Disclaimer

Die Figuren, soweit sie von Drehbuchautor William Monahan eigenständig entwickelt und/oder gegenüber ihren historischen Vorbildern abgeändert wurden, sind geistiges Eigentum von William Monahan und auch die Handlung und Reden, soweit sie sich mit der verfilmten Geschichte decken, gehört William Monahan.

Jede weitere eigenständige Erzählung um die Personen des Geschehens sind meines Geistes und mein Besitz. Mit dieser fiktiven Romanvorlage zum Drehbuch von William Monahans Werk „Kingdom of Heaven" verdiene ich kein Geld und habe sie auch keinem Verlag angeboten.


Kapitel 2


Acht Jahre später

Balian wachte am Sterbebett seiner Mutter. Majon lag im Kindbettfieber. Das Kind, das sie nach so langer Zeit von ihrem Gatten empfangen hatte, lebte nur zwei Tage und sie selbst hatte zuviel Kraft gelassen. Sie wußte, daß sie sich nicht erholen würde und sorgte sich um ihren geliebten Sohn. Balian, er war seinem Vater Godfrey so ähnlich, hatte im Dorf keinen leichten Stand. Wie sie befürchtet hatte, wurde er als Bastard eines Ritters, auch wenn ihm der Schmied seinen Namen gegeben hatte, verspottet und gemieden. Auch der Schmied, ein guter Mensch und nachsichtiger Ehegatte, konnte seine Gefühle gegenüber Balian nicht verleugnen. Er versuchte Balian ein guter Vater zu sein, aber mit jedem Jahr das vergangen war, ohne daß Majon ihm ein Kind seines eigenen Blutes schenkte, war seine Eifersucht auf Godfrey gewachsen und Balian hatte darunter zu leiden. Was würde werden, wenn sie nicht mehr war?

Balian blickte sie mit seinen warmen und sanften Augen an und sie strich ihm liebevoll über das Haar.

„Komm her, mein Sohn. Ich muß dir von deinem Vater erzählen."

Balian rückte näher und sah seine Mutter verwundert an. Kannte er nicht seinen Vater, den Schmied, seit seiner Geburt?

„Balian, du trägst den Namen meines Ehegatten, aber dein Vater ist er nicht. Er ist ein guter, und liebevoller Mann, der mich vor deiner Geburt vor der Schande eines unehelichen Kindes bewahrt hat, aber du bist der Sohn eines drittgeborenen Adligen, der als Ritter ins Heilige Land zog."

Sie atmete schwer und es fiel ihr nicht leicht zu sprechen. Balian starrte sie an und langsam begriff er das Rätsel seiner Herkunft. Er verstand nun, was die älteren Kinder des Dorfes ihm immer nachriefen, und warum die Erwachsenen bei seinem Nahen sich immer tuschelnd abwendeten oder ihn unfreundlich behandelten. Tränen liefen ihm über das Gesicht und seine Mutter versuchte mit einer Hand, sie ihm vorsichtig von seiner Wange zu wischen.

„Es tut mir leid, mein Sohn. Ich liebe dich, wie ich ihn damals liebte. Dieses Kreuz," und sie nahm sich das lederne Band mit dem kleinen silbernen Kreuz vom Hals, „ist alles, was ich von meinen Eltern besitze. Ich schenkte es als Zeichen meiner Liebe deinem Vater Godfrey. Es ist nun alles, was ich dir von deinem Vater geben kann. Glaube mir mein Sohn, er liebte mich und hätte auch dir seine Liebe geschenkt, aber wir hatten keine Zukunft zusammen. Verdamme ihn nicht. Godfrey war ein guter Mensch. Ich weiß nicht, was sein Schicksal im Heiligen Land gewesen ist, aber er wollte ein besseres Leben schaffen für sich und die, welche ihm folgten. Denke daran, mein Sohn, und tue es ihm gleich. Helfe denen, die sich nicht selbst helfen können und glaube immer fest an Gott. Er wird dich immer leiten."

Majon strich mit ihrer Hand nochmals sanft über das dichte, dunkelbraune Haar ihres Sohnes. Dann fiel ihre Hand kraftlos nieder. Balian blickte unter Tränen auf das sanfte Gesicht seiner geliebten Mutter. Er konnte nicht fassen, daß sie nun nicht mehr für ihn da sein würde. Keine tröstenden Worte von ihr würden nun den Schmerz lindern, den er empfand, wenn die Kinder des Dorfes ihn mieden, oder der Priester seine Tiraden ob seines sündigen Lebens über ihn ausschüttete. Er sah sich um und erblickte den Mann, den er bislang für seinen Vater gehalten hatte. Sie blickten einander lange und stumm an, dann wandte sich der Schmied ab und verließ das Haus. Er war vor Kummer und Gram über den Tod seines Weibes und Kindes tief gebeugt und ertrug den Anblick von Balian nicht mehr. Er war das Kind der Liebe seines Weibes zu Godfrey, während ihm dieses Glück all die Jahre verwehrt worden war. Majon war eine gute und respektvolle Frau, aber ihre Liebe hatte er nie wirklich besessen.

Im Haus stand Balian alleine und ohne Trost wie betäubt am Bett seiner toten Mutter. Als der Schmied, sein Vater, sich abwandte, war ihm klar geworden, daß er heute mehr als nur die Mutter verloren hatte. Balian verfluchte innerlich den Namen Godfreys und bat zugleich seine Mutter dafür um Vergebung. Er wollte sich bemühen, den letzten Wunsch seiner Mutter zu erfüllen, aber er hatte keine Vorstellung davon, was ihm die Zukunft bringen würde. Er war ein Bastard, und der Schmied in seinem Schmerz nicht länger sein Vater. Aber er hatte seinen Stolz. Er würde sein Schicksal hinnehmen und seinen Schmerz nicht zeigen. Er war Balian, Sohn von Majon, er würde niemanden um etwas bitten.

Die Heimkehr

Ein junger Mann stand am frühen Morgen eines nebligen Herbsttages in dem heruntergekommenen Arbeitsbereich der Schmiede, die am Rand des Dorfes, unterhalb der Feste des Erzbischofs lag. Das Dorf selbst schmiegte sich an einen Hang, und die kreisförmigen Häuser der Anwohner waren auf verschiedene Terrassen verteilt. Die Schmiede und das dazugehörige Wohnhaus waren die einzigen rechtwinkligen Gebäude in dieser Ansammlung von Hütten.

Der ruhig dastehende Mann war kaum wiederzuerkennen. Und doch, trotz seiner kräftigen Statur, war der feingliedrige Körperbau mit seinen langen, schlanken Beinen, die aufrechte Haltung mit dem leicht geneigten Kopf und der fesselnde, tiefe Blick aus den samtweichen, rehbraunen Augen unverkennbar. Balian, der Sohn von Majon und dem Ritter Godfrey, den er nie kennengelernt hatte, war elf Jahre nach dem Tod seiner Mutter zurückgekehrt. Die Menschen des Dorfes hatten bislang noch kein freundliches Wort oder ein Willkommen für ihn, aber ihm war dies gleich. In diesem Dorf lag seine Mutter begraben, und der Mann, der für ihn bis zum Geständnis seiner Mutter Vater war, hatte ihn zu sich gerufen. Der alte Mann lag im Sterben und war trotz der drei Frauen, die er ehelichte, ohne Erben geblieben. Nun hatte er sich an Balian erinnert und ihn, um des Gedenkens Willen an seine geliebte Mutter, zu sich gebeten.

Balian wandte sich von der Schmiede ab und ging zögernd zum noch halbwegs erhaltenen Wohnhaus hinüber. Leise betrat er das Gebäude, das aus zwei Räumen bestand. Im größeren der beiden Räume, der Wohnraum und Küche zugleich war, hatten sich ein Priester und der Verwalter des Erzbischofs mit seinem Schreiber zusammengefunden. Erstaunt blickten sie Balian an, hatten sie doch nicht damit gerechnet, daß er zurückkommen würde. Zögerlich gaben sie ihm den Weg in das Zimmer des Schmieds frei, damit er an das Sterbebett treten konnte.

Balian trat langsam an das Bett und sah auf den alten Mann nieder, der ihn vor so vielen Jahren sich selbst überlassen hatte. Sein Blick war ausdruckslos und er dachte an die vergangenen harten Jahre.

Nach der Beerdigung seiner Mutter war er vom Schmied zur Lehre beim Meister Lambert in die Burg Rhazes gebracht worden. Aber Lambert, Waffenschmied des Barons1, war ein harter und gieriger Mensch. Das Lehrgeld, das er verlangte, konnte der Schmied nicht zahlen und so kamen die zwei Männer überein, daß Balian dem Meister dienen sollte und sich sein Auskommen anderweitig erarbeiten mußte. Was er sich an Fähigkeiten erarbeiten konnte, wollte der Meister ihm nicht verwehren.

Balian hatte in diesen langen Jahren alle Launen des Meisters geduldig ertragen. Er hatte oft gehungert, weil er zu müde war um sich noch als Stall- oder Laufbursche für ein Essen oder ein paar Münzen zu verdingen. Und er hatte unzählige Schläge mit dem Riemen, und deren viele oft unberechtigt, über sich ergehen lassen müssen. Der Meister hatte keine Gelegenheit ausgelassen ihm seine Herkunft vorzuwerfen und seine Verachtung zu äußern; und so kam es, daß Balian auch von älteren Jungen in der Burg und von Knappen häufig beleidigt und verprügelt wurde. Doch mit den Jahren lernte Balian sich zu wehren. Obwohl Balian durch all die Demütigungen Grund genug gehabt hätte, zu verzweifeln und die Menschen zu verabscheuen, versuchte er den letzten Worten seiner Mutter zu folgen und half oft anderen, die sich nicht selbst helfen konnten. Er tat dies auch dann, wenn ihm Strafen seines Meisters oder von Rittern des Herrn sicher waren. Nach fünf Jahren harter Arbeit hatte Balian schließlich soviel gelernt, daß der Waffenschmied Lambert ihn zum Gehilfen und vier Jahre später selbst zum Meister2 dem Lehnsherrn empfahl3. Balian erhielt seinen Titel und wurde vom Schmied Lambert freigegeben. Balian hatte in all den Jahren nicht nur beim Waffenschmied gearbeitet. Er hatte überall da, wo er etwas lernen konnte, mitgearbeitet und hatte sich dadurch sowohl Kenntnisse über Pferde und Hufschmiedearbeiten, als auch über das Bauhandwerk angeeignet.

Balian hätte nun, nach neun Jahren, in das Dorf, das einmal seine Heimat war zurückkehren können, aber es rief ihn nichts, außer dem Grab seiner Mutter, dorthin zurück.

Er hatte statt dessen Arbeit beim Baumeister des Barons angenommen und dieser war von seiner Gelehrigkeit und seinem Talent für technische Details beeindruckt. Er lehrte ihn Mathematik und ließ ihn an seinem Wissen über die Baukunst4 teilhaben. Balian selbst war still und verschlossen. Er war ein junger Mann geworden, der nur selten lächelte5. Er hörte zu und lernte, enthielt sich aber zumeist einer Antwort und nahm nur selten an Gesprächen teil. Der Priester des Barons, ein sanfter alter Mann, war durch Balians Hilfsbereitschaft auf ihn aufmerksam geworden. Balian erschien dem Priester seltsam vertraut und das sanfte, nachdenkliche Wesen Balians veranlaßte ihn, dessen Bemühungen sich das Lesen und Schreiben selbst beizubringen, zu unterstützen. Auch jetzt, im Dienste des Baumeisters, suchte Balian den Priester regelmäßig auf, und dieser lehrte ihn etwas Latein.6 Balian lernte leicht und schnell, aber zugleich brachte ihm sein errungenes Wissen auch Neider und Mißgunst. Und wie oft schon in seinem Leben, demütigte man ihn nun, nicht nur ob seiner Herkunft, sondern auch, weil das sich höherrangig dünkende Gesinde des Barons Balians Wunsch nach Wissen als für seinen Rang unangebracht erachtete.7

Balian kehrte mit seinen Gedanken wieder in den dunklen, leicht muffig riechenden Raum zurück und reagierte auf das schwache Winken des alten Mannes, der ihn näher zu sich rief.

„Balian, ich liebte deine Mutter. Was mich trieb, war die Eifersucht, weil Gott mir selbst Kinder versagte. Es war nicht Recht von mir, bitte vergib mir. Du bist mein Sohn."

Mit diesen letzten Worten starb der Schmied, noch bevor Balian ihm antworten konnte.

Stumm trat Balian zur Seite und der Priester beugte sich über den Verstorbenen, um ihm den letzten Segen zu geben. Währenddessen trat der Verwalter des Erzbischofs an Balian heran, bestätigte die Rechtmäßigkeit der letzten Worte des Schmiedes und wies seinen Schreiber an, festzuhalten, daß Balian Haus und Schmiede, sowie Grund des verstorbenen Schmieds als einziger Sohn erhielt. Dann verließen alle den Raum und das Haus und ließen Balian, der noch immer kein Wort gesprochen hatte, allein zurück.

Balian trat vor das Haus und blickte dem Verwalter des Erzbischofs nach. Sollte er wirklich hier bleiben, in diesem Dorf, das schon seine Mutter gemieden hatte und ihn verachtete? Aber wer würde sich um das Grab der geliebten Mutter kümmern? Er ging langsam den Weg durch das Dorf zum kleinen Friedhof und trat an die Erde, die seine Mutter aufgenommen hatte. Das Grab war gepflegt, also hatte der Schmied zumindest in diesem Punkt die Wahrheit gesprochen.
Balian kniete nieder und betete. Und wie so oft schon, bat er seine Mutter um Rat und den Herrn um Führung.

Ein paar Klafter weiter waren die Helfer des Priesters bereits dabei, eine Grube für den Schmied auszuheben. Sie hielten mit ihrer Arbeit inne und beobachteten Balian. Auch sie hatten ihn früher verhöhnt und gedemütigt. Sie waren unsicher, wie Balian sich wohl verhalten würde, waren sie jetzt selbst als Totengräber nicht gerade angesehen. Balian erhob sich und atmete tief durch. Der Herr hatte ihn hier hergestellt. Dies war sein Platz, so sollte es sein. Er sah auf und blickte in die unsicheren Augen der beiden Männer. Er erkannte sie wohl, aber was sollte der Groll der Kindheit hier noch bewirken? Balian trat näher zu den Männern und sprach sie an.

„Wenn Ihr mir helft, meinen Vater," er sprach dieses Wort zögerlich aus, „angemessen zu begraben, werde ich Euch anständig dafür entlohnen."

Balian wartete auf eine Antwort, und die beiden Männer blickten sich kurz an und nickten.

„Ich warte im Haus auf Euch."

Damit wandte sich Balian ab und ging zurück zur Schmiede. Der Tag war noch jung und er würde heute noch den Schmied beerdigen. Er mußte ihn vorbereiten. Balian wollte ein neues Leben beginnen und damit anfangen, daß er dem Schmied die Achtung zukommen ließ, die er verdiente. Hatte er doch seine Mutter geliebt und ihr zumindest ein gutes Leben gegeben.


Anmerkungen

1> Bezug zum Film Szene in der Schmiede, kurz bevor Balian den Priester tötet. Er war dabei Schwertrohlinge zum Glühen zu bringen. Auf dem Lande blieb der Schmied Universalhandwerker, wie die Hirten auch als Heilkundige und Tierärzte tätig waren. Hufbeschlag und Herstellung landwirtschaftlicher Geräte reichten nicht aus, die Familie zu ernähren, und so wurden auch alle möglichen Eisenwaren verkauft.
Schmiede wurden im wesentlichen in 5 Gruppen unterschieden: Hufschmied, Kupferschmied, Nagelschmied, Waffenschmied und Zeugschmied. Weitere Informationen hierzu nachzulesen im Glossar.

2> Bezug zum Film Balian hatte in seiner Schmiede einen Gehilfen. Möglicherweise einen Lehrling. Ausbilden durfte aber nur ein Meister.

3> Das, was man später unter den strikten Handwerkszünften verstand, entwickelte sich erst ab dem 12. Jahrhundert langsam aus dem Zusammenschluß einiger gleichartiger Handwerkerhöfe, die durch den Zusammenschluß die gesteigerte Nachfrage und die „Spezialisierung" durch Kooperation auffangen wollten. Die Zünfte entwickelten sich überwiegend in den Städten, während auf dem Land die Vielschichtigkeit einer Handwerkstätigkeit ohne die Regeln der Zünfte noch lange erhalten blieb.

4> Bezug zum Film Szene in Israel: Balians Interesse für den Sturmturm, als er mit dem Hospitaler darauf wartete, zu Tiberias vorgelassen zu werden. Szene in Ibelin: Seine Fähigkeiten Brunnen und Bewässerungsanlagen zu bauen. Sowie später in Jerusalem: die Organisation der technischen Verteidigungshilfen.

5> Bezug zum Film Darstellung des Balians – hier soll die Grundlage für die Entwicklung und die Interpretation des Wesens von Balian im Film dargelegt werden. Das was man erst für verstockt, in Trauer gefangen bis hin zur noblen Zurückhaltung im Verlauf des Filmes interpretieren könnte, hat in seiner Wesensentwicklung in der Jugend seine Grundlagen.

6> Bezug zum Film Balian konnte ohne zögern sagen, was die lateinische Schrift in dem Balken bedeutete. Und er sagte es so, daß man annehmen konnte, daß es nicht nur irgend ein Spruch, sondern sein Wahlspruch war.

7> Bezug zum Film Ankunft in Jerusalem, Gespräch mit seinem Führer: „...ich war ein Sklave oder kam dem sehr nahe. Ich werde niemals einen Sklaven haben oder jemanden solch ein Leid zufügen."


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Glossar kann hier downgeloadet werden: http/rapidshare.de/files/17947832/Glossar.doc

Die Kapitelbilder sind unter www. beim Hoster photopucket abgelegt und dort zu finden unter/albums/a310/sabaul/Roman KOH