Kapitel 21:

Lizzie lag sicher in Fitzwilliams Armen, sie konnte seinen regelmäßigen Atem an ihrer Wange spüren. Sie fühlte sich sicher und geborgen, doch auf einmal war es nicht mehr sie, die neben ihrem Ehemann lag. Sie selbst stand am Fußende und sah ihn in enger Umarmung mit einer anderen. "Fitzwilliam", rief sie empört aus. Ihr Gatte wachte auf und schaute sie aus müden Augen an. "Was hast du, Lizzie? Ich habe dir nie versprochen, dass es keine andere vor dir gegeben hat. Wieso regst du dich so auf? Denkst du, mir wäre in meinem Leben nie eine andere Frau begegnet? Ich bin schließlich 28 Jahre alt, Lizzie. Aber du kannst dich gerne zu uns legen."

Bei diesen Worten drehte sich Lizzie um. Sie rannte aus dem Haus in den Wald von Pemberley. Es war dunkel und die Bäume wirkten bedrohlich. Plötzlich stand Wickham vor ihr und bemerkte mit einem spöttischem Grinsen: "Habe ich es dir nicht gesagt? Er liebt immer noch seine Marianne. Er wird dich nie lieben." Sie machte den Mund auf, um zu schreien, doch es kam kein Ton heraus. Sie rannte weiter, tiefer in den Wald hinein, sie stolperte über Wurzeln und der Saum ihres Kleides wurde dreckig, aber sie kümmerte sich nicht darum, sondern rannte, als ginge es um ihr Leben.

Ihr Atem ging schwer, sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden und ihre Füße bleischwer wurden, doch sie schleppte sich weiter vorwärts. Dann fiel sie hin, sie versuchte aufzustehen, aber starke Arme hielten sie fest. Sie wurde panisch und begann zu schreien: "Fitzwilliam, Hilfe, William, hilf mir. William, wo bist du?"

Lizzie hatte in ihrem Alptraum nicht wahrgenommen, wie sie hochgefahren war und laut schrie, doch ihr Ehemann hatte es bemerkt und beruhigend seine Arme um sie gelegt. "Ruhig, Lizzie, es war nur ein böser Traum", beschwichtigte er sie, während er ihr tröstend durchs Haar strich.

Die Worte ihres Gatten holten Lizzie in die Wirklichkeit zurück. Sie klammerte sich an Fitzwilliam und versuchte ihren schrecklichen Traum zu vergessen. Doch es wollte ihr nicht gelingen. Es war, als wäre alles aus dem Traum tatsächlich passiert, so dass sie sich sogar wunderte, wo Marianne jetzt war. Sie zuckte vor der Berührung Fitzwilliams zusammen, kaum dass der erste Schreck vorbei war, und wand sich aus seiner Umarmung.

"Was hast du, Lizzie?", wollte ihr Gatte wissen.

"Nichts", entgegnete sie, während sie die Tränen mit Mühe zurückhielt, "Ich habe nur schlecht geträumt."

"Du träumst nur noch schlecht", stellte William fest. Denn es stimmte tatsächlich. Trotz seiner Anwesenheit hatte sie auch die Tage nach ihrem Zusammenbruch nicht gut geschlafen. Mehr als einmal war sie schweißgebadet hochgeschreckt, aber bisher hatte sie sich immer von ihm trösten lassen. Nur heute schob sie ihn so von sich weg. Was war nur mit ihr los?

"Wovor hast du solche Angst, Lizzie?", erkundigte sich Fitzwilliam erneut, "Was hast du geträumt, dass du laut um Hilfe schreist und vor Furcht bebst? Rede doch mit mir, ich kann dir sicher helfen. Wenn du deinen Traum erzählt hast, wird er gewiss nur noch halb so furchteinflößend sein."

"Ich weiß es nicht, ich meine, ich habe vergessen, was es war, was mich so erschreckt hat", log Lizzie und drehte sich zur Seite. Fitzwilliam drang nicht weiter in sie, sondern legte nur seine Arme um sie und streichelte sie sanft. Was beschäftigte Elisabeth bloß? Hatte Wickham doch Recht: War Lizzie wirklich unglücklich mit ihm? Und wenn ja, wieso? Gab er ihr nicht alles, was sie brauchte? Was fehlte ihr in ihrer Beziehung? Wieso konnte er sie nur nicht glücklich machen? Warum vertraute sie ihm nicht?

Lizzie auf der anderen Seite spürte zwar die tröstenden, liebenden Arme ihres Gatten, aber galt diese Liebe tatsächlich ihr? Diese Frage ließ sie nicht mehr los. Umarmte Fitzwilliam sie oder Marianne? Sie kämpfte gegen ihren Wunsch an, sich in Fitzwilliams Arme zu kuscheln, die soviel Tröstung versprachen. Sie verlangte nach seiner Liebe, nach seinem Trost. Und doch wusste sie, dass der Trost und die Liebe, die er ihr geben konnte, nur eine billige Lüge waren. Eine Lüge, die zu ertragen, ihr so schwer fiel, aber die sie aufrechterhalten würde, da die Wahrheit noch schlimmer war. Die Wahrheit, dass er sie nicht liebte, nie geliebt hatte.

Kittie hatte es trotz des Todes ihrer Mutter kaum erwarten können, dass ihr Vater sie zu sich rief, um mit ihr über Mr. Johnsons Antrag zu reden. Nun war es endlich soweit. Etwa eine Woche nach der Beerdigung von Mrs. Bennet und am Tag vor der Abreise von Elisabeth und Mr. Darcy rief sie ihr Vater endlich zu sich in die Bibliothek. Er hatte sich die ganze Zeit nach Mrs. Bennets Beerdigung dorthin verzogen und nur Jane und Lizzie zu sich gelassen. Doch nun hatte er Kittie zu sich gerufen. Kittie war ganz aufgeregt, was ihr Vater sagen würde. Würde er ihrer Verlobung zustimmen? Sie konnte keinen Grund erkennen, warum er das nicht tun würde und freute sich jetzt schon darauf endlich auch ihren Schwestern von ihrer Verlobung erzählen zu können. Dann brauchte sie auch die Briefe von Mr. Johnson endlich nicht mehr zu verstecken. Oh, was würden sie für Augen machen! Vor allem Lydia, die vor ihr seit ihrer Ankunft nur von ihrem tollen Ehemann geschwärmt hatte. Auf so einen tollen Ehemann kann ich verzichten, dachte Kittie bei sich, als sie die Bibliothek betrat, und war froh, dass Mr. Johnson Interesse für sie gezeigt hatte. Er war ein ehrenwerter, intelligenter Mann und dennoch an ihr interessiert, so dass sie ihr Glück darüber kaum fassen konnte.

Mr. Bennet wartete schon auf Kittie, als sie hereinkam. Er war blasser geworden in den letzten Tagen wie Kittie fand und sie konnte nicht anders als Mitleid mit ihm zu haben. Er hatte ihrer Mutter zwar bis auf seine bissigen und sarkastischen Kommentare nie viel Beachtung geschenkt, aber ihr Tod schien ihn doch mehr getroffen zu haben, als jeder erwartet hätte.

„Nimm Platz, Kittie", wies er seine Tochter an. Kittie setzte sich vor seinen Schreibtisch hin, während Mr. Bennet begann: „Catherine, du weißt sicher, dass Mr. Johnson um deine Hand angehalten hat und ich in im Hinblick auf die Ereignisse der letzten Tage hingehalten habe. Nun muss ich endgültig eine Entscheidung fällen und ich habe mir gedacht, bevor ich sie Mr. Johnson mitteile, wäre es gut mit dir darüber zu reden. Ich habe beschlossen, Mr. Johnsons Antrag abzulehnen."

Kittie fiel aus allen Wolken bei diesen Worten. Hatte sie richtig gehört? Ihr Vater wollte Mr. Johnsons Antrag ablehnen, aber wieso?

„Warum denn, Papa?", wollte sie verwirrt wissen, „Ich liebe Mr. Johnson und er ist ein ehrenwerter Mann, er kommt aus einer vermögenden Familie und kann sicher für mich sorgen, sobald er sein Studium beendet hat."

„Genau das ist der Punkt, Kittie", erwiderte Mr. Bennet, „er studiert noch. Ich habe nichts dagegen, dass er erneut um deine Hand anhält, wenn er fertig mit seinem Studium ist, aber vorher werde ich ihm nicht meine Zustimmung geben, dich zu heiraten."

„Aber wir würden doch mit der Hochzeit warten, bis Mr. Johnson sein Studium beendet und eine Stelle als Arzt hat", entgegnete Kittie. Sie verstand nicht, wieso das ein Grund für Mr. Bennet war, ihre Verlobung nicht zu akzeptieren.

„Ich glaube schon, dass ihr das vorhattet", gab er zu, „aber ich halte es dennoch nicht für ratsam, dass ihr euch jetzt schon verloben wollt. Eine Verlobung ist eine ernste Sache und da sollte man sich vorher auch Gedanken drüber gemacht haben. Ihr könnt euch ja immer noch verloben, sobald Mr. Johnson sein Studium beendet hat."

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?", fragte Kittie erbost. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Vater einfach ihre Verlobung für null und nichtig erklärte und dann noch nicht einmal wirklich Stellung dazu nahm.

„Ja", antwortete Mr. Bennet ruhig, „Lizzie denkt übrigens genauso wie ich." Er wollte keine weiteren Diskussionen mit Kittie führen. Er hatte sich in seiner Entscheidung fast ausschließlich von Lizzies Rat leiten lassen. Er wusste, dass er in der Vergangenheit nicht streng genug mit Kittie und Lydia gewesen war, ein solcher Fehler sollte ihm nicht noch einmal passieren. Lizzie hatte einmal richtig gelegen, vielleicht lag sie wieder richtig. Mr. Bennet setzte viel auf ihre Menschenkenntnis und selbst wenn Mr. Johnson Kittie wirklich liebte, wäre mit dieser Entscheidung nichts verloren. Heiraten kann man schließlich immer noch, aber eine Heirat rückgängig machen war leider nicht möglich.

Kittie gab patzig zurück: „Ach, so ist das also, Lizzie darf über jedermanns Glück entscheiden, oder wie?" und stürmte wütend aus dem Zimmer. Sie würde es nicht zulassen, dass ihre Schwester ihr Glück zerstörte. Nein, die würde etwas von ihr zu hören bekommen.

Im Salon saßen Lydia, Mary, Lizzie und Mr. Darcy zusammen. Mr. Wickham hatte zur Erleichterung von Lizzie und Mr. Darcy einen Ausritt gemacht. In dieses mehr oder weniger traute Beisammensein platzte Kittie herein. Sie baute sich vor Lizzie auf und schrie sie an: „Sag mal, spinnst du? Was fällt dir eigentlich ein, dich in mein Leben einzumischen? Macht es dir Spaß das Glück anderer Menschen zu zerstören?"

Lizzie war völlig verblüfft von dem plötzlichen Ausbruch ihrer Schwester und wich etwas zurück, ihr Ehemann wurde sogar richtiggehend böse mit Kittie, dass sie seine Gattin so behandelte.

„Miss Catherine", erwiderte er mit kühler Verachtung, „ich verstehe durchaus, dass der Verlust ihrer Mutter schwer für Sie gewesen sein muss, aber das ist kein Grund Elisabeth anzuschreien. Sie kann auch nichts für den Tod von Mrs. Bennet. Also nimm demnächst doch bitte auch einmal Rücksicht auf die Gefühle anderer."

„Ich nehme Rücksicht auf andere", fauchte Kittie zurück, „Lizzie ist diejenige, der die Gefühle anderer völlig egal sind. Oder denken Sie etwa, dass sie, nur weil sie meine Schwester ist, das Recht hat, sich in meine Verlobung einzumischen?"

„Welche Verlobung?", fragten Mr. Darcy, Mary und Lydia zeitgleich.

„Meine Verlobung mit Mr. Johnson", entgegnete Kittie und zeigte anklagend auf Lizzie: „Sie hat Papa überredet Mr. Johnson seine Einwilligung zu verweigern. Sie gönnt es niemandem glücklich zu sein."

„Kittie, bitte beruhige dich doch", versuchte Lizzie ihre Schwester zu beschwichtigen, „Papa und ich haben Gründe dafür, wieso wir nicht wollen, dass ihr euch jetzt schon verlobt. Woher willst du wissen, dass du nicht noch jemand anderen triffst, den du lieber hast als Mr. Johnson? Ihr kennt euch ja noch nicht einmal einen Monat."

„Ich liebe Mr. Johnson", hielt Kittie dem empört entgegen, „es gibt niemand anderen für mich und du erzählst mir etwas von anderen Männern, die ich lieber haben könnte."

Darcy, der Angst um die Gesundheit seiner Gattin hatte, mischte sich hier in das Gespräch ein. „Ich bin mir sicher, dass Lizzie auch weiß, was du für Mr. Johnson empfindest. Sie möchte wahrscheinlich einfach nur, dass du deine Entscheidung noch einmal überdenkst, damit du sie hinterher nicht bereust."

„Bereuen? Wieso sollte ich meine Entscheidung jemals bereuen? Mr. Johnson und ich, wir lieben uns und Lizzie hat etwas dagegen."

Lizzie wollte daraufhin etwas entgegnen, aber sie kam überhaupt nicht zu Wort, denn nun mischte sich auch Lydia in die Auseinandersetzung mit ein. „Ich denke, dass Kittie das Recht hat, böse auf Lizzie zu sein. Lizzie mag es einfach nicht, wenn andere Menschen glücklich sind. Mein Glück mit Wickham hat sie mir auch nicht gegönnt."

„Ich denke, das hatte andere Gründe", bemerkte Darcy kühl. Er wurde langsam ungeduldig mit Kittie und Lydia und Lizzies bleiches Gesicht schmälerte seine Wut nicht unbedingt.

„Die Gründe sind doch egal", tat Lydia forsch ihre Meinung kund, „Lizzie hat nicht das Recht dazu sich in mein Leben oder Kitties Leben einzumischen."

Nun meldete sich endlich auch Lizzie zu Wort. Sie konnte Kitties Zorn verstehen, aber von Lydia ließ sie sich nichts sagen. „Würdest du es bitte Kittie überlassen, das zu entscheiden, Lydia? Ich sehe nicht ein, mich hier vor dir rechtfertigen zu müssen. Kittie, wenn dich meine Gründe interessieren, dann würde ich sie gerne mit dir alleine besprechen. Wäre dir das recht?"

„Nein, das wäre mir nicht recht", war Kitties patzige Reaktion, „mich interessieren deine ach so guten Gründe einen feuchten Dreck. Du hast mein Leben zerstört. Das werde ich dir nie verzeihen. Ich hasse dich." Mit diesen Worten rannte Kittie heulend aus dem Zimmer.

Lydia machte noch eine gehässige Bemerkung in Lizzies Richtung, dass es auch Menschen gäbe, die es offensichtlich völlig kalt ließe, wenn andere Menschen leiden würden, und verschwand auch.

Lizzie rieb sich mit den Händen über ihr Gesicht. Wieso gab ihr Kittie nicht einmal die Zeit die Gründe für ihr Eingreifen zu erläutern? Und wieso fühlte sie sich so schuldig? Sie hatte doch das Richtige getan. Sie bewahrte ihre Schwester doch nur vor einer Ehe ohne Liebe. Was war denn daran auszusetzen?

Fitzwilliam setzte sich neben sie, nach einer Weile meinte er: „Ich weiß, wie es dir geht, Lizzie. Du hättest den Ausdruck in den Augen meiner Schwester sehen sollen, als ich ihr gesagt habe, dass sie Wickham nicht heiraten würde. Sie wird schon wieder zur Vernunft kommen."

„Ich hoffe es", flüsterte Lizzie, „es ist nur, ich fühle mich so schuldig. Vielleicht bin ich einfach nur übervorsichtig. Ich meine, Mr. Johnson ist Wickham, aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob er sie wirklich liebt. Ich würde nicht wollen, dass sie nachher in einer Ehe ohne Liebe gefangen ist."

„Jetzt weißt du, wie es mir in Bezug auf Bingley ging", kommentierte Darcy ihre Worte lächelnd.

Lizzie lächelte zurück: „Ja, das stimmt allerdings. Ich habe nur Angst, ich habe wie du die falsche Entscheidung getroffen."

Ihr Ehemann lachte auf: „Ich glaube, Liebes, das ist eher unwahrscheinlich. Schließlich irrst du dich nie oder nur sehr selten. Oder gibt es einen Grund, wieso deine ansonsten bewundernswerte Beobachtungsgabe in diesem Fall getrübt sein sollte?"

„Nein", erwiderte Lizzie, „ich bin mir sicher meine Entscheidung war die richtige. Oder würdest du einem Mann, der noch mitten im Studium steckt, erlauben sich mit deiner Schwester zu verloben?"

„Nein", entgegnete Darcy, „aber ich bin auch nicht du. Ich meine, ich fühle mich häufiger ja schon zu verantwortlich für andere, aber du bist da anders. Ich meine natürlich fühlst du dich auch verantwortlich für deine Familie, aber ich muss zugeben, ich habe mich schon gewundert, dass du solchen Einfluss bezüglich Kitties Verlobung auf deinen Vater genommen hast."

„Was soll das heißen?", fragte Lizzie überrascht und leicht verletzt, „denkst du auch, ich hatte kein Recht dazu? Hältst du mein Handeln auch für falsch?"

„Nein", beschwichtigte ihr Gatte sie, „ich stehe da voll und ganz hinter dir. Wenn du es für richtig hältst, dass Mr. Johnson und Kittie sich noch nicht verloben, vertraue ich deinem Urteil. Schließlich kenne ich noch nicht einmal Mr. Johnson. Wie sollte ich sein Verhältnis zu Kittie dann beurteilen können? Alles, was ich sagen wollte, ist, dass es mich wundert, wie sehr du diese Sache zu deiner eigenen Verantwortung machst. Ich meine, du hast deinem Vater einen Ratschlag gegeben und er hat ihn befolgt. Das ist alles, was du getan hast. Du hast es doch nicht nötig dich von deiner Schwester dafür anklagen zu lassen und dir weiter den Kopf darüber zu zermartern, ob du richtig gehandelt hast oder nicht."

Lizzie verstand, was William ihr sagen wollte und sein Rückhalt tat ihr gut, aber dennoch konnte sie sich nicht so einfach vor ihrer Verantwortung drücken. Sie wusste, dass sie ihrem Vater nicht nur einen Rat gegeben hatte, sondern ihn überredet hatte Mr. Johnsons Antrag abzulehnen. Sie war zwar immer noch überzeugt, dass ihr Handeln richtig gewesen war, aber Kitties Zorn und ihre offensichtliche Verzweiflung angesichts dieser Entscheidung lastete schwer auf ihr. Sie wollte, dass Kittie ihr Handeln verstand und sie nicht dafür verurteilte. Sie beschloss noch einmal mit Kittie zu reden, während sie sich von ihrem Ehemann mit Worten und Gesten trösten ließ. Seine Gegenwart und sein Vertrauen in ihre Urteilskraft waren so beruhigend. Wie hatte sie nur jemals glauben können, sie besäße die Kraft ihn zu verlassen? Wie war sie nur auf diese unsinnige Idee gekommen?

Als sie glaubte, dass ihre Schwester sich wieder etwas beruhigt hätte, machte Lizzie sich auf die Suche nach ihr. Sie fand Kittie, wie sie vermutet hatte, im früheren Schlafzimmer ihrer Mutter, wo sie sich in einen Sessel zusammengekauert hatte.

„Darf ich reinkommen?", erkundigte sich Lizzie leise.

„Ich kann es dir schlecht verbieten", war Kitties Antwort.

Lizzie betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht, Kittie", begann sie.

„Ach wirklich?", fragte Kittie sarkastisch, „Wenn ich dir so leid tue, wieso hast du dann mein Glück zerstört?"

„Ich habe dein Glück nicht zerstört", erwiderte Lizzie, „du kannst Mr. Johnson immer noch heiraten, aber ich Papa und ich wollen einfach nur sichergehen, dass er dich wirklich liebt, dass seine Zuneigung dir gegenüber von Dauer ist."

„Wieso sollte sie das nicht sein?", wollte Kittie ärgerlich wissen, „Nur weil du in deiner Ehe unglücklich bist, heißt das nicht, dass jede Ehe unglücklich enden muss."

Lizzie spürte, wie Zorn in sich aufsteigen. Was erlaubte sich Kittie eigentlich über ihre Ehe zu urteilen? Sie konnte doch überhaupt nicht verstehen, wie einem in einer solchen Situation zumute war, wenn man erkennen musste, dass der Ehepartner einen nicht liebte.

Mit mühsamer Beherrschung wollte Lizzie wissen: „Wirst du mir denn zuhören, wenn ich dir auf deine Frage antworte? Wirst du dir meine Gründe unvoreingenommen anhören? Wenn ja, bin ich gerne bereit dir Rede und Antwort zu stehen."

„Wieso sollte sie dir überhaupt zuhören?", fragte Lydia, die gerade hereingekommen war, „Was hast du denn vorzubringen um deine Entscheidung zu rechtfertigen? Du hast einfach nicht das Recht über Kitties Leben zu entscheiden und Kittie hat genauso wenig wie ich Interesse an deinen hohlen Unschuldsbeteuerungen."

Lizzie ignorierte Lydia und blickte fragend zu Kittie: „Was sagst du dazu? Willst du auch nicht hören, was ich zu sagen habe?"

Kittie schüttelte abwehrend den Kopf: „Nein, ich will keine deiner belehrenden Geschichten hören, die nur damit enden, dass ich mich am Ende noch für mein Verhalten bei dir entschuldigen muss, obwohl du diejenige bist, die hier falsch gehandelt hat. Und ergreifende Berichte über deine ach so unglückselige Ehe interessieren mich auch nicht. Du bist schließlich selbst schuld daran. Jeder wusste, dass du und Mr. Darcy nicht zusammenpasst. Aber du musstest ja unbedingt für Geld heiraten. Wenn du jetzt unglücklich bist, ist das dein eigenes Pech."

„Ich habe Fitzwilliam nicht wegen dem Geld geheiratet", widersprach Lizzie ohne nachzudenken.

„Oh, natürlich", spottete Lydia, „waren es denn nicht seine 10000 Pfund im Jahr, die deine Abneigung gegen ihn verschwinden ließen?"

„Nein", protestierte Lizzie lautstark.

„Dann hast du wirklich mein Mitleid", lästerte Lydia, „der Mann ist doch noch einmal nicht fähig zu einem freundlichen Wort geschweige denn dazu einen anderen Menschen zu lieben."

„Mehr als du jedenfalls", gab Lizzie wütend zurück, bevor sie den Raum verließ. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Kittie und Lydia sich verstohlene Blicke zuwarfen und miteinander tuschelten.