Und tatsächlich, als die beiden wieder in der Praxis ankamen, saß T'Rea schon im Warteraum.

Sie sah sehr ausgemergelt und verstört aus. Obwohl sie sich die allergrößte Mühe gab, um dies zu verbergen.

"Guten Tag.", grüßte T'Pel.

"Guten Tag.", antwortete T'Rea mit leichter Verzögerung.

Dann griff sie nach dem Arm ihrer Tochter und verabschiedete sich knapp. Offenbar wollte sie so schnell wie möglich von hier fort.

"Hoffentlich schlägt die psychiatrische Behandlung bei ihr bald an." T'Pel drehte sich herum, als sie die Stimme T'Lannas hinter sich vernahm.

"In der Tat. Jedenfalls ist sie bei einem ausgezeichneten Psychologen in Behandlung.", sagte T'Pel ruhig.

"Was ist den mit dem Vater geschehen?", fragte T'Lanna dann neugierig.

T'Pel wölbte leicht die Augenbrauen, sagte aber nichts zu dazu. T'Lanna war noch sehr jung; für vulkanische Verhältnisse.

"Er wurde verhaftet. Der Prozess gegen ihn beginnt in zwei Wochen.", erklärte T'Pel knapp. Sie wollte eigentlich nicht mehr darüber reden. Bald würde ihre Tochter kommen und dann...

"Es ist spät, ich werde jetzt nach Hause gehen.", sagte sie deshalb.

T'Lanna nickte nur. Sie schien zu verstehen.

Mit den üblichen Gruß verabschiedeten sie sich voneinander.

Fünf Minuten später, war sie daheim angekommen.

Zur Entspannung setzte sie eine Tasse Tee auf. Danach versuchte sie vergeblich zu meditieren. Doch immer wieder tauchte Tuvoks Gesicht vor ihren geistigen Auge auf.

Trotz der Tatsache, dass sie äußerlich völlig gelassen blieb, wuchs ihre inneren Unruhe.

Nach dem sie endlich den sinnlosen Versuch zu meditieren aufgegeben hatte, klingelte es an der Tür.

Asil.

T'Pel öffnete ihr.

"Mutter.", grüßte Asil sie. Obwohl sie es war, die auf die Beerdigung gedrängt hatte, fühlte Asil sich unwohl.

Natürlich war die Beerdigung logisch. Es bot für alle die Gelegenheit Abschied zu nehmen.

Und doch... er war ihr Vater. Noch immer fiel es ihr schwer seinen tot zu akzeptieren. Dennoch zweifelte sie nicht daran. Dafür wurde Tuvok schon viel zu lange vermisst.

"Asil.", grüßte T'Pel zurück. "Gehen wir ins Wohnzimmer." Sie wusste, dass sie der Beerdigung nun zustimmen musste. Trotzdem würde sie nicht aufhören auf seine Rückkehr zu hoffen.

Nachdem sich beide gesetzt und T'Pel etwas zu trinken geholt hatten, kamen sie zum eigentlichen Thema.

"Die Frist ist abgelaufen.", begann Asil.

"Ich weiß. Wann wird die Beerdigung stattfinden?", fragte T'Pel so ruhig wie möglich.

"Morgen. Die 'älteste Mutter' und ich haben schon alles arrangiert. Du brauchst dich also um nichts mehr kümmern.", erklärte Asil scheinbar gelassen.

Aber ihre Mutter kannte sie lange genug, um zu wissen was wirklich in ihr vorging. Asil stand ihrem Vater immer sehr nah. Sie vermisste ihn. Nur wollte sie sich das nicht eingestehen und versuchte alles mit Gleichgültigkeit und Ruhe zu überdecken. Vermutlich glaubte sie, durch die Beerdigung alles verarbeiten zu können. Aber da irrte sie sich. Es würde lediglich alles wieder hochspülen.

Natürlich sprach sie das nicht aus. Das wäre unpassend gewesen.

"Danke, dass du dich darum gekümmert hast.", sagte sie deshalb nur. Meinte es aber durchaus ehrlich.

"Wann beginnt es?", fragte T'Pel leise, während sie versuchte nicht allzu genau darüber nachzudenken.

"Um neun. Bevor die Sonne zu hoch steht.", erklärte ihre Tochter daraufhin schlicht.

Mehr gab es dazu nicht zu sagen.

Nachdem Asil gegangen war, legte T'Pel sich schlafen. Hunger hatte sie keinen.

Aber sie fand keinen Schlaf. Unruhig wälzte sie sich hin und her.

Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte.

Konnte es wirklich sein? War Tuvok tot?

Und was sollte sie sagen? Nichts schien ihm gerecht zu werden. Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt. Nicht einmal als Kind, als sie sich in der Wüste verirrt hatte. Den damals war Tuvok bei ihr gewesen. Und hatte sie beschützt. Wieso war er jetzt nicht bei ihr?

Vergeblich bemühte sie sich, diese Gedanken abzuschütteln.

Es wäre logischer, zu überlegen was sie morgen sagen sollte.

Wenn sie doch nur jemand hätte mit dem sie reden könnte! Mit ihren Kindern über ihre Gefühle zu reden wäre unpassend. Und sie würde sich dabei lächerlich fühlen. War dieser Gedanke nicht unlogisch?

V'Ran, schoss es ihr durch den Kopf.

Natürlich, wieso war sie nicht schon früher darauf gekommen?

Tuvoks Schwester würde ihr bestimmt weiterhelfen können. Immerhin ist sie ein Familienmitglied und auch sie steht Tuvok sehr nahe.

T'Pel stieg aus dem Bett und zog sich an. Danach kontaktierte sie V'Ran. Trotz der fortgeschrittenen Stunde war sie bereit, T'Pel zu empfangen.

Eine halbe Stunde später materialisierte sie in der Eingangshalle eines großen, aus Stein gebauten Hauses.

Es war sehr schön und modern eingerichtet, wenn auch etwas protzig von der Bauart her. Denn es entstammte der Zeit vor der Revolution, als Vulkan noch von Gefühlen und Kriegen geprägt war.

"Guten Abend.", erklang die Stimme ihrer Schwägerin von der anderen Seite des Halle.

V'Ran war ausgesprochen attraktiv und sah T'Pel sehr ähnlich. Nun, schließlich waren sie entfernt Verwandt.

"Glück und langes Leben.", erwiderte T'Pel und hob ihre Hand zum vulkanischen Gruß.

"Willst Du etwas zu trinken?", fragte V'Ran höflich, nachdem sie zurückgegrüßt hatte.

"Ja, danke."

V'Ran ging in die Küche und holte Saft für sie beide. Als sie zurück war, forderte sie T'Pel auf, sie mit in das Wohnzimmer zu begleiten.

Dort angekommen, sagte sie umstandlos: "Weswegen bist Du hier?"

"Wegen Tuvok.", antwortete sie nach kurzem zögern.

V'Ran horchte auf. Natürlich kannte sie die Meinung ihrer Schwägerin zu diesen Thema, auch wusste sie, dass morgen die Beerdigung war, trotzdem blieb es für sie ein Rätsel, was T'Pel von ihr wollte.

"Ich weiß nicht, was ich tun soll.", erklärte T'Pel so emotionslos wie möglich.

"Wie meinst Du das? Es gibt doch nichts mehr zu tun. Die Vorbereitungen für die Beerdigung sind abgeschlossen."

T'Pel meinte ein leichtes Stocken in ihren Worten zu vernehmen. Auch ihr viel es also nicht leicht, mit der Situation fertig zu werden. Nun, wenigstens war sie nicht die einzigste.

"Ich meinte nicht die Organisation - Was soll ich sagen? Und muss ich wirklich akzeptieren, dass er tot ist?", obwohl ihrer Emotionskontrollen normalerweise fast perfekt waren konnte man ihre Verzweiflung hören, wenn auch nur ganz schwach.

"Ich weiß nicht, ob er noch lebt oder nicht. Aber ich glaube, dass er gewollt hätte, dass wir weiterleben. Natürlich sollten wir ihn nie vergessen. Er wird immer ein Teil unseres Lebens sein. Egal was auch immer geschieht. Vielleicht solltest du das sagen. Oder etwas anderes, was du mit ihm verbindest.", schlug V'Ran überzeugt vor.

"Vielleicht hast du recht. Trotzdem... ich kann einfach nicht glauben, dass er nie wieder kommen soll." In diesen Moment, war sie ausgesprochen froh, dass nur V'Ran anwesend war. Der Gedanke, noch jemand könnte sie jetzt hören war ihr... unangenehm. Vulkanier sprachen nur ungern über ihre Gefühle. Aber sie musste es tun, sonst würde sie noch verrückt werden.

"Mir geht es genauso.", sagte V'Ran leise. "Aber ich glaube, dass wir es durchstehen können. Tuvok würde es von uns erwarten."

Plötzlich fiel T'Pel auf, dass auch ihre Schwägerin in der Gegenwartsform von Tuvok sprach. Dies gab ihr neuen Mut. Sie hatte recht, Tuvok würde immer bei ihnen sein.

Die beiden Frauen sprachen noch lange miteinander, da keiner von ihnen schlafen konnte. Und sie bereiteten gemeinsam T'Pels Rede vor.

Um acht, machten sie sich dann schließlich zur Beerdigung fertig.