Disclaimer

Die Figuren, soweit sie von Drehbuchautor William Monahan eigenständig entwickelt und/oder gegenüber ihren historischen Vorbildern abgeändert wurden, sind geistiges Eigentum von William Monahan und auch die Handlung und Reden, soweit sie sich mit der verfilmten Geschichte decken, gehört William Monahan.

Jede weitere eigenständige Erzählung um die Personen des Geschehens sind meines Geistes und mein Besitz. Mit dieser fiktiven Romanvorlage zum Drehbuch von William Monahans Werk „Kingdom of Heaven" verdiene ich kein Geld und habe sie auch keinem Verlag angeboten.


Kapitel 13


Freunde

Balian schritt langsam durch die Gänge, die er vorher mit der Prinzessin gegangen war, zurück zur Gesellschaft, die er auf Wunsch des Königs verlassen hatte. Er kam in den Innenhof, in dem gespeist worden war, aber die Gesellschaft, die sich zuvor versammelt hatte, war nicht mehr anwesend. Balian war ein wenig irritiert, weil er nun nicht wußte, wo er seinen Begleiter, den Hospitaler oder den Statthalter, wiederfinden konnte. Aber die Räume und Gänge des Palastes wurden von hilfreichen Geistern bevölkert, die ihm, als er unsicher umherblickte, mit auffordernden, richtungsgebenden Handbewegungen oder durch das Öffnen einer Türe den Weg zum Amtsitz des Statthalters wiesen.

Als Balian die gesuchten Räume betrat, fand er den Hospitaler und den Statthalter zusammen im Gespräch bei einem Becher Wein. Tiberias stand auf, kam auf ihn zu und blieb kurz vor Balian stehen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er blickte den jungen Ritter ruhig und lange an ohne etwas zu sagen. Es war, als würde der Statthalter nach den Eindrücken vom Gespräch mit dem König in Balians Augen und Gesicht suchen und nach einer Weile nickte er zufrieden, wandte sich wieder André zu und winkte Balian zu sich und bat ihn Platz zu nehmen. Balian hatte diese Musterung schweigend über sich ergehen lassen, fragte sich aber doch, was Tiberias in ihm zu finden suchte und womit er zufrieden war. Denn daß er dies war, zeigten ein Lächeln auf seinen Lippen und seine leuchtenden Augen.

„Nun, wie fandest du den König?", fragte er, kaum daß sich Balian zu ihnen gesetzt hatte und schenkte ihm dabei einen Becher Wein ein. Diesmal nahm Balian den angebotenen Trunk an und blickte den Statthalter, von dem er immer noch nicht recht wußte, was er von ihm halten sollte, offen an.

„Es steht mir keine Antwort auf Eure Frage zu. Ich habe nicht das Recht, den König in irgendeiner Form zu beurteilen." gab Balian zwar sanft, aber eindeutig zur Antwort.

Tiberias' rechte Augenbraue zuckte überrascht nach oben. Die Antwort klang sehr nach einer Zurechtweisung, aber als er nun den jungen Ritter so anblickte, merkte er, daß Balian nicht nur ein aufmerksamer Beobachter und sehr zurückhaltender junger Mann war, sondern auch ein gutes Gespür für den Umgang mit Worten und mit Menschen hatte. Balians Blick hielt nämlich seinem Blick stand, und Tiberias konnte deutlich in den Augen des jungen Mannes sehen, daß er wußte, hier erneut von ihm geprüft zu werden. Er hatte das nicht bedacht, obwohl André, der ihn nur wissend anlächelte, ihm dies bereits nahegelegt hatte. Tiberias aber wollte es aufgrund der Jugend und Unerfahrenheit Balians nicht glauben und hatte die Frage aus diesem Grund eindeutig falsch gestellt, um von Balian, der ihm noch nicht vertraute, mehr über sich zu entlocken. Balian würde sich nicht überrumpeln lassen. Er würde anders vorgehen müssen, wenn er mehr über den Sohn seines langjährigen Freundes Godfrey, trotz seiner Verschlossenheit, erfahren wollte. Andererseits war diese Erkenntnis aber auch sehr beruhigend und freute Tiberias. Balian würde nicht so leicht auf die Ränkespiele des Palastes hereinfallen.

Er betrachtete Balian, der sich zurückgelehnt hatte und scheinbar unbeteiligt an seinem Wein nippte. Tiberias machte einen neuen Versuch:

„André hat mir und dem König ausführlich von Godfreys und seiner Reise nach Frankreich berichtet. Was sie dort beim Baron Blanchard über dich erfahren und wie sie dich aufgespürt haben. André berichtete auch von deinem Verlust und von dem, was bis zu deiner Abreise nach Jerusalem geschah." begann Tiberias vorsichtig.

Diesmal war es an Balian überrascht aufzublicken. Ihm war klar, daß André von ihrer Reise berichtet hatte, aber er wußte nicht, daß sein Vater und der Hospitaler, bevor sie in sein Dorf gekommen waren, auf der Burg des Barons Blanchard gewesen waren, jenem Ort, an dem er lange Zeit wie ein Sklave gelebt hatte.

‚Was haben sie dort von mir erfahren?'

Balian blickte den Hospitaler, den er bereits in Frankreich als väterlichen Freund angenommen hatte, fragend an. Und noch bevor Tiberias weitersprechen konnte, hob André seine Hand, um ihn zu unterbrechen und ging auf die unausgesprochene Frage Balians ein. Er spürte, daß Balian, der so wenig von seinem Vater wußte, dieses Wissen jetzt brauchte, um nagende Zweifel an sich und seinen Fähigkeiten zum Verstummen zu bringen, angesichts dessen, was stillschweigend von ihm erwartet wurde,.

„Balian," begann André, „wir, Euer Vater und ich, waren fast zwei Wochen auf der Burg seiner Familie. Zunächst war Euer Vater nur als Familienmitglied willkommen geheißen worden, aber er war ein Fremder, da er all die Jahre keine direkte Nachricht seiner Familie hatte zukommen lassen. Im Laufe der zwei Wochen, kamen sich aber die Brüder wieder näher und Godfrey erzählte von seiner Liebe zu Eurer Mutter, bevor er mit uns" – und er wies dabei auf Tiberias und sich – „vor rund dreiundzwanzig Jahren in das heilige Land aufbrach," berichtete André weiter. Er machte eine kleine Pause und sah zu Tiberias hinüber, der gespannt Balian beobachtete. Balian hatte sich etwas in dem Armstuhl nach vorne geneigt und aus seiner ganzen Körperhaltung sprach Anspannung.

Dann fuhr André mit sehr genau gewählten Worten fort:

„Ihr müßt schon als Kind Eurem Vater sehr ähnlich gewesen sein, denn man erinnerte sich in der Familie an einen Jungen, der beim Schmied unter sehr harten Bedingungen aufgewachsen war. Da die Familie nichts von Eurer Existenz wußte, irritierte sie zwar die Ähnlichkeit, aber sie sahen keine Veranlassung einzugreifen, da Ihr von Eurem" – und er zögerte bei dem Wort – „Vater dort untergebracht worden wart."

André hielt mit seinen Ausführungen inne, als er sah, wie sich alles in Balian verkrampfte. ‚Was ging nun ihm vor sich? War es falsch ihm hiervon zu erzählen? Würden die sanften Bande, die er zu seinem Vater bis zu seinem Tod knüpfen konnte, jetzt, durch die Erinnerung an das ungerechte Leid seiner Kindheit, zerreißen und in Haß übergehen?'

Aber Balian bat ihn mit fast erstickter Stimme:

„Bitte, erzählt weiter."

André konnte keine Wut oder Hass aus seiner Stimme heraushören, aber da war etwas anderes, etwas, das er nicht benennen konnte, das ihn aber alarmierte und so sprach er, mit festem Blick auf Balian, behutsam weiter:

„Die Familie war bestürzt und der alte Priester, der an diesem Abend anwesend war, berichtete von Euch. Er lobte Euer sanftes Wesen, Eure Gelehrigkeit und Eure Hilfsbereitschaft und Euer Vater schwankte zwischen Glück und Schuldgefühl. Aber keiner konnte uns sagen, ob Eure Mutter noch lebte und wohin Ihr drei Jahre zuvor gegangen wart."

Abermals hielt André inne. Er nahm einen Schluck aus seinem Becher und beobachtete Balian mit gesenktem Kopf. Dann sprach er eindringlich weiter:

„Balian, wir wissen welches Leid Ihr durchlitten habt und Eurer Vater bereute seine Handlung zutiefst," versuchte der Hospitaler in Balian zu dringen, der schweigend, starr und mit verhangenen Augen auf seinem Stuhl saß und scheinbar weit weg weilte.

Tiberias beunruhigte der Ton von André. Er kannte die Geschichte von André bereits, aber er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, daß der Sohn seines Freundes davon nichts wußte und wie er wohl diesen Teil seines Lebens aufnehmen würde. Er hatte seine Familie, die ihm das Leid hätte ersparen können, unwissend täglich vor Augen gehabt, und war ungeschützt und elend ohne ihre Nähe geblieben. Jetzt mußte er erfahren, wie unnötig all die Not, die er erlitten hatte, gewesen war. Und er betrachtete Balian schweigend und voller Ernst. Er wollte es André überlassen, dies Godfreys Sohn zu erklären, kannte er den Jungen doch besser und war ihm vertraut, aber er verspürte auch Mitleid mit dem jungen Ibelin und schwor sich, Balian beizustehen, wann immer er seiner Hilfe bedurfte.

Langsam schien Balian aus seiner Versunkenheit zurückzukehren, er atmete tief durch und als er aufblickte, sah man, daß seine Augen feucht waren, aber keine Träne fand ihren Weg über sein Gesicht. Er hatte an seine Jugend gedacht, an die harte Arbeit, den Schmerz der Riemenschläge, die Demütigungen und daran, daß, nur einen Steinwurf entfernt von den Stätten seines Leidens, seine Familie lebte. Balian rief sich selbst wieder zur Ordnung. Auch wenn sein Vater geblieben wäre, seine Mutter hätte er nicht ehelichen können und er wäre das gewesen, was er auch hier in Jerusalem in den Augen der Adligen noch immer war1 und wohl immer bleiben würde, ein Bastard.

Er blickte André an und lächelte ihm verhalten zu und forderte ihn schweigend durch ein Kopfnicken auf, weiterzuerzählen. Aber Andre sah, wie sich Balian zurückzog. Er war wieder der verschlossene junge Schmied, der Junge, der mit Gott und der Welt wegen des Todes seiner Frau und seines Kindes haderte, der Schuld auf sich geladen und seinen Platz in der Welt verloren hatte. André konnte nicht zulassen, daß Balian aufgrund des Erzählten und der Erinnerungen an das Leid seiner Jugend die falschen Schlüsse zog und alles, was er jetzt war und was ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hatte, in Frage stellte.

Balian," sprach er in seiner sanften Art und legte seine Hand auf den Arm des jungen Ritters. „Balian, Ihr seid Eures Vaters Sohn, nicht sein Bastard!"

Balian blickte auf und direkt in die Augen des Hospitalers, und in den Augen des jungen Ritters standen Zweifel und Schmerz. André zog es das Herz bei diesem Blick zusammen. Nachdrücklicher und schärfer im Ton fuhr er deshalb fort:

„Denkt so etwas nie wieder! Entehrt nicht Euch und das Andenken an Euren Vater dadurch, daß Ihr Euch geringer schätzt, als Euer Vater in seinen letzten Augenblicken, bevor er zu unserem Herrn ging. Der Herr war gnädig mit Eurem Vater. Er durfte Euch noch kennenlernen und lieben. Nur das zählt und nicht die Vergangenheit. Hier beginnt Euer neues Leben und Ihr habt Herz und Verstand genug, um das Leid, das Ihr erfahren habt, in Gutes umzusetzen."

Der Hospitaler hatte den richtigen Ton getroffen, denn Balian sah ihm erst lange schweigend mit trübem Blick in die Augen, um dann langsam aus der inneren Starre wieder aufzutauchen. Sein Gesicht war noch immer ernst und angespannt, aber seine Augen bekamen wieder ihren warmen, tiefen Glanz. Andrés Hand verharrte noch immer auf Balians Arm, und er sah prüfend in das Gesicht des jungen Mannes, der ihm in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, so ans Herz gewachsen war. Nach scheinbar endlosen Augenblicken stahl sich endlich ein scheues Lächeln in das Gesicht des jungen Ritters, und er senkte den Kopf, wie er es immer tat, wenn er eine Lektion vom Hospitaler annahm. André atmete auf und drückte nochmals den Arm Balians, bevor er sich wieder entspannter in seinen Stuhl zurücklehnte. Aber seine Augen blieben auf Balian haften.

Tiberias, der diese Szene sorgenvoll beobachtet hatte, war derweilen klar geworden, wie wenig Zeit, der junge Ibelin gehabt hatte, den Verlust seiner Frau und seines Kindes, das Auftauchen seines Erzeugers, seine eigene schwere Tat, sowie alle Veränderungen, die auf ihn einstürmten, bis hin zum Tod seines Vaters in Messina, zu verkraften. Und er mußte André mittlerweile Recht geben, wenn dieser vom Charakter Godfreys Sohnes tief beeindruckt war.

Nachdem sie alle drei eine Weile geschwiegen hatten, war es Balian, der das Gespräch wieder aufnahm:

„Sagt André, was war ich für meinen Vater, bis Ihr das Dorf mit meiner Antwort wieder verließet? Warum kam er nach all den Jahren?" fragte er sehr ruhig.

Aber es war nicht André, der antwortete. Tiberias, der bisher geschwiegen hatte, sah zum einen, daß es in Balian immer noch arbeitete, was er durchaus verstand, und zum anderen, daß er sich nicht aus dem Gespräch heraushalten durfte. Um das Vertrauen von Balian zu erlangen, durfte ihn nicht immer nur prüfen, er mußte auch selbst etwas preisgeben. Er wollte dem Sohn seines besten Freundes nicht fremd bleiben. Balian hatte anscheinend wenig von seinem Vater erfahren, woher sollte er also sein Wissen um ihre Freundschaft erhalten, wenn nicht von ihnen, und so sprach er nun zu Balian, der überrascht seinen Kopf in seine Richtung wandte:

„Als dein Vater von hier aufbrach tat er dies, weil er selbst keinen Erben mehr hatte und sich Sorgen um den Traum eines toleranten Staates und Ibelin machte. Er hatte selbst uns gegenüber all die Jahre ein mögliches Kind in Frankreich nicht erwähnt."

André warf aber ein:

„Ich wußte es, aber nur durch ein kurzes Gespräch, das noch in Frankreich stattgefunden hatte. All die Jahre hatte er darüber kein Wort mehr verloren. In einer Beichte sprach er über seine Sorgen betreffend Jerusalem und Ibelin, und ich erinnerte ihn an seine Familie, die er in Frankreich zurück gelassen hatte. Ich selbst habe dabei aber an seine Brüder und nicht an seine Liebe von damals gedacht."

Tiberias sah ihn erstaunt an und Balian mußte schmunzeln.

Dann sprach Tiberias weiter:

„Für deinen Vater waren die Königskinder und Jerusalem immer alles. Ein möglicher Sohn bedeutete für ihn erst einmal die Möglichkeit des Fortbestandes."

André unterbrach Tiberias erneut:

„Als wir in Frankreich ankamen, war Euer Vater sehr unruhig. Wir hatten über Eure Mutter und das, was damals geschah, gesprochen und er begriff langsam, sollte er sein Kind und die Mutter finden, er nur über die Vergebung wieder Nähe zu ihnen erlangen konnte. Aber er war ein sehr stolzer Mann. Er wußte selbst nicht, wie er vorgehen sollte." erzählte der Hospitaler.

Balian blickte André an und meinte, was wieder einmal zeigte, wie gut er beobachtete:

„Ich habe gesehen, wie Ihr bei meinem Vater standet und eindringlich auf ihn einspracht. Ich habe auch bemerkt, wie Ihr Erkundigungen im Dorf einholtet."

André setzte zur Erklärung an:

„Nachdem wir auf dem Familienstammsitz erfahren hatten, daß es Euch gab, wie Ihr herangewachsen seid und was aus Euch wurde" – Balian zog zweifelnd die Stirn in Falten – „war Euer Vater so voller Tatendrang, daß ich befürchtete, daß er Euch mit der Wahrheit überrollen und keine Zeit zum Nachdenken geben würde. Er war ein sehr ungeduldiger Mensch, und der Tod Eurer Familie ließ ihn glauben, daß Euch ein Abschied leichter fiele."

Es gab eine kleine Pause, in der Tiberias und André auf eine Reaktion von Balian auf diese Worte hin warteten, aber dann sprach André weiter:

„Als wir aus dem Dorf ritten, war Euer Vater wütend. Wütend auf sich und seine Ungeduld. Bis zu diesem Zeitpunkt war es Godfrey um den Erben, nicht um Euch als Sohn gegangen. Er hatte es anders gewollt. Er hatte Euch Zeit geben wollen. Wollte über seinen Schatten springen, war aber durch Eure Verschlossenheit und die Tiefe Eures Schmerzes, den er nicht richtig einzuschätzen wußte, irritiert und verunsichert. Und dann hattet Ihr Eure Entscheidung getroffen und er mußte dies akzeptieren. Es schmerzte ihn sehr und er schien all seine Träume zu begraben. Er hoffte nur, daß Ihr Eure Meinung noch ändern würdet, denn er hatte seine Unfähigkeit, Euch seine wahren Absichten näher zu bringen, erkannt. Er bat Gott um eine zweite Gelegenheit. Was dann geschah, war eine Fügung Gottes."

Balian sah André mit einem Blick an, den nur dieser wirklich zu deuten vermochte.

‚Gottes Fügung'.

Balian konnte an so was nicht mehr glauben. Und in seine Gedanken hinein sprach Tiberias:

„Ich war nicht dabei, aber wie ich aus Andrés Berichten weiß, und wie ich Godfrey kannte, hätte er dich, nachdem du im Wald zu ihm gestoßen warst, um nichts in der Welt mehr hergegeben."

Balian blickte Tiberias überrascht an, und dieser ergänzte:

„Godfrey war ein Mann von Prinzipien und er mochte auch rein aus Prinzip um eine Sache kämpfen, aber wenn er sich von Herzen für etwas entschieden hatte, dann hätte er sein Leben auch ohne einen Kampf dafür gegeben. Er war nur nicht so gut, dies auch in Worte zu fassen. Ich weiß von André, wie sich Eure weitere Reise entwickelt hat, und daß es dir durch die Verletzung deines Vaters nicht vergönnt war, mehr seiner väterlichen Fürsorge zu erfahren. Aber André hat mir auch berichtet, wie Godfrey die verlorene Zeit bereute. Mit seinen letzten Worten hat er dir nicht nur sein Erbe übergeben, sondern dir auch in seiner kargen Weise seine Liebe gestanden."

Balian schluckte schwer. Ihm fielen die Worte seines Vaters wieder ein als er, Balian, zu ihm sagte: „Sie hatten das Recht mich mitzunehmen." und er ihm antwortete: „Das habe ich auch."

Damals war ein Band zwischen ihnen geknüpft worden, das ihn nun an dieses Land und an seinen Eid fesselte.

Tiberias begann abermals zu sprechen und legte dabei sehr viel Gewicht in seine Worte: „Balian, André und ich kannten deinen Vater, seit er Frankreich verließ und in dieses Land ging. Er begleitete uns und wir teilten alles. Dein Vater war ein guter Mensch, und wenn er falsch an deiner Mutter und damit auch dir gehandelt hatte, so hat er dies aufrichtig bereut. Daß er noch mit dem letzten Atemzug dich seinen Sohn nannte, beweist mir seine Liebe zu dir. Die Freundschaft Andrés hast du bereits gewonnen, und ich bitte dich, nimm die meine an. Ich bin nicht so wortgewandt und sanftmütig wie André, aber glaube mir, ich meine es ebenso ehrlich, wie er."

Balian war von den Worten und dem Anerbieten des Statthalters mehr als überrascht. Er sah Tiberias aus seinen tiefbraunen Augen unergründlich an und meinte dann:

„Mein Herr, bin nicht ich es, der Euch um Eure Freundschaft als Sohn Eures Waffenbruders ersuchen müßte? Ich bin der Neuling hier und unwissend der Dinge, die hier geschehen. Was könnte Euch meine Freundschaft nutzen?"

„Ah, was für Wortspielereien! Der Junge ist ja noch schlimmer als Ihr, André!", rief Tiberias lachend bei diesen Worten aus und blickte voller Freude auf den Sohn Godfreys.

„Ja, du bist deines Vaters Sohn, und deshalb will ich dein Freund sein. Was für einen besseren Dienst könnte ich deinem Vater noch im Tode erweisen, als diesen? Und was könntest du mir mehr schenken als dich, als einen Teil von ihm, über seinen Tod hinaus?"

Und Tiberias hob seinen Becher und prostete dem alten und dem neuen Freund zu.

Balian lächelte zum ersten Mal seit langem offen und herzlich, und Tiberias und André waren gleichermaßen fasziniert von der Wärme und Kraft, die von diesem Lächeln und den strahlenden Augen ausging. Dann wurde Tiberias wieder ernst und fragte Balian diesmal direkt und ohne Hintergedanken:

„Nun, was hat der König gesagt? Wirst du in Jerusalem bleiben und mußt dich erst bewähren, oder hat dir der König eine Aufgabe zugewiesen?"

Und wie es Balians Art war, erzählte er nicht lange, was der König alles gesagt hatte, sondern kam gleich zum Punkt:

„Er schickt mich zum Haus meines Vaters nach Ibelin. Meine Aufgabe ist es den Pilgerweg zu beschützen, wie es mein Vater vor mir tat," sprach Balian und fügte an: „Ich bin erstaunt, daß der König mir so einfach sein Vertrauen schenkt, er kennt mich doch gar nicht und weiß nicht, ob ich dieses Vertrauens würdig bin." Und dabei blickte er seine beiden väterlichen Freunde mehr als fragend an.

Aber Tiberias und André gingen darauf nicht ein. Statt dessen hakte Tiberias nach:

„Und wann werdet Ihr aufbrechen?"

Balian blickte in seinen Weinbecher und antwortete:

„So rasch als möglich".

Tiberias verdrehte die Augen. Dieser Junge war wahrhaft, wie sein Vater, kein Mensch von vielen Worten. Und André schmunzelte über Tiberias Blick, der Balian entgangen zu sein schien, zumindest glaubte er das.

Nachdem Balian noch eine Weile mit den Freunden seines Vaters zusammengesessen hatte und sie ihm ein wenig aus dessen Leben erzählt hatten, wobei sie tunlichst die momentane machtpolitische Lage unberührt ließen, zog er sich zurück und begab sich zu seinem Haus. André sah ihm nach und lächelte still in sich hinein, während Tiberias den Kopf schüttelte und nur brummte:

„Ein vollkommener Ritter."

Und nur André wußte, was Tiberias damit durch den Kopf ging.

Es war schon Abend geworden und Almaric sorgte sich um seinen jungen Herrn. Sicher, er war mit dem Hospitaler unterwegs, aber würde er auch im Dunkeln den Weg zurück finden? Almaric wollte schon mit Salem zum Palast aufbrechen und dort auf Balian warten, als dieser zum Tor hereingeritten kam und absaß. Er wirkte müde, und Balian selbst hätte schwören können, daß Almaric, der im Hof stand, seinen Magen knurren gehört hatte und ihn deshalb dort erwartete. Balian hatte außer dem kleinen Mahl während der Buchprüfung am Vormittag nichts mehr gegessen. Er war so früh vom Mittagstisch im Palast zum König gerufen worden, daß er außer dem Wein bei Tiberias noch nichts anderes im Magen hatte. Seine Waffen und die Teile des Waffenrockes, die er mittags auf Geheiß von Tiberias abgelegt hatte, waren ihm mit seinem Pferd wieder gebracht und von den Bediensteten wieder anlegt worden. Er fühlte sich unter der schweren Rüstung steif und schwerfällig. Aber vor allem hatte er Hunger, und er mußte mit Almaric wegen ihres Aufbruchs nach Ibelin sprechen.

Balians Pferd wurde sogleich versorgt, und Almaric gab dem Wesir ein Zeichen. Dieser verstand sofort und ließ für den Herrn ein Bad richten und in die Küche nach Essen schicken. Almaric trat an Balian heran und neigte sein Haupt. Er wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Balian ihm zuvor kam und etwas forsch und ungeduldig sagte:

„Almaric, ich muß zunächst diesen Waffenrock loswerden, was essen und wir müssen reden. Der König hat mich nach Ibelin befohlen. Ich will sobald wie möglich aufbrechen."

Almaric lächelte über diese unverblümte Art seines Herrn seine drängendsten Wünsche zu äußern, war es doch das erste Mal, daß Balian nicht zurückhaltend nur um etwas bat. Der erste Mann Balians nickte und war froh über die Nachricht. Viele von den Soldaten hatten Familie in Ibelin, einschließlich ihm. Aber zunächst war Almaric das Wohlbefinden seines Herrn wichtiger.

Balian war bereits auf dem Weg in seine Gemächer, wo bereits einer seiner persönlichen Diener darauf wartete, ihm seinen Waffenrock und die schweren Gewänder abzunehmen. Almaric war auf einen Wink von Balian hin gefolgt. Er sah, daß Balian sich auf dem Weg eine Dattel griff und sie in einem in seinem Mund verschwinden ließ. Sein Herr mußte großen Hunger haben, hatte er doch bisher immer sehr zurückhaltend die fremden Früchte und Speisen gekostet, die man ihm anboten hatte. Almaric ging dem Diener zur Hand, da der andere das Bad mit Wasser füllte. Almaric wollte sich zurückziehen, als Balian soweit entkleidet war, um ein Bad zu nehmen, aber sein Herr hielt ihn auf.

„Wartet Almaric und setzte Euch. Erzählt mir von Ibelin." sprach Balian und begab sich hinter den blickdichten Vorhang, in den Bereich des Bades, wo die beiden Diener ihm das Leinenhemd über den Kopf zogen und damit begannen ihn abzureiben. Balian war diese Prozedur immer noch ungewohnt, aber er ließ es schweigend über sich ergehen. Almaric hatte noch immer nicht gesprochen. Er wußte nicht, wo er anfangen sollte.

„Nun, Almaric, was ist? Gibt es über Ibelin nichts zu erzählen? Ich habe Euer Leuchten in den Augen gesehen, als ich Euch sagte daß ich dorthin beordert bin."

Almaric staunte einmal mehr über die Beobachtungsgabe seines Herrn, fing aber dann an zu erzählen.

„Herr, das Anwesen Ibelin liegt nicht direkt an der Pilgerstraße, aber sie führt nur unweit davon entfernt vorbei. Das Kernanwesen ist von drei Dörfern gefaßt, die auf kleinen Anhöhen liegen. Die Felder liegen in einer Senke, die das Zentrum Ibelins bildet. Euer Haus und Hof liegt am Rande dieser Felder wiederum auf einer Anhöhe. Die höchsten Häuser der Dörfer werden als Aussichtspunkte zur Bewachung der Pilgerstraße genutzt, aber die Straße selber ist viel länger, und unsere Männer reiten sie regelmäßig ab."

Die Diener waren mittlerweile fertig und wurden von Balian ganz entlassen. Balian stieg nur kurz in das angenehme Wasser um sich abzuspülen, aber für ein ausgiebiges Bad hatte er jetzt nicht die Ruhe. Und so überraschte es Almaric, als sein junger Herr, nach so kurzer Zeit bereits wieder in einfacherer Kleidung vor ihm stand.

„Begleitet mich zum Essen, Almaric, und laßt uns dort weiterreden. Holt auch Salem noch hinzu, damit wir über den Aufbruch sprechen können." gab ihm Balian als Auftrag.

Almaric war etwas erstaunt und Balian merkte dies und fragte:

„Was ist, Almaric?" Gibt es ein Problem?"

Aber Almaric hatte sich bereits wieder gefangen und antwortete:

„Verzeiht Herr, ich hatte vergessen, daß Ihr noch fremd hier seid und deshalb uns um Rat fragt. Gewöhnlich gebt Ihr als unser Herr einfach den Befehl zum Aufbruch und wir bereiten dann alles vor."

Balian sah ihn ruhig an und lächelte dann:

„Almaric, ich bat Euch zu Tisch, um mit Euch zu reden, nicht, weil ich nicht wüßte, daß Ihr auf meinen Befehl hin schon alles richten werdet, sondern weil ich von Euch und Salem etwas über die Wegstrecke und die Begebenheiten erfahren wollte, da mir das Land fremd ist. Und dies werde ich immer so tun, weil Ihr und Salem meine Hauptleute seid und ich von Euch lernen kann." Und Balian betonte dabei besonders die Zugehörigkeit von Almaric und Salem zu seinem Hause.

Almaric sah seinen jungen Herrn an und neigte seinen Kopf. Das, was Balian gerade gesagt hatte, berührte ihn sehr. Balian hatte gerade ihn und Salem zu seinen Vertrauten gemacht. Und als er seinen Kopf wieder hob, sah er Balian, der direkt vor ihm stand, tief in die Augen. „Herr", Almaric wollte etwas sagen, aber Balian schüttelte den Kopf.

„Es ist gut so, Almaric, mehr gibt es dazu nicht zu sagen und jetzt kommt! Ich vergehe vor Hunger." stellte Balian fest und verließ seine Räumlichkeiten und den verdutzt dreinschauenden Almaric. Unter den Arkaden konnte Balian einen hergerichteten Tisch mit Speisen erkennen und so wandte er sich zur Treppe und ging hinunter. Almaric holte derweilen Salem und beide setzten sich nach erneuter Aufforderung durch Balian zu ihm.

Balian befragte die Beiden zu der Wegstrecke, dem Gelände der Versorgungsmöglichkeit mit Wasser unterwegs, und zu Ibelin selbst. Er gab ihnen keine Anweisungen, wie sie den Aufbruch am nächsten Tag vorzubereiten hatten. Er war fremd in diesem Land und vertraute darauf, daß Almaric und Salem erfahrene Männer seines Vaters waren, die wußten, was sie für den Ritt nach Ibelin benötigen würden. Was Balian interessierte, waren die Begebenheiten und Machtverhältnisse in diesem Land. Tiberias und auch André hatten ihm erstaunlich wenig dazu gesagt. Es schien fast so, als wollten sie ihn vorerst davon fernhalten und ihm Gelegenheit geben, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln, die Menschen und sein Land, das ihm nun unterstand und anvertraut war, kennenzulernen und sich zurecht zu finden.

Balian hatte viele Fragen, dennoch hielt er Almaric und Salem nicht zu lange von ihren Aufgaben fern, denen sie für den morgigen Aufbruch noch nachkommen mußten. Balian selbst ging nach einer Weile hinauf auf die Dachterrasse und setzte sich dort an den Rand des Gebäudes und blickte über die Stadt zum Palast. Er ließ sich die Worte des Königs, Tiberias' und Andrés durch den Kopf gehen und dachte zurück an seinen Vater. Er wünschte sich, sie hätten mehr Zeit für einander gehabt. Er erinnerte sich aber auch an den jungen Muselmanen Saif, und seine Liebe zu diesem Land, die er hoffte, eines Tages zu teilen, denn es war nun sein neues Zuhause. Es stimmte Balian traurig, daß er nicht wußte, ob er ihn irgendwann wiedersehen würde. Er wußte nicht, wohin Saif gegangen war. Saif dagegen, und das war Balians Hoffnung auf ein Wiedersehen, wußte, wo Ibelin lag. Der Mond stand schon hoch und die Nacht wurde frisch, als Balian sich schließlich zum Schlafen zurückzog. Und sein letzter Gedanke, bevor er fest einschlief, galt der Schwester Balduins. Sybilla, diese geheimnisvolle wunderschöne Frau, die ihn gleichzeitig einschüchterte und anzog.

Der ganze nächste Tag bis zum frühen Nachmittag war mit den Vorbereitungen zum Aufbruch nach Ibelin ausgefüllt. Balian und seine Männer gingen davon aus, daß sie für längere Zeit nicht wieder nach Jerusalem zurückkehren würden, weshalb die Vorbereitungen auch sehr umfangreich wurden. Balian ging nochmals zu Tiberias. Der Freund seines Vaters hatte ihn sogleich vorgelassen und reichte ihm nun die Hand. Er hatte Balian lange gemustert und meinte dann zu ihm:

„Dein Vater war im Gegensatz zu mir ein Idealist. Sein Traum war der dauerhafte Friede, aber solange es Menschen mit Machtansprüchen geben wird, wird es einen solchen Frieden nur im Herzen von Männern wie dem König oder deinem Vater geben2. Mache nicht den gleichen Fehler wie dein Vater und vergeude dich an diesen Traum. Gib dein Bestes für deine Aufgabe als Ritter des Königs, aber vergiß nicht zu leben und auch in die Zukunft, in deine Zukunft, zu sehen."

Er hielt einen Moment inne, bevor er weiter sprach:

„Hätte Gott ihn nicht mit dir als Sohn gesegnet, zu einem Zeitpunkt, wo alle Lebenswege noch offen waren, würde von deinem Vater nach dem Tod des Königs nichts mehr bleiben."

Tiberias drückte ihm zum Abschied nochmals die Hand und fügte an:

„Balian, dein Vater hat für Jerusalem gelebt. Ibelin ist vielleicht nicht das was du erwartest. Mache es zu deinem Heim. Die Menschen dort sind dir anvertraut und die Pilger, gleich welcher Konfession, stehen unter deinem Schutz. Dieser Auftrag des Königs – und nicht mögliche Konsequenzen durch die Ränkespiele der Ritter – ist es, was du einzig zu befolgen hast. Wie du dies tust und was du dafür für als notwendig erachtest, obliegt ganz alleine deiner Beurteilung, deinen Fähigkeiten und deiner Sicht der Dinge."

Balian nickte verstehend und verabschiedete sich.

Tiberias blickte dem Sohn seines besten Freundes lange hinterher, bevor er sich zu dem leisen Geräusch hinter sich umdrehte. Balduin IV war über einen geheimen Zugang in die privateren Räumlichkeiten von Tiberias' Amtssitz gelangt und hatte, wie seine folgenden Worte bewiesen, das Gespräch mit angehört:

„Ihr mögt ihn sehr, mein Freund. Sagt mir, was Ihr über ihn denkt, und wie Ihr ihn einschätzt.3" sprach der junge Regent leise. Er ging zu einem Stuhl, setzte sich und winkte Tiberias zu sich. Tiberias schwieg einen Moment.

„Mein König, André hat recht, wenn er behauptet, daß Balian sein Vater und doch auch soviel mehr sei."

Der König sah Tiberias mit leicht schief gestelltem Haupt an und Tiberias nahm dies als Frage an und ergänzte:

„André, Godfrey und ich haben erst durch viele Kämpfe hindurch erfahren müssen, daß neben dem Glauben wichtiger als alles andere das Wohl der Menschen ist. Wir haben versucht, Euch dies zu vermitteln und mit Freuden Euren Weg gesehen. Das, was wir mühsam erkennen mußten und hofften, Euch mitzugeben, ist in Balian alles vereint. Wir hatten uns unsere Kämpfe ausgesucht und sind unseren Weg freiwillig gegangen. Balian hingegen mußte Schlachten schlagen, die er nie gewollt hatte, die er sich nicht wählen konnte. Er ist als Godfreys Sohn stark im Geiste, aber er hat auch eine Sanftmut und Lebensweisheit in sich, die nicht von Godfrey kommt. Seine Mutter muß wirklich eine bemerkenswerte Frau gewesen sein, und sicher ist es ihr zu verdanken, daß Balians Charakter trotz des Leids, daß er erdulden mußte, gütig, freundlich und gerecht ist."

Der König schwieg noch eine Weile zu dem Gesagten und gestand dann seinem Vertrauten: „Balian hat bei unserer Begegnung nicht viel gesprochen. Ich gestehe, ich habe ihm auch nicht viel Möglichkeit dazu gegeben, aber wie er Anteil an dem Gesagten nahm, wie er meinem Blick stand hielt, beeindruckte mich sehr. Ich mag ihn und ich würde ihn gerne näher kennenlernen, aber mir wird dafür nicht die Zeit bleiben." meinte der König traurig. Dann aber sah er Tiberias wieder offen an: „Sybilla hat sich in ihn verliebt. Ich konnte es an ihren Augen sehen. Er muß ihr Herz im Sturm erobert haben." vertraute er Tiberias an. Balduin hing etwas seinen Gedanken nach und fragte dann offen:

„Glaubt Ihr, Sybilla könnte mit Balian an ihrer Seite den Frieden in Jerusalem aufrecht erhalten?"4

Tiberias hielt dem Blick seines Königs stand und äußerte seine Gedanken:

„Wenn die Ritter Balian die Treue schwören, wäre es denkbar. Aber Balian muß sich erst die Achtung der Ritter verdienen. Er wurde zwar von Euch in Amt und Ehren eingesetzt und mit den gleichen Aufgaben wie sein Vater betraut, aber in den Augen der Adligen ist er ihnen noch nicht ebenbürtig. Wenn uns noch genügend Zeit verbleibt, könnte durch ihn der Frieden gesichert werden, aber nur, wenn der Weg dorthin nicht seine Rechtschaffenheit, seine Ehre und den Eid seines Hauses verletzt."5

Und beide dachten an den Gemahl der Prinzessin. Guy de Lusignan war der erbittertste Feind des toleranten Regierungsstiles Balduin IV. Er tat seine Mißbilligung nur deshalb nicht offen kund, weil er damit seine mögliche eigene Thronbesteigung nach dem Tod Balduins gefährden würde. Als Gemahl der Prinzessin war er noch nicht unantastbar. Die Templer übertraten immer wieder das Gesetz des Königs und provozierten damit Salah-al-Din zu einem Krieg, den dieser nur aus Hochachtung vor König Balduins und um das Wissen seiner Krankheit willen, trotz der Angriffe, noch nicht begonnen hatte. Aber alle Angriffe auf Sarazenen waren nicht beweisbar mit Guy de Lusignan in Verbindung zu bringen. Immer mußten einfache Ritter und Soldaten des Templerordens für die Taten Guys und seiner Kumpanen büßen.

Von diesem Gespräch zwischen dem König und seinem Vertrauten nichts ahnend, war Balian zurück auf dem Weg zu seinem Haus. Er hatte gehofft, auch André nochmals anzutreffen, aber es war nun Zeit zum Aufbruch. Im Innenhof seines Hauses erwartete ihn überraschend und zu seiner Freude der Hospitaler. Und als Balian vom Pferd stieg und auf ihn zuging, schüttelte André lächelnd den Kopf. Balian wurde mehr und mehr Ritter und Erbe von Ibelin und er glich in Haltung und Energie so sehr seinem Vater, daß es ihm einen Stich versetzte. Er ergriff, wie zuvor Tiberias, Balians Hand und blickte ihm tief in die Augen.

„Mein junger Freund, nun ist es an der Zeit für Euch, in die Spuren Eures Vaters zu treten. Gott möge Euch beschützen." gab der Hospitaler Balian mit auf den Weg.

Und er lachte bei dem Gesicht das Balian zog auf.

„Ich weiß, was Ihr denkt, aber erinnert Euch meiner Worte: Ihr mögt Euren Glauben verloren haben, aber Gott verliert Euch nie."

Balian senkte in seiner unnachahmlichen Weise seinen Kopf ein wenig und blickte den Hospitaler dann mit einem sanften Lächeln an.

„Gott möge Euch segnen, Balian." sprach dieser dann noch und wandte sich zum Gehen. Balian hielt ihn einen Moment zurück, indem er ihm kurz an den Arm griff.

„Danke, mein Freund." und Balians Stimme war warm und gefühlvoll. Er legte alles, wofür er André in diesem Moment danken wollte, in diese drei Worte, und André sah ihn schweigend an und nickte dann nur. Er hatte verstanden, und er mußte sich selbst eingestehen, daß er diesen Jungen liebte. Und er dachte bei sich, daß Godfrey sich keinen besseren Sohn hätte wünschen können. André stieg auf sein Pferd und ritt davon und sah nicht, wie Balian ihm noch lange hinterher blickte.


Anmerkungen

1> Bezug zum Film Essensszene im Palast: Guy de Lusignan zu Tiberias: „So einer hätte in Frankreich kein Recht auf ein Erbe."

2> Bezug zum Film Nach der Schlacht und der Kapitulation von Jerusalem geht Balian zu Sybilla. „Der Traum deines Bruders ist hier und hier (zeigt dabei auf Herz und Stirn). Ein solches Reich kann nicht zerstört werden."

3> Bezug zum Film In der Burg Kerak, nachdem der König den Ritter de Chatillion gedemütigt hatte, winkte er Balian zu sich. In diesem Dialog sagt Balian: „Gott kennt mich nicht." und der König antwortet: „Aber ich kenne Euch."

4> Bezug zum Film Szene mit dem König, Tiberias und Balian, als dieser gefragt wird: „Würdet ihr meine Schwester ehelichen?"

5> Balians drei Antworten in dieser und den folgenden Szenen: 1) „.. und Guy? ...Dafür kann ich nicht der Grund sein ...; 2) Gespräch mit Tiberias: „...nein, es ist ein Königreich des Gewissens oder keines" und 3) Gespräch mit Sybilla: „...glaubt ihr ich wäre wie Guy? Ich würde meine Seele verkaufen?"


Reviews bitte ans Forum oder direkt an mich:

Glossar kann hier downgeloadet werden: http/rapidshare.de/files/17947832/Glossar.doc

Die Kapitelbilder sind unter www. beim Hoster photopucket abgelegt und dort zu finden unter/albums/a310/sabaul/Roman KOH