Ich versuche jetz, jeden Sonntag ein neues Kapitel hier zu haben. Viel Spaß!


Adirondack Mountains

Auf Alex' stures Bestehen hin ließ Bobby sie die erste Wache übernehmen, während er auf dem Bett schlief. Sie beobachtete ihn von ihrem Platz beim Fenster aus, wo sie in dem vergeblichen Versuch sich warm zu halten mit den Armen um sich selbst geschlungen da saß. Noch war es nicht dunkel, aber das würde es bald sein; und sie fürchtete den Einbruch der Dunkelheit aus zwei Gründen.

Erstens würde die Kälte eine harte Prüfung für sie beide werden. Das Bett bot in dieser Beziehung keine Hilfe. Auf den Bettfedern lag eine Matratze und ein dünnes Kissen, nicht mehr. Es gab nicht einmal ein Laken. Der einzige Gegenstand in der Hütte, den man als Decke verwenden könnte, war der Teppich auf dem Boden, der wahrscheinlich nicht mehr Wärme spenden konnte als ihre zerfetzten Sachen im Koffer.

Zweitens konnten sie nicht wissen, ob Mathers nachts eine Pause machen oder weiter nach ihnen jagen würde. Wenn er weiter jagte und sie zurück zu dieser Hütte verfolgte . . .

Einfach gesagt glaubte sie nicht, dass sie oder Bobby ihn in der Schwärze der Nacht kommen sehen würden.

Im Moment lag Bobby auf seiner linken Seite, mit dem Rücken zu ihr. Blut von seiner Verletzung war durch die Bandage gesickert und bedeckte den Rücken seines Hemdes, oder was davon übrig geblieben war. Sie wünschte sie hätte Wasser, nicht um zu trinken, sondern um die Wunde zu säubern. So wie die Dinge lagen, war das Risiko für eine Infektion sehr hoch. Sie seufzte leise. Und das für eine Lungeentzündung auch. Und für Dehydrierung. Und Unterkühlung. Und das gleiche galt für sie selbst.

Sie bereute es sich selbst in den Gedanken einbezogen zu haben. Die Nacht würde zwar hart werden, aber sie würde es wahrscheinlich überstehen. Sie bezweifelte dass es ihr Partner schaffen würde.

Als ob er ihre Gedanken gehört hätte, regte sich Bobby und wachte auf. Er fing an sich aufzusetzen, erstarrte aber bei dem flammenden Schmerz der durch seinen Rücken und seine Schulter schoss als er versehentlich seine Verwundung belastete.

Alex gab ihre Stellung beim Fenster auf und kam an seine Seite.

„Vorsichtig.", murmelte sie, nahm sanft seinen Arm und half ihm, sich auf dem schmalen Bett umzudrehen. Er sah sie müde an, aber mit Dankbarkeit in den Augen.

„Danke."

Sie antwortete nicht darauf, denn sie hatte mit Schrecken festgestellt, dass sich seine Haut eiskalt anfühlte.

„Bobby, du frierst!"

Seine Hand schloss sich über ihrer. „Du auch. Es ist noch nicht einmal dunkel, es wird schlimmer werden."

Sie war zu besorgt um sich über sein negatives Denken zu ärgern.

„Wir müssen einen Weg finden, um warm zu bleiben, sonst werden wir die Nacht nicht überleben. Wenn die Hütte nur eine Feuerstelle hätte . . ."

„Selbst wenn sie das hätte, könnten wir es nicht riskieren.", sagte er leise. „Das würde Mathers erst recht wieder herlocken."

Tränen füllten ihre Augen als sie zu ihm aufsah.

„Also was tun wir?"

„Der Teppich.", murmelte Bobby. Er schleifte den Teppich über den Boden, wobei er vor Schmerz zusammenzuckte. Alex schaute skeptisch zu.

„Dieses Ding könnte nicht einmal einen Eisbären im Sommer warm halten."

„An sich nicht.", stimmte er zu. „Aber wenn wir . . ."

Unsicher geworden, hörte er auf zu sprechen. Sie glaubte zu wissen, was als nächstes aus seinem Mund kommen würde, fühlte aber plötzlich das irrationale Verlangen, es ihn sagen zu hören.

„Wenn wir was?", fragte sie und versuchte das Lächeln zu verstecken, das sich auf ihrem Gesicht zeigen wollte. Das hier war ihm tatsächlich peinlich.

„Wenn wir . . . du weißt schon . . . näher zusammen . . . äh . . ."

„Bobby", unterbrach sie ihn sanft, mit amüsierter Stimme, „hör auf. Du bekommst noch einen Schlaganfall."

Er wurde still und das Rot, das auf seinen Wangen erschien, bildete einen harten Kontrast zum Weiß seines Gesichts. Sie fragte sich kurz wie viel blut er wohl verloren hatte und drückte dann beruhigend seine Hand.

„Wir könnten warm bleiben, wen wir uns zusammen unter den Teppich kuscheln. Ist es das was du sagen wolltest?"

„Ja.", gab er zu. Da lächelte sie.

„Eine gute Idee. Das braucht dir nicht peinlich sein. Wir sollten nur aufpassen, dass einer von uns wach bleibt, falls Mathers wirklich zurückkommt."

„Ähm . . . Wie wollen wir das machen?", fragte Bobby. Sie lächelte wieder. Immer ein Gentleman. Er wusste genauso gut wie sie, dass es nur eine Möglichkeit gab; und das war, gemeinsam im Bett zu liegen.

Es würde eng werden. Schließlich passte er allein kaum darauf, wie sollte da zu zweit gehen? Aber die Nacht sitzend zu verbringe, war für keinen von beiden eine Option. Erst recht nicht, sich auf den kalten, harten Boden zu legen.

„Lass mich an der Wand liegen.", murmelte sie. „Dann schonst du deinen Rücken."

Er stimmte stumm zu und ließ sie an sich vorbeischlüpfen und ihren Kopf vorsichtig auf das Kissen legen. Er folgte, legte sich neben sie und zog den Teppich über sie beide.

Sie fühlte, wie er sie vorsichtig in die Arme nahm und tat dasselbe, um dabei festzustellen, wie gut sie zusammenpassten. Sein Griff wurde ein wenig fester und er zog sie an sich so dass sie an seiner breiten Brust lag.

Ein Lächeln zog an ihren Mundwinkeln. Wie mit einem Teddybären kuscheln. Bevor es ihr selbst bewusst wurde, kicherte sie.

„Was ist so lustig?", fragte Bobby verwirrt.

„Entschuldige.", murmelte sie und versteckte ihr Grinsen, indem sie ihr Gesicht an seiner Brust verbarg. „Nur . .. Erinnerungen."

„Ich will gar nicht wissen, was das für Erinnerungen heraufbeschwört."

Sie wusste, dass er die Situation im allgemeinen meinte und nicht ihr kuscheln gegen die Kälte, aber sie brach von neuem in Kichern aus.

Bobby konnte einem Lächeln nicht widerstehen, das sich an die Oberfläche kämpfte. Er hatte schon immer bewundert, dass seine Partnerin selbst dann lächeln konnte, wenn die Dinge schlecht standen; und diese Situation war keine Ausnahme. Aus dem Impuls heraus, und bevor er weiter darüber nachdenken konnte, küsste er sie sanft auf den Kopf.

„Wofür war das denn?", fragte Alex, deren Lachanfall durch die unerwartete Geste unterbrochen worden war. Bobby legte seine Wange an ihren Kopf.

„Danke . . . für alles."

Sie schloss ihre Augen Sie mochte das Gefühl. Es war beruhigend. Es war schön.

„Für alles? Das ist ziemlich weit gefasst."

Er lächelte kaum merklich.

„Schlaf jetzt, Alex. Ich werde lauschen, ob Mathers kommt."

Sie beschloss, nicht zu widersprechen. Plötzlich fühlte sie, dass die Erschöpfung sie herunterzog und hatte nicht länger die Kraft dazu. Alex Eames schloss ihre Augen und schlief ein, sicher in der Umarmung ihres Partners.

Bobby lag wach, lauschte dem rhythmischen Atem seiner Partnerin und zog Trost aus dem Gefühl ihres Körpers neben seinem. Er konnte schon den Unterschied spüren, als Wärme langsam wieder in ihre Körper kroch.

Ein leiser Seufzer entfloh ihm als zum ersten Mal seit Beginn dieser Situation die Räder in seinem Gehirn sich langsamer drehten. Das war die erste Möglichkeit, anzuhalten und sich zu erholen, sowohl körperlich als auch geistig. Und das nicht nur seit dem Augenblick ihrer Entführung. Sie hatten den Mörder seit über einem Monat gejagt und noch kleinere Fälle bearbeitet.

Für über einen Monat war sein Gehirn ständig gefordert gewesen, als sie sich bemühten, diesen Albtraum von einem Fall zu lösen.

Er musste fast lachen. Albtraum wurde dem gar nicht gerecht. Aus einem Albtraum, so beängstigend er auch sein mochte, wachte man letztendlich auf. Aus diesem Horror gab es kein Erwachen.

Er schaute auf die schmale Form seiner Partnerin, die friedlich in seinen Armen schlief. Sie war seine Rettung in dieser schrecklichen Lage. Er wusste nicht, wie er allein zurechtkommen würde. Er war sich sicher, dass ihn Mathers wahrscheinlich schon gefunden hätte.

Alex gab ihm Kraft und Mut; und das war nicht erst jetzt so. So lange er sich erinnern konnte, in der gesamten Zeit ihrer Partnerschaft war Alex ein stabilisierender Einfluss auf ihn gewesen. Immer, wenn er drohte zu entgleisen, hatte sie ihn wieder auf die Spur gebracht.

Wie bei Nicole Wallace. Im Geiste ging er zwei Jahre zurück und erinnerte sich an ihre bösartigen Manipulationen, die im Tod eines unschuldigen Mannes resultierten. Er war dadurch geistig und emotional zerschlagen worden und sah keinen Weg zurück. Aber Alex war für ihn da gewesen und hatte ihn unterstützt wie immer. Sie hatte ihn von dem schwarzen Loch weggeholt, an dessen Rand er geschwankt hatte, und hatte ihm gezeigt, dass er sich selbst vertrauen konnte.

Er fragte sich, ob sie eigentlich wusste, wie vollständig er ihr vertraute. Er fragte sich, ob sie wusste, dass sie das nur für ihn hatte tun können, weil er ihr implizit vertraute.

Er wusste sehr genau, wie sehr ihn Alex beeinflusste, bezweifelte aber dass sie wusste, wie sehr er das schätzte.

Bobby erbebte als wieder Schmerzen durch seinen Schädel fuhren. Nur eine weitere Konstante dieses Albtraums. Mit den Schmerzen im Schädel und im Rücken bezweifelte er ernsthaft, dass er drei solche Tage überleben würde. Selbst jetzt schon war es nur seine Partnerin, die ihn dazu brachte weiter zu kämpfen.

Es überraschte ihn, wie verzweifelt er sie nicht enttäuschen wollte; und Aufgeben würde eine Enttäuschung sein.

Dann gingen seine unzusammenhängenden Gedanken unausweichlich in die Richtung seiner Mutter. Er konnte nicht anders als sich zu fragen, ob sie seine Abwesenheit überhaupt wahrnehmen würde. Wenn er sie in letzter Zeit besucht hatte war sie meist geistig abwesend und schien ihn gar nicht zu erkennen. Er wusste nicht was schlimmer war: von seiner eigenen Mutter nicht erkannt zu werden, oder erkannt und trotzdem beschimpft zu werden.

Das war bei seinen letzten drei Besuchen passiert; und es schmerzte ihn mehr als er zugeben wollte, wenn sie sich in einem ihrer hysterischen Wutanfälle gegen ihn wandte. Er sprach jedoch nie mit jemanden über diesen Schmerz, nicht einmal mit dem Personal von Carmel Ridge, das Zeuge dieser Vorfälle war. Einer der Psychiater wollte ihn ermuntern, mit ihm darüber zu reden, aber Bobby hatte höflich aber entschieden abgelehnt. Nicht, dass er nicht darüber sprechen musste. Er wollte sein Herz nur nicht einem Psychiater ausschütten.

Alex allerdings schien es zu wissen. Er erkannte es in ihren Augen, wenn er sie am Tag nach den Besuchen sah. Es war in ihrem Verhalten ihm gegenüber, in ihrer Stimme . . . sogar in ihrem Lächeln. Sie strahlte Sympathie, Verständnis und Unterstützung aus, ohne dabei aber herablassend zu wirken oder Antworten von ihm zu erwarten.

Er wusste das weit mehr zu schätzen als er fähig war auszudrücken.

Unbewusst festigte sich sein Griff um Alex noch ein bisschen mehr. Mehr als alles andere wollte er vermeiden dass sie solche Verletzungen wie er davontrug. Er wollte nicht den Helden spielen. Aber schon der Gedanke, dass sie solche Schmerzen ertragen müsste, war schrecklich für ihn.

Er wollte sie beschützen, aber nicht aus Machismo, oder um das Alpha-Männchen zu markieren. Er wollte sie einfach sicher wissen.

Allerdings hatte bis jetzt Alex die Führung übernommen. Selbst wenn er zu entscheiden schien, richtete er sich nach ihr.

Als er verletzt worden war, hatte Alex einen Ort gefunden, an dem sie sicher vor ihrem psychopathischen Verfolger versteckt waren. Alex hatte dieses . . . Ding aus seiner Schulter gezogen, als er nichts weiter war als ein zitterndes, schluchzendes Wrack.

Das hatte sie ihm natürlich nicht übel genommen. Er konnte es sich nicht einmal selbst übel nehmen. Der Schmerz war schlimmer gewesen, als alles was er bis dahin erlebt hatte. Die Wahrheit war, dass er alles hatte geben müssen, um nicht dem Schmerz nachzugeben und in die Bewusstlosigkeit zu sinken. Die Versuchung war groß gewesen. Es gab keine Worte für die Agonie, als Alex das erste Mal versuchte, die Kugel aus seiner Schulter zu ziehen. Selbst jetzt wusste er nicht, wie er es geschafft hatte, nicht zu schreien.

Eines hatte er jedoch nicht gewagt ihr zu erzählen; nämlich dass er vermutete dass die Kugel selbst jetzt, nachdem sie entfernt worden war, noch Schaden anrichtete.

Erstens kribbelte sein rechter Arm, möglicherweise waren die Nerven geschädigt. Er hatte ein Gefühl wie von Nadeln seit sie die Sicherheit der Höhle verlassen hatten und es wurde nicht schwächer.

Auch wurde der Schmerz von der Wunde selbst immer schlimmer. Er hasste den Gedanken; und er wollte auch Alex damit nicht beunruhigen; aber er glaubte dass er vergiftet worden war.

Er rief sich die Blutanalysen der ersten fünf Opfer ins Gedächtnis. Sie hatten ein unbekanntes Gift enthalten, das durch Stichwunden eingetreten war, die von einer bis dahin unbekannten Waffe stammten. Das war zwar nicht genug, um sie zu töten, aber CSU hatte festgestellt, dass es die Opfer verlangsamt und ihre Aufmerksamkeit geschwächt hatte.

Bobby fragte sich, wie lange das Gift von den Spitzen in seiner Schulter wohl brauchen würde, um ihn merklich zu beeinflussen. Wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit.

Er schloss fest seine Augen und versuchte sich auf seine Partnerin zu konzentrieren statt auf diese morbiden Gedanken. Er atmete tief ein und zwang sich in ihrer Gegenwart all das Trauma zu vergessen.

Endlich begann er sich zu entspannen, was durch die Wärme erleichtert wurde die aus der Nähe ihrer Körper entstand. Schrittweise wurde seine Atmung langsamer und tiefer und er fiel in einen leichten Schlaf.


Bobby wachte abrupt auf. In einem Augenblick war er in einem leichten, glücklicherweise traumlosen Schlummer gewesen. Im nächsten lag er wach und starrte in die Dunkelheit, die die Hütte umschloss. Er wusste nicht, was ihn so plötzlich geweckt hatte. Sofern er sagen konnte, gab es keine Geräusche oder andere Störungen. Alex schlief friedlich, anscheinend ungestört.

Besorgt ohne zu wissen warum, löste er sich von Alex und stand auf.

Es erleichterte ihn immens, dass der Schmerz in seinem Kopf zwar noch da, aber viel geringer geworden war. Es schien doch nur eine Gehirnerschütterung zu sein und keine Schädelfraktur wie sie beide gefürchtet hatten.

Er verzog das Gesicht und zuckte zusammen, als der Schmerz in seiner Schulter neu aufflammte. In dieser Beziehung hatte er anscheinend weniger Glück.

Er ging langsam zum Fenster und schaute hinaus, achtete aber darauf, im Schatten zu bleiben. Es war fast pechschwarz draußen, kein Mondlicht erhellte die Landschaft. Er konnte kaum zwanzig Meter weit sehen, nicht einmal bis zum Rand der Bäume. Wäre Mathers in diesem Moment zurückgekommen, hätte er sie beide überraschen können.

Bobby schaute auf zum Himmel und sah wieder nur wenig. Wolken bedeckten den Himmel und bildeten ein Schild, durch das der Mond nicht brechen konnte.

Er schaute weg vom Fenster, zurück zu Alex. Ohne ihn neben sich, hatte sie wieder zu zittern begonnen. Das erinnerte Bobby wieder daran, wie bitterkalt es eigentlich war.

Er wollte gerade zum Bett zurückgehen, als ein Lichtschein von außen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Als er wieder hinaussah, verdoppelte sich sein Puls und er betete verzweifelt, dass das größer werdende Licht etwas anderes bedeutete als er im Verdacht hatte. Seine Furcht wurde einen Moment später bestätigt, als ein dunkler Schemen aus den Bäumen auftauchte und sich mit einer schweren Taschenlampe den Weg leuchtete. Bobby konnte das Gesicht der näher kommenden Person nicht erkennen, aber er wusste ohne Zweifel, dass es Erik Mathers war.

Mit dem herz im Hals huschte Bobby vom Fenster weg hinüber zum Bett. Er starrte Alex einen Moment lang an und überlegte wie er sie aufwecken sollte, ohne ein Geräusch zu machen oder sie zu erschrecken. Es stellte sich als unnötig heraus. Während er noch nachdachte, öffneten sich Alex' Augen und sie schaute ihn an.

„Bobby, was . . .?"

Er legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen, um sie zur Ruhe zu ermahnen. Als ihre klar wurde, was das bedeutete, weiteten sich ihre Augen und er nickte bestätigend. Dann zeigte er stumm auf die Tür zu dem Raum, der zwei Tage lang ihr Gefängnis gewesen war.

Alex war zuerst geschockt, wagte aber nicht, ihren Protest zu äußern. Dann erinnerte sie sich an das Fenster. Sie glaubte nicht, dass es groß genug war, dass sich Bobby durchquetschen könnte, aber es war groß genug für sie. Sie konnte hinausgelangen, eine Ablenkung schaffen und Mathers hoffentlich lange genug von der Hütte weglocken, damit auch Bobby flüchten konnte.

Sie schlüpfte aus dem Bett und öffnete die Tür zu dem anderen Raum. Bobby legte noch den Teppich wieder auf den Boden, so wie sie ihn vorgefunden hatten. Dann folgte er ihr und schloss die Tür hinter ihnen.

Ohne Zeit zu verlieren, ging Alex zum Fenster. Sie war froh zu sehen, dass es sich wirklich öffnen ließ. Vorher hatte sie das nicht bemerkt. Froh deswegen, weil das Geräusch brechenden Glases sie auf jeden Fall verraten würde, wenn Mathers nicht schon wusste, dass sie hier waren.

Sie verzog das Gesicht, als sie das Fenster so weit es ging aufschob.

Sie wollte sich gerade durch das Fenster schieben, als eine Hand auf ihrem Arm sie anhielt. Sie schaute zurück auf Bobby, der sie geschockt anstarrte. Er hatte gerade erst ihre Absicht erkannt und war nicht glücklich damit.

Sie tätschelte seinen Arm beruhigend, löste sich dann aus seinem Griff, kletterte durch das Fenster und verschwand schnell in der Dunkelheit. Mit Übelkeit im Magen zog Bobby das Fenster wieder fast zu und hockte sich auf den Boden um zu warten. Einen Moment später zeigte ihm das deutliche Knarren der Holzbohlen, dass Mathers in der Hütte war.

Er fragte sich, was Alex tun könnte, um Mathers Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen ohne sich dabei in mehr Gefahr als nötig zu begeben. Die Minuten krochen dahin, und er wartete auf dem Moment, dass Mathers die Tür öffnete und auf ihn stieß . . .

Bobbys Herz schlug höher als ihm etwas einfiel. Sicher, es würde Mathers zeigen, dass sie hier waren, aber es könnte ihnen eine Chance geben und im Moment sah Bobby keine andere Möglichkeit. Außerdem befürchtete er dass sich Alex in Gefahr begeben würde, einfach weil er zu groß war um durch das Fenster zu passen.

Gebückt durchquerte Bobby den Raum und ging neben der Tür in Stellung. Er wollte gerade laut husten, als das Geräusch von berstendem Glas die Stille durchbrach. Bobby lauschte und wagte kaum zu atmen, als Mathers nach draußen rannte.

Plötzlich wurde ihm klar, dass er von Alex getrennt werden könnte, wenn sie vor Mathers in den Wald flüchtete. Also öffnete er die Tür und schaute besorgt hinaus. Er konnte sehen, dass Mathers genau vor der Tür stand, die Armbrust im Anschlag. Bobby vergaß seine eigene Sicherheit und warf sich auf Mathers. Sein Körper kollidierte mit dem ihres Verfolgers und sie fielen zu Boden.

Die Armbrust verschoss ihre tödliche Fracht und während Bobby noch mit Mathers kämpfte hörte er einen unverwechselbaren Schmerzensschrei von zwischen den Bäumen.

Getrieben von Panik und Wut, stieß Bobby den Handballen gegen die Seite von Mathers Kopf, was ihn einen Moment lang betäubte. Er kam auf die Füße und rannte in Richtung des Schmerzensschreis, um Alex zu erreichen bevor Mathers seine Sinne wiedererlangte und ihnen folgte.

Er stolperte beinahe über sie, weil er sie in der Dunkelheit übersehen hatte.

„Alex . . .", flüsterte er und ging neben ihr in die Knie. Sie schaute auf zu ihm, ihre braunen Augen voll von Furcht und Schmerz. Mit sinkendem Herzen sah er, was sie zu Boden gebracht hatte. Mathers' Pfeil war durch ihr rechtes Bein gegangen und stak nun fest darin.

Ihm wurde klar, dass sie mit diesem Ding in ihrem Bein nicht einmal gehen, geschweige denn rennen konnte. Also würden sie entweder darauf warten, dass Mathers sie fand, was jede Sekunde geschehen konnte; oder . . .

„Geh einfach!", flüsterte Alex. Bobby starrte auf sie, geschockt von dem Vorschlag.

„Nein. Ich lasse dich nicht hier."

„Wenn du nicht gehst, sind wir beide tot."

Bobby schaute auf. Durch die Bäume konnte er sehen, dass sich Mathers langsam von dem Schlag auf den Kopf erholte und aufstand. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er sie verfolgte, aber Bobby wusste ohne Zweifel, dass er dem jüngeren Mann im Kampf nicht gewachsen war. Es gab nur eine Alternative . . .

Alex schnappte nach Luft, als sie Bobbys Arme unter sich fühlte und er sie so vorsichtig wie möglich hochhob.

„Was tust du . . .?", fragte sie atemlos. Er antwortete nicht sondern konzentrierte all seine Kraft darauf, ihr Gewicht zu tragen. Dann fing er an, durch die Bäume zu rennnen.