Und wieder ein neues Kapitel, diesmal nicht von mir, sondern von Tanja. Viel Spass beim Lesen! Ich selbst habe dieses Kapitel sehr genossen.
Kapitel 31:
by TeeKay
Lizzys Körper zeigte schon deutlich die Schwangerschaft. Darcy hätte ihr gern manchmal neckisch gesagt, dass sie das bestaussehendste Pummelchen seiner Bekanntschaft war – aber im Moment war weder ihm noch ihr zum Scherzen zumute. Lizzies Tagesablauf bestand größtenteils darin, sich auszuruhen und den anderen aus dem Weg zu gehen. Die Entscheidung, wegzugehen, schob sie immer wieder vor sich heraus. „Noch eine Woche" oder „nach der Geburt" oder „wenn das Kind alt genug ist"... Es passte überhaupt nicht zu ihr, diese Passivität. Sie war doch immer die Aktivste der Bennetschwestern gewesen, die, die immer lange Spaziergänge gemacht hatte oder viel Zeit mit ihren Freundinnen verbracht hatte – und jetzt war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wo war die echte Lizzy geblieben?
Darcy war das nicht unbemerkt geblieben. Der freie Geist seiner Frau, das, was ihn am meisten an ihr fasziniert hatte, war wie weggeblasen. Das änderte nichts an seiner Liebe zu ihr, aber er überraschte sich doch oft, wie er seine Frau mit jener Miss Elisabeth Bennet verglich, und das Ergebnis erschreckte ihn. Es musste doch irgendwie einen Weg geben, sie zurückzubringen! Richard hatte mal angedeutet, dass das sicherlich mit der Schwangerschaft enden würde. Irgendetwas sagte William aber, dass er sich dort täuschte.
Schweiß bedeckte ihre Stirn. Ihr Schmerz war so groß, dass ihre Augen wie die eines Wahnsinnigen fiebrig im Raum umherschwirrten. Sie schrie aber nicht. Stumm ertrug sie den Schmerz, und das machte es noch schrecklicher. Das Laken war rot. Als er an sich runterschaute, war auch er ganz mit Blut bedeckt. Erschreckt wich er von dem Bett zurück. Auf einmal loderten Flammen auf, um Elisabeths Körper. Und sie war aber nicht das einzige Gesicht, das von dem Feuer aufgezehrt wurde, während er hilflos und blutüberdeckt dabei zusah...
Auch in dieser Nacht schlief Elisabeth allein. Eine Woche war es nun her, dass ihr Gatte sich von ihr zurückgezogen hatte. Sie vermisste ihn, aber es machte alles irgendwie leichter. Sie musste nicht mehr seine Küsse ertragen, seine Zärtlichkeiten, nicht einmal seine Nähe. Sie war wieder aufgestanden, wie so oft kam der Schlaf einfach nicht. So saß Lizzie noch vor dem Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie sah mager aus, ihre Augen waren rot und ihr Haar hing schlaff und lieblos an ihr herab. Zärtlich streichelte sie sich über den Bauch – wie viele Sorgen hatte Elisabeth gehabt und ihr war bewusst, dass alles durch die Schwangerschaft nur schwerer geworden war. Doch sie liebte den kleinen Menschen da drin schon, und für einen Augenblick vergaß sie die Schmerzen, die Kluft, die zwischen dem Vater dieses Kindes und ihr lag, und freute sich über das Wunder unter ihrem Herzen.
„Mein Kleines, du wirst sicherlich so schöne Augen haben wie dein Vater. Und wenn du ein kleiner Junge bist, dann wirst du ganz sicherlich genauso stark. Wenn du ein Mädchen bist, dann hoffe ich, dass du ganz so wirst wie deine Tante Jane. Oder wie Georgie, so ganz lieb und herzensgut. Bloß nicht so verrückt wie Lydia." Sie lachte leise, bei dem Gedanken, wie ihre jüngste Schwester als Kleinkind gewesen war – laut und nervig, aber stets mit einem frechen Lächeln dazu fähig, alle für sich zu gewinnen. Ihre Gedanken schweiften ab und sie überlegte, wie wohl Georgiana als Kleinkind gewesen war. Sie erinnerte sich daran, wie Darcy ihr davon erzählt hatte, wie er mit ihr in der Badewanne gesessen hatte, als Kinder. Bei dem Gedanken an ihren Mann stand sie automatisch auf und näherte sich seiner Zimmertür. Sie öffnete sie einen Spalt, um einen Blick auf seinen schlafenden Körper zu werfen.
Elisabeth saß ruhig und aufrecht auf dem Bett, als würde in diesem Augenblick nicht eine Feuerhölle um sie lodern. Ihre Haare fingen Feuer: Sie schien einen leuchtend roten Kranz um den nackten Körper zu haben. In ihren Armen hielt sie ein Kind. Neben ihr kniete eine andere junge Frau, die dem Baby die Wange streichelte und währenddessen langsam zu Asche wurde. Es war...
„MARIANNE!"
Von seinem eigenen Schrei geweckt, riss sich Fitzwilliam Darcy aus seinem Traum. Er zitterte, den Anblick an das brennende Bett noch vor Augen schwebend. Auf einmal wurde er sich einer schwachen Silhouette bewusst, die im Kerzenschein im Rahmen einer geöffneten Tür stand.
„Elisabeth"
Ein Schluchzen drang zu ihm, mit lautem Knall schloss sich die Tür. Darcy sprang aus dem Bett, riss sie wieder auf und beobachtete besorgt seine Frau, die wild schluchzend auf dem Bett lag. Er riss sie aufgeregt hoch und schaute sie mit verzweifelten Augen an. „Was ist passiert, Lizzie? Was?" Sie riss sich von ihm los, und stand mit zitterndem Körper vor ihm, das Haar hing ihr wild über die Schultern, die Hände zu Fäusten geballt. „Fass mich nicht an!"
Der ganze Frust, der Schmerz der letzen Wochen, die Wut und Verzweiflung tobten in ihrem Herzen, das Zimmer schien um Elisabeth zu schleudern wie eine wildgewordene Achterbahn. Von einem Augenblick an war die ruhige Freude, die sie an den Gedanken an ihr Kind hatte, wie weggewischt. Immer wieder hallte der Schrei Williams ihr durch die Ohren, wie er selbst im tiefsten Schlaf ihr untreu war. Immer und immer wieder hörte sie es.
„Ich wünschte, ich hätte dich nie geheiratet. Ich wünschte, ich wäre tot. Ich wünschte, ich wäre verbrannt, wie sie."
Ihre Worte waren nicht mehr als ein Hauch gewesen, doch seine Liebe hatte ihn auf ihre Stimme eingestellt, er konnte es hören. William sah sie wieder, nackt, in Flammen eingehüllt, ihre Haare wie ein feuriger Kranz um ihren Kopf geschlungen. Ihm wurde gar nicht bewusst, dass sie von Marianne nichts wissen konnte. Die eisige Erinnerung an die Nacht war ihm noch zu nah, um sie ganz als Hirngespinst abzuschreiben. „Sag so was nicht." Seine Stimme klang heiser und rau. Darcy war es, als wären es nicht einmal seine eigenen Worte gewesen. Ihre Augen starrten ihn an.
„Doch, genau das will ich. Ich will tot sein, verbrannt. An ihrer Stelle." Auf einmal erinnerte sie sich, dass Marianne gar nicht tot war. Sie hatte ein Kind von ihm, sie wartete auf ihn. Ihre Hände verkrampften sich noch mehr, bis sich ihre Fingernägel in die Handflächen bohrten. Der Schmerz machte ihr nichts aus.
Verzweifelt kam er auf sie zu, Ihr Gesicht weiß wie Marmor, kalt wie Stein. Er griff nach ihren Armen, er schüttelte sie, er schrie, in der Hoffnung, dass sie wieder lebendig erschien.
„Ich will dich nicht verlieren. Ich will nicht, dass du tot bist. Ich will dich nicht wie Marianne verlieren." Wie ein totes Gewicht ließ sie sich von ihm durchschütteln, sie reagierte gar nicht. Noch nie hatte er so viel Angst um sie gehabt wie jetzt, selbst im Traum war es nicht so fürchterlich gewesen. Er riss sie am Ende in seine Arme, drückte sie an sich, hoffte, ihre Arme um sich zu spüren – doch sie hingen nur schlaff an ihr herunter. Er ließ sie wieder frei, er kniete vor ihr nieder und schaute ihr ins Gesicht. „Sag was, bitte. Bitte. Warum hasst du mich? Warum sagst du nichts?"
Sie starrte ihn an, wie er vor ihr kniete, seine Augen flehend. Zum ersten Mal hatte er es also gesagt. Marianne. Er hatte gesagt, dass er sie verloren hatte. Er wusste nichts davon, dass sie noch lebte. Endlich kamen die richtigen Worte aus ihrem Mund. „Du liebst sie immer noch. Du hast immer sie geliebt. Nicht mich. Nie mich. "
Was meinte sie? Wen liebte er? Vielleicht redete sie wirr, vielleicht hatte sie Fieber? Doch ihre Augen waren auf einmal von einer erschreckend nüchternen Klarheit. Sie waren voller Tränen. Auf einmal wurde ihm bewusst, was seine Frau belastete. „Du glaubst... du meinst, dass ich eine andere Frau liebe und nicht dich? Wie lange... wie lange hast du das schon gedacht?"
So viel Leid. So viel Schmerz. So viele Ängste. Das war die Zusammenfassung ihrer Ehe bis jetzt gewesen. Sie wandte sich von ihm ab, ihre Stimme wieder ruhig. Zu ruhig. „Ich hatte es lange vermutet, doch irgendwann wusste ich es mit Bestimmtheit. Ich weiß es. Und obwohl du denkst, dass sie tot ist... sie ist es nicht. Sie hat den Brand überlebt, damals. Ich dachte, du hättest den Brief gelesen, den sie dir letzte Woche geschrieben hat. Kitty hat ihn dir doch gebracht. Du kannst zu ihr gehen. Ich habe mich damit abgefunden. Du hast..." aber sie brachte es nicht übers Herz, ihm von dem Sohn zu erzählen, das war zuviel. Ihre Lippen waren salzig. Ihr war kalt.
Brand. Marianne. Lizzy dachte, er liebte Marianne mehr als sie. Sie war auf seine tote Schwester – eifersüchtig. Und warum auf aller Welt meinte sie auch noch, dass sie noch am Leben war – er hatte seine Schwester selbst begraben, sogar selbst ihren verbrannten Körper aus der Asche geholt. Der Anblick davon hatte ihn lange verflogt. Er trat von seiner Frau weg und setzte sich auf die Bettkante. Ihm war irgendwie schwindelig.
Lizzy nahm wahr, wie er sich von ihr entfernte. Nun endlich war seine Farce vorbei, die ganze Liebeslüge, die er ihr erzählt hatte. Nun musste er ihr nichts mehr vormachen – denn Marianne war doch noch am Leben. Sie spürte einen bitteren Blutgeschmack im Mund. Offenbar hatte sie sich auf die Zunge gebissen, sie hatte es gar nicht gespürt. Weitere Worte quollen aus ihr heraus. „Ich werde weggehen, um ihr hier Platz zu machen. Vielleicht kannst du mir ja ein Cottage irgendwo beschaffen, wo ich mit unserem... mit meinem Kind bleiben kann. Ich hoffe, du ersparst mir, mit deiner Mätresse unter einem Dach leben zu müssen."
„Meiner ... WAS?" Darcy starrte sie fassungslos an. Mätresse? Vielleicht sprach sie doch von jemand anderen, und nicht von Marianne? Vielleicht... „Lizzy, Marianne war nicht meine Geliebte." Sie schaute ihn stumm an. „Sie war meine uneheliche Schwester."
Elisabeth spürte, wie die kerzenbeleuchteten Formen um sie herum langsam dunkler und verschwommener wurden. Auf einmal schien es absurd, noch stehen zu wollen. Es war so viel einfacher, sich einfach fallen zu lassen, nicht mehr sich selbst tragen zu müssen. Sie ließ es zu, dass ihre Knie nachgaben.
Darcy fing Lizzy auf und trug sie in das Bett, ihr Oberkörper auf ihn gestützt. Nur langsam wurde ihm immer klarer, in was für eine seltsame, blindmachende Lügenwelt sich seine Frau verfangen hatte, die durch eine Frage, durch ein klares Wort sich aufgelöst hätte. Wie nur hatte so wenig Unwahrheit ihr ganzes Leben zerstören können! Er war jetzt erst einmal zu müde und zu erschöpft und zu wütend, um länger darüber nachzudenken, wer schuld daran war. Außerdem merkte er, dass Lizzy aus ihrer Ohnmacht wieder wach wurde. Sie schwieg noch immer. William beschloss, seine Wut über ihre fehlende Offenheit auf morgen zu verschieben und fing leise an, ihr von Marianne zu erzählen.
Sie hatte weiterhin wie erstarrt in seinen Armen gelegen, nur ein schneller Blick oder ein Zucken durch ihren Körper hatte ihm bewusst gemacht, dass sie seiner Erzählung folgte. Als er vom Brand berichtete und seine Stimme unwillkürlich zu zittern anfing, hatte sie flüchtig seine Hand gedrückt. Als er am Ende schwieg, hatte Elisabeth ihren Kopf in seiner Brust vergraben und sie lagen noch einige Zeit einfach schweigend zusammen, verwirrt, verletzt und von der ungeheuren Wahrheit erschlagen. Irgendwann war sie endlich erschöpft eingeschlafen. Er hatte sie noch ein bisschen länger beobachtet, verwundert darüber, wie entfernt er sich jetzt von seiner Frau fühlte, da ihm auf einmal klar war, dass er sie in den letzten Monaten dauerhaft missverstanden hatte, dass er keinen ihrer Gedanken gewusst hatte. Sie war ihm fremd.
Am nächsten Morgen war Elisabeth fort.
