Kapitel 24:

Kittie war eher weniger glücklich. Sie starrte hinaus in den Regen und wünschte sich weit weg. Nach Lizzies Abreise hatte sie mehrfach versucht, ihren Vater umzustimmen, aber es war umsonst gewesen. In ihrem Schoß lag ein Schreibblock. Sie wollte Mr. Johnson einen Brief schreiben. Mittlerweile musste er die Nachricht ihres Vaters bekommen haben. Was er wohl dazu dachte? Kittie wusste es nicht. War er wütend auf sie und wollte sie eventuell nie wieder sehen? Sie hatte keine Ahnung, aber sie wusste, dass sie, was auch immer er denken mochte, Kontakt mit ihm aufnehmen musste. Sie musste einfach wissen, wie er nun für sie empfand und ob er sie immer noch liebte und weiterhin die Absicht hatte, sie zu heiraten.

Mein lieber George,

ich bin mir sicher, dass du schon die Nachricht meines Vaters bekommen hast. Es tut mir herzlich leid, dass du es auf diese Weise erfahren hast. Bitte glaube mir, dass ich alles Mögliche getan habe, um meinen Vater umzustimmen, aber meine Schwester Lizzie hat ihren Einfluss auf ihn geltend gemacht und da sie gegen unsere Verbindung ist, haben alle meine Überredungsversuche nichts genutzt.

Du hast sicher schon durch meinen Vater von dem Tod meiner Mutter erfahren. Es fällt mir schwer gerade in diesem Verlust von dir getrennt zu sein, aber so ist es nun einmal. Meine Schwester Mary und mein Vater haben sich in ihre Bücher vergraben und ich fühle mich einsamer als je zuvor.

Gestern ist auch meine Schwester Lydia wieder mit ihrem Mann abgereist. Lizzie ist schon vor zwei Tagen abgereist, aber darüber war ich nicht traurig. Ich verstehe ihr Verhalten einfach nicht. Sie will offensichtlich, dass ich genauso unglücklich bin wie sie. Und dabei hat sie nicht einmal den geringsten Grund unglücklich zu sein, denn Mr. Darcy scheint sie sehr zu lieben, doch Lizzie ist offenbar nicht dazu fähig zufrieden mit ihrem Leben zu sein. Wahrscheinlich hat sie Mr. Darcy wirklich nur wegen seinem Geld geheiratet, egal wie sehr sie das auch bestreiten mag, und gönnt nun niemandem das Glück einer Liebesheirat. Ach, ich hasse sie so, George, ich wünschte, ich könnte ihr irgendwie heimzahlen, was sie uns angetan hat, aber das ist nicht möglich, denn „Miss Lizzie" ist ja unverwundbar und ihr Ehemann steht zu ihr, als hätte sie immer recht, jedenfalls wenn es um das Leben anderer geht.

Oh, George, ich vermisse dich so sehr und habe so große Angst, dass du mich nie wieder sehen möchtest. Bitte, schreibe mir bald und versichere mir, dass die Ablehnung meines Vaters keinen Einfluss auf deine Liebe zu mir hatte. Ich warte schon die ganze Zeit auf einen Brief von dir und fürchte einen solchen genauso sehr.

Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn du mich nicht mehr liebst. Es scheint, du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, der mich versteht. Ich bin so schrecklich einsam. Bitte lass mich jetzt nicht im Stich!

Deine dich liebende

Catherine Bennet

Kittie starrte auf ihren Brief an Mr. Johnson. Ihre Tränen hatten die Schrift teilweise verwischt, aber nicht so sehr, dass der Brief nicht mehr lesbar sein würde. Kittie faltete den Brief sorgfältig zusammen. Doch bevor sie ihn versiegelte, legte sie noch eine Locke ihres Haares dabei. Er würde sie nicht enttäuschen. Er würde in seiner Liebe zu ihr treu bleiben. Darauf vertraute sie.

Auch Lizzie versuchte einen Brief zu schreiben, aber im Gegensatz zu Kittie schaffte sie es nicht ihre Gedanken in Worte zu fassen. Sie hatte vorgehabt Kittie zu erklären, warum sie gegen eine Verlobung zwischen ihr und Mr. Johnson war, aber nun wusste sie nicht mehr, was sie schreiben und wo sie beginnen sollte. Ihre Gedanken schweiften zurück zu ihrem Spaziergang mit Fitzwilliam an diesem Morgen und alles, was darauf gefolgt war.

„Ein heißes Bad wäre jetzt schön vor dem Mittagessen", bemerkte Fitzwilliam, als sie wieder das Haus betraten.

Lizzie nickte. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet und ihre Finger fühlten sich trotz der Handschuhe an wie Eiszapfen. Ein heißes Bad war genau das, was sie jetzt brauchte.

Fitzwilliam führte sie in ihr Zimmer und wies Betty an heißes Wasser für seine Gattin aufzusetzen und in die größte Wanne zu füllen, die im Haus war.

„Willst du nicht auch baden?", wollte Lizzie irritiert wissen.

„Doch", erwiderte Fitzwilliam mit einem Lächeln, das zu deuten Lizzie unmöglich war. Er hatte irgendetwas vor, aber sie wusste nicht, was. Neugierig beobachtete sie sein ungewöhnliches Verhalten, wie er in ihrem Zimmer blieb, während Betty das Bad fertig machte und sie entkleidete. Fast hätte Lizzie aus Mitleid mit dem jungen Mädchen, das sehr verwirrt wirkte, nachgefragt, was er beabsichtigte, aber diesen Triumph gönnte sie ihm dann doch nicht. Sie würde schon noch mitbekommen, was er mit seinem komischen Benehmen anstrebte. Völlig unbeeindruckt ließ sie sich in der Badewanne nieder und schaute ihren Ehemann herausfordernd an.

Dieser schickte die leicht verstörte Betty weg und begann sich auch zu entkleiden. „Das hatte er also vor", dachte Lizzie und schmunzelte. Sir, das werden Sie bereuen, meinte sie spöttisch zu sich selbst und ließ sich kein Zeichen der Überraschung anmerken.

Fitzwilliam stieg ohne nachzufragen zu ihr in die Wanne und zog sie zu sich. „Tu nicht so ungerührt, Liebes, ich weiß, ich habe dich hiermit verblüfft."

Lizzie lächelte nur und meinte gelassen: „Ich weiß nicht, was du meinst, Fitzwilliam."

Er zog sie noch ein bisschen näher zu sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Das weißt du sehr wohl, Kleines, aber es freut mich doch, dass ich dich überrascht habe, also werde ich darauf nicht weiter herumreiten." Spielerisch biss er ihr ins Ohrläppchen und schien zu erwarten, dass sie über nichts glücklicher war als, dass er sich zu ihr in die Badewanne gelegt hatte.

„Angeber", dachte Lizzie empört, „das wirst du mir büßen." Sie löste sich etwas von ihm und bemerkte kühl: „Ich weiß ja, nicht, was du vorhast, aber ich wollte eigentlich nur in Ruhe baden." Dann machte sie sich in der Wanne breit und überließ ihren Gatten sich selbst.

Dieser hatte sich das etwas anderes vorgestellt, als er zu ihr in die Wanne gestiegen war und musste nun um Kontrolle ringen. Die Wanne war zwar sehr groß, aber sie bot nicht soviel Platz, dass zwei Personen sich darin aufhalten konnten ohne sich zu berühren. Ständig berührte er mit seinen Beinen Lizzie. Krampfhaft versuchte er an etwas anderes zu denken, aber das gestaltete sich eher schwierig.

Lizzie bemerkte natürlich, in welcher Zwickmühle ihr Ehemann steckte, aber sie hatte kein Mitleid mit ihm, jedenfalls noch nicht. So herablassend wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte, konnte er ruhig noch etwas schmoren.

„Würdest du mir bitte den Rücken einseifen", bat sie ihn und reichte ihm die Seife. Sie hörte, wie er nach Luft schnappte und grinste. Er machte, worum sie ihn gebeten hatte, aber sie spürte, wie seine Finger bebten. Dabei entglitt ihm die Seife. „Lizzie, die Seife...", begann er.

„Du scheinst etwas abgelenkt zu sein, Fitzwilliam", spöttelte Lizzie. Sie hörte, wie er aufstöhnte, und hatte Mitleid mit ihm. Sie drehte sich zu ihm um, so dass sie ihn anschauen konnte. Er hatte den Kopf nach hinten gelegt und die Augen geschlossen. Sie sah, wie seine Brust sich schnell hob und wieder senkte.

„Das Bad ist offensichtlich zu heiß für dich", meinte sie scherzhaft. Er öffnete die Augen und sah sie erbost an. „Es ist weniger das Bad, was zu heiß für mich ist", dachte er verzweifelt um Selbstbeherrschung ringend.

Liebevoll fuhr Lizzie fort: „Entspann dich einfach, William", dann beugte sie sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich. Seine Lippen schmeckten nach Seife, er erwiderte ihren Kuss und zog sie näher zu sich. „Elisabeth, was...?", fragte er mit rauer Stimme, doch Lizzie zwinkerte ihm nur neckisch zu und brach seine Frage mit einem weiteren Kuss ab. Fitzwilliam schloss sie fest in seine Arme und flüsterte in ihr Ohr: „Ich liebe dich, Lizzie."

„Dann beweis es mir", forderte sie ihn kess auf. Diesem Befehl folgte er natürlich äußerst bereitwillig.

„Hast du so was schon jemals gemacht?", fragte Lizzie, während Fitzwilliam sie mit einem Handtuch abtrocknete. Er blickte sie geschockt an. „Ich meine nicht das jetzt eben, sondern mit jemand anderem gebadet", verbesserte Lizzie sich, „ich musste mir früher häufig mit meinen Schwestern die Badewanne teilen."

Fitzwilliam lächelte: „Das kann ich mir gut vorstellen, du hast gewiss immer Wasserschlachten angefangen und alles nass gemacht und deine Mutter hat einen ihrer hysterischen Anfälle bekommen."

„Genau", bestätigte Lizzie seine Vermutung, „aber so schlimm war ich auch nicht. Und mit Jane habe ich immer gerne gebadet."

„Aber doch nicht lieber als mit mir?", fragte Fitzwilliam gespielt eifersüchtig.

„Natürlich nicht", erwiderte Lizzie lächelnd, „du musstest dir sicher nie mit deiner Schwester eine Wanne teilen, oder?"

„Doch, das eine oder andere Mal schon", entgegnete Fitzwilliam. Er erinnerte sich daran, wie er Marianne in den Teich gestoßen hatte und zur Strafe die Wanne mit ihr hatte teilen müssen. Damals hatte er versucht, sie von Pemberley zu vertreiben und war eher gemein zu ihr gewesen. Aber irgendwann hatte er sie doch in sein Herz geschlossen.

„Georgiana muss damals noch sehr jung gewesen sein", unterbrach Lizzie seine Überlegungen.

„Ja, das war sie", antwortete er gedankenversunken.

Lizzie lächelte in Erinnerung an ihr gemeinsames Bad. Fitzwilliam war ein so wunderbarer Ehemann und dennoch... Sie seufzte leise und blickte aus dem Fenster. Wieso nur konnte sie nicht zufrieden mit dem sein, was sie hatte? Sie wusste schließlich, dass ihr Ehemann sie liebte. Warum war ihr diese Liebe nicht genug? Warum griff sie immer nach den Sternen?

Sie schüttelte diese Gedanken ab und beschloss einen Brief an Jane zu schreiben.

Liebe Jane,

mir geht es gut

Hier stockte sie schon: Ging es ihr denn gut? Sie konnte es eigentlich nicht behaupten, aber sie konnte auch nicht schreiben, dass es ihr schlecht ging, denn dann würde sich Jane Sorgen machen und wirklich schlecht ging es ihr ja auch nicht. Fitzwilliam war so fürsorglich, so liebevoll, wieso nur konnte sie nicht einfach die Vergangenheit vergessen?

Ein Geräusch hinter ihr holte sie in die Gegenwart zurück. Sie schaute hoch. Ihr Ehemann stand hinter ihr. Er grinste.

„Während ich gleich eine Handvoll geschäftlicher Briefe beantworte, schaffst du es gerademal deine Schwester zu begrüßen. Du scheinst dir deine Worte echt zurechtzulegen, mein Schatz", spöttelte er.

„Mach dich nicht über mich lustig", empörte sich Lizzie, „ich war abgelenkt."

„Von was?", erkundigte sich ihr Ehemann.

„Ich habe mich an unser Bad erinnert", klärte Lizzie ihn auf.

Lächelnd entgegnete er: „Na, dann ist es ja verständlich, dass du dich nicht konzentrieren konntest." Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft.

Dann ließ er sich neben ihr nieder und erzählte ihr, worum es in seinen Briefen gegangen war. Er hatte Waisenhäuser angeschrieben, die sich der Kinder annehmen würden, deren Eltern bei dem Brand gestorben. Lizzie hörte interessiert zu, wie er sie um ihre Meinung bat, ob er lieber selbst ein Waisenhaus für die Kinder gründen sollte oder sie in andere Waisenhäuser mit gutem Ruf schicken sollte. Sie bewunderte wieder, wie sehr ihm diese Menschen, für die er Verantwortung trug am Herzen lagen.

„Ich habe auch Richard geschrieben", teilte er ihr mit, „er wird uns in etwa zwei Wochen besuchen und Georgiana mitbringen. Ich hoffe, das ist dir Recht."

„Aber natürlich", erwiderte Lizzie, „ich mag deine Schwester sehr und sie muss sehr traurig sein, dass du an Weihnachten von ihr wegmusstest."

„Du brauchtest mich", entgegnete Fitzwilliam, „sie hat es verstanden."

Lizzie strahlte ihn an. Es war für ihn so selbstverständlich Weihnachten ohne seine Schwester zu verbringen, wenn sie ihn nötig hatte, dass sie es nur bewundern konnte. Es war nicht nur so, dass er ihr keine Vorwürfe deswegen machte, es schien sogar so, dass es ihm nichts ausmachte Opfer um ihretwillen zu bringen. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung und sie zog ihn zu sich und küsste ihn sanft.

„Womit habe ich das verdient?", fragte ich Gatte.

„Damit, dass du mich so treu umsorgst", erwiderte Lizzie, „einen so lieben Mann wie dich habe ich überhaupt nicht verdient."

„Wenn hier jemand etwas nicht verdient", konterte Fitzwilliam, „Dann verdiene ich dich nicht. Ich bin jeden Tag froh und dankbar, dass du mich liebst und mich geheiratet hast."

„Auch während unseres Streites?", wollte Lizzie wissen.

Fitzwilliam schüttelte leicht den Kopf: „Nein, dann nicht. Ich bin fast verrückt geworden. Ich konnte einfach nicht verstehen, wieso du gesagt hattest, was du gesagt hast. Ich hatte dir doch nichts getan und dennoch hast du mich behandelt wie den letzten Dreck."

„Es tut mir leid", wisperte Lizzie.

„Das muss es nicht", entgegnete Fitzwilliam, „Mittlerweile habe ich verstanden, warum du so sauer auf mich warst."

Lizzie dachte: „Nein, hast du nicht", aber sie vertrieb jeden weiteren Gedanken an Marianne oder irgendetwas anderes, was ihrer Ehe schaden könnte, und lächelte zu ihm hoch.

„Dann werden solche harsche Worte wohl nicht mehr nötig sein", meinte sie schmunzelnd.

„Das hoffe ich nicht", lachte Fitzwilliam und zog sie von ihrem Stuhl hoch: „Komm, zeig mir, was du hier auf Pemberley verändern willst. Ich weiß, du hast dir in den ersten paar Wochen Notizen dazu gemacht, aber ich hatte keine Zeit mich damit zu beschäftigen. Nun bin ich ganz gespannt, was du hier verändern möchtest, vor allem wo uns bald noch eine weitere Veränderung ins Haus steht."

Lizzie stand auf und folgte ihm. Sie nannte ihm ein paar ihrer Ideen, wagte aber kaum alles auszusprechen, was sie eventuell gerne verändert hätte.

Schließlich wusste sie nicht, was Marianne eingerichtet hatte und wollte es auch nicht wissen. Fitzwilliam bemerkte ihre Zurückhaltung, da er aber den Grund dafür nicht kannte, glaubte er, dass sie einfach noch etwas Zeit brauchte, um ihre Ideen ihm mitzuteilen. Er zog sie sogar ein bisschen damit auf, dass sie so zurückhaltend war, und sprach davon, dass sie wohl seiner Tante keinerlei Anlass zur Kritik geben wollte. Lizzie lächelte amüsiert über diesen Gedanken, wurde jedoch nicht redseliger. Sie hatte einfach Angst vor Zurückweisung seinerseits, die ihr bestätigen würde, wie sehr er die Einrichtung von Marianne immer noch schätzte. Im Moment war ihre Ehe so perfekt, sie wollte einfach keinen Grund haben wütend auf ihn zu sein oder die gerade heilenden Verletzungen der letzten Zeit neu aufreißen. So blieb sie eher still und wartete auf Fitzwilliams Meinung zu der Einrichtung, bevor sie ihre eigene Sicht dazu kundtat.