Als Alex das nächste Mal aufwachte, bemerkte sie dass Bobby nicht länger neben ihr war. Sie setzte sich schnell auf, mit vor Angst zusammengepresstem Magen, und schrie auf als flammender Schmerz durch ihren Arm und ihre Schulter fuhr. Sie fiel auf den Boden zurück, schloss ihre Augen und wartete bis der Schmerz auf ein tolerables Level zurückgegangen war, bevor sie es noch einmal versuchte. Während sie dort lag, fühlte sie Bewegung neben sich und als sie aufsah, saß Bobby neben ihr.

„Hey.", murmelte sie, erleichtert dass er wach und bei Sinnen war. „Wie fühlst du dich?"

„Tut immer noch weh.", gab er zu und half ihr sanft sich aufzusetzen. „Trotzdem besser. Das hast du gut gemacht."

Sie schaute hinunter auf seine Bauchwunde und schätzte dass seine vieldeutige Antwort von ‚tut immer noch weh' eine heftige Untertreibung war. Das Fleisch war rot und offen und sah so schmerzhaft aus wie sich ihr Bein anfühlte, aber immerhin war es versiegelt. Sie konnte nur hoffen und beten, dass er nicht innerlich blutete.

„Das wird wieder.", murmelte er und beantwortete ihre unausgesprochenen Ängste. „Es ist jetzt schon eine ganze Weile so. Wenn ich innerlich bluten würde . . ."

Das offensichtliche ließ er ungesagt. Wenn er innerlich bluten würde, wäre er jetzt schon tot. Sie stöhnte leise und versuchte sich so auszubalancieren, dass sie ihr Bein entlastete ohne dabei ihren verletzten Arm weiter zu beschädigen.

„Wir müssen weiter, nicht wahr?"

Er schaute sie bedauernd an. „Wenn wir hier bleiben, findet er und früher oder später."

Alex fühlte ihre Geister wieder einmal sinken und bevor sie ihre Frustration im Zaum halten konnte, fuhr sie ihn an. „Was denkst du denn, wie weit wir überhaupt kommen, Bobby? Ich kann kaum gehen . . . du kannst nicht gehen. Welchen Unterschied macht es schon, ob wir gehen oder bleiben? In beiden Fällen wird er uns früher oder später erreichen. Und bei unserem Glück wird das eher früher sein."

Er schreckte nicht zurück vor ihrem Ärger, sondern lächelte ein wenig und schaute auf sein gebrochenes Bein. Sie folgte seinem Blick und zu ihrer großen Überraschung sah sie dass er es geschient hatte, mit einem langen Stück Holz und Streifen aus den zerfetzten Resten seines Hosenbeins. Ihr fiel auf, dass beide seiner Hosenbeine weg waren; von seiner teuren Anzugshose war nur ein zerfetztes Paar Shorts übrig geblieben.

Er hat sein eigenes Bein geschient, dachte sie ungläubig. Oh Gott, müssen das Schmerzen gewesen sein.

Sie schaute zurück zu ihm und sah, dass er ein stück Holz in einer Hand hielt, ein paar Stoffstreifen in der anderen.

„Du bist dran."

„Weißt du, dass du anfängst auszusehen wie Robinson Crusoe?"

Bobby lächelte amüsiert und strich sich mit einer Hand über den wachsenden Bart. „Würdest du mich schlagen, wenn ich die offensichtliche Antwort gebe?"

Sie grinste. „Du meinst wenn du einen Scherz darüber machst, dass ich Freitag bin? Definitiv."

Er lachte und Alex fühlte Wärme in sich aufsteigen. Ihre Situation war so schlecht, dass sie es genießen musste, wenn einer von ihnen lachen konnte.

Einen Moment später zuckte sie vor Schmerz zusammen als er die Knoten über ihrer provisorischen Schiene festzog.

„Tut mir leid.", murmelte er. „Aber es muss fest sein."

Sie stieß ihren Atem in einem langen Zischen aus. „Kein Problem. Aber ich sage dir, wenn ich erst meine Waffe wiederhabe, ist Mathers so tot."

Bobby lächelte wieder, nicht so sehr amüsiert diesmal, sondern dankbar für den Funken der wieder in ihren Augen und den neuen Mut der in ihrer Stimme war. In den letzten paar Tagen waren sie durch die Hölle gegangen und die Negativität, Depression und zunehmende Hoffnungslosigkeit unter der sie beide gelitten hatten hatte ihm Angst gemacht.

Diese Emotionen waren natürlich nicht fremd für ihn und auch nicht für Alex. Aber er war an ihre positive, das Kommando übernehmende Art gewöhnt. . . an ihren manchmal ätzenden Humor . . . insgesamt an die Art wie sie ihn am Boden und verankert in der Realität hielt. In Wahrheit war ihm gar nicht klar gewesen wie sehr er sich auf sie verließ, um selbst positiv und konzentriert zu bleiben. Er war dankbarere als er ausdrücken konnte, als dieser Teil ihrer Persönlichkeit wieder zum Vorschein kam.

„Woran denkst du?", fragte sie während sie ihn neugierig beobachtete. Er lächelte sie an, mit diesem kleinen sanften Lächeln, das er nur für sie zu reservieren schien.

„Wie froh ich bin, dass wir zusammen sind."

Sie sah schnell weg als sie heftige Schuldgefühle durchfuhren und sie an ihr Flehen in der vorigen Nacht dachte, er solle sie verlassen und sich selbst retten. Sie wusste nicht mehr was sie gedacht hatte, als sie ihn darum anbettelte. Die einzige plausible Erklärung war, dass sie vor Schmerz und Angst nicht ganz bei Sinnen war. Sie würde nie in der Lage sein, auszudrücken wie dankbar sie war, dass er nicht auf sie gehört hatte.

„Alex?"

Langsam, widerwillig, schaute sie zurück zu ihm; und für einen kurzen Moment erinnerte sie sich genau an die Verletztheit in seinen Augen als sie ihm letzte Nacht sagte er solle sie verlassen. Dann war diese Vorstellung weg und sie schaute in ein Paar braune Augen, die voll Verständnis waren.

„Es ist okay.", sagte er ihr. „Du hattest Schmerzen. Es war nicht deine Schuld."

Tränen begannen ihre Wangen hinunterzulaufen, bevor sie sie aufhalten konnte. Er zog sie sanft in eine beruhigende Umarmung und passte auf, nicht gegen ihren verletzten Arm zu drücken. So saßen sie für eine Weile zusammen, bis Alex sich zurückzog.

„Wir sollten weitergehen. Bist du sicher, dass du gehen kannst?"

„Ja.", murmelte er, kroch über den Boden zu einem Baum und zog sich daran auf die Beine. „Ich kann nicht rennen, aber ja, ich denke ich kann gehen."

Sie sah zweifelnd aus als sie aufstand, sagte aber nichts. Wenn er mit einem schlimm gebrochenen Bein laufen konnte, konnte sie das mit ihrem verletzten Bein auch.

„Willst du einen Stock oder so was zum abstützen?", fragte er und für einen Moment wurde sie ärgerlich darüber, dass er sie offensichtlich für schwach hielt, aber dann sah sie ihn einen langen dicken Ast unter seinen Arm nehmen um ihn als Krücke zu gebrauchen.

„Den habe ich vorhin gefunden, als du noch geschlafen hast.", erklärte er. „Ich habe ihn geschält . . . ich dachte ich würde das brauchen." Er zeigte auf den Boden in der Nähe und sie sah einen zweiten, ebenfalls geschälten Ast. „Ich habe auch einen für dich fertig gemacht, wenn du ihn willst."

Alex lächelte leicht, gerührt von seiner Bedachtsamkeit. Sie beugte sich hinüber, nahm die Krücke und positionierte sie vorsichtig unter ihrem rechten Arm.

„Danke Bobby." Sie hielt inne und musste über das bild lachen, das sie beide abgeben mussten. „Sieh uns an. Wir sehen aus wie Penner."

Bobby lachte leise. „Zumindest sind wir in guter Gesellschaft."

Alex' Grinsen wurde breiter. „Komm, Robinson. Gehen wir."

Er gab ihr Grinsen zurück. „Nach dir, Freitag."

Sie holte mit ihrem Stock nach ihm aus als sie an ihm vorbeiging und brachte damit beide wieder zum Lachen. Immer noch lachend verschwanden sie zwischen den Bäumen.


Keiner von ihnen schlief in dieser Nacht. Officers wechselten sich damit ab die Hütte zu bewachen, falls Mathers zurückkam. Das Innere der Hütte war zur Basis der Taskforce geworden. Deakins hatte Logan S&R rufen lassen. Deren Leiter versprach einen Suchtrupp komplett mit Hunden und Hubschrauber im ersten Margegrauen.

Obwohl sie nichts tun konnten als abwarten, verbrachte Deakins die meiste Zeit am Tisch und studierte konzentriert die Karten, die sie mit sich gebracht hatten. Er hörte nicht auf bis ihn Horation unter dem Vorwand seinen Rat zu brauchen nach draußen lockte.

„Captain Deakins . . . wann haben Sie zum letzten Mal geschlafen?"

Nur mit Anstrengung konnte Deakins seinen Ärger zügeln. Er konnte sehen, dass der Lieutenant aus Miami wirklich besorgt war, aber er schätzte es nicht sich von Jüngeren etwas sagen zu lassen, egal wie gut die Absichten waren. Und so schaffte er es nicht, die Verärgerung ganz aus seinem Ton herauszuhalten.

„Das geht Sie nichts an."

Horatio nickte langsam, nicht im Geringsten gestört von Deakins' Antwort.

„Das mag sein, aber ich bin nur um das Wohlergehen Ihrer beiden Detectives besorgt. Und es bereitet mir Sorgen, dass ihre Überlebenschancen durch den Schlafmangel ihres Captains beeinflusst werden könnten."

Stumm wägte Deakins Horatios Worte ab. Als er dann sprach, hörte Horatio die Erschöpfung und die emotionalen Schmerzen in seiner Stimme. „Lieutenant Caine, selbst wenn ich wollte, könnte ich wahrscheinlich gar nicht schlafen. Ich verstehe, was Sie sagen, aber im Moment ist das einfach nicht möglich. Sagen Sie . . . ist jemals einer Ihrer Leute verschwunden? Haben Sie eine Ahnung, wie das ist?"

„Nein.", gab Horatio sofort zu. „Das tue ich nicht . . ."

„Ich hoffe, Sie müssen es nie rausfinden."

„Aber ich weiß, wie es ist, einen meiner Leute zu verlieren. Ein Mitglied meines Teams wurde vor meinen Augen erschossen."

Deakins schaute ihn fragend an. „Kürzlich?"

„Ziemlich. Es passierte vor drei oder vier Monaten."

„Das tut mir leid. Aber vielleicht können Sie verstehen, warum ich mich nicht entspannen kann. Bobby und Alex sind irgendwo dort draußen. Wir wissen, dass mindestens einer von ihnen verletzt ist, möglicherweise schwer. Ich kann nicht schlafen mit dem Wissen, dass dieser Bastard Erik Mathers sie jagt. Es schwer genug, zu wissen, dass wir bis zum Morgen auf den Suchtrupp warten müssen. Ich kann mich nicht ausruhen. Nicht bevor wir sie sicher zurückhaben."

„Ich verstehe.", murmelte Horatio. Sein Respekt für Deakins verzehnfachte sich. Es gab nur wenige Vorgesetzte, die für ihre Untergebenen persönlich so viel tun würden. Bobby Goren und Alex Eames hatten Glück, einen solchen Mann als Captain zu haben.

„Warum sind Sie hierher gekommen, Lieutenant?"

Horatio schaute Deakins verwirrt an. „Entschuldigen Sie . . .?"

„Nach New York, meine ich. Sie brauchten nicht zu kommen. Sie hätten uns einfach alle Informationen schicken können, ohne ihr ganzes Team zu mobilisieren."

Horatio zögerte mit seiner Antwort. „Das hätten wir tun können.", stimmte er leise zu. „Wenn es irgendein anderer Killer gewesen wäre, hätten wir das wahrscheinlich getan. Aber dieser Mann . . . Sie müssen verstehen, Captain, die besten Leute in Florida haben an diesem Fall gearbeitet und wir sind seiner Ergreifung nicht einmal nahe gekommen. Ich bin nicht hier um Vergeltung zu üben oder für Miamis Ehre zu kämpfen. Ich bin hier, weil dieser Mann so tödlich ist. Das letzte, was ich wollte, ist irgendjemandem auf die Zehen zu treten . . ."

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Lieutenant.", unterbrach Deakins sanft. „Ich bin froh, dass Sie hier sind. Nach dem, was Mack mir berichtet hat, haben Sie ein verdammt gutes Team und ihre Hilfe kam uns gelegen. Ich war nur neugierig, warum Sie glaubten, persönlich kommen zu müssen."

Horatio lächelte kurz. „Zwei Polizisten werden vermisst. Wir können helfen. So einfach ist das, Sir."

Deakins nickte. „Danke."

„Keine Ursache."


Um halb fünf wurde es hell, die ersten Strahlen der Sonne kamen durch die Bäume und verursachten surreale Licht- und Schattenspiele.

Wie versprochen kam der erste der Rettungshubschrauber und landete in einer Lichtung eine halbe Meile von der Hütte entfernt. Zehn Männer und drei Suchhunde kamen heraus. Deakins, Mack und Horatio besprachen sich mit ihnen und versuchten sich auf die beste Vorgehensweise zu einigen.

„Ich hoffe, ihr Leute habt eine Ahnung, wo wir mit der Suche beginnen sollen.", sagte der lieutenant des Teams, Graham Trent. „Wir haben praktisch keine Informationen erhalten bevor wir herkamen."

„Okay.", sagte Deakins. „Es sieht so aus: Zwei Polizisten werden hier vermisst. Wir wissen, dass sie an der Hütte dort hinten waren, aber wir wissen nur ungefähr, in welche Richtung sie gegangen sind. Da draußen ist noch ein anderer Mann, er ist sehr gefährlich; und wir glauben, dass er auch nach den beiden sucht."

„Um sie zu töten, meinen Sie.", sagte Trent grimmig. „Können sie meinen Leuten irgendeine Art Schutz anbieten, falls wir mit diesem Verrückten zusammenstoßen?"

Deakins nickte. „Ich habe fast dreißig Officers hier. Ich werde jedem Ihrer Suchtrupps ein paar mit mitschicken."

„Also gut. Zeigen Sie meinem Piloten das Gebiet, das er überfliegen soll, und es geht los. Dann fangen wir auch hier am Boden an. Es kommen noch fünf andere Trupps und zwei Hubschrauber. Mit denen können wir ein größeres Gebiet abdecken."

Fünf Minuten später war der Hubschrauber zurück in der Luft und Deakins, Mack und Horatio führten die Mannschaft zurück zu der Hütte um die Suche zu beginnen.

„Sie haben nicht zufällig daran gedacht, Kleidungsstücke der Vermissten mitzubringen?", fragte Trent ohne besonders hoffnungsvoll zu klingen.

„Doch, das haben wir.", antwortete Deakins. „Bishop?"

Bishop trat mit zwei versiegelten Plastebeuteln vor. In einem war ein blaues Tanktop, in dem anderen ein weißes Männerhemd.

„Wo haben Sie denn die her?", fragte Logan leise, als sie an seine Seite zurückkam.

„Eames' Vater hat uns das Tanktop gebracht.", antwortete Bishop.

„Und Sie haben wohl Gorens Spind durchsucht?"

Sie schüttelte den Kopf. „Erinnern Sie sich, dass Deakins mich auf eine Besorgung geschickt hat, bevor wir hierher gekommen sind? Er hat mich zu Gorens Wohnung geschickt, um ein Kleidungsstück zu suchen, falls wir es brauchen. Ich habe ein Hemd aus dem Wäschesack genommen."

Logan war einen Moment lang still und dachte darüber nach. „Sie waren in Gorens Wohnung . . . haben in seinem Wäschesack gewühlt . . ."

„Hören Sie auf, Logan.", knurrte sie. „Ich habe nicht herumspioniert, und ich habe das erste aus dem Wäschesack genommen, was ich gesehen habe, dieses Hemd. Dann bin ich wieder verschwunden."

Logan grinste hämisch. „Kommen Sie schon, Bishop, wollen Sie ernsthaft behaupten, Sie hätten nicht ein bisschen herumgeschnüffelt?"

Sie starrte ihn wütend an. „Anders als Sie, dachte ich nicht dass ich es mir leisten könnte, Zeit zu verschwenden. Zwei Leben stehen auf dem Spiel und Sie wundern sich, dass ich Gorens persönliche Sachen nicht durchsuche? Sie sind wirklich unglaublich."

Logan hob beschwichtigend die Hände. „Es ist nicht meine Schuld, dass ich neugierig bin. Ich meine, ich wette, dass dort alles voll mit Büchern ist. Haben Sie Haufen von Büchern gesehen, als Sie dort waren?"

Sie starrte auf den Boden. Wenn er nicht bald den Mund hielt, würde sie ihn schlagen.

„Ich habe nicht nach Büchern gesucht, Logan. Ich habe nach einem Kleidungsstück gesucht, das uns hilft ihn zu finden, bevor er uns in einem Leichensack zurückgeschickt wird!"

Ihre Stimme war lauter geworden und es wurde plötzlich still während einige Leute sich umdrehten und sie anstarrten.

„Ich denke wir sollten losgehen.", sagte Mack und schaute die beiden durchdringend an, bevor er sich wieder Deakins und der Suchmannschaft zuwendete. Deakins nickte und schoss auch warnende Blicke in Bishop und Logans Richtung, bevor er seine Aufmerksamkeit auf Trent lenkte. Sein Blick und die Warnung darin ließen beide zusammenzucken.

„Ich schicke drei Officers und einen CSI mit jedem Ihrer Suchtrupps. Ist das zufrieden stellend?"

Trent nickte. „Das ist gut. Ein Team wird in der Hütte anfangen, eins in der näheren Umgebung und eins an der Stelle, an der Sie gestern Nacht Blut gefunden haben. Wir sehen wo uns das hinführt und wenn die restlichen Teams ankommen entscheiden wir, wie wir die Suche ausweiten. Okay, gehen wir."

Deakins bestand darauf, das Team zu begleiten, das in den Wald ging, er wollte nicht an der Hütte zurückgelassen werden. Logan und Bishop gingen auch mit dieser Gruppe, zusammen mit Horatio Caine, Mack Taylor und Calleigh Duquesne. Es war schon nach fünf als sie dem Führer des Suchtrupps und seinem Hund zwischen die Bäume folgten, und bald wieder an der Stelle waren, an der Mack in der Nacht davor frisches Blut gefunden hatte. Dort warteten sie gespannt während der Hund herumschnüffelte und nach einer Spur suchte, die frisch genug war um ihr zu folgen.

„Okay.", sagte der Hundeführer, als der Hund endlich in eine Richtung loslief. „Sie hat etwas gefunden."

„Dann gehen wir.", knurrte Deakins ungeduldig.

Sie gingen schnell zwischen den Bäumen entlang, in einer mehr oder weniger geraden Linie, bis der Hund plötzlich zur Seite ausbrach und hinter einem großen Baum herumschnüffelte. Horatio ging näher und seine scharfen Augen entdeckten sofort, was die Aufmerksamkeit des Hundes erregt hatte.

„Blut.", teilte er mit und hockte sich für eine nähere Betrachtung hin. „Ich würde sagen, sie haben hier kurz angehalten."

„Also gehen wir wenigstens in die richtige Richtung.", sagte Deakins grimmig.

„Aber wohin jetzt?"

Die Frage wurde beantwortet, als der Hund plötzlich laut winselte, sich umdrehte und wieder durch die Bäume davonlief, fast rannte. Alle folgten, während Mack und Calleigh immer wieder anhielten wenn sie Blut entdeckten.

Sie waren noch nicht einmal eine Meile gegangen als sie aus den Bäumen hervorkamen und vor einem steilen Abhang standen.

„Scheiße, seht euch das an.", murmelte Logan und schaute vorsichtig über den Rand. Es waren mindestens zwölf Meter bis zu einem schmalen Bach weit unten, mit vielen scharfen Felsen auf dem Weg dorthin.

„Wohin sind sie von hier aus gegangen?", fragte sich Horatio laut.

„Also," sagte Logan trocken als er sich die mächtige Schlucht betrachtete. „sie sind sicher nicht gesprungen."

Als ihn mehrere Paar Augen anstarrten, fügte er schnell hinzu: „Auf die andere Seite meine ich. Das sind mindestens zehn Meter. So weit kann niemand springen. Also sind sie entweder nach links, rechts oder rückwärts gegangen."

Horatios Frage wurde endlich beantwortet als der Hund wieder winselte, nach rechts loslief und sie auf einem schmalen Pfad entlangführte.

„Wenn sie hier im Dunkeln langgegangen sind, dann haben sie schon verdammt Glück gehabt, wenn sie nicht gestolpert und abgestürzt sind.", sagte Mack grimmig und schaute sich beim Gehen den Boden genau an; er suchte nach sichtbaren Hinweisen, dass Bobby und Alex wirklich hier langgegangen waren.

„Sagen Sie nicht so was.", sagte Deakins und seine Stimme klang gequält. Mack gab ihm einen mitfühlenden Blick, sagte aber nichts.

Am Ende der Gruppe ging stumm Bishop. Sie ging vorsichtig hinter Logan her. Sie wagte nicht, hinunterzuschauen, schaute stattdessen auf die Bäume, die zur rechten Seite des Pfades standen. Nicht, dass sie Höhenangst hatte, aber ihr wurde leicht schwindelig und das wollte sie nicht riskieren.

So war es Bishop, die als einzige nicht auf den Boden oder in die Schlucht starrte, die den Pfeil entdeckte, der sich in einen Baumstamm gegraben hatte.

„Captain!"

Deakins hielt an und schaute zu Bishop zurück, wobei ihm die Ungeduld ins Gesicht geschrieben stand. „Was ist, Bishop?"

„Ein Pfeil, Sir.", antwortete sie grimmig. „Wir sind auf dem richtigen Weg. Mathers muss sie in dieser Richtung gejagt haben."

„Aber ich kann hier nur zwei Paar Fußspuren entdecken.", sagte Calleigh. Sie war ein wenig vornweg gegangen und hatte sich hingehockt um besser zu sehen. „Eins mit Schuhen und eins barfuss."

Horatio ging zu ihr und schaute es sich ebenfalls an. „Nur zwei Paar Spuren.", stimmte er dann zu. „Aber drei Menschen. Die barfußen Eindrücke sind viel tiefer als die von der Person mit Schuhen."

Deakins verstand sofort was Horatio sagen wollte. „Goren hat Eames getragen."

Horatio nickte. „Er hat sie getragen."

„Sie ist also definitiv verletzt.", murmelte Logan. „Das muss ihr Blut gewesen sein."

Deakins schaute den Hundeführer an. „Gehen wir weiter."

Sie stellten bald fest, dass sie nicht viel weiter gehen konnten. Der Pfad, dem sie gefolgt waren, verschwand bald und sie kamen zum Ende derselben Sackgasse, in der Bobby und Alex in der Nacht zuvor gewesen waren. Sie standen auf einer schmalen Landspitze die über den Abgrund hinausreichte.

Es war schmerzhaft offensichtlich, was passiert war. Die barfußen Eindrücke im weichen Boden führten bis ganz zum Rand und es waren deutliche Blutspritzer dort, wo sowohl Fußspuren als auch Boden plötzlich aufhörten.

„Oh nein!", murmelte Mack.

„Bitte sagen Sie mir, dass sie nicht abgestürzt sind.", sagte Deakins leise, obwohl seine Hoffnung sank. Calleigh ging so nah an den Rand wie sie wagte, hielt sich dabei aber an Horatios Hand fest, falls der Boden nachgab. Sie schaute vorsichtig über den Rand und bekam die Betätigung, die niemand von ihnen wollte.

„Dort ist Blut.", rief sie grimmig. „Mindestens einer von ihnen ist abgestürzt. Es sieht direkt hier drunter wie Wasser aus, also könnten sie den Fall überlebt haben, aber von dieser Höhe . . . und mit den Verletzungen, die sie schon haben . . ."

„Ist es nicht wahrscheinlich.", schloss Deakins. Sein Gesicht wurde grau als er mit der Erkenntnis kämpfte, dass Bobby und Alex wahrscheinlich tot waren.

„Hey.", knurrte Logan. „Wir geben nicht auf, bevor wir das sicher wissen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich gebe nicht auf, bis ich ihre Leichen sehe. Bis dahin sind sie noch am Leben, soweit es mich angeht."

„Logan hat recht.", sagte Mack leise. „Wir können nichts ausschließen, Captain. Bis wir es wirklich sehen . . ."

Mack hörte auf zu sprechen, als sie ein neues Geräusch erreichte, das hart durch die ansonsten stille Morgenluft schnitt. Ähnlich wie letzte Nacht erreichten sie die Echos eines Schmerzensschreis aus der Ferne. Diesmal war es jedoch keine weibliche, sondern eine eindeutig männliche Stimme.

„Bobby.", flüsterte Deakins, überrascht und entsetzt. „Sie sind noch am Leben . . ."

„Zumindest einer von ihnen.", sagte Mack. „Und jetzt wissen wir auch, in welche Richtung wir gehen müssen. Wir müssen dort hinunter, so schnell wie möglich."

„Wo entlang?", fragte Deakins den Leiter des Suchtrupps. Der Mann zeigte hinter seine Schulter.

„Der schnellste Weg ist, zurück zur Hütte zu gehen und uns dann von einem der Hubschrauber mitnehmen zu lassen. Ansonsten sind das drei Stunden zu gehen."

„Wir haben keine Zeit zu verlieren.", sagte Mack, und Horatio nickte zustimmend.

„Ich denke, man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass wenn wir sie hören konnten, das gleiche für Erik Mathers gilt."

„Und er ist ihnen wahrscheinlich näher als wir.", schätzte Logan.

Ein neues Geräusch erreichte sie, und zwar das von Hubschraubern in einiger Entfernung.

„Los geht's.", sagte Deakins angespannt. „Alle zurück zur Hütte, sofort."


Bobby und Alex gingen stumm dahin, jeder darauf konzentriert, mit seinen eigenen Verletzungen klarzukommen; und halfen sich gegenseitig wann immer es ging. Erst als sie anhielten um sich auszuruhen, sprachen sie; und auch dann nur leise. Sie wussten beide, dass Mathers wahrscheinlich schon nach ihnen suchte und sie konnten nicht wissen, wie nah er ihnen schon gekommen war.

„Hast du eine Ahnung, in welche Richtung wir gehen?", fragte Alex leise. Bobby schüttelte widerstrebend den Kopf.

„Nicht wirklich. Ich denke wir gehen nach Norden, aber ich bin mir nicht sicher."

Alex wurde still und sagte nicht, was sie dachte – dass sie vielleicht im Kreis gingen. Bobby schaute sie mit einem kleinen Lächeln an. „Wir laufen nicht im Kreis. Mach dir keine Sorgen. Da bin ich mir sicher."

Sie schaute ihn leicht verärgert an. „Was, kannst du neuerdings Gedanken lesen?"

Er lachte leise. „Nein . . . ich kenne dich einfach zu gut. Das stand dir deutlich ins Gesicht geschrieben."

Sie machte eine halbherzige Grimasse. „Du weißt nicht einmal halb so viel über mich wie du denkst, Robert Goren."

Er hob leicht seine Augenbrauen. „Ist das eine Herausforderung, Alexandra Eames?"

Sie grinste. „Wenn du willst dass es eine ist."

„Also was, fangen wir an, Fragestunde zu spielen?", fragte er amüsiert. Sie zuckte mit einer Schulter.

„Ich frage eine Frage über mich selbst und wenn du sie richtig beantwortest, kannst du mir eine Frage über dich stellen. Aber wenn du sie falsch beantwortest, bekomme ich einen Punkt und darf eine zweite Frage stellen. Dasselbe, wenn ich deine Frage falsch beantworte."

Bobby bekämpfte den Drang, zu lachen. Das könnte interessant werden und sie außerdem von den Schmerzen ablenken, unter denen sie beide litten.

„Okay. Fragen Sie los, Detective."

„Was ist meine Lieblingsfarbe?"

Jetzt lachte er. „Das ist einfach. Rot. Was ist meine?"

Sie rollte die Augen. „Blau. Oder Türkis, wenn du technisch werden willst."

Er schaute sie ehrlich überrascht an und sie gab ein Grinsen zurück. „Welche Art Musik mag ich am liebsten?"

„Rhythm and Blues.", antwortete Bobby selbstsicher. „Ähm . . ."

„Was ist los?", fragte sie mit zuckersüßer Stimme. „Fällt dir nichts ein, was du mich fragen kannst?"

„Was ist der Name meines älteren Bruders?"

Alex rollte ihre Augen. „Richard. Verdammt Bobby, das ist doch keine Herausforderung . . ."

„Woher wusstest du, dass er Richard heißt?", fragte Bobby überrascht. „Ich habe nie mit dir über ihn gesprochen."

„Zu deiner Information, Dummkopf: Dein Bruder ist als nächster Verwandter registriert, falls dir etwas zustößt. Deakins hat mich das nachsehen lassen, als er das mit deiner Mutter herausgefunden hat."

Bobby wurde still und starrte auf den Boden. Alex beobachtete ihn, besorgt, dass sie eine unsichtbare Grenze überschritten hatte.

„Ich wollte nicht herumschnüffeln, Bobby. Aber wir müssen alle jemanden als Kontakt registriert haben, das weißt du."

„Das ist in Ordnung.", murmelte er, aber er sah sie immer noch nicht an. „Es ist nur . . . ich habe mich nie mit ihm verstanden; und ich habe ihn seit der Dads Beerdigung nicht mehr gesehen."

„Er besucht nie eure Mutter?"

„Nein. Er ist nie mit ihrer Krankheit zurechtgekommen. Er ist verschwunden, sobald er konnte. Hat ein Sportstipendium für eine Universität in einem anderen Staat bekommen und ist nie wieder nach Hause gekommen."

Alex seufzte leise. „Er hat ein Stipendium bekommen, ein Ticket nach draußen; und hat dich allein gelassen um für eure Mutter zu Sorgen."

„So ziemlich."

„Das ist bescheuert."

Da schaute Bobby sie an, ein leichtes Lächeln für ihre Einschätzung auf den Lippen. Sie grinste zurück und sie fühlten beide, wie sich ihre Laune hob.

„Du bist dran.", sagte er mit einem echten Lächeln im Gesicht.

„Okay . . . was ist mein Lieblingsdrink?"

Bobby fing an zu antworten, hörte dann aber auf. Ein Grinsen zuckte über sein Gesicht. „Ich hätte beinahe Margarita gesagt, aber das ist es nicht, richtig?"

Sie lächelte nur und sagte nichts. Bobby zögerte, durchsuchte sein Gedächtnis nach der Antwort. Fast eine Minute verging und Alex dachte schon, sie hatte einen Punkt bekommen, als seine Augen aufleuchteten.

„Ich weiß es. Champagner."

Alex schüttelte in gespielter Verärgerung den Kopf. „Verdammt. Beinahe hätte ich dich gehabt. Okay, Schlaumeister. Du bist dran."

Bobby grinste verschmitzt. „Was ist mein Lieblingsbuch?"

Sie starrte ihn ungläubig an. „Du meinst, du hast wirklich ein liebstes?"

Er grinste spielerisch. „Sicher. Sagst du, dass du es nicht weißt?"

Alex runzelte die Stirn, drehte und wendete die Frage. Endlich stöhnte sie und sagte das erste, was ihr in den Sinn kam. „Oh, ich weiß nicht. Winnie Puh?"

Sie schaute zu ihm, sicher dass sie falsch lag; aber er starrte sie nur ungläubig an.

„Was . . . das ist dein Lieblingsbuch? Im Ernst?"

Sie dachte amüsiert, dass seine Wangen merklich rot geworden waren.

„Ich habe es immer gemocht, weil da nicht mehr ist, als man sieht . . . es ist nur eine einfache Geschichte, das ist alles."

Alex nickte, sie verstand. „Es ist etwas, das man nicht analysieren muss, meinst du."

Er sah ein bisschen verschämt aus. „Ja."

Alex lächelte leicht und entschied sich, die Information für spätere Verwendung abzulegen. „Ich gebe zu, dass ich nur geraten habe, aber es war richtig, also bin ich dran. Ah, lass mich nachdenken . . ."

Bobby wollte sie gerade necken, als ein neues Geräusch auftauchte. Sie sahen beide im gleichen Moment auf, überrascht.

„Ist das, was ich denke dass es ist?", fragte Alex leise und wagte kaum zu hoffen. Bobby kam unsicher auf die Beine, wobei ihn von neuem Schmerzen schüttelten.

„Ein Hubschrauber. Es ist ein Hubschrauber."

„Denkst du, sie suchen nach uns?", fragte sie.

„Oh Gott, das hoffe ich.", murmelte Bobby. „Komm, Alex. Wir müssen los. Wenn sie uns mit dem Hubschrauber suchen, entdecken sie und hier nie."

Sie stand auf, wobei sie sich schwer auf den Stock stütze.

„Okay, ich bin bereit. Gehen wir."