshire und den letzten Wochen berichtete. Lange hatte Colonel Fitzwilliam ihn bearbeitet, um endlich den Grund für Darcys düstere Laune herauszufinden, und jetzt, nach einem hitzigen Gefecht in der Sporthalle und einigen Gläsern Brandy löste sich endlich Williams Zunge.

„Richard, und dann ist sie einfach ausgeflippt, und hat... sie hat gesagt..." Er stützte sich gegen den Tisch.

Fitzwilliam schaute ihn an. So aufgeregt hatte er seinen Cousin selten gesehen. Die Augen hatten tiefe Ränder, die von schlecht geschlafenen Nächten bezeugten, seine Gesichtsfarbe erinnerte ihn immer mehr an das undefinierbare gelb-grün, dass man meistens auf langen Schifffahrten bei den anderen Passagieren um die Nase sieht.

„Will, du bist ein ehrhafter, stolzer Idiot, wusstest du das?" Er legte die Füße genüsslich auf den Tisch und goss sich noch ein Glas Brandy ein. Darcy stoppte seinen Redefluss und starrte ihn in einer Mischung aus perplexer Wut und Verdutztheit an.

„WIE BITTE? EIN WAS?"

Der Colonel nippte an seinem Glas, kratzte sich am Mundwinkel und streckte sich. Er wusste, dass Will ihn mit seinen wenn-Blicke-töten-könnten-Augen an, wahrscheinlich traten sogar die Venen an seiner Stirn langsam vor.

„Weißt du, Will, du bist in fast allem viel besser als ich. Im Fechten, wie wir heute mal wieder gesehen haben, im Reiten, in der Position – aber eines konnte ich doch besser als du: Frauen verstehen." Er hörte, wie Darcy sich auf den Stuhl vor ihm fallen lies. „Es gibt viele Arten von Frauen, und ja, manche könnten genau das machen, was du mir beschrieben hast – einen Mann heiraten und auf einmal -" er schnippste mit den Fingern „sind sie völlig anders. Miss Bingley zum Beispiel." Darcy stöhnte. „Aber Miss Elisabeth – ich habe mich viel mit ihr unterhalten, während eurer Verlobung, als wir alle in Derbyshire waren, zu Georgies Geburtstag. Nein, du brauchst gar nicht eifersüchtig zu werden." Er grinste Darcy an, der kurz davor war, wieder aufzubrausen. „Sie war damals völlig in dich verliebt – oder besser, sie liebte dich. Und diese Art von Liebe geht nicht einfach von einen Tag auf den anderen flöten." Er nahm die Füße vom Tisch und schaute William ernst an. „Sie ist ein launischer Mensch und alles, aber William – ich denke nicht, dass sie sagen würde, dass sie dich hasst ohne einen triftigen Grund dafür zu haben. Und trotzdem glaube ich, dass sie dich immer noch liebt. Ihr Ausbruch ist ein Beweis dafür. Eine Frau wie Elisabeth würde einen Menschen, den sie hasst, nie anschreien. Sie würde ihm die kalte Schulter zeigen, ihn sarkastisch und ironisch behandeln – und nicht weinend zusammenbrechen. Sie liebt dich, aber aus irgendeinem Grund wünscht sie sich verzweifelt, dass sie dich hasst."

Darcy schaute Richard verzweifelt an, dann senkte er schüttelnd den Kopf: „Aber was, was kann sie so beleidigt haben?"

„Darcy, hattest du eine Affäre? Hast du irgendeinem Mädchen mehr Aufmerksamkeit geschenkt als deine Position als Landherr erfordert?"

„Nein, nein und nochmals nein! Ich habe nur an sie gedacht – jede andere Frau war völlig unsichtbar für mich!"

Der Colonel zuckte mit den Schultern. „Irgendetwas muss sie in dir gesehen haben, was sie unglücklich macht. Fragt sich, was so'n Frauenzimmer alles sieht..."

William schaute Richard für seine geringschätzig klingenden Worte böse an und stand auf, um seine Käfigwanderung fortzusetzen, diesmal aber schweigsam und in Gedanken.

Ein Tag darauf brachte ihm sein Diener einen Brief. Als er die schwungvolle, sichere Hand Elisabeths erkannte, brach er eilends das Siegel und vertiefte sich in den Brief.

Mr. Darcy

Nach unser wenig erfreulichen Trennung in Derbyshire möchte ich hiermit mein Bedauern Ihnen gegenüber ausdrücken, so unklug und unhöflich gehandelt zu haben. Ich schäme mich für mein Benehmen. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen. Den Grund für meinen Ausbruch möchte ich aber für mich behalten und ich hoffe doch sehr, dass Sie mein Schweigen respektieren.

Sie werden mir sicherlich dabei zustimmen, dass dieses Ereignis eine Verfremdung zwischen uns als Ehepaar mit sich bringt, was uns aber hoffendlich nicht in unserer Rolle als Eltern beeinträchtigen sollte.

Ich will ehrlich sein, William. Wenn nicht ein neues Leben in mir heranwachsen würde, würdest du nichts mehr von mir hören. Aber meine Liebe als Mutter – ja, ich bin noch fähig, zu lieben, auch wenn du mir das vielleicht nicht mehr zutraust, nach jenem Abend – zwingt mich zurück nach Derbyshire, denn ich wünsche dem Kind alles Beste und Schöne in der Welt, und das wäre ihm verschlossen, wenn es allein mit einer entlaufenen oder geschiedenen Mutter aufwachsen müsste.

Wenn du dein eigenes Kind trotzdem wegen der Mutter in Unglück stürzen willst, dann...

Nein, das glaube ich nicht. Es wird schon genug Traurigkeit erfahren, mit Eltern, die von nun an Fremde füreinander sein müssen und werden.

Lass mich brieflich von deiner Entscheidung hören. Ich bitte dich nur um eines: Versuch nicht, diese Ehe, die nie ehrlich gemeint war, weiterführen zu wollen, auch wenn wir es vor der Welt tun – wegen dem Kind. Es reicht, wenn wir unsere Freunde und die Gesellschaft belügen, uns selber müssen wir das nicht auch noch antun. Verbrenne diesen Brief, nach dem du ihn gelesen hast. Keiner muss auch noch schwarz auf weiß von unserem Leid lesen können.

Da ich von deiner Liebe zu Derbyshire weiß, wäre es mir recht, wenn das Kind und ich in dem Haus an den Klippen, in der Nähe von Bournemouth – du hattest mal erwähnt, dort ein Erbgut deiner Mutter zu haben - wohnen. Um ehrlich zu sein, mir wäre es nicht nur Recht, sondern auch lieb – es würde alles einfacher machen, und es ist schließlich nicht unüblich, dass Frauen mit einer schwachen Gesundheit die nähe zum Meer aufsuchen. Wenn dir diese Lösung nicht recht ist, schreibe mir.

Ich hoffe auf baldige Antwort.

E.D.

Fitzwilliam fand seinen Cousin drei Stunden später, mit hohlen Augen auf das Feuer im Kamin starrend und einem Glas Brandy in der Hand.

„Ich habe gehört, du hättest heute einen Brief bekommen! Neuigkeiten von Mrs. Darcy?"

Eine tonlose, müde Stimme antwortete ihm.

„Ja. Ich werde Vater."

Mit knappen Worten hatte Darcy Elisabeth geantwortet. Emotionslos, ja, fast geschäftlich sollte der Brief klingen. Natürlich stimmte er ihr in allem zu. Sein eigenes Kind – vielleicht sogar sein Erbe, wenn es ein Junge sein sollte – hatte ein Recht auf Legitimität. Und ihm würde es nicht einfallen, ihren Wunsch, die Scheinehe aufzugeben, zu widersprechen, obwohl jede Faser seines Körpers schrie: „Es war keine Lüge – ich habe nicht gelogen..."

Aber er hatte auch seinen Stolz. Jemanden seine offenbar so unerwünschte Gegenwart aufzuzwingen, brauchte er nicht. Er dachte wieder an die Worte, die der Colonel ihm gesagt hatte – dass sie ihn immer noch lieben müsste, sonst würde sie ihn nicht so leidenschaftlich behandeln, anschreien, als ging es ihr um ihr Seelenheil.

Darcy las noch einmal jede Zeile des Geschrieben durch. Es wurde ihm auf einmal bewusst, wie sehr der Brief nach dem Darcy klang, der damals einen Antrag gemacht und zurückgewiesen worden war.

„So bin ich eben", dachte er verletzt.