Also die beiden Frauen in dem Tempel ankam, war die Sonne schon hoch oben am Himmel. Allerdings würden noch Stunden vergehen, bis sie ihre volle Stärke erreichte. Sodass es momentan für Vulkanier sehr angenehm war.
"Dort ist Asil. Gehen wir zu ihr?", sagte V'Ran gelassen.
"Ja.", antwortete T'Pel knapp, während sie genauer zu ihrer Tochter sah. Diese stand neben der Treppe und unterhielt sich angeregt mit einer kleineren Person, die T'Pel nicht genau erkennen konnte, da viele Passanten und Trauergäste unterwegs waren.
"Wer ist die Person neben Asil?", fragte V'Ran und zog ihre rechte Augenbraue hoch.
"Hmmm...", machte T'Pel und ging etwas schneller. Dann erkannte sie die Gestalt.
"Rianah!", stieß sie mit milder überrascht aus. Wie konnte das sein?
"Wer ist das?"
"Eine Patientin von mir.", erklärte sie nun wieder völlig ruhig.
"Und was macht eine Patientin von dir hier?" V'Ran war zweifellos verwirrt, doch sie ließ es sich nicht anmerken.
"Gehen wie hin, dann können wir sie fragen.", sagte T'Pel nur, da sie sich auch keinen Reim daraus machen konnte.
"Mutter. Tante.", grüßte Asil kurz. Nachdem sie die hochgezogenen Brauen der beiden Frauen sah, fügte sie hinzu: "Ich habe Rianah vor Deiner Tür gefunden. Da ich auch nicht wusste, wo Du warst, nahm ich sie mit hierher."
"Ja, ich wusste nicht, dass heute eine Beerdigung ist und wer beerdigt wird.", sagte Rianah recht verlegen.
"Ist schon gut. War ja nicht Dein Fehler. Übrigens war ich bei V'Ran.", fügte sie an ihre Tochter gewand hinzu. Diese nickte nur zum Zeichen das sie verstanden hatte.
"Was wolltest Du von mir?", fragte sie das Mädchen.
"Ach... es war nicht so wichtig... das können wir auch ein andermal besprechen..." Rianah fühlte sich sichtlich unwohl und das schien nicht nur daher zu kommen, dass sie nichts von der Beerdigung wusste. T'Pel blickte ihre Tochter fragend an. Eventuell wusste sie etwas darüber.
Doch diese schüttelte nur den Kopf.
Also wand sich T'Pel wieder an Rianah: "Du kannst es mir ruhig sagen."
Rianah sah sie nicht an. Sie starrte auf ihre Knie, während sie sagte: "Miene Mutter hat mir von ihrem Mann erzählt. Und nun... ich wusste nicht, dass die Beerdigung heute ist..."
"Ist schon gut. So schlimm ist das auch nicht, red ruhig weiter.", ermunterte T'Pel das Mädchen, da sie von sich aus nicht weiter sprechen wollte.
"Sie haben ihn wirklich geliebt, oder?", fragte Rianah unvermittelt, immer noch zum Boden gewand.
T'Pel war etwas überrascht, damit hatte sie nun nicht gerechnet. Aber was soll's? Zwar war es nicht üblich, seine Gefühle auszusprechen, aber zu lügen wäre noch unlogischer. Und es waren auch nur Leute anwesen, die ihre Gefühle für Tuvok eh kannten.
"Ja. Und ich liebe ihn immer noch.", erklärte sie darum ruhig.
"Asil hat mir von ihm erzählt...", druckste sie weiter rum. T'Pel schaute sie weiter abwartend an. Sie war sich nicht ganz sicher, was jetzt kommen würde. Doch dies ließ sie sich natürlich nicht anmerken.
"Warum?... Warum konnte ich nicht auch so ein Vater haben? Wieso musste er mir so wehtun? Wieso?", brach es schließlich aus ihr heraus. Und als sie T'Pel in die Augen blickte, konnte diese sehen, wie Tränen über die Wangen des Mädchens liefen.
"Ich weiß es nicht. Diese Fragen kann dir niemand beantworten", erklärte T'Pel aufrichtig. "Aber ich kann dir helfen, dass es dir wieder besser geht. Dass du ein normales Leben führen kannst. Und das willst du doch, oder?"
"J-Ja.", schluchzte Rianah weiter.
T'Pel, der nichts anderes einfiel, um sie zu trösten, nahm das Mädchen in ihre Arme.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte, danach fragte T'Pel: "Willst du mit auf die Beerdigung kommen." Dies schien ihr das einzigst richtige zu sein. Auch wenn sie es nicht genau begründen konnte.
Rianah nickte leicht und ergriff T'Pels Hand.
Die 4 Vulkanierinnen betraten den Tempel. Dabei trafen sich die Blicke von T'Pel und Asil. Die jüngere Frau sah sofort weg, trotzdem sah T'Pel die Trauer in ihren Augen. Allerdings tat sie so, als hätte sie es nicht bemerkt. Denn sie wusste genau, dass Asil dies unangenehm gewesen wäre.
Im Tempel schauten sie sich zuerst um. Es waren sehr viele Leute anwesend. Die meisten waren Vulkanier, aber es waren auch ein paar Menschen anwesend. Sternenflottenoffiziere, die zusammen mit Tuvok gedient hatten. Nach ein paar Augenblicken sah T'Pel ihre Söhne und ging auf sie zu. Sie saßen bereits in der ersten Reihe. Die Vulkanierinnen setzen sich zu Sek, der mit seiner Familie anwesend war, und zu Varith, ihrem zwei jüngsten Sohn.
Alle machten sehr ernste Gesichter, selbst T'Meni, die Tochter von Sek, obwohl dies für ein Kind in ihrem Alter keineswegs normal war.
Doch schien T'Meni die Angespanntheit und Trauer der Erwachsenen zu spüren. Das Mädchen verfügte offenbar über außergewöhnliche mentale Fähigkeiten und war ihrer Urgroßmutter so ähnlich. Tuvok hätte sich gewiss gut mit ihr verstanden.
T'Pel rief sich innerlich zur Ruhe. Solche Gedanken waren unlogisch, sie sollte sich eher auf ihre Rede, die sie gleich halten musste, konzentrieren.
Jedoch sprach zuerst die Hohepriesterin. Nachdem sich alle Gäste auf ihren Plätzen eingefunden hatten, trat diese hervor und sagte mit leiser und erhabener Stimme:
"Wir sind heute hier zusammengekommen, um uns von Tuvok zu verabschieden und ihn zu ehren. Als Ehemann, Vater, Bruder und als Persönlichkeit. Durch seine Tapferkeit und sein Mut hat er unser Leben geprägt. Und das von unzähligen gerettet. Auch wenn er in seiner Funktion als Sternenflottenoffizier Vulkan für lange Zeit verließ, so war er doch nie ganz weg. Denn ein Teil von ihm lebt in seiner Gemahlin, Kindern und Enkelkindern. Und dort wird er auch immer lebendig sein. Wir werden ihn nie vergessen."
Mit diesen Worten trat sie zurück, um T'Pel platz zu machen.
Diese ging mit langsamen, bemessenen Schritten nach vorn. Sie konnte die Blicke aller Anwesender spüren. Normalerweise war sie vor einer Rede nie aufgeregt. Doch das hier war etwas ganz anderes. Immer wenn sie nicht weiter gewusst hat, war Tuvok bei ihr gewesen. Aber hier musste sie alleine durch. Und sie konnte und wollte nicht begreifen, warum das do war.
"Ich weiß, dass es Tradition ist, als Bindungspartner auf der Beerdigung zu sprechen. Und es gibt auch sicherlich viel, was man über Tuvok sagen könnte. Doch nichts scheint auszureichen. Alle Worte klingen für mich hohl.
Tuvok war etwas ganz besonderes. Und ihm zu begegnen, war das beste was mir je passiert ist. Noch immer will ich nicht akzeptieren, dass ich ihn nie wieder sehen werde.
Und die unter euch, die sich zu seinen Freunden zählen, werden dies gewiss verstehen.
Tuvok, wir werden dich nie vergessen. Du wirst immer bei uns sein."
T'Pel verließ das Podium und ging zurück zu ihrer Familie. Sie sagte nichts. Es war schon alles gesagt worden.
Die Etikette verlangte von ihnen, dass sie nun die Trauerfeier verließen und unter sich bleiben würden. Was viel besser war, als die menschliche Tradition. Denn T'Pel war sich nicht sicher, ob sie sich jetzt auch noch um ihre Gäste hätte kümmern können. Und nach reden war ihr auch nicht zumute.
Gerade als T'Pel ihre Kinder und Rianah sich entfernen wollte, hielt sie jemand auf.
Einer der Priester.
"Verzeihen sie die Störung. Aber ein Admiral der Sternenflotte will sie sprechen. Er sagte, dass es dringend sei.", sagte er an T'Pel gewand, mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht.
"Natürlich.", sagte T'Pel schlicht und folgte dem Priester, aber nicht ohne Rianah noch einen Blick zuzuwerfen. Sie sah schon viel besser aus als vorhin. Bestimmt würde sie bald über die Misshandlung hinweg sein. T'Pel würde ihr auf jeden Fall dabei helfen.
Der Priester führte T'Pel in einen kleinen Seitenraum, in dem ein Kommschirm stand. Darauf konnte sie das Gesicht eines, für Menschen, älteren Mannes mit sehr buschigen Augenbrauen und grauem Haar sehen.
"Guten Tag, Ma'am. Mein Name ist Admiral Paris. Ich habe für sie Neuigkeiten, die ihren Mann betreffen.", erklärte er mit einem Lächeln. Offenbar war er mit irgendwas sehr zufrieden.
"Neuigkeiten?", sagte T'Pel aufhorchend. "Hat man ihn gefunden?" Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Hatte man seine Leiche gefunden? War es wirklich wahr? Musste sie seinen tot letztendlich doch akzeptiere?
"Genau. Und ich freue mich, ihnen sagen zu können, dass er lebt."
Die Worte schienen nur sehr langsam zu ihr vorzudringen. Ihr Verstand war wie gelähmt. Er lebte? Ihr Mann war tatsächlich am Leben?
"Aber... wieso spüre ich seine Anwesenheit dann nicht?", fragte sie langsam. Das war viel zu schön, um wahr zu sein.
"Nun, er ist sehr weit entfernt. Womöglich liegt es daran. Die Voyager ist im Delta-Quadranten gestrandet.", entgegnete der Admiral, der mit Sicherheit mit einer anderen Reaktion gerechnet hat.
"Delta-Quadrant?", wiederholte T'Pel. Natürlich, über so eine große Entfernung konnte sie ihn nicht mehr spüren. Aber das war jetzt egal. Er lebte! Freude überströmte sie bei diesen Gedanken. Sie würden sich also wiedersehen!
"Ja. Wir wissen selbst noch nicht genau, wie dies geschehen konnte. Wir werden sie aber noch einmal Kontakten, wenn wir genaueres wissen."
"Danke.", sagte sie, weil es der Anstand gebot. Am liebsten wäre sie sofort zu ihren Kindern gerannt und hätte ihnen die Neuigkeit gesagt.
"Noch etwas. Sie können einen Brief für ihren Mann verfassen. Wir werden ihn weiterleiten. Die Voyager hat eine Netzwerk entdeckt, über das sie möglich ist.", fügt er hinzu, als sie ihre Augendbraue skeptisch gehoben hatte.
"Vielen Dank. Ich werde den Brief so schnell wie möglich verfassen.", erklärte sie, während sie sich um Selbstbeherrschung bemühte. Ihr wäre es mehr als unangenehm gewesen, vor einem Menschen Gefühle zu zeigen.
Admiral Paris nickte knapp und unterbrach dann die Verbindung.
Jetzt wo sie allein war, konnte sie ein lächeln nicht mehr unterdrücken. Und das wollte sie auch gar nicht.
Tuvok lebt! Und egal wie weit er weg war, er würde zu ihr zurückkommen. Und sie würde warten.
Bald, schon sehr bald werden sie wieder zusammen sein. Und wieder zusammen auf der Bank in ihrem Garten sitzen.
-ENDE-
