Disclaimer

Die Figuren, soweit sie von Drehbuchautor William Monahan eigenständig entwickelt und/oder gegenüber ihren historischen Vorbildern abgeändert wurden, sind geistiges Eigentum von William Monahan und auch die Handlung und Reden, soweit sie sich mit der verfilmten Geschichte decken, gehört William Monahan.

Jede weitere eigenständige Erzählung um die Personen des Geschehens sind meines Geistes und mein Besitz. Mit dieser fiktiven Romanvorlage zum Drehbuch von William Monahans Werk „Kingdom of Heaven" verdiene ich kein Geld und habe sie auch keinem Verlag angeboten.


Kapitel 15


Liebe und Gewissen

Es war nunmehr die dritte Woche seit Ankunft Balians auf Ibelin, in der immer noch an der Wasserversorgung gearbeitet wurde. Für die Menschen des Lehens war es wie ein Wunder, daß erst zwanzig Tage vergangen waren, seit ihr neuer Herr erschienen war. Für sie hatte sich das Leben in Ibelin grundlegend gewandelt. Sie hatten wieder eine Zukunft in ihren Dörfern, sie dankten es ihrem Gott, in welcher Sprache auch immer, und liebten ihren jungen Herrn dafür.

Balian war bei den Arbeiten wie immer mitten unter ihnen und seine Einstellung zu seinem Ritterstand hatte sich, wie Almaric es richtig eingeschätzt hatte, mittlerweile bis zu jedem einzelnen herumgesprochen. Jung und Alt kamen einfach zu ihm und sprachen ihn ohne Scheu an. Sie suchten regelrecht seine Nähe. Almaric und Salem waren meist bei ihm, um ihm, wenn es ihm mal zuviel werden sollte, Ruhe zu verschaffen, aber bislang war er für alle da.

Die Arbeiten an der Wasserversorgung hatten sich inzwischen auf die Felder rund um das Herrenhaus ausgedehnt, und in der Senke selbst wurden bereits Verteilungsgräben zu den Feldern geschaffen und gesichert. Balian hatte schon die ersten Bauern zur Bepflanzung geschickt. Ihm war es wichtig, daß der Wind die Krume nicht weiter davontragen konnte. Dazu war es notwendig, rasch wachsende Pflanzen auszusäen. Er hatte deshalb die Anweisung gegeben, zwischen die Getreidesorten Kräuter zu geben, damit der Boden gehalten wurde. Das bedeutete zwar bei der Ernte einen höheren Aufwand, aber die Ältesten erkannten seine Absicht und nickten anerkennend zu seinem Vorgehen. Balian ließ auch Gräben schaffen, in die ausgehöhlte Baumstämme versenkt wurden. Das Ende dieser Röhren war bis zu den Palmen verlegt und verschlossen, dafür hatten die Stämme selbst gebohrte Löcher, aus denen das Wasser hervorsickern konnte. Balian wollte damit die Palmengruppen mit mehr Wasser versorgen, ohne übermäßig zu verlieren. Aber er selbst hätte, wäre er gefragt worden, zugeben müssen, daß er nicht wußte, ob diese Maßnahme das bringen würde, was er sich erhoffte. Er war auf diese Idee gekommen, weil er seinen Obstgarten in Frankreich auf diese Weise leichter mit Wasser versorgt hatte, als Eimer um Eimer bei Trockenheit auf die Terrasse hinter der Schmiede zu schleppen, wo sie angepflanzt waren. Aber Wurzeln der Obstbäume gingen nicht so tief in den Boden wie die der Palmen, und ob sie das Wasser überhaupt erreichte, wußte er nicht.

Zeitweise war Balian auch wieder als Schmied tätig, denn in den umliegenden Dörfern gab es nur einen alten Mann, der das Schmiedehandwerk beherrschte und nur noch Flickarbeiten bewältigte. Die Schmiede im Anwesen war verwaist, und von Salem hatte Balian erfahren, daß lediglich in regelmäßigen Abständen ein fahrender Schmied vorbeikam und dann blieb, bis alle Arbeiten an den Eisen der Tiere, den Schwertern und in den Dörfern erledigt waren. Balian hatte darüber nur den Kopf geschüttelt und sich selbst an die Arbeit gemacht. Mit der Hilfe von Mahid hatte er das Feuer in der Esche geschürt und mit kraftvollen Schlägen zunächst einen Vorrat an Eisen für die Pferde und Schwertrohlinge gefertigt. Anschließend hatte er sich an die notwendige Herstellung von Ackergeräten und sonstigen nicht mehr zu reparierenden Eisengegenständen gemacht. Er hatte dazu die Ältesten aufgefordert, alle alten und kaputten Eisenteile zusammentragen zu lassen, damit er sie einschmelzen konnte und sie um eine Aufstellung der Dinge gebeten, die benötigt wurden. Die Ältesten, obwohl inzwischen mit der unkomplizierten Art ihres Herrn vertraut, waren dennoch sprachlos. Ihr Respekt und ihre Achtung wuchsen ins Grenzenlose.

Balians Männer hatten über seine Fertigkeiten nicht schlecht gestaunt und waren ihm, wo es ging, zur Hand gegangen. Er hatte zügig und ohne Pause auch in der heißen Mittagszeit gearbeitet und hatte fast drei Tage ununterbrochen von früh morgens bis spät in die Nacht in der Schmiede gestanden. Wegen der Hitze hatte Balian irgendwann sein Hemd abgelegt, und Mahid konnte den geschundenen Rücken seines Herrn sehen. An einem Abend dann hatte er Salem von den Narben auf Balians Rücken berichtet. Salem und Almaric waren daraufhin am nächsten Tag selbst zum Helfen gegangen. Nicht, daß sie ihren Herrn begutachten wollten, aber sie konnten nicht glauben, was sie von Mahid gehört hatten. Almaric erinnerte sich an das Gespräch über Sklaverei, das er mit Balian in Jerusalem hatte. Ihm wurde langsam bewußt, daß sein junger Herr und Freund wahrscheinlich nicht übertrieben hatte, sondern eher, wie es seine Art war, das Leid seines Lebens in Frankreich nur angerissen hatte. Er erinnerte sich daran, wie es in Balian bei dem Thema gearbeitet hatte. Nun konnte er sich vorstellen, warum.

Balians Männer, die, ohne daß er es bemerkt hatte, bereits absolut loyal hinter ihm standen und für ihn in den Tod gegangen wären, erzählten das, was sie von seinem Leben wußten in ihren Familien und diese trugen es zu allen Bewohnern des Dorfes. Die Menschen achteten und schätzten ihren Herrn, sie liebten seine Sanftmut, Fröhlichkeit und Stärke, aber das, was sie nun über ihn wußten, ließ ihren Herrn in ihren Augen verletzlich werden und ein jeder war bemüht, ihn seine Vergangenheit vergessen zu lassen. Almaric hatte das kommen gesehen und er war gespannt, wie Balian darauf regieren würde, daß man ihm jeden Wunsch von den Augen ablas.

Balian, der ohnehin nichts von dem Abstand zwischen sich als Herrn und den Menschen hielt, für die er verantwortlich war, fiel die Veränderung im Benehmen der Bewohner zunächst nicht auf, aber nach und nach wurde doch deutlich, daß sowohl seine Männer, als auch die Dorfbewohner darum bemüht waren, daß er sich wohl fühlte. Wenn er über die Felder oder durch die Dörfer ging, um mit den Ältesten die Arbeiten zu besprechen, war er immer gerne gesehen, wurde gegrüßt und alle hatten ein Lächeln für ihn übrig. Und wiederholt wurde er zum Verweilen eingeladen und mit Früchten und süßem Kaffee verwöhnt. Die Ältesten freuten sich, daß er ihren Rat suchte, und daß er zu ihnen kam und sie nicht zu sich zitierte. In dieser entspannten Atmosphäre wurden auch schwierige Probleme in beiderseitigem Einvernehmen und Vertrauen gelöst, die selbst schon unter dem Vater des jungen Herrn bestanden hatten. Dennoch verloren die Ältesten und die Menschen von Ibelin nicht den Respekt vor Balian als Herrn und achteten seine Entscheidungen, ob es dabei nun um die Bewirtschaftung des Landes oder Streitigkeiten unter den Bewohnern ging. Vieles ging nun Hand in Hand, und die Veränderungen in Ibelin waren bereits nach so kurzer Zeit deutlich zu sehen. Wenn erst die Saat aufgegangen war und auch die baufälligen Häuser wieder hergerichtet waren, würde das Lehen in einem Zustand erscheinen, so Almaric zu Balian, wie er es zeitlebens nicht gekannt hatte. Diese Anerkennung von Almaric bedeutete Balian viel.

Aber auch Balian hatte sich verändert. Almaric und Salem fiel dies am meisten auf. Balian hatte seine Verschlossenheit abgelegt und wenn sie abends von den Feldern kamen, scherzend und lachend, war Balian ihnen nur mehr Freund. Beide genossen dies, kannten sie Balian doch inzwischen gut genug, um zu wissen, daß er zu seiner alten Stille zurückkehren würde, wenn er wieder als Ritter des Königreiches gefordert war. Noch immer lastete die Ungewißheit auf seinen Schultern, ob er sich auch als Ritter würde bewähren können. Balian empfand seine Ritterschaft weder als gerechtfertigt, noch als bewiesen. Eine Einstellung, die Almaric und Salem am liebsten aus ihrem Freund geprügelt hätten. Aber gerade diese grundehrliche Natur von Balian machte ihn so liebenswert.

Balian hatte sich die ganzen vergangenen Tage ruhigen Gewissens auf die Arbeiten des Lehens konzentrieren können, weil das Schreiben des Königs, das er von Tiberias aus Jerusalem mitbekommen hatte, ihm zum einen aufforderte, wenn nicht sogar befahl, sich um Ibelin zu kümmern. Der König teilte ihm weiter darin mit, daß die Stadtlehen, die Godfreys Vater für den König verwaltet hatte, auch weiterhin zu seinem Lehen gehörten, und mit fähigen, von seinem Vater ausgesuchten Männern, besetzt waren, die in seiner Abwesenheit die Geschäfte führten. Solange hier keine Unregelmäßigkeiten auftragen, sollte Balian sich in erster Linie um Ibelin und die Sicherung der Pilgerroute kümmern. Und trotz der harten Arbeit genoß Balian das Leben hier auf Ibelin. Er hatte es zu seinem Zuhause gemacht. Er schmunzelte. Ihm war gerade durch den Kopf geschossen, daß wenn er nicht aufpaßte, er bald kugelrund sein würde, so wie ihn die Dorfbewohner ständig mit Leckereien verwöhnen wollten.

Almaric war dieses stille Vergnügen seines Freundes aufgefallen und er boxte ihn etwas mit dem Ellbogen in die Seite und sah ihn an:

„Was geht Euch gerade durch den Sinn? Ihr macht ein sehr vergnügtes Gesicht.", fragte er ihn.

Balian biß genüßlich in eine Feige, die mit süßem Honig kandiert war, und hielt die andere Hälfte dann etwas von sich und nickte mit dem Kopf in ihre Richtung.

„Ich hatte gerade bei mir gedacht, daß ich bald in keinen Waffenrock mehr passe, wenn mich alle weiterhin mit diesen Leckereien verwöhnen wollen", gab er Almaric zur Antwort.

Almaric fing darauf hin schallend zu lachen an, was Balian nun wieder überraschte, weil er seinen ersten Mann, Vertrauten und Freund noch nie so ausgelassen gesehen hatte. Er zog seine Stirn in Falten und blickte ihn mit strengem, aber nicht ernstgemeintem Blick an. Als Almaric sich endlich wieder gefaßt hatte meinte er nur:

„Wenn Ihr Euch weiterhin so abrackert, können die Bewohner alle Früchte, die sie ernten, in Euch hineinstopfen und Ihr wärt im Gegensatz zu manchem anderen Ritter immer noch ein Leichtgewicht."

Er lachte Balian an und dieser konnte nur lachend den Kopf schütteln. Almaric sah Balian gerne lachen und jeder im Lehen hoffte auf dieses Lachen, denn sie alle wünschten sich, daß ihr Herr glücklich war.

Einige Tage später sollte nahe dem Zuweg zum Haupthaus ein Wasserrad aufgebaut werden. Almaric, Tulan, ein weiterer Mann seines Hauses, und Balian bemühten sich mit Anwohnern, das schwere Rad in die Senkrechte zu bringen und in seiner Halterung zu stabilisieren, als Mahid zu ihm gerannt kam, ihm auf die Schulter klopfte, weil er ihm nicht gleich seine Aufmerksamkeit schenkte und ihm dann aufgeregt ihm berichtete, daß Reiter am ersten Dorf vorbei wären und auf das Herrenhaus zukamen. Balian folgte ihm auf den Weg, wo gerade der Trupp, der von zwei Reiterinnen angeführt wurde, seine Tiere zügelte. Die Schabracken und Wimpel der Reiter wiesen die Reiterei als Mitglieder des königlichen Hauses aus und einige Älteste und der Wesir standen etwas abseits und blickten besorgt. Selbst unter dem alten Herrn war es nicht vorgekommen, daß jemand aus der königlichen Familie Ibelin besuchte. Was konnte das nur bedeuten? Latif konnte die Gelassenheit und Ruhe seines Herrn nicht fassen und war völlig entgeistert, daß er gar keine Unterwürfigkeit zeigte. Der Verwalter mußte wieder mal erkennen, daß sein junger Herr so gar nichts mit den Rittern Jerusalems gemein hatte. Aber im Augenblick war er sich nicht sicher, ob er froh oder besorgt darüber sein sollte.

Balian war den Reitern entgegengetreten und stand abwartend vor ihnen. Er ahnte, wer da vor ihm hoch zu Roß saß, dennoch sah er keine Veranlassung in Ehrerbietung auszubrechen. Sybilla hatte Balian beobachtet, wie er zu ihnen herangetreten war. Nur mit Hemd und Hose bekleidet, schmutzig und verschwitzt, strahlte er dennoch eine Souveränität aus, die ihr den Atem nahm. Sie hatte es in Jerusalem nicht mehr ausgehalten und hatte ihren Bruder darum gebeten, nach Ibelin reisen zu dürfen. Sie wußte, das Balduin Balian noch etwas von den Ränken des Hofes fernhalten wollte, aber ihre Sehnsucht nach diesem verschlossenen und faszinierenden Mann ließ sie ungeduldig werden. Balduin hatte gelacht und nur gemeint, sie könne ein wenig für ihn spionieren, denn er wollte auch gerne wissen, was Balian auf Ibelin tat. Er gab ihr sogar noch mit auf den Weg, sich Zeit zu lassen, denn er hatte noch ganz andere Gründe dafür, Sybilla und Balian zusammen zu bringen, als die Verliebtheit seiner Schwester, die aber auch seinen Plänen nicht gerade entgegenspielte. Und so war Sybilla mit einem Troß an Hofstaat nach Ibelin aufgebrochen. Ihr eigentliches Reiseziel war aber für alle Neugierigen Kanaan.

Da Balian keine Anstalten machte sie in das Haus einzuladen, nahm sie ihren Schleier ab und sprach zu ihm:

„Ich bin auf dem Weg nach Kanaan." und sie fügte, weil keine Reaktion von ihm kam, hinzu: „Dort hat Jesus Wasser in Wein verwandelt, aber es wäre ein noch größeres Wunder, Euch in einen Edelmann zu verwandeln."

Jetzt schmunzelte Balian und gab zurück:

„Das ist nicht so schwer. In Frankreich wird man mit ein paar Ellen Seide dazu."

Sybilla lachte auf und forderte dann:

„Ich erwarte Eure Gastfreundschaft."

Balian neigte den Kopf, dachte an Saif und erwiderte:

„Sie sei Euch gewährt."

Dann wandte er sich, ohne Sybilla aus den Augen zu lassen an seinen Wesir.

„Latif!"

Er sprach nur seinen Namen aus und der Wesir hatte, da er ja das Gespräch, über das er sich immer noch wunderte, mitgehört hatte, verstanden und lief vor den Reitern her zum Haus und kümmerte sich um die Gäste und ihre Unterbringung.

Balian blickte dem Troß nach und machte sich so seine Gedanken, was Sybilla hier wollte, denn Kanaan war nicht gerade auf dieser Route gelegen. Aber er mußte sich auch eingestehen, daß er sich freute, sie wiederzusehen. Trotz des hohen Besuches wollte er seine Arbeit nicht unterbrechen. Latif würde sich um alles kümmern, der Hofstaat der Prinzessin würde sich erst einmal einrichten und deshalb wandte er sich wieder dem Aufrichten des Wasserrades zu. Alle, die mitbekommen hatten, was für ein hoher Gast gerade Quartier in Ibelin bezogen hatte, sahen Balian wegen seiner Gleichmut entgeistert an.

Als sie dann endlich das Rad in seiner Aufhängung fixiert hatten, turnte Balian noch oben auf dem Gestänge herum, um seine Stabilität zu prüfen und sicher zu gehen, daß die Verschnürungen mit den Seilen hielten. Als er wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte, fühlte er sich beobachtet und wandte seine Augen in Richtung Haus. Auf der Terrasse wurden die schweren hellen Leinentücher zum Schutz vor der Sonne zugezogen.

Im Haus hatte tatsächlich der Hofstaat von Sybilla das Kommando übernommen, und Latif war auf das Eifrigste bemüht, seinem Herrn Ehre zu machen. Für Sybilla war ein Bad gerichtet worden, und nun saß sie eingewickelt in ein großes Leinentuch auf einem Stuhl und hatte ihre Füße noch in einer Wanne mit kühlem Wasser. Es war erquickend, das kühle Wasser immer wieder über die Beine rinnen zu lassen, während ihre Zofe bemüht war, alles für ihr Behagen zu richten. Die Rufe und Kommandos von der Stelle, an der Balian mit seinen Leuten dabei war das Wasserrad aufzurichten, erregten Sybillas Neugierde, und sie trat an das große geöffnete Fenster, dessen, durch Drechslerarbeiten durchbrochenen Türen, nur halb geschlossen waren, und ihr einen Blick nach draußen ermöglichten. Sie erblickte Balian, der gerade von dem Gerüst stieg und sah, wie er sich umdrehte und zum Haus sah, als hätte er ihren Blick gespürt. Sie lächelte darüber, wie er aussah, so gar nicht wie ein Edelmann, und doch hatte er hier bereits viel mehr bewirkt, als selbst sein Vater für dieses Land getan hatte. Ihr waren die Veränderungen nicht entgangen. Sie hatte noch nie in diesem Haus gerastet, aber an Ibelin war sie durch die Pilgerstraße schon wiederholt vorbeigekommen.

Als es Abend wurde, gingen Salem, Almaric und Balian wie schon in den letzten Tagen gemeinsam zurück zum Haus, aber außer einem leisen Flachsen zwischen ihnen war das Beisammensein nicht mehr ganz so ungezwungen. Es war der Moment gekommen, in dem Balian wieder mehr der Baron von Ibelin sein mußte als ihr Freund. Bereits im Laufe des Nachmittags hatten die Freunde gespürt, wie die Anspannung in Balian wuchs, wie er sich wieder zurückzog und seine ungezwungene Fröhlichkeit ablegte. Sie waren ihm nicht böse, wußten sie doch, daß es solche Momente immer wieder geben würde. Es tat ihnen für Balian leid, der sich in der Rolle des Ritters nicht wohl fühlte.

Balian verabschiedete sich von seinen Männern mit einem zaghaften Lächeln und einem Kopfnicken und ging dann ins Herrenhaus, während Almaric und Salem sich zur anderen Seite des Anwesens wandten.

Latif erwartete bereits seinen Herrn und bemerkte auch sofort die Veränderung an ihm. Er verbeugte sich und gab einen kurzen Bericht über den Tag:

„Mein Herr."

Als Balian den förmlichen Ton hörte, verzog er das Gesicht.

„Mein Herr", wiederholte der Wesir, „die Gefolgschaft ihrer Hoheit und die Prinzessin sind wohl untergebracht. Sie erwartet Euch zum Mahl."

Balian nickte nur schweigend und ging in Richtung Bad. Latif folgte ihm, in Erwartung der Wünsche seines Herrn. Balian fragte, ob bereits ein Bad für ihn gerichtet sei und bat Latif, für ihn ein Gewand bereit zu legen. Bei der ersten Frage hatte der Wesir nur genickt und verschwand nun, um die persönlichen Diener Balians zum Bad zu schicken, während er selbst dann ein dem Anlaß entsprechendes Gewand für seinen Herrn heraussuchen wollte.

Als Balian ins Bad trat, war einer seiner Diener bereits anwesend. Er war immer wieder erstaunt darüber, wie es Latif und seine Männer schafften, kaum daß er einen Wunsch geäußert hatte, diesen auch schon zu erfüllen. Er mußte lächeln und er nahm sich fest vor, Almaric auf dieses Phänomen anzusprechen. Er hatte sowieso schon den Eindruck gewonnen, daß alle hier in Ibelin versuchten, ihn zu verhätscheln. Balian war müde und es schmerzten die Muskeln, als hätte er sich heute beim Aufrichten des Wasserrades etwas gezerrt, weshalb er es auch zuließ, daß der Diener ihm beim Entkleiden half. In den letzten Wochen hatte Balian immer selbst sein Bad genommen und die Diener fortgeschickt. Heute ließ er sich ihre Behandlung gefallen, lösten sie doch durch das Abreiben seine Verspannungen. Dann stieg er in das warme Wasser, aber er wußte, daß er sich nicht viel Zeit gönnen konnte. Sein Gast wartete und es wäre unhöflich und respektlos, ihn über Gebühr warten zulassen.

Nach wenigen Minuten im Wasser verließ deshalb Balian auch schon wieder die wohltuende Wärme. Er kleidete sich mit dem an, was Latif ihm hingelegt hatte und schüttelte den Kopf über seinen Wesir. Dieser hatte ihm nicht ein einfaches Gewand hingelegt, wie er es sonst allabendlich trug und es sich bequem machte, sondern dieses Gewand entsprach an Aussehen und Qualität in etwa dem, das er im Palast getragen hatte. Sein Wesir wollte anscheinend unbedingt, daß er im Angesicht der hohen Person seine Stellung vertrat. Er hatte das Gesicht des Wesirs gesehen, als er heute der Prinzessin auf dem Weg gegenübertrat. Der Arme wäre beinahe vor Sorge gestorben. Balian lächelte in sich hinein, atmete tief durch und machte sich auf den Weg in das Zimmer, in dem in der Regel das Mahl gereicht wurde.

Als er den Raum betrat, stand sie auf der Terrasse und blickte auf das Land. Es begann bereits dunkel zu werden, und die ersten Sterne konnte man bereits erkennen. Balian war nicht bewußt sehr leise gewesen, aber sie hatte ihn nicht gehört und so konnte er einige Momente ihre Gestalt im fahl werdenden Tageslicht betrachten. Dann machte er sich bemerkbar, weil er nicht bei seiner Unhöflichkeit, sie zu mustern, ertappt werden wollte. Sie drehte sich um und lächelte ihn an. Ihre Haare fielen in wunderschönen Kaskaden auf ihren Rücken und das Kleid aus mehreren Lagen Seide in roten und warmen Ockertönen umfloß ihre Gestalt. Sie trug kaum Schmuck und war vielmehr die Sybilla, die sie ihm bei ihrem Weg durch den Palast versprochen hatte, als die Prinzessin, als die er sie kennengelernt hatte. Sie war wunderschön und Balian konnte seinen Blick nicht von ihr wenden und erst, als sie von der Terrasse auf ihn zukam, erwachte er zu neuem Leben. Balian lächelte verlegen, reichte ihr die Hand, um sie zu ihrem Platz am Tisch zu führen. Er hielt ihre Hand, bis sie zwischen den Kissen halb liegend, halb sitzend bequem Platz genommen hatte. Er nahm ihr gegenüber ebenso Platz und Diener trugen leise und schnell das Mahl auf.

Auf einem gemeinsamen großen Teller, der in die Mitte es Tisches gestellt wurde, war Reis und Huhn, das in zarte Häppchen zerlegt war, angerichtet. Gemüse und Soßen wurden in kleinen Schalen dazugestellt. Wasserschälchen zur Reinigung der Finger wurden ihnen in Reichweite auf kleinen Beistelltischen jeweils an ihrem Platz zur Seite gestellt, und die Karaffe mit Wein stand in Reichweite von Balian auf einem weiteren kleinen Beitisch. Dann zogen sich die Diener zurück und nur einer von ihnen blieb in Rufweite. Sybilla reichte Balian ihren Becher und Balian schenkte dunklen, roten Wein ein und gab ihn ihr mit einem Lächeln zurück. Auch sich selbst goß Balian von dem Wein ein und hob dann seinen Becher zu Ehren seines Gastes.

Beide aßen schweigend. Immer wieder trafen sich ihre Finger auf dem gemeinsamen Teller, und jedes Mal zog Balian scheu seine Hand zurück. Ein Beobachter hätte dies als höfliche Geste dem Gast gegenüber gedeutet, aber Sybilla sah die Scheu in Balians Blick. Sie suchten beide nach Worten und die, sonst um keine Worte verlegene Prinzessin, wußte nicht, wie sie mit Balian sprechen sollte. Er war so verschlossen und seine Augen so unergründlich.

Sybilla hatte sich gerade noch ein Stück Fleisch in den Mund gesteckt und strich sich nun den Saft von den Fingern, in dem sie ganz unbewußt mit ihren Lippen jeden einzelnen Finger umfing und ihn langsam aus dem Mund zog. Es war eine unbewußte, unschuldige Handlung, aber sie strahlte soviel Sinnlichkeit aus, daß Balian völlig fasziniert auf ihre Lippen starrte, um sich dann mit einem leisen Seufzer gewaltsam abzuwenden.

Sybilla war der Seufzer nicht entgangen. Sie blickte Balian mit ihren großen Augen an, hielt ihre Hand hoch, an der sie kurz zuvor noch wie ein Kätzchen geschleckt hatte, und fragte, als er nicht reagierte:

„Was?"

Es hörte sich an, als fühlte sie sich bei irgend etwas ertappt. Balian sah auf seinen Kelch nieder, den er vor sich hielt, und als er sich selbst wieder im Griff hatte, Sybilla in die Augen und antwortete:

„Es scheint, als hätte ich schon eine Ewigkeit keine Frau mehr essen gesehen," und in Gedanken verbesserte er sich:

‚Oder sollte ich lieber sagen ‚so essen gesehen'?', aber nein, er schwieg lieber und ein Lächeln umspielte seine Lippen.

Sybilla wußte nicht recht, wie sie darauf antworten sollte, sie hatte wohl gemerkt, daß in Balians Worten sehr viel mehr verborgen war, als die reinen Silben ausdrückten und deshalb kam nur eine etwas spöttische Erwiderung über ihre Lippen:

„Ach, wirklich?"

Balian kräuselte ein wenig die seinen und nickte nur. Er blickte abermals auf seinen Kelch und entgegnete nichts weiter. Sybilla wollte diesen ersten Moment, in denen sie sich vorsichtig näherten, nicht einfach verstreichen lassen und so sprach sie einen Gedanken aus, der ihr am Nachmittag, als sie ihn beobachtet hatte, durch den Kopf gegangen war:

„Man hat Euch eine handvoll Staub gegeben und es scheint, als wollt Ihr ein neues Jerusalem errichten." sprach sie halb feststellend, halb fragend aus.

Balian blickte sie überrascht an, diesen Themenwechsel hatte er nicht erwartet, aber er sah, daß es ihr mit dieser Feststellung ernst war. Er wandte sein Gesicht ab und wirkte plötzlich, als würde er weit in die Ferne blicken, und dann kam sanft, warm und aus dem tiefsten Grund seines Herzens:

„Es ist mein Land. Wer wäre ich, wollte ich es nicht verbessern?"

Und als er Sybilla wieder anblickte, glaubte sie bis auf die Seele Balians zu blicken und in dem samtenen Glanz seiner Augen ertrinken zu können.

Sybilla stockte der Atem und sie konnte sich der fast körperlichen Anziehungskraft Balians kaum erwehren. Und dennoch ließen beide diesen Moment verstreichen. Sybilla, weil sie sich scheute, gegenüber Balian so direkt zu sein, wie sie es immer war. Sie hatte Angst, er könne sich vor ihr zurückziehen, war er doch so unnahbar und still, daß sie nicht wußte, ob er für sie mehr empfand, als Achtung und den gebührenden Respekt dem Königshaus gegenüber.

Und Balian? Balian ließ den Moment ziehen, weil er sich trotz aller Anziehungskraft, die diese Frau auf ihn ausübte, ihrer Stellung und der Tatsache, daß sie einen Gemahl hatte, viel zu deutlich bewußt war. Balian erhob sich. Er hielt es für besser, wenn er jetzt ging und er verbeugte sich vor der Prinzessin und wünschte ihr eine gute Nacht. Sybilla hielt ihn nicht zurück. Viel zu sehr war sie mit ihren eigenen Empfindungen in diesem Moment noch beschäftigt.

Balian ging durch die Flure in einen Raum, den er sich von Latif für seine Arbeiten an den Plänen und seine Zeichnungen für die Bauarbeiten hatte herrichten lassen. Er war jetzt viel zu aufgewühlt, als daß er hätte schlafen gehen können, und so wollte er sich ablenken und versuchen, nicht mehr an Sybilla zu denken, die seine Sinne gefangen hielt und sein Herz zum Rasen brachte.

Am nächsten Tag war er schon vor Morgengrauen auf den Beinen und ritt mit seinen Männern auf Patrouille. Er brauchte Abstand zu der Versuchung in seinem Haus. Er hatte die Nacht kaum geschlafen. Immer wieder war Sybilla in seinen Träumen aufgetaucht, er hatte ihre Haut berührt und... war aufgewacht. Es durfte nicht sein, aber sein ganzer Körper schrie danach. Balian wollte ihr aus dem Weg gehen. Er fürchtete, daß er sonst seine Kontrolle verlieren könnte.

Sybilla erwachte am Morgen und war wie gewohnt von ihren Dienern umgeben, die sie verwöhnten und auch der Wesir des Hauses ließ ihr an nichts mangeln, aber Balian kam nicht zum Morgengruß oder zum Morgenmahl, und als sie sich schließlich bei Latif nach ihm erkundigte, getraute sich dieser kaum, ein Wort zu sagen. Erst auf ein aufmunterndes Lächeln von der Prinzessin hin teilte er ihr mit, daß sein Herr bereits vor Morgengrauen mit seinen Männern zur Kontrolle der Pilgerstraße aufgebrochen war. Sybilla fragte sich, ob Balian vor ihr floh oder nur gewohnt seinen Pflichten nachging und fragte deshalb den Wesir nach den Gepflogenheiten des Haushaltes und des Hausherrn. Sie wollte nicht zu deutlich ihr Interesse an Balian zeigen. Und so erfuhr sie von Latif, daß Balian oft vor Morgengrauen aufstand und sich zumeist auf der Dachterrasse wusch und sein Morgenmahl einnahm. Latif berichtete ihr aber auch, daß Balian seine Zeit sehr unterschiedlichen Aufgaben widmete und es nichts Ungewöhnliches war, wenn er an einem Tag sowohl mit seinen Männern auf Patrouille ritt, als auch in der Schmiede oder auf den Feldern stand. Fast täglich trainierten seine Männer den Schwertkampf zu Fuß und zu Pferde und regelmäßig schloß er sich den Übungen an. Des Nachts saß er oft an Plänen und Zeichnungen und bereitete vor, was in den nächsten Tagen auf den Feldern oder in den Dörfern umgesetzt werden sollte. Latif merkte gar nicht, wie er voller Stolz der Prinzessin von seinem jungen Herrn berichtete. Sybilla staunte über die Energie Balians, aber auch darüber, wie sehr er bereits die Herzen der Menschen um ihn herum gewonnen hatte. Ihr war am Vortag der besorgte Blick der Menschen am Wegesrand auch aufgefallen, aber sie hatte auch erkennen könnten, daß es nicht Furcht vor den königlichen Reitern war, den diese Blicke ausdrückten, sondern Sorge um ihren Herrn.

Als der Reitertrupp am Abend wieder nach Ibelin zurückkehrte, hoffte Balian, müde und staubig wie er war, daß die Prinzessin bereits ihr Abendmahl eingenommen und sich zurückgezogen hatte. Er stieg vom Pferd und überließ das Tier einem Bediensteten, der es sogleich in die Stallungen führte. Normalerweise hätte er dies selbst getan, aber solange ein hoher Gast da war, mußte er die Form wahren, und so wandte er sich zum Haus und ging durch die Räume zu seinem Zimmer. Sein persönlicher Diener nahm ihm schweigend seinen Waffenrock und sein Kettenhemd ab und gab seinem Herrn dann mit einer Handbewegung Richtung Bad zu verstehen, daß dieses für ihn gerichtet war. Er wollte sich gerade dorthin begeben, als Latif durch eine andere Türe in Begleitung einer jungen Frau eintrat.

Balian blieb stehen und blickte seinen Wesir fragend an, woraufhin er die junge Frau als die erste Zofe der Prinzessin vorstellte. Balian nickte dem Mädchen freundlich lächeln zu und sie getraute sich zu sprechen:

„Herr, Eure Prinzessin bittet Euch zum Nachtmahl. Sie hat gesehen, daß Ihr eben erst zurückgekehrt seid und Ihr Euch zunächst vom Staub und Schweiß des Tages befreien müßt. Aber sie hofft, Ihr werdet ihr noch ein wenig Gesellschaft leisten."

Balian wußte, daß er sich dieser Einladung nicht entziehen konnte, ohne die Prinzessin zu beleidigen, und so nickte er nur und bat die junge Frau, der Prinzessin sein Kommen so rasch als möglich zuzusagen. Latif und die Zofe verneigten sich und verließen wieder die Gemächer Balians, der sich nun dem Bad zuwandte. Er schickte den Diener fort und wusch sich alleine. Er wollte ein wenig alleine sein und sich für die kommende Versuchung wappnen.

Der Abend verlief wie der davor und auch Tage darauf änderte sich nichts daran. Sybilla und Balian spürten die Anziehung zwischen sich, und waren vor Anspannung kaum in der Lage, normale Konversation zu betreiben. Beide getrauten sich nicht, persönlicher zu werden, Sybilla hatte Angst, Balian würde sich vor Ehrgefühl von ihr ganz zurückziehen, und Balian wahrte eisern den Abstand, weil er sich selbst nicht mehr traute. Er sehnte sich danach, seine Hand auszustrecken, ihr Gesicht zu liebkosen und ihre Lippen zu schmecken, aber er erinnerte sich immer wieder an ihren Stand und ihren Gemahl und erduldete die Folter, die jedes Abendmahl für ihn bedeutete.

Tagsüber floh er ihre Anwesenheit dadurch, daß er immer schon vor Tagesgrauen auf die Felder, in die Schmiede oder mit seinen Männern auf Kontrolle des Reiseweges ging. Almaric, Salem und alle seine Männer merkten seine Anspannung und vermißten seine Ausgelassenheit und sein Lachen. Seit die Prinzessin auf Ibelin war, hatte sich Balian zurückgezogen, mehr noch, als sie ihn in Jerusalem kennengelernt hatten. Sie sorgten sich um ihn, aber sie wußten nicht, wie sie ihm beistehen konnten.

Eines Morgens war er aber später dran, als er wollte. Er stand auf der Dachterrasse und blickte in die aufgehende Sonne und hörte die Morgengebete der Muslime. Er hatte sich an einer Schüssel mit Wasser gewaschen und gerade die Schale ausgeleert, als ihn eine Stimme aus seinen Gedanken schreckte:

„Sie versuchen eins zu sein mit der Gemeinschaft und mit ihrem Gott." sprach die Prinzessin, die wie jeden Morgen auf das Dach gekommen war, in der Hoffnung, Balian anzutreffen. Balian drehte sich um, stellte die Schale zurück auf den Tisch und griff sich sein Hemd. Sybilla hatte seinen Rücken gesehen und war schockiert, ließ sich dies aber nicht anmerken. Aber sie hatte auch die drahtige Gestalt Balians gesehen und dachte nun bei sich, daß er noch schmäler war, als die weiten Hemden, die er trug, vermuten ließen. Sie goß ihm Kaffee ein und süßte ihn, dann reichte sie ihm das Glas, während er noch dabei war, sich das Hemd über die Schultern zu streifen.

„Ihr Gott sagt: ‚Beuge Dich!' Jesus sagt: ‚Entscheide Dich!'", sprach sie weiter.

Balian nahm das Glas, tat einen Schluck und sah sie dann mit leicht seitlich geneigtem Kopf an, bevor er die Frage stellte, die er stellen wollte, seit er ihr begegnet war:

„Habt Ihr Euch für Guy entschieden?"

Und er sah, daß Sybilla das traf, aber nur für einen kurzen Moment. Sie hatte den Kopf gesenkt und leicht geschüttelt, dann sah sie ihn wieder an und erklärte:

„Guy war die Wahl meiner Mutter. Ich war erst fünfzehn."

Beide blickten sich lange und schweigend an. Wieder ließen sie diesen Moment der Vertrautheit verfliegen, und Balian verbeugte sich und wandte sich seiner Arbeit zu. Als er durch das Haus in den Hof ging, wo er heute die Pferde beschlagen wollte, atmete er tief durch. Er spürte, daß sein Widerstand gegen seine eigenen Gefühle zu Sybilla erlahmen begann. Nur zu gerne hätte er sie gerade in die Arme genommen und getröstet, und nur mit enormer Willenskraft hatte er sich zurückgehalten und schließlich diesem unendlich süßen Moment der Nähe gewaltsam ein Ende bereitet.

Balian arbeitete den ganzen Vormittag in der Schmiede und beschlug die Pferde. Das Mittagsmahl ließ er ausfallen und ging auf die Felder. Er suchte die Bewohner auf und freute sich an ihrem Lachen. Er ging durch die Felder in der Senke, die mittlerweile bereits reich mit dem Grün von Gemüse und Kräutern bedeckt waren. Keine Windhose fegte mehr durch die Senke und auch das Klima wurde immer angenehmer. Balian kontrollierte die Wasserleitungen und sprach mit den Bauern der einzelnen Felder. Er trug wie immer nur eine Hose und ein loses Hemd, seine Haare waren offen, und er genoß es, durch die Anpflanzungen zu gehen. Hier und da nahm er Kräuter in die Hand, pflückte einzelne Blätter und roch daran und begutachtete die Bündel an Kohl, die bereits ein Bauer erntete.

Sybilla saß auf der Terrasse und ließ sich von ihrer Zofe die Bemalung ihrer Hände mit Henna nachziehen und beobachtete dabei Balian, wie er sich auf dem Land bewegte. Und ein Lächeln umspielte gedankenverloren ihre Lippen. Balian liebte das Land und die Menschen, für die er verantwortlich war. Er hatte eine natürliche Führungskraft und trotzdem soviel Wärme für die Menschen, daß diese seine Nähe suchten. Als Balian so durch die Felder ging, konnte Sybilla auch seine Statur und seine Bewegungen genau betrachten. Er war kleiner als sein Vater und dennoch präsenter als er. Seine hochgewachsene, schmale Gestalt hatte etwas geschmeidiges, katzenhaftes an sich, aber sie erinnerte sich daran, daß sie ihn beobachtet hatte, wie kraftvoll er den Eisenhammer in der Schmiede auf den Amboß geschlagen hatte und wie ein Auftreffen mit einer solchen Härte, die das Eisen unter seinen Hieben rasch in Form brachte, manch anderem, wuchtig und stark erscheinenden Mann den Hammer aus der Hand gehebelt hätte. Balian war voller Widersprüche und Fragen und sie wollte nicht länger warten, diese zu ergründen.

Nach dem Abendmahl dieses Tages zog Sybilla sich zurück und überließ Balian seinen Gedanken. Dieser erhob sich nach einer Weile und ging in seinen Kartenraum, um weiter an dem Bauplan für eine kleine Moschee, die er den Moslems der Dörfer errichten wollte, zu arbeiten. Es war schon spät und im ganzen Anwesen war es bereits still geworden, als ein Geräusch seine Aufmerksamkeit weckte. Ein Tuch, das sich im Luftzug bewegte, zeigte ihm an, daß jemand den Nebenraum betreten haben mußte. Er stellte das Glas mit dem Pfefferminztee, den er gerade trank, beiseite und lehnte sich zurück in Erwartung wer erschien. Er war nicht erstaunt, die Prinzessin vor sich zu sehen. Er hatte es irgendwie heute erwartet, nein, gewünscht, und er hatte sehr mit sich gerungen, nicht zu ihr zu gehen.

Sybilla blieb mit der Kerze in der Hand stehen und blickte Balian an, wie er ohne Anzeichen einer Überraschung zu ihr aufblickte. Dann sprach sie:

„Was denkt Ihr, warum ich hier bin?"

Balian schob leise den Stuhl zurück, in dem er saß, stand auf und ging zu ihr und blieb so kurz vor ihr stehen, daß sie ihren Kopf zu ihm heben mußte und er ihre sinnlichen Lippen betrachten konnte. Dann antwortete er:

„Ich weiß, daß Ibelin nicht auf dem Weg nach Kanaan liegt." und er zog dabei eine Augenbraue als Unterstreichung seiner Worte nach oben. Er hatte den Kopf leicht schiefgelegt. Seine Worte zeigten ihr, daß er ihr ihre angeblichen Reiseabsichten von Anfang an nicht abgenommen hatte. Spöttisch fragte sie weiter:

„Was wißt Ihr noch, mein Herr?"

Ein Lächeln, das ihm so viel versprach, umspielte ihre Lippen.

„Ich weiß, daß ihr eine Prinzessin seid und ich kein Fürst", antwortete Balian ernst.

„Ihr seid ein Ritter", wollte Sybilla die Bedeutung dieser Aussage schnell vergessen lassen. Und nun sprach Balian auch ihr gegenüber aus, an was er schwer trug:

„Weder verdient, noch erwiesenermaßen." Bei diesen Worten senkte Balian seinen Blick und sein Haupt, aber Sybilla wollte diese Standesdünkel nicht gelten lassen, und so sprach sie während Balian sich immer mehr in ihrem Duft, ihrer Erscheinung und ihrer Stimme verlor:


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„Ich bin hier, nicht weil ich unkeusch oder gelangweilt bin, sondern" – sie zögerte einen kurzen Moment – „weil es bei uns im Osten heißt: Zwischen zwei Menschen gibt es nur das Licht."

Balian sah sie so intensiv an, daß sie glaubte unter der Glut seiner Augen zu vergehen. Er wagte nicht, irgendwas in diesem Moment zu sagen. Da blies sie als Symbol ihrer Worte die Kerze, die sie noch immer in der Hand zwischen ihnen hielt, aus. Nun war es um Balians Zurückhaltung und Kontrolle geschehen. Sybilla hatte ihn eingeladen, mit ihren Worten gezeigt, daß sie es auch wollte, und daß es ihr Ernst mit ihren Gefühlen für ihn war, egal, was die Konsequenzen sein konnten.

Langsam trat er noch näher an sie heran und griff sanft mit seinen Händen in ihre Haare. Eine Hand löste sich wieder und streichelte sanft ihren Nacken, als sich seine Lippen auf die ihren senkten und ein erst sanfter und scheuer, dann immer intensiverer Kuß ihr den Atem nahm. Ihre Hände glitten über seine Brust und versuchten dann seinen Kaftan von den Schultern zu streifen. Ohne von ihren Lippen zu lassen, half er ihr dabei und zog sie dann noch fester an sich. Schließlich hob er sie auf seine Arme und trug sie hinüber zu seinem Gemach und legte sie auf seinem Bett behutsam nieder. Sein Arm lag um ihre Schulter und eine Hand streichelte sanft an ihrer Hüfte nieder und an ihrem Oberschenkel entlang. Wie sie sich nach diesen Berührungen von ihm gesehnt hatte, nach seiner Zärtlichkeit und seiner Liebe und sie griff in seine Haare und zog ihn zu sich nieder, um sein Gesicht zu liebkosen und seine Lippen zu finden. Und Balian beobachtete ihre Reaktionen auf seine Hände und konnte sich an ihrem schönen Gesicht inmitten ihrer aufgelösten Haare nicht satt sehen. Sybilla griff unter sein Hemd und streichelte seine Brust, und ein Seufzer der Wohltat und des Genusses kam über Balians Lippen. Er hielt mit der Erforschung ihres Körpers durch seine Hände inne und richtete sich auf. Unter dem zärtlichen Blick von Sybilla entledigte er sich seines Hemdes und beugte sich dann wieder zu ihr nieder und küßte sie erneut erst sanft und liebevoll, dann fordernd und unersättlich.

Die Lust wuchs in beiden, aber keiner von ihnen wollte schon die zärtliche Erkundung des Körpers des Geliebten aufgeben und so erlebte Sybilla zum ersten Mal in ihrem Leben, wie die Zärtlichkeit einer liebenden Hand ihren Körper zum erschauern brachte. Sie wollte es Balian gleich tun, und ihre Hände glitten sanft, aber mutig über Balian Brust, Rücken bis hin zu seinem Gesäß, wo sie seine Hose, die er noch nicht abgelegt hatte, aufhielt, und sie versuchte die Verschnürungen zu öffnen. Balian hatte ihr schon lange langsam und ohne daß sie es wirklich wahrgenommen hatte, das Kleid von den Schultern gestreift und ihren schlanken Körper aus der Fülle der Seide geschält. Balian ließ nur widerwillig von Sybilla, aber wenn er die Hose ablegen wollte, mußte er sie einen Moment aus seinen Armen lassen. Und während er sich die restlichen Kleider vom Leib streifte, genoß er den Anblick von Sybilla. Ihre dunklen Haare waren auf dem weißen Laken weit verteilt, ihr Körper, alabasterfarben, hob sich wunderschön von der dunklen Seide ihres Umhanges, der nun unter ihr lag, leuchtend ab. Es stockte Balian bei dieser Schönheit der Atem, und Sybilla streckte ihre Arme nach dem Mann, den sie liebte, aus. Keinen Moment länger wollte sie auf ihn warten, und Balian ergab sich in ihre Liebe, schenkte ihr seine ganze Geduld und Zärtlichkeit.

Und für die Beiden wurde diese Nacht zum Traum ihres Lebens und alles um sie herum war verschwunden. Es gab nur noch sie, und der nächste Morgen war noch weit.


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