Disclaimer

Die Figuren, soweit sie von Drehbuchautor William Monahan eigenständig entwickelt und/oder gegenüber ihren historischen Vorbildern abgeändert wurden, sind geistiges Eigentum von William Monahan und auch die Handlung und Reden, soweit sie sich mit der verfilmten Geschichte decken, gehört William Monahan.

Jede weitere eigenständige Erzählung um die Personen des Geschehens sind meines Geistes und mein Besitz. Mit dieser fiktiven Romanvorlage zum Drehbuch von William Monahans Werk „Kingdom of Heaven" verdiene ich kein Geld und habe sie auch keinem Verlag angeboten.


Kapitel 16


Traum und Wirklichkeit

Balian und Sybilla waren glücklich. Sie verdrängten beide die Welt außerhalb Ibelins aus ihren Gedanken und liebten einander in den Nächten, bis sie vor Erschöpfung einschliefen. Tagsüber ging Balian seinen Pflichten nach, aber all seine Sinne sehnten sich nach seiner Prinzessin. Balians Männer und auch die Bewohner von Ibelin bemerkten die Veränderung in Balian. Er öffnete sich wieder und der Ballast, der auf seinen Schultern gelegen hatte, schien verschwunden. Alle freuten sich darüber und sahen die Liebe in Balians Augen, nur Almaric und Salem beobachteten dies mit gemischten Gefühlen. Sie liebten ihren Herrn und gönnten ihm von Herzen sein Glück, aber es war die Prinzessin, eine verheiratete Frau, und ihr Mann würde nach dem Tode Balduins der neue König werden. Die Folgen für Balian waren unausdenkbar, sollte dieser von der Liebe seiner Frau zu Balian erfahren.

Balian hatte den Blick Almarics und Salems wohl bemerkt und wußte, was sie fürchteten. Auch ihm war dies schon oft durch den Kopf gegangen. Er selbst hatte deshalb bis zuletzt gezögert, Sybilla seine ganze Liebe zu schenken. Aber sie hatte ihn und seine Zurückhaltung, seine Bedenken besiegt und all seine Kontrolle hinweggefegt. Sie hatte sich ihm gegeben, und er wollte dieses Geschenk genießen, solange es ging. Aber im Herzen dankte er seinen Männern für ihre Sorge.

Guy de Lusignan

Guy de Lusignan hatte sich entgegen seiner Behauptung zu Tiberias wieder mit dem Templer de Châtillion getroffen. De Lusignan verbrachte mehrere Wochen bei ihm auf der Burg Kerak und genoß dort die von ihm bevorzugte Gesellschaft. Er machte sich keine Gedanken um seine Frau. Diese Ehe war von der Königinmutter arrangiert worden. Es war nie Liebe im Spiel und diente ihm nur für sein Machtstreben. Wenn der König tot war, würde er die Krone erhalten, das war alles, was ihn interessierte. Und dann hatte er die Macht, alle die hinwegzufegen, die sich im in den Weg gestellt hatten oder es wagten, wie dieser kleine Emporkömmling d'Ibelin, ihn zu ignorieren.

De Châtillion und er planten weitere Angriffe auf Karawanen. Sie wollten einen Krieg mit Salah-al-Din. Sie waren von sich überzeugt, diesen Krieg zu gewinnen und dann noch mehr Land in Besitz nehmen zu können. Und wenn sie Salah-al-Din bezwingen konnten, dann würde die Umklammerung Jerusalems durch moslemisches Gebiet bröckeln und sie könnten die Ungläubigen aus ihren heiligen Stätten jagen.

Guy nippte von seinem Wein und blickte sehr zufrieden. Der König war sterbenskrank und es war abzusehen, wann seine Stunde schlug. Er mußte nur im Hintergrund bleiben und seinen Templerfreund de Châtillion die Drecksarbeit machen lassen. Aber so ab und an war er aus Lust am Töten dabei, wenn eine Karawane ausgelöscht wurde, es durften nur keine Zeugen zurückbleiben, damit Tiberias keinen Beweis für seine Schuld in die Hände bekam. Tiberias, der Statthalter und Vertrauter des Königs, hatte ihn schon lange durchschaut, hatte aber nichts in der Hand gegen ihn und seine Redlichkeit und diese, Guys Ansicht nach dumme Einstellung des Königs, daß jeder vor dem Gesetz gleich sei, verhinderten, daß er etwas gegen ihn unternahm. Er würde das sicherlich anders handhaben, wenn er König war. Diese, in seinen Augen, Schwäche würde er sich nicht erlauben. Und es war ihm gleich, ob bis dahin noch einpaar Templer mehr für seine Taten als Sündenböcke gehängt wurden.

Ein Reiter kam im hohen Tempo auf die Burg zugeritten und de Châtillion und Guy blickten interessiert auf den Ankömmling. Es war einer der Kundschafter, die sie ausgesandt hatten, um Karawanen von Moslems ausfindig zu machen. Der Soldat stieg von seinem Pferd, überließ es den Wachen und eilte hinauf in die Burg zu der Terrasse, auf der sich die hohen Herren befanden. Die Nachricht, die er brachte entsprach ganz den Wünschen der beiden Templer, und Reynald de Châtillion gab den Befehl zur Vorbereitung. Am nächsten Tag wollten sie sich auf den Weg zu dieser Karawane machen und sie in der Wüste Negev aus dem Hinterhalt überfallen. Und während Reynald sich zu seinen Männern begab, um entsprechende Befehle zu erteilen, trank Guy genüßlich seinen Wein.

Mittlerweile in Jerusalem

Tiberias saß mit dem König zusammen und sie sprachen über die Zukunft von Jerusalem. Balduins Kraft schwand und es war an der Zeit, Überlegungen zur Eindämmung des Schlimmsten, das nicht mehr verhindert werden konnte, vorzunehmen – Guy de Lusignan als König.

„Tiberias, glaubt Ihr, Godfreys Sohn wäre in der Lage, Guy die Stirn zu bieten, wenn er entsprechende Vollmachten zu meinen Lebzeiten erhielte?", fragte der König seinen Freund und Berater. Der Statthalter schwieg zunächst und ließ die Frage im Raum hängen, dann aber äußerte er seine Überlegungen:

„Wenn Ihr ihn als Heerführer der Jerusalemer Wachen einsetzt, kann er zumindest einen Teil der Soldaten für Jerusalem zurückhalten1., wenn Guy in seinen Krieg zieht, Er wird Guy nicht aufhalten können, es sei denn, Guy würde beseitigt, dann wäre Balian der Mann für den Frieden." Und nach einem kurzen Zögern sprach er weiter:

„Ich als Statthalter war Guy auch immer im Wege, und es kann gut sein, daß er mich absetzt, wenn er erst einmal König ist,. Aber ich bin mit meinen Rittern und meinem Besitz auf Zypern eine zu starke Macht, als daß er es wagen könnte, mich beseitigen zu lassen, ganz im Gegensatz zu Balian. Ich fürchte um sein Leben."

Der König nickte schweigend, diesen Gedanken hatte er auch schon gehabt. Das einzige, was er aber auch über seinen Tod hinaus für Balian, den Sohn seines Mentors, tun konnte, war, ihm Ibelin ganz zu überschreiben, das er einst aus Dank Godfrey hatte schenken wollen, der es aber aus Treue zu seinem König, nur als Lehen angenommen hatte. Damit könnte Guy es denen von Ibelin nur noch mit Waffengewalt nehmen, und hier traute er Balian doch zu, sich zu erwehren. Zudem war der junge Ibelin damit kein an das Königreich Jerusalem gebundener Ritter mehr, sondern ein freier Ritter wie Tiberias und konnte sich jederzeit den Plänen des Königs entziehen, ohne daß dieser ihn mit Repressalien unter Druck setzen konnte. Dieser Gedanke behagte Balduin sehr. Aber er dachte auch an seine Schwester. Mit einem eigenen Besitz war Balian mehr als nur ein belehnter Ritter mit dem Titel eines Barons. Er stieg im Stand zu einem freien Baron auf, und war damit in der Lage um sie zu werben, sollte sie eines Tages frei von Guy sein. Balduin dachte etwas sarkastisch über die Lage nach. Den Krieg, den Guy heraufbeschwor, würden sein geliebtes Jerusalem und das Königreich der Toleranz, wie er es sich erträumte, nicht überleben, aber er war sich gewiß, daß nach den Kämpfen seine Schwester so oder so frei sein würde., Wenn Balian dann noch lebte, könnte wenigstens seine geliebte Sybilla das Glück finden, daß er ihr so wünschte. Und zu Tiberias sagte er:

„Laßt eine entsprechende Verfügung aufsetzten, mit der das Lehen Ibelin und die Städte Beirut und Samaria vollständig in den Besitz von Ibelin übergehen.2 Alle Steuern und Einkünfte dieser Städte sind bereits ab dem Tag Christi Geburt dieses Jahres in die Kassen derer von Ibelin zu geben." Dann sah er Tiberias an und lächelte: „Ihr solltet dies Schreiben mehrfach aufsetzen lassen. Es soll an Balian, den Schatzmeister, den Magistraten für die Lehnsverwaltung ebenso gehen, wie an die genannten Städte und ehedem auch nach Frankreich, zur Familie Godfreys. Sollte Balian nach Frankreich zurückkehren müssen, soll er nicht ohne Mittel seiner Familie gegenübertreten."

Tiberias schmunzelte, sein König wollte absolut sicher gehen, daß niemand den Besitz Balian durch vernichten der Schreiben streitig machen konnte. Er nickte und fragte Balduin:

„Soll Balian das Schreiben übersandt werden oder wollt Ihr es ihm selbst geben?"

„Die Freude seine Reaktion zu sehen, will ich mir selbst vorbehalten. Er wird es erhalten, wenn er wieder in Jerusalem weilt." antwortete er und dachte schmunzelnd an seine Schwester, die nun schon seit fünf Wochen in Ibelin verweilte, dessen war er sich sicher.


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Bittersüßer Abschied

Balian und Sibylla verlebten in Ibelin glückliche Tage, aber auch diese Tage mußten einmal zuende gehen. Sibylla hatte es ebenso wie Balian die ganze Zeit verdrängt, aber sie mußte zurück nach Jerusalem, und morgen würde sie abreisen. Sie hatte Balian gedrängt, mit ihr zu kommen, aber er hatte sie nur in den Arm genommen und zärtlich küssend den Kopf geschüttelt. Sie wußte es selbst, daß er nicht mit ihr gehen konnte, sollte ihre Liebe geheim bleiben. Auch hatte er, außer der Sehnsucht nach ihr, keinen plausiblen Grund, sich jetzt in Jerusalem aufzuhalten.

Balian hatte den ganzen Tag auf den Feldern zugebracht. Ibelin hatte sich zu einem grünenden Garten unter der harten Arbeit der Bauern und seiner Hand entwickelt. Die Wasserversorgung klappte hervorragend, das erhoffte Ergebnis der unterirdischen Bewässerung der Palmen war eingetreten und hatte diesen wieder ihre Kraft und grüne Palmwedel beschert. Der Wind hatte aufgrund der brechenden Kraft der Palmen keine Möglichkeit mehr, über die Felder hinwegzufegen, und die Anpflanzungen verhinderten das weitere Abtragen der Erdkrume. Balian war sehr zufrieden, und die Menschen von Ibelin schenkten ihm ihre Freude und ihre Anerkennung. Balian war ein guter Herr, trotz seiner Jugend, aber was die Bewohner von Ibelin vielmehr an ihm liebten war, daß er sich kümmerte und für sie da war.

Am Abend war Balian erschöpft und bedrückt. Daß Sybilla gehen mußte war unausweichlich, aber wieder einmal mußte er die Frau, die er liebte, aus seinen Armen lassen und wußte nicht, ob es eine Zukunft geben würde. Balian ging ins Bad. Wie immer schickte er die persönlichen Diener und Latif fort. Er entkleidete sich und fing an sich mit den bereitgelegten Tüchern und dem Wasser aus einer großen Schale zu waschen. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Er drehte sich nicht um, sondern sagte nur:

„Geht! Ich sagte: ‚Ich will nicht gestört werden.'", und rieb sich weiter ab.

Da nahm ihm eine zarte Hand das Tuch aus seinen Fingern und fragte warm:

„Ich auch?" und fing an, seinen Rücken mit sanften Bewegungen zu waschen. Balian stützte sich an der Bank mit den Schüsseln ab und ließ sich Sybillas Behandlung gefallen. Dann drehte er sich langsam zu ihr um, nahm sie in seinen Armen gefangen und küßte sie lange und sehr zärtlich. Schließlich hob er den Kopf und sah sie fragend an, denn es war gefährlich, hier und jetzt zu ihm zu kommen. Sie hatten bislang immer die Form gewahrt und Balian war erst zu Sybilla gegangen, wenn es still im Haus geworden war. Und früh morgens, noch bevor der Tag graute, war Balian bereits auf den Beinen, so daß nie eine Zofe oder ein Bediensteter die beiden Liebenden zusammen ohne den ausreichenden Anstand gesehen hatte. Wenngleich die Liebe in ihren Augen ablesbar war, so war dies noch kein Beweis und sie genossen den Schutz der Nacht.

Sibylla aber umschloß Balians Gesicht mit den Händen und flüsterte nur:

„Ich will keinen Moment verschenken unserer letzten Nacht." und küßte seine Augen, seine Wangen, seine Mundwinkel, und er konnte nicht widerstehen und nahm ihren Mund wieder in seinen Besitz. Er ließ nicht von ihr ab, aber seine Hände streiften ihr Gewand von den Schultern, suchten ihre glatte Haut und den Samt ihres Körpers. Dann hob er sie plötzlich hoch, trug sie zum Becken ließ sie hineingleiten und kam dann zu ihr ins Wasser. Er setzte sich zwischen ihre Beine und begann sie mit einem Tuch sanft abzureiben und mit seiner Hand zu liebkosen. Er zog Sybilla noch näher zu sich heran, küßte ihre Grube unter dem Kehlkopf und ließ seine Hände immer wieder spielerisch über ihren Rücken wandern. Langsam zog er eine Linie mit Küssen von ihrem Kehlkopf bis zum Wasserspiegel, der gerade so ihre Brust umspielte. Er ließ sich langsam rückwärts ins Wasser sinken und zog Sybilla, die seine Lippen suchte, mit. Sanft hielt er sie in den Armen und stützte ihre Seite, damit sie bequem auf ihm liegen konnte und er so in den Genuß ihrer Zartheit und ihres schönen, schlanken Körpers auf seiner Haut kam. Das Wasser war wie eine schützende Decke um sie herum. Balian drehte seinen Kopf so, daß er ihre Lippen wieder finden konnte und streichelte mit seiner Hand Sybilla eine nasse Locke aus dem Gesicht, während er ihr fordernd und zugleich zärtlich einen Kuß stahl.

Seine freie Hand unterdessen fuhr ihr behutsam über ihre Brust und langsam über ihren straffen Bauch zu dem Haarnest, das ihre Weiblichkeit umkränzte. Sanft neckte er sie mit seinen Fingern und ließ sie wohlige Schauer erleiden, während er ein um das andere Mal ihren Mund mit seinen Küssen gefangennahm und sie kaum zu Atem kommen ließ. Sybilla wollte Balian in gleicher Weise verwöhnen, und erkundete seinen Körper, aber Balian hielt ihre Hand fest und ließ es nicht zu, daß sie ihn ebenso erregte, wie er sie. Statt dessen stand er aus dem kalt gewordenen Wasser auf, nahm sie auf seine starken Arme und trat aus dem Wasser. Er stellte sie sanft auf den Boden, nahm das bereitgelegte Tuch, wickelte seine Liebe darin ein und legte seine Arme fest um sie. Noch einmal küßte er sie liebevoll, dann hob er Sybillas Kleider auf und legte ihr das Gewand, das er zuvor von ihren Schultern gestreift, hatte wieder an.

„Du mußt gehen", flüsterte er ihr warm ins Ohr und küßte sanft ihre Schläfe. „Ich werde kommen, hab Geduld."

Damit drehte er sie Richtung Türe und schickte sie in ihre Gemächer. Sybilla streifte nochmals flüchtig seine Lippen mit den ihren und zog einen Schmollmund, aber er hatte recht, und so ging sie, ungesehen, wie sie kam. Balian hatte seine ganze Zurückhaltung aufbringen müssen, ihrer Versuchung zu widerstehen, aber das Wasserspiel hatte ihn mehr erregt, als es im Moment für ihn gut war und nur das Wasser hatte seinen Zustand verborgen.

Er goß sich das kalte Wasser, das sich noch in einem Krug befand, über Kopf und Körper und trocknete sich dann mit dem Handtuch ab, in das er kurz zuvor noch Sybilla eingewickelt hatte. Dann kleidete er sich mit dem Gewand an, das er diesmal sich aus seinem Zimmer mitgenommen hatte. Nur diese Tatsache, daß Latif gesehen hatte, wie er die Kleidungsstücke nahm, verdankten Balian und Sybilla, daß ihr Liebesspiel unentdeckt geblieben war, denn es war Latif, der allabendlich die verschmutzten Kleider holte und ihm neue auf den Stuhl neben der Türe legte, während Balian badete. Balian war sich sehr wohl der Gefahr bewußt, in der sie beide gewesen waren.

Langsam ging er in sein Zimmer und legte sich einen Moment aufs Bett. Er wollte Sybilla noch genügend Zeit geben sich zu richten, um dann mit ihm, wie jeden Abend, das Abendmahl im Zimmer an der Terrasse einzunehmen. Erst wenn es wieder ganz still im Haus geworden war, würde er Sybilla in ihre Gemächer folgen und würde sie wieder in seinen Armen halten, bis der Morgen seine ersten Strahlen über dem Firmament ausschickte und diesmal von Ihrem Abschied kündete.

Der Anfang vom Ende

Während dieser Tage, an denen Sybilla sich nach Balian sehnte und von dem Glück in seinen Armen in der Nacht träumte, schien eben dieses Glück eine Karawane verlassen zu haben. Unweit der Bergausläufer hin zur Negev-Wüste in Richtung „Totes Meer" überfielen Templer unter Führung vom Ritter de Châtillion eine Karawane, die sich auf dem Weg nach Gaza befand. Der Herr dieser Karawane war jener moslemische Zeuge, der Reynald bereits einmal bei Tiberias angezeigt hatte, und der Ritter war nur deshalb der Anklage entgangen, weil Aussage gegen Aussage stand und es keinen weiteren Beweis gab. Sie hatten ganz bewußt diese Karawane ausgesucht. Der Templer hatte noch eine Rechnung mit dem Moslem offen. Und Guy de Lusignan nahm die Gelegenheit wahr und tat, was er am liebsten tat, er tötete Andersgläubige und zerstörte damit Stück um Stück die Hoffnung auf dauerhaften Frieden, dem der kranke König Balduin nachhing.

Dieser schändliche Akt blieb nicht verborgen und in einer großen Ratssitzung in Jerusalem stritten die Parteien der gemäßigten Königstreuen gegen die Templer und Priester. Die Templer redeten sich frech darauf hinaus, daß die Karawane ein Heerzug war, die heiligen Stätten der Christen zu schänden. Die Debatte wurde hitzig und von vielen Zwischenrufen aus den Reihen der Ritter unterbrochen, zwischen Guy de Lusignan und Tiberias geführt. Guy ließ keine Gelegenheit aus, Tiberias und seine Einstellung zu den Moslems lächerlich zu machen, während der Statthalter auf die Gefährlichkeit ihres Handelns hinwies und versuchte, die Kraft von Salah-al-Dins Heer deutlich zu machen. Aber der Großmeister der Templer putschte die Ritter mit dem Kreuzzugsruf des Papstes auf: „Gott will es!" Und er bezichtigte Tiberias der Blasphemie, wenn dieser behaupten wolle, ein Heer Gottes könnte von Ungläubigen geschlagen werden.

Tiberias konnte darauf nichts mehr antworten, weil dieser Überheblichkeit, keine Erwiderung beikam, ohne daß er sich der Ketzerei schuldig machte, auch wenn sie noch so vernünftig war. Und André, der unter den Rittern saß, bedauerte seinen Freund. Sie beide hatten schon zu oft miterlebt, welches Grauen mordlüsterne Ritter im Namen des Herrn verübten und wie wenig man gegen die Fanatie dieser Menschen ausrichten konnte.

Der König hatte die ganze Zeit schweigend dem Disput gelauscht, bekam aber nun durch einen Ritter eine Nachricht mit dem Siegel eines Fürsten, dessen Lehen in der Nähe des Jordan lag. Er öffnete das Schreiben und las unbemerkt von denen, die sich noch immer stritten, die Zeilen. Als Tiberias resigniert sich an den König wandte, hob dieser die Hand und verkündete müde:

„Salah-al-Din hat den Jordan überquert – mit zweihunderttausend Mann."

Tiberias stieß ein Zischen aus und sprach dann in Richtung von Guy:

„Zuerst wird er auf Kerak3 marschieren."

Dann wandte er sich an den König, aber dieser hatte bereits seine Hand gehoben und gebot allen zu schweigen. Dann erhob er sich und Tiberias trat auf seinen Wink hin ganz nahe an ihn heran. Leise sprach der König zu seinem Statthalter:

„Wir müssen Salah-al-Din vor Kerak erreichen. Ich werde die Truppen führen."

Aber Tiberias wandte ein:

„Wenn Ihr reist, wird das Euer Tod sein."

Doch der König ging darauf nicht ein, sondern gab ihm den Auftrag:

„Schickt nach Balian, er soll die Menschen schützen."

Dann richtete sich der König auf und blickte auf die abwartenden Ritter und mit dem Befehl des Königs brach ein Tumult aus:

„Versammelt das Heer!"

Guy de Lusignan konnte sich beinahe ein freudiges und überhebliches Gesicht nicht verkneifen. Sehr zufrieden blickte er den Großmeister der Templer an. Endlich, endlich hatte er sein Ziel erreicht.

Es war die dritte Stunde nach Sonnenaufgang, als Balian Sybilla zu ihrem Pferd geleitete und ihr half, aufzusteigen. Ihr Gefolge wartete schon und es war Zeit, Abschied zu nehmen. Balian blickte zu der Frau auf, die er von ganzem Herzen liebte, aber nun wieder gehen lassen mußte. Was die Zukunft für sie bereit, hielt war fraglich. Für kurze Zeit hatten sie vergessen, daß sie die Prinzessin von Jerusalem und verheiratet war. Wenn Balduin tot war, würde ihr Gemahl König werden, für die Liebe zwischen ihnen war dies der Untergang.

Sybilla beugte sich von ihrem Pferd nieder und griff nach der Kette, die sie Balian geschenkt hatte. Sie nahm diese und hauchte einen Kuß auf den Anhänger. Balian blickt sanft und zärtlich zu ihr und Sybilla faßte in wenigen Worten Balians ganze Fragen an die Zukunft zusammen:

„Was wird aus uns werden?"

Und Balian antwortete aus dem tiefsten Empfinden um das Recht dieser Zeit:

„Das werden die Menschen entscheiden, wie es die Menschen immer entscheiden."

Und er wußte wohl, daß es keine Zukunft für sie geben würde, wie es in den Augen der Menschen und vor dem Recht zwischen einem Ritter und einer Prinzessin keinen Weg gab, ebensowenig wie zwischen einer verheirateten Frau und einem anderen Mann.

In diesem Moment kam ein Reiter vor den Toren Ibelins an, halb tot und sein Pferd fast zu Schanden geritten, brachte er Nachricht und Befehl vom König. Almaric war zu dem Reiter geeilt, der von einem Wächter gehalten und sein Pferd von einem zweiten fortgeführt wurde. Dann ging Almaric mit der Nachricht zu seinem Herrn.

„Der König ist auf dem Weg nach Kerak."

Balian blickte Almaric und Salem an, mit einem Wink gab er ihnen zu verstehen, daß sie sich im Haus über den genauen Befehl des Königs unterhalten würden. Balian bat Sybilla, nun nach Jerusalem zurückzukehren, aber sie weigerte sich:

„Mein Bruder reist nach Kerak. Dies könnte sein Ende bedeuten. Ich werde mit Euch kommen, um meinem Bruder beizustehen."

Balian wollte noch etwas dagegen sagen, aber er sah die Entschlossenheit in Sybillas Gesicht und in diesem Moment hatte sie die Gegenwart wieder eingeholt. Sybilla war wieder ganz die Prinzessin, die keinen Widerspruch duldete und von Rittern des Königreiches erwartete, daß sie sich fügten und ihren Befehlen gehorchten. Balian nickte nur stumm und verschloß sich, um niemanden den Schmerz, den er im Herzen fühlte sehen zu lassen. Aber Almaric und Salem kannten Balian inzwischen zu gut und sahen an der ganzen Spannung seines Körpers das Leid, das er empfand, aber sie konnten ihm nicht helfen.

Noch am selben Tag brach Balian mit seinen Männern und dem Gefolge der Prinzessin in Richtung Kerak auf. Von Balians hundert Soldaten waren fünfzehn in Jerusalem geblieben, die in regelmäßigen Abständen ausgetauscht wurden, weitere zehn Männer ließ Balian auf Ibelin zurück, damit diese für die Sicherheit sorgten. Fünf seiner Männer waren seit dem Morgen bereits auf Patrouille unterwegs, so daß Balian ein Trupp von siebzig Männern für die Sicherheit der Menschen von Kerak ins Feld führte. Der König hatte in seiner Botschaft mitgeteilt, daß er aufgrund der Rücksichtslosigkeit Reynald de Châtillions befürchtete, daß die Menschen aus den Dörfern um Kerak dem Angriff Salah-al-Dins schutzlos ausgeliefert sein würden und bat Balian, sie zu schützen. Balduin bat Balian darum, er befahl es nicht. Er war sich sicher, daß der junge Ibelin auch ohne die harten Worte eines Befehles diesem Wunsch nachkommen würde, denn er fühlte sich zutiefst an seinen Eid als Ritter gebunden.

Sie nahmen genügend Wasser mit und wählten den kürzestmöglichen Weg, ohne wie der Bote, der die Nachricht gebracht hatte, ihre Tiere oder sich selbst zu zermürben. Es hatte wenig Sinn, wenn sie Zeit sparten, aber dann nicht mehr zu einem Kampf in der Lage waren. Aber was sie bei Kerak erwartete, wußten sie nicht. Balduin hatte in seiner Nachricht nicht mitgeteilt, wie groß das Heer Salah-al-Dins war. Und so ritten sie mit kurzen Pausen für die Pferde über den Mittag hinweg bis weit in den Abend. Es war fast schon ganz dunkel, als sie endlich Lager aufschlugen. Es wurde nur ein dürftiges Lager und selbst die Prinzessin mußte sich mit Decken als Lager auf dem Boden begnügen. Aber Sybilla beschwerte sich nicht, war ihr doch die Dringlichkeit ihres Auftrages bewußt. Es schmerzte sie nur, wie sich Balian vor ihr zurückgezogen hatte. Er wollte sie in Sicherheit in Jerusalem wissen, aber sie konnte ihn nicht verlassen und selbst in der Angst verweilen, daß ihm vor Kerak etwas geschehen könnte. Ihr Bruder war für sie nur eine Ausrede, aber sie mußte als Herrin zu Balian sprechen, damit er seinen Widerstand gegen ihren Wunsch aufgab. Wie sehr das Balian geschmerzt hatte, konnte sie in seinen Augen sehen. Und sie wußte instinktiv, daß sie gegenüber Balian nie wieder würde so handeln dürfen, wollte sie nicht, daß er seine Liebe ob ihres Rangunterschiedes in seinem Herzen für immer verschloß.


Anmerkungen

1> Bezug zum Film Im Verteidigungskampf Jerusalems sieht man die Farben und Wappen der Jerusalemer Garde, aber im Verhältnis zu wenige und keine Ritter.

2> Eine kleine Hintertüre, damit eine mögliche Basis bei einem Nachfolgeroman vorhanden ist.

3> Bezug zum Film Hier liegt zwischen Film, Skript und realen örtlichen Begebenheiten eine Diskrepanz vor, die nicht wirklich gelöst werden kann. Näheres im Glossar


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Glossar kann hier downgeloadet werden: http/rapidshare.de/files/17947832/Glossar.doc

Die Kapitelbilder sind unter www. beim Hoster photopucket abgelegt und dort zu finden unter/albums/a310/sabaul/Roman KOH