So, zwei weitere Kapitel, Reviews sind wie immer sehr erwünscht. Die Geschichte nähert sich langsam ihrem Ende, aber naja, noch nicht direkt. Viel Spass beim Lesen
Kapitel 32:
by TeeKay
Es war spät, als Darcy endlich aufwachte. Die Nacht war anstrengend gewesen, so dass die Sonne schon hoch am Horizont stand, als er endlich aufwachte. Das Erste, was er wahrnahm, dass die Frau, die in seinen Armen geschlafen hatte, nicht mehr dort weilte. Ihn durchzuckte die Erinnerung an das Gespräch, oder eher an den Streit, den sie gehabt hatten. Ihre Anschuldigungen. Ihre wahnsinnigen, völlig unbegründeten Anschuldigungen.
„Das wird kein guter Tag", dachte er. Langsam hievte er sich aus dem Bett, streckte seine Arme, um seinen verspannten Rücken zu dehnen. Mitten in der Bewegung hielt er inne und bemerkte einen Zettel auf seinem Nachttisch. Den Schriftzug hätte er unter Tausenden erkannt.
„Das wird überhaupt kein guter Tag", schoss ihm durch den Kopf.
Lizzy sah gedankenverloren aus dem Fenster. Nach dem ganzen Gefühlschaos der letzten Wochen fühlte sie sich jetzt – einfach nur müde und taub. Und ziemlich dumm. Sie fühlte sich, als ob alles, was sie erlebt hatte, Geschehnisse aus einem Roman gewesen waren, den sie gelesen hatte, in dem sie die Gefühle der Hauptfiguren mit weinendem Herzen verfolgt hatte– und jetzt war das Buch zu Ende und geblieben war nur der fade Geschmack einer schon halb vergessenen Geschichte. Sie lehnte sich zurück.
Ja, sie hätte nach Longbourn fahren können. Sie hätte Jane besuchen können, in ihrem Schoß weinen und sich trösten lassen. Sie hätte sich bei ihrem Vater in die Bibliothek verkriechen können, bis sie sich darüber im Klaren war, was sie wollte. Sie hätte die Gardiners besuchen und der vernünftigen Stimme ihrer Tante zuhören können.
Doch sie fuhr nicht nach Meryton, und auch nicht zu den Gardiners. Warum? Sie gab es nicht gerne zu, aber es stimmte: sie schämte sich. Und sie war wütend auf sich selbst, und auf ihn, auf ihre Familie, die nichts von ihrem Leid wusste, auf die Menschen in Pemberley, die nicht offen gewesen waren, sogar auf Georgie. Sie wusste, dass die, die die Wahrheit erkennen würden (wie ihr Vater oder Mrs. Gardiner) sie kritisieren würden, und Kritik war das letzte, was sie jetzt hören wollte. Und die anderen würden sie wahrscheinlich bemitleiden, und das brauchte sie momentan genauso wenig.
Seufzend betrachtete sie Betty, die ihre Herrin mit kaum verborgener Neugier betrachtete, aber natürlich nicht fragen konnte, warum Elisabeth in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Pemberley verlassen hatte. Lizzy seufzte ironisch. Im Bennethaus wäre ihr die Flucht nicht so schnell gelungen, aber schließlich funktionierte der Darcy-Haushalt einwandfrei und war immer auf Notfälle (auch plötzliche Fahrten nach irgendwo) eingestellt. Und da die Dienerschaft dazu auch noch tadellos trainiert war, stellte keiner unangenehme Fragen. So hatte sie sich auch aus einer ungemütlichen Abschiedsszene gestohlen, sie wollte Col Fitzwilliam, Georgiana und... ach du Schreck, sie hatte ganz vergessen, dass ihre Schwester noch in Pemberley war! Die Arme war jetzt wahrscheinlich der Kritik der Darcys ausgesetzt... Doch es war zu spät, etwas zu verändern, und Kitty würde schon nicht daran sterben.
Müde lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Doch obwohl sich ihr Körper wie Blei anfühlte und sie sich den Schlaf herbeisehnte, geisterte ihr die Erinnerung an einen Mann und seine verstorbene Schwester im Kopf herum...
William
Ich bin nach London gefahren und werde im Darcyhaus in der Stadt bleiben. Mach dir keine Sorgen um das Kind.
Bitte lass mir Zeit.
Es tut mir alles so leid
Elisabeth
Während sein Diener ihm die Krawatte band, dachte Darcy immer wieder über den kurzen Brief seiner Frau nach. Ihm war schmerzlich bewusst, wie sie irgendwelche Worte, die sie verbunden hätten, vermieden hatte: sie hatte nicht „unser Kind" geschrieben, noch „unser Haus", noch ihn mit mehr als nur seinem Namen angesprochen.
„Lass mir Zeit." Immerhin schien das ja zu heißen, dass sie ihn nicht für immer verlassen hatte. Zeit brauchte sie, Abstand. Und zum ersten Mal seit ihrer Ehe hatte auch William das Gefühl, Abstand von Lizzy zu brauchen.
Missmutig stapfte er die Treppen zu seiner Bibliothek herunter. Auf halbem Wege traf er Richard, der ihn mit einem frechen Grinsen begrüßte: „Na, Darce, habt ihr euch beide versöhnt oder wieso sind die Darcys ganz gegen ihre Gewohnheit die Letzten am Frühstückstisch?" Er stöhnte. Wenn er etwas gerade jetzt nicht brauchte, war es irgendeine Art von anzüglichen Kommentaren Richards. Er warf seinem Cousin nur einen wütenden Blick zu und ging weiter, in der Hoffnung, das Col. Fitzwilliam heute mal seine angeborene Neugier unterdrücken würde.
Weit gefehlt.
„Was ist los, Darce? Habt ihr euch wieder gestritten? Oder geht es ihr gesundheitlich wieder schlechter? Sag schon, Mann." Die beiden traten in die Bibliothek, Richard schloss die Tür hinter sich zu.
„Red endlich." Stöhnend ließ Fitzwilliam sich in den Sessel fallen, der inmitten des Raumes stand. „Sie ist fort."
Richard starrte ihn fassungslos an. „Fort? Du meinst, sie ist nach Meryton gefahren, nach Netherfield..." Ungeduldig winkte Darcy ab. „Nein, nach London, in unser Stadthaus. Wir hatten gestern eine... Auseinandersetzung". Grimmig berichtete er Col. Fitzwilliam, warum Elisabeth „Zeit brauchte", ohne auf die Details letzter Nacht einzugehen – zwar hatte er das Bedürfnis, über die Situation zu sprechen, aber er wollte nicht noch als Gefühlsdusel vor seinem jüngeren Cousin stehen.
Hatte er vom Colonel irgendwelche tröstenden Worte erwartet, wurde er enttäuscht. Nach Darcys Bericht lief Richard wütend von einer Seite zur anderen.
„Seid ihr eigentlich wahnsinnig? Eine Lüge! Eine dumme, einfache Lüge zerstört fast eure Ehe! Nur weil ihr beide so wahnsinnig stolz seid!"
Abwehrend hob William die Hände: „Ich bitte dich. Sie hat unsere Ehe aufs Spiel gesetzt, weil sie nicht den Mut hatte, mich direkt nach Marianne zu fragen!"
„Du hast aber nie was über Marianne gesagt. Wenn du einmal zulassen würdest, dass die Menschen, die dich lieben, auch deinen Schmerz sehen, wäre das alles nicht passiert. Aber du mußt krampfhaft immer alles vertuschen, was dir wehgetan hat, und allen verbieten, darüber zu sprechen!" Darcy stand wütend auf, aber er war zu ehrlich, um Richards Worte einfach abzutun. Dieser sprach weiter: „Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie Lizzy je auf den blödsinnigen Gedanken gekommen ist, dass Marianne deine Mätresse war. Aber als sie einmal die Vermutung hatte, was denkst du hätte sie denn machen sollen?"
„Sie hätte mich fragen können. Hör auf, 'rumzulaufen."
Richard hörte nicht auf. Sondern lachte sarkastisch. „Dich fragen. Aha. Etwa: 'Hallo, Liebling. Schönes Hemd heute. Übrigens, hast du in diesem Haus eine Mätresse namens Marianne gehalten?'. Oder vielleicht hätte sie ja Mrs. Reynolds nach deinen verflossenen Liebschaften ausquetschen können. Oder am Ende gar die Waschmägde." Für den letzten Kommentar erntete Col. Fitzwilliam einen verärgerten Blick. (n/a: Gruß an das JAForum, zwinker)
„Du brauchst sie nicht zu verteidigen." Darcy ließ sich zum zweiten Mal in den Sessel fallen. Irgendwie war er wieder müde, dabei war er doch gerade aufgestanden.
„Ich verteidige sie nicht. Ihr seid beide völlig ..." Das letzte Wort ließ Richard aus und holte stattdessen den Brandy.
Als beide erst einmal einen Schluck getrunken hatten und missmutig ihren Gedanken nachgehangen hatten, meldete sich wieder der Colonel zu Wort.
„Was ich nicht verstehe, Darce, wie ist sie auf die Idee kommt, Marianne wäre noch am Leben. Was in aller Welt hätte das andeuten können?" Erschöpft zuckte William mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Sie sagte nur etwas von einem Brief und das Kitty ihn mir gebracht hatte."
Nachdenklich starrte Col Fitzwilliam auf seine Reitstiefel. „Dann sollten wir vielleicht mal mit Kitty sprechen."
„Und was ist mit Lizzy?"
„Zeit. Lass ihr Zeit."
Langsam begann William, diesen Satz zu verabscheuen.
