Kapitel 22:

Beim Abendessen an diesem Tag bekam Lizzie die Ablehnung ihrer beiden jüngeren Schwestern wieder genauso deutlich zu spüren wie am Nachmittag. Kittie weigerte sich rundheraus während der Mahlzeit mit Lizzie zu reden oder ihr etwas anzureichen und Lydia machte eine gehässige Bemerkung nach der anderen. Lizzie ertrug stillschweigend Kitties Groll und Lydias Spott. Fitzwilliam, der die Ungerechtigkeit seiner Frau gegenüber als unerträglich empfand, versuchte seine Gattin soweit es ihm möglich war gegen die Angriffe Lydias abzuschirmen ohne jedoch einen offenen Streit hervorzurufen. Doch als Lydia, nachdem er Lizzie gebeten hatte noch mehr zu essen – sie hatte nämlich kaum einen halben Teller gegessen -, höhnisch meinte: „Ja, Lizzie, iss noch etwas. Schließlich soll der Erbe Pemberleys gesund auf die Welt kommen", konnte er sich nicht mehr zurückhalten: „Mrs. Wickham, würden Sie bitte aufhören, meine Gattin anzugiften? Sie haben nicht das geringste Recht zu diesem Verhalten."

„Aber sie hat das Recht das Glück oder Unglück anderer Menschen zu bestimmen, oder was?", entgegnete Lydia forsch. Bei diesen Worten stand Lizzie wortlos auf und verließ das Zimmer.

„Oh, jetzt ist sie gekränkt, die Arme", spöttelte Lydia weiter.

„Lydia, halt deinen Mund", wies sie Mr. Bennet scharf zurecht. Er hatte sich bisher wie Mr. Darcy um des lieben Friedens willen zurückgehalten, war aber nun entschlossen seiner Tochter dieses Verhalten nicht weiter durchgehen zu lassen.

Mr. Darcy war mittlerweile auch aufgestanden und Lizzie gefolgt. Er fand sie im Flur, wo sie mit dem Rücken an der Wand lehnte. Er sah sofort die Tränen, die sich einen Weg über ihre Wangen gebahnt hatten. Er holte sein Taschentuch hervor und wischte zärtlich ihre Tränen ab. „Du darfst deine Schwestern nicht so ernst nehmen, Lizzie. Lydia ist schon immer so und Kittie wird sich gewiss wieder beruhigen."

„Wird sie nicht", schluchzte Lizzie, „sie hasst mich, ich habe heute Nachmittag noch einmal versucht mit ihr zu reden, aber sie hat mich nicht einmal zu Wort kommen lassen."

„Ich werde mit ihr reden", bot sich Fitzwilliam an.

„Nein, das wirst du nicht", wand Lizzie fast schon wütend ein. Fitzwilliam durfte nicht mit Kittie reden. Niemand wusste, was diese ihm erzählen würde. Was wäre denn, wenn William erfuhr, wie unglücklich sie in ihrer Ehe war? Dann würde die Fassade ihrer Ehe endgültig einstürzen. Das durfte auf keinen Fall passieren. Sie könnte nicht ertragen, wenn ihr Gatte die Wahrheit wüsste, und außerdem wollte sie, dass zumindest einer von ihnen beiden in dieser Ehe glücklich war. Deshalb musste die Lüge ihrer glücklichen Ehe unter allen Umständen aufrechterhalten werden.

Fitzwilliam blickte seine Ehefrau verwundert an. Wieso war sie so dagegen, dass er mit Kittie sprach? Traute sie es ihm nicht zu oder wollte sie nicht, dass er sich in ihre Familienangelegenheiten einmischte?

Lizzie bemerkte, dass ihre Reaktion abweisend auf ihren Mann gewirkt hatte. Schnell erklärte sie ihm ihr Verhalten. „Es ist nicht so, dass ich dir das nicht zutraue, aber das ist eine Sache zwischen mir und meinen Schwestern, die ich selbst regeln muss. Dabei kannst du mir nicht helfen. Aber glaube mir, ich lasse mich nicht von Lydia unterkriegen." Mit diesen Worten ließ sie ihn im Flur stehen und kehrte erhobenen Hauptes zurück ins Esszimmer.

Mr. Bennet saß in der Bibliothek und starrte schon seit einer halben Stunde auf eine Seite in dem Buch in seinen Händen. Früher hatte er sich immer gerne in die Bibliothek zurückgezogen, um vor dem Lärm des Hauses zu fliehen, doch seit Mrs. Bennets Tod herrschte im Haus nicht mehr die umtriebene, laute Stimmung, die ihm immer so auf die Nerven gegangen war. Es war so still geworden, dass er sich nicht einmal mehr in die Bibliothek zurückziehen, um seine Ruhe zu haben. Er verstand seine Gefühle nicht, er hatte es sich immer gewünscht, dass das hysterische Geschrei seiner Gattin aufhörte und nun war es völlig verstummt und er konnte nicht anders als Mrs. Bennet zu vermissen. Sie hatte nie viel miteinander geteilt. Ihr einziger Lebensinhalt war gewesen ihre Töchter gut zu verheiraten und den neusten Klatsch weiterzutratschen und Mr. Bennet hatte sich für diese beiden Dinge seit jeher eher weniger interessiert. Ja, er hatte es sogar bereut eine Frau geheiratet zu haben, die ihm geistig so unterlegen war, die er nicht respektieren konnte, und doch vermisste er sie nun. Sie hatten sich einmal geliebt, hatten fünf Töchter zusammen und waren mehr als zwanzig Jahre miteinander verheiratet gewesen. Das verband mehr als Mr. Bennet je für möglich gehalten.

Mitten in seine Überlegungen platzte Lizzie herein. Mr. Bennet blickte überrascht auf.

„Ich wollte noch einmal mit dir reden, bevor wir morgen abreisen", erklärte Lizzie die Störung. Ihr Vater nickte.

„Willst du nach dem Verhalten deiner Schwestern deinen Ratschlag mir gegenüber wieder zurücknehmen?", fragte er lächelnd.

„Nein", erwiderte Lizzie, „ich lasse mich nicht von Kittie und Lydia unter Druck setzen. Eigentlich wollte ich mich nur verabschieden und dich noch einmal fragen, ob ihr es auch wirklich ohne mich schafft. Ich bleibe auch noch länger hier, wenn notwendig. Fitzwilliam wird das sicher verstehen."

Einen Moment überlegte Mr. Bennet sie darum zu bitten. Er ließ seine Lizzie nur ungern wieder gehen, aber er wusste, es musste sein. Sie weiter hier in Longbourn zu halten wäre selbstsüchtig. Er schüttelte bedächtig den Kopf: „Nein, Lizzie, das ist nicht notwendig. Du wirst mir sehr fehlen, aber es ist an der Zeit, dass du wieder mit deinem Ehemann zurück nach Derbyshire gehst. Ihr habt einander lange entbehren müssen und seid erst seit kurzem verheiratet. Ich werde nicht zulassen, dass ihr erneut eine längere Zeit wegen uns getrennt verbringen müsst. Mary, Kittie und ich kommen auch ohne dich zurecht, Lizzie." Er hatte bemerkt, dass Lizzie in der Zeit, die sie von Mr. Darcy getrennt verbracht hatte, sehr bedrückt gewirkt hatte, und wollte nicht, dass sie noch einmal eine Trennung von demselben erleiden musste. Außerdem würde eine erneute Trennung doch nur Missverständnissen Vorschub leisten und das war nicht seine Absicht. Er wünschte sich, dass Elisabeth mit ihrem Ehemann glücklich war und dazu musste sie Longbourn nun einmal verlassen und in ihr eigenes Heim zurückkehren.

Lizzie schaute ihren Vater zweifelnd an. „Aber Papa, du weißt, wie Kittie und Mary sind. Sie können keinen Haushalt führen. Ich will nicht, dass... ich meine, wenn ihr mich braucht, bleibe ich hier, Papa."

„Es ist nicht so, dass wir dich nicht brauchen würden, Lizzie", entgegnete ihr Vater, „du weißt sicher, dass du für mich durch keine deiner Schwestern zu ersetzen bist, aber ich nicht der Einzige, der ein Anrecht auf dich hat. Dein Ehemann braucht dich genauso, wenn nicht noch mehr als ich. Ich weiß, du fühlst dich verantwortlich für uns, weil wir deine Familie sind, doch du wirst bald eine eigene Familie haben und darauf solltest du dich jetzt konzentrieren."

„Aber Papa, das heißt doch nicht, dass ihr nicht mehr meine Familie seid", widersprach Lizzie, „und in solchen Zeiten sollte die Familie zusammenhalten. Ich will euch nicht einfach so im Stich lassen." Lizzie hoffte irgendwie unterbewusst darauf, dass Mr. Bennet sie bat in Longbourn zu bleiben. Zwar wollte sie sich ungern wieder für einen längeren Zeitraum von Fitzwilliam trennen, aber bei dem Gedanke nach Pemberley zurückkehren, wo alles sie an eine andere erinnerte, war ihr auch nicht so wohl.

Doch Mr. Bennet ließ sich von Lizzies Überredungskünsten und seinem eigenen Wunsch Lizzie länger auf Longbourn zu haben nicht umstimmen: „Lizzie, du lässt niemandem im Stich, aber für deine eigene Gesundheit bitte ich dich abzureisen. Du hattest gerade erst einen Zusammenbruch und brauchst jetzt Ruhe und Schonung. Du weißt selbst, dass du davon hier wenig bekommen wirst. Ich will nicht, dass du dich erneut für uns verausgabst. Ich werde dich sehr vermissen, Elisabeth, aber ich werde dich zu deinem eigenen Wohl nicht bitten hier zu bleiben. Und nun verabschiede dich richtig von deinem Vater."

Lizzie schmunzelte und umarmte ihren Vater dankbar. Es war nur so schade, dass er nicht mit nach Pemberley kommen konnte. Sie würde ihn vermissen.

„Im Sommer kommt ihr mich alle besuchen", bat Lizzie ihren Vater, während ihr ein paar vereinzelte Tränen die Wangen hinunterrollten.

„Natürlich", versicherte ihr Mr. Bennet lächelnd, „Ich muss doch endlich einmal die berühmte Bibliothek von Pemberley besuchen." Ernster fügte er hinzu: „Weine nicht, Lizzie. Wir kommen auch ohne dich klar und sobald du weg bist, wird sich Kittie auch wieder beruhigen."

Lizzie wirkte plötzlich betreten. Sie wurde nicht gerne daran erinnert, dass Kittie wegen ihr so unglücklich war.

Mr. Bennet bemerkte Lizzies Verlegenheit und meinte: „Gib dir nicht die Schuld für Kitties Kummer! Ich habe letztlich die Entscheidung getroffen Mr. Johnsons Antrag abzulehnen und so wie ich Kittie kenne, wird sie ihn schon in einem Monat vergessen haben und für einen anderen Mann schwärmen."

Lizzie lächelte ihren Vater dankbar an und verließ dann wieder die Bibliothek. Die Worte ihres Vaters hatten ihr gut getan, aber irgendwie wusste sie, dass er bezüglich Kitties Unrecht hatte. Lizzie glaubte, dass die Zuneigung, die Kittie für Mr. Johnson empfand, mehr war als nur eine kurze Schwärmerei, und sie wusste, dass ihr Vater, egal was er selbst behauptete, ohne ihren Rat niemals Mr. Johnsons Antrag abgelehnt hätte. Wenn sie Unrecht gehabt hatte und Mr. Johnson Kittie wirklich liebte, hatte sie vielleicht einen großen Fehler begangen, einen Fehler, den man nicht so einfach wiedergutmachen könnte.

Lizzie wusste, dass Fitzwilliam erwartete, dass sie über die Ereignisse des Tages reden würden, als er an diesem Abend zu ihr ins Bett kroch. Doch sie vermied es über Kittie oder Lydia zu reden, sondern kuschelte sich einfach in Fitzwilliams Arme. Aber dieser ließ solche Versteckspiele nicht gelten. „Deine Schwester hat gegenüber mir bemerkt, dass ich der Grund dafür bin, dass du gegen ihre Heirat mit Mr. Johnson bist. Was meint sie damit? Hat unser Streit etwas damit zu tun, dass du mit deinem Vater gesprochen hast? Ich hoffe nicht, du bist nur deswegen gegen Kitties Verlobung, weil wir uns zerstritten hatten, und du Kittie ähnliche Situationen ersparen möchtest, oder? Ich meine, du weißt schon, dass jedes Ehepaar eigene Probleme hat und keine Beziehung ohne Reibungen verläuft, unsere nicht und Kitties mit Mr. Johnson sicher auch nicht, aber das ist kein Grund gegen eine Verlobung zu sein."

Lizzie schloss kurz ihre Augen. Kittie hatte also doch mit Fitzwilliam gesprochen. Wie hatte sie ihr das nur antun können? Sie atmete kurz ein und aus, öffnete ihre Augen wieder und blickte ihren Ehemann an. „Das war nicht der Grund für mein Eingreifen, Fitzwilliam", log sie, „meine Bedenken gegenüber einer Verlobung zwischen Mr. Johnson und Kittie haben nichts mit uns zu tun."

Fitzwilliam war erleichtert, er konnte nämlich nicht sehen, wie sie sich innerlich bei diesen Worten wand und ihre Finger hinter ihrem Rücken kreuzte. „Das ist gut, ich habe es auch nicht wirklich für möglich gehalten, als Kittie es erwähnte", antwortete er, „aber da fällt mir ein, auch wenn wir uns nun wieder versöhnt haben, denke ich, sollten wir noch einmal über unseren Streit reden. Ich weiß, dass du sicher deine Gründe gehabt hast, mich so anzuschreien, aber ich würde diese auch gerne kennen. Denn es fällt mir schwer zu verstehen, warum du mir diese Sachen um die Ohren gehauen hast. Ich weiß, du liebst mich, also wieso hast du mir gesagt, du hasst mich, du wolltest mich nie wieder sehen? Bitte, Lizzie, erkläre mir endlich, was damals mit dir los war? Ich habe einfach keine Ruhe, solange ich nicht weiß, was ich dir damals getan habe, dass du mir das gesagt hast."

Er blickte Lizzie ernst und verletzlich an und sie konnte nicht anders als Mitleid mit ihm zu haben. Natürlich musste er sich ständig gefragt, was damals in sie gefahren war. Doch wie konnte sie ihm eine Begründung für ihr Verhalten geben ohne die Wahrheit preiszugeben. Einen Moment überlegte sie, ihn noch weiter hinzuhalten, ihm einfach keine Antwort zu geben, aber sie wusste, sie musste irgendwann mit ihm darüber reden. Der jetzige Zeitpunkt war genauso gut wie jeder andere. So entgegnete sie stockend: „Fitzwilliam, du hast nichts falsch gemacht. Ich war einfach nur in Sorge um meine Mutter." Sie hasste sich dafür ihn erneut anzulügen, ihn anzulügen in ihrem Ehebett. Sie fühlte sich wie eine Verräterin, aber der eigentliche Verräter war er.

Fitzwilliam ließ Lizzies Erklärung nicht gelten. „Das glaube ich dir nicht", widersprach er, „das war mehr als nur Sorge um deine Mutter, du warst so schrecklich wütend. Also was habe ich dir getan."

„Ich weiß es nicht mehr", wich Lizzie einer klaren Antwort aus.

„Das glaube ich dir nicht", stellte Fitzwilliam fest, während er sie mit durchdringendem Blick musterte, „du warst ja fast rasend vor Wut. Sei bitte ehrlich, Lizzie: Wieso warst du so sauer auf mich? Und wie kamst du auf die blöde Idee, ich liebe dich nicht mehr? Was habe ich denn getan, dass du an meiner Liebe zweifelst?"

„Ja, was wohl?", dachte Lizzie zynisch im Stillen, „du liebst eine andere und fragst mich das!" Aber laut sagte sie: „Du hattest so viel zu tun, hast kaum Zeit für mich gehabt, warst ständig weg und wenn du mal da warst, warst du geistig abwesend. Wie sollte ich dir da glauben, dass du mich liebst? Und dann musste ich dringend zu meiner Mutter und auf einmal wolltest du mich mit aller Kraft an dich binden und mich zum Bleiben bewegen, obwohl es wichtig für mich war, meine Mutter zu sehen."

Fitzwilliam zog Lizzie näher zu sich und flüsterte entschuldigend: „Das war sicher falsch von mir so zu handeln. Aber da war der Brand... na ja, du weißt ja, und genau, als ich etwas mehr Zeit für dich gehabt hätte, wurde deine Mutter krank. Ich weiß, ich hätte verständnisvoller sein sollen und dich vorher nicht so vernachlässigen sollen. Aber ich verspreche dir, ich werde mich nicht wieder so stark der Verwaltung Pemberleys widmen, wenn wir wieder da sind, sondern mich eher um meine wunderschöne Gattin kümmern. Wir können zwar wegen deines Zustandes nur schwerlich unsere Hochzeitsreise nachholen, aber es soll dir an nichts fehlen. Und dann wirst du es nie wieder auch nur wagen an meiner Liebe zu zweifeln."

„Gewiss nicht", bemerkte Lizzie. Sie wusste, dass das nicht die Wahrheit war, doch es war das, was Fitzwilliam jetzt hören wollte und so sagte sie es. Aber bevor ihr Gatte ihren Mund mit einem innigen Kuss schloss, spürte sie noch den fahlen Nachgeschmack ihrer Lüge.

Am nächsten Morgen wachte Lizzie vor ihrem Ehemann auf. Er hatte liebevoll seine Hand auf ihren Bauch gelegt und streichelte sanft ihr ungeborenes Baby. Normalerweise hätte sie das als angenehm empfunden, aber an diesem Morgen weckte es in ihr unerwünschte Gedanken. War das vielleicht der eigentlich Grund gewesen, wieso er sie geheiratet hatte? Wie Lydia gesagt hatte: „der Erbe Pemberleys soll doch gesund sein". Vielleicht war er nur deshalb nach Longbourn geeilt, als sie den Zusammenbruch gehabt hatte. Vielleicht war das alles, was ihm an ihr wichtig war, dass sie seine Kinder zur Welt brachte. In ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Nein, das war nicht wahr. Er liebte sie vielleicht nicht so wie Marianne, aber er empfand etwas für sie, das spürte sie. Und wenn er dich nur genommen hat, weil du ihn an Marianne erinnerst und er möchte, dass seine Kinder ihr ähnlich sind?

Mit diesem Gedanken drehte sich ihr der Magen um und sie griff schnell nach ihrem Nachttopf. Sie übergab sich heftig und hielt mit zittrigen Händen den Nachttopf umklammert. Sie hatte schon gehofft, dass sie ihre Morgenübelkeit überstanden hätte, nachdem sie in den letzten Tagen keinerlei Übelkeit verspürt hatte. Dafür spürte sie diese heute umso deutlicher. Obwohl sie sich schon übergeben hatte, war ihr immer noch elend zumute. Die Übelkeit wollte einfach nicht nachlassen. Sie würgte trocken im Bemühen den Rest ihrer gestrigen Mahlzeit auch noch von sich geben. Vielleicht ging es ihr ja dann besser.

Aber obwohl ihr immer noch übel war, wollte ihr Magen seinen restlichen Inhalt nicht hergeben. Sie würgte erneut und erneut. Sie wollte einfach nur, dass diese Übelkeit endlich aufhörte. Auf einmal wurde ihr schwarz vor Augen.

„Lizzie", schrie Fitzwilliam, der mittlerweile wach geworden war, erschreckte, als seine Gattin plötzlich keine Luft mehr bekam. Er griff nach ihr und schüttelte sie. „Lizzie, Lizzie!" Ihr durfte nichts passieren, er liebte sie doch. Er konnte sie nicht verlieren.

Lizzie hörte die Rufe ihres Gatten erst nur schwach, dann jedoch immer lauter und deutlicher. Sie öffnete ihre Augen und blickte in die besorgten Augen ihres Gatten. Dieser war überglücklich und wollte sie in seine Arme schließen. Doch bevor er dies tun konnte, übergab sich Lizzie erneut, diesmal jedoch nicht in den Nachttopf, sondern über das Bett.

Als sie es bemerkte, begann sie vor Scham zu schluchzen. Was dachte Fitzwilliam bloß jetzt von ihr? Wie musste er sie nun verachten? Aber ihr Ehemann zog sie nur in seine Arme und wiegte sie sanft hin und her, während er sie leise tröstete. Er war nur froh, dass sie lebte. Alles andere war ihm egal.

Lizzie ließ sich völlig in Fitzwilliams Arme fallen. Er gab ihr soviel Halt und stand so rückhaltlos zu ihr, dass sie kaum glauben konnte, dass er sie nicht liebte. Aber es so war es, oder etwa nicht?