Disclaimer

Die Figuren, soweit sie von Drehbuchautor William Monahan eigenständig entwickelt und/oder gegenüber ihren historischen Vorbildern abgeändert wurden, sind geistiges Eigentum von William Monahan und auch die Handlung und Reden, soweit sie sich mit der verfilmten Geschichte decken, gehört William Monahan.

Jede weitere eigenständige Erzählung um die Personen des Geschehens sind meines Geistes und mein Besitz. Mit dieser fiktiven Romanvorlage zum Drehbuch von William Monahans Werk „Kingdom of Heaven" verdiene ich kein Geld und habe sie auch keinem Verlag angeboten.


Kapitel 17


Salah-al-Din

Sie waren fünf Tage harten Rittes unterwegs und dennoch hatte Balian durch stetes, aber nicht zu hohes Tempo und häufige kurze Raste oder Phasen, in denen sie die Pferde führten, dafür gesorgt, daß zwar angestrengte, aber nicht erschöpfte Männer Kerak erreichten und auch die Tiere noch ausgeruht genug waren. Sie erreichten Kerak zu einem Zeitpunkt, an dem die Menschen bereits in panischer Flucht vor der Ankunft Salah-al-Dins Heer waren. Balian konnte nirgends um die Burg Kerak Ritter oder Soldaten sehen, die den Menschen halfen und Unwille machte sich in ihm breit. Almaric lenkte sein Pferd an Balians Seite und machte ihn auf eine Reiterschar in der Ferne aufmerksam:

„Reiter von Salah-al-Din. Sie sind gekommen, um die Burg einzuschließen."

Balian blickte in die gezeigte Richtung. Almaric hatte mit seiner Vermutung wohl recht, denn aus der langgestreckten Reiterkette war nur eine Folgerung möglich. Balian atmete tief durch. Jetzt mußte er sich als Ritter beweisen und seinen Männern Führer und Vorbild sein. Das war der Moment, der schwer auf seinen Schultern gelastet hatte, seit sein Vater ihn zum Ritter geschlagen hatte. Würde er sich bewähren? Würde sich nun zeigen, daß er den Ritterschlag verdiente, oder würde er im Kampf versagen und ihn sein Mut verlassen?

Balian dachte zurück an den Kampf im Wald an der Seite seines Vaters und dessen Männer. Er hatte schon im Kampf getötet, aber damals war es schierer Überlebenswille gewesen, und er hatte nur für sich allein, ohne Verantwortung für andere, gekämpft. Hier und heute würde er seine Männer in diesen Kampf führen, und jedes Leben war ihm anvertraut. Jeder der starb, starb letztlich auch durch ihn. Und wenn sie kämpften, war es möglich, daß er sah, wie seine Männer, seine Freunde, um ihn herum fielen. Das war die Angst, die Balian tief in sich spürte, das war es, warum sich Balian fürchtete, zu versagen. Diese Gedanken waren in nur wenigen Augenblicken durch seinen Kopf gegangen, dann schob er sie entschlossen beiseite und wandte sich an die Prinzessin:

„Ihr begebt Euch nun besser in die Burg", empfahl er ihr, hätte aber auch keine Widerrede geduldet.

Sybilla sah ihm noch einmal tief in die Augen. Sie sah, daß Balian sich innerlich auf den Kampf vorbereitete und wußte, daß sie ihn nun mit ihren Gefühlen und ihrer Angst um ihn nicht belasten durfte. Sie nickte kurz, gab dann ihrem Gefolge den Befehl zum Anreiten und machte sich gleich der Flüchtenden auf den Weg zur Burg, die auf einer Anhöhe mitten in einer Ebene stand und so alles kontrollierte und überblickte. Die Feste wirkt schwer und dunkel, aber in ihrer Massigkeit war sie nun ein willkommener Hort für alle, die Schutz suchten. Nachdem die Prinzessin mit ihren Reitern an ihrem Zug vorbei war, trabte Balian an und ritt mit seinen Männern hinaus auf die Ebene, den Reiterscharen Salah-al-Dins entgegen und hielt erst wieder sein Pferd an, als er eine Gruppe Brunnen hinter sich gelassen hatten.

Balian zügelte sein Pferd und sah sich um. Unzählige Menschen waren noch mit der wenigen Habe, die sie tragen konnten, auf dem Weg zur Burg und die Reiter kamen immer näher. Er und seine Männer würden kämpfen müssen, um diesen Menschen Zeit zu verschaffen. In diesem Augenblick hatte sie ein Bote aus der Burg eingeholt. Er trug das Wappen der Templer, war gerüstet, trug aber keinen Helm. Er ritt die lange Reihe der Soldaten Ibelins ab und rief dabei immer wieder

„Mein Herr Balian! Mein Herr Balian!"

Balian bewegte sein Roß einige Schritte nach vorne, um sich dem Reiter zu erkennen zu geben. Dieser hielt, nun wissend, wen er anzusprechen hatte, sein Tier bei ihm und brachte ihm die Botschaft:

„Mein Herr Balian, mein Herr Reynald bittet Euch, Euer Heer in die Burg zu führen." Er blickte den jungen Ritter von Ibelin erwartungsvoll an.

Balian aber antwortete:

„Nein danke, wenn ich das tue, werden diese Menschen ohne Schutz sein. Wir werden die Reiter Salah-al-Dins solange aufhalten, bis der König eintrifft."

Dies war eine fromme Vorstellung, das wußte er bei der Größe der Reiterei, die auf sie zukam, aber was anderes konnte er schon tun oder sagen? Der Bote nickte schweigend, blickte ihn aber voller Achtung an und erwiderte, bevor er sich wieder auf den Weg in die Burg machte:

„Wie Ihr wünscht." und neigte zum Abschied den Kopf in Balians Richtung.

Nachdem der Bote fort war, lenkte Almaric sein Pferd aus den Reihen der Reiter an Balians Seite und meinte nur:

„Wir können sie nicht angreifen und überleben."

Dieser Gedanke war auch in Balian schon gereift. Er wollte seine Männer nicht in einen aussichtslosen Kampf führen, auch wenn es für ihn keinen anderen Weg gab, und so fragte er Almaric:

„Werdet Ihr mir zur Seite stehen?", und in seiner Stimme war seine Bitte, aber auch sein Anerbieten an die Männer, zu hören, sich ihren Weg selber zu suchen. Almaric lächelte, da war er wieder, der Balian, der sich mehr um die Menschen sorgte, die ihm anvertraut waren, als um sich selbst, und er erwiderte mit Inbrunst und nickte dazu mit dem Kopf: „Ja, mein Herr."

Balian blickte ihn noch einmal an und zog dann sein Schwert. Er hielt es einen Moment in Ehrerbietung vor sich, bat seinen Vater um Kraft und küßte das Schwert als Zeichen des Kreuzes, das es in seiner Form darstellen konnte. Dann hob er es hoch über seinen Kopf und trabte an, seine Männer folgten ihm geschlossen. Balian legte während des Rittes der Annäherung an die Feinde das Schwert scheinbar lässig an seine Schulter, wie es auch schon sein Vater getan hatte, und einmal mehr war er ihm ähnlicher in seinem Gebaren und seinem Handeln, als ihm selbst bewußt war.

Sybilla, inzwischen in der Burg eingeritten, wurde von dem feisten Ritter Reynald empfangen, der es nicht nötig befand, seine Männer zum Schutz der Menschen auszuschicken, deren Steuern seinen Reichtum erst ermöglichten. Er führte sie auf eine Terrasse im zweiten Burgring, hoch über der ersten Festungsmauer, von wo aus man die Ebene und das Schauspiel, das sich ihnen darbot, beobachten konnte. Als Sybilla nun sah, welcher Übermacht die Männer Balians gegenübertraten, krampfte sich ihr Herz zusammen. Balian stellte sich mit seinen Männern den Reitern Salah-al-Dins, um den Rückzug der Hilflosen zu sichern, die von dem Ritter Stich gelassen wurden, der als Herr dieses Lehens zu ihrem Schutz verpflichtet gewesen wäre. Ihr wurde bewußt, daß Balian keine Chance haben würde, und daß sie nun, wo sie unbedingt mit hierher kommen wollte, seinen Tod würde mitansehen müssen. Und wäre Sybilla nicht eine Prinzessin gewesen, die es gelernt hatte ihre Gefühle vor der Öffentlichkeit zu verbergen, sie wäre in diesem Moment in die Räumlichkeiten der Burg geflohen, um sich diesem Entsetzen zu entziehen.

Balian und seine Männer hatten inzwischen ihre Pferde zu einem scharfen Galopp angetrieben, um noch mehr Abstand zur Burg zu erreichen, bevor sie auf die moslemischen Krieger trafen. Diese hatten dies erkannt und waren ebenso in ein hohes Tempo verfallen. Dabei hielt sich ihre Mitte etwas zurück, so daß es von Balian und seinen Leuten trotz breiter Fächerung im Angriff nicht verhindert werden konnte, daß sie von den Flanken der moslemischen Reiter umrundet und eingeschlossen wurden. Der Aufprall der Kämpfer beider Seiten war verheerend und es entbrannte ein gnadenloser Kampf. Viele von Balians Männern waren direkt von ihren Pferden gerissen worden und befanden sich bereits in einem Kampf zu Fuße, während Balian noch auf seinem Pferd saß, Schwerthiebe um sich herum verteilte und sich gegen andere Reiter erwehrte. Dann wurde sein Pferd durch einen gnadenlosen Hieb gegen die Läufe zu Fall gebracht. Er konnte gerade noch sein Bein wegziehen, bevor der schwere Körper des Rosses es unter seinem Leib zermalmen konnte oder eingequetschte. In dem Moment, als Balian sich wieder aufrichten wollte, sah er, wie ein Reiter ihm seine Lanze in den Körper stoßen wollte. Er rollte sich mit einer reflexartigen Bewegung über den Körper seines toten Pferdes hinweg und der Stoß verfehlte sein Ziel. Balian kam wieder auf die Beine und kämpfte gegen unzählige moslemische Männer. Sie waren überall um ihn herum und er konnte sich immer nur kurz Luft verschaffen und sehen, wie es seinen Soldaten erging. Almaric und Salem waren noch auf den Beinen und kämpften unweit von ihm. Viele andere lagen niedergestreckt. Ob sie noch lebten, konnte er nicht erkennen und abermals mußte er sich gegen Angriffe wehren. Während er die Hiebe von zwei Kämpfern vor sich abfing, bekam er einen heftigen Schlag ins Genick. Mit einem Male wurde es schwarz vor seinen Augen. Den zweiten Hieb, der ihn endgültig in die Knie zwang und niederstreckte, spürte er nicht mehr. Balian war bereits bewußtlos, als sein Gesicht den Boden berührte.

Die Reitereien Salah-al-Dins kamen auf der Ebene zur Ruhe. Sybilla blickte wie gebannt auf die Schlacht, von der aber durch den von den Reitern aufgewirbelten Staub keine Einzelheiten erkennbar waren. Als sie bemerkte, daß die Reiter ihre Pferde zügelten, wußte sie, daß es vorbei war. Sie schloß in einem Moment tiefster Verzweiflung ihre Augen und nahm in ihrem Herzen Abschied von dem Mann, den sie so liebte; dann öffnete sie wieder die Augen und verbannte alle Gefühle tief in ihr Innerstes und war wieder ganz die Prinzessin.

Freund und Feind

Auf der Ebene wurden inzwischen die überlebenden Männer Balians zusammengetrieben und sie saßen in Gruppen bewacht zusammen. Sie waren alle sehr mitgenommen, hatten aber nur leichte Verletzungen. Nur einigen ging es schlechter, und an Verlusten hatten sie überraschend wenige, obwohl sie hart gegen die moslemischen Reiter vorgegangen waren und diese deshalb schlecht zurückhaltend kämpfen konnten. Aber im Eifer des Kampfes war es niemandem aufgefallen, um so mehr erstaunte dies nun Almaric und Salem, wie auch alle anderen Männer Ibelins. Sie fragten sich, was die Moslems mit ihnen vorhatten.

Dann wurde Balian, ihr Herr, der noch immer nicht sein Bewußtsein wiedererlangt hatte, von vier Männern an ihnen bäuchlings vorbeigetragen und ein fünfter trug sein Schwert. Als sie vor dem Anführer der Reiterei angekommen waren, ließen sie ihn einfach fallen und der Schwertträger warf Balians Waffe neben ihn. Der moslemische Herr fuhr mit seiner Schwertspitze durch Balians Haar, um die Lage seines Gesichtes erkennen zu können und stieß dann die Waffe eine handbreit vor seinen Augen in die Erde. Almaric und Salem blickten verwundert, sie hatten mit dem Todesstoß für ihren Herrn gerechnet, aber diese Geste des Erbarmens machte ihnen Hoffnung.

Balian erwachte, öffnete seine Augen und wurde von dem Sonnenstrahl geblendet, der sich auf dem Schwert vor ihm spiegelte. Er hob seinen Kopf, richtete sich etwas auf seinen Händen auf und blickte langsam nach oben. Unterdessen hörte er eine ihm sehr vertraute Stimme einen Satz sprechen, den er in Jerusalem von seinem ersten Freund in diesem fremden Land zum Abschied als Gruß erhalten hatte:

„Deine Güte wird unter deinen Feinden bekannt sein, bevor du ihnen begegnest", sprach der Anführer und Balian sah auf und direkt in die Augen Saifs, des Mannes, dem er selbst vor nicht allzulanger Zeit das Leben geschenkt hatte und der ihm Freund geworden war. Und ihm erschloß sich nun das Rätsel um sein Benehmen, seine Rede und den Respekt, der ihm in der Oase entgegen gebracht wurde, in der sie als erstes rasteten.

„Ihr seid nicht sein Diener gewesen"; stellte Balian mehr fest, als er fragte.

Und Saif lachte und erwiderte:

„Nein, mein Freund, er war meiner."

Balian hatte sich inzwischen, obwohl ihm der Kopf dröhnte und ihm immer wieder etwas schwarz vor Augen wurde, auf die Knie gekämpft. Er hatte dabei aufgestöhnt. Den Schmerzenslaut konnte er nicht unterdrücken, denn sein Kreuz brannte von dem Hieb, als wäre die Waffe aus glühendem Eisen gewesen. Balian war aufgefallen, daß Saif beinahe schon zugreifen und ihn stützen wollte, aber daß er sich als Anführer der Reiter nicht dazu hinreißen lassen durfte. Als Balian dann kniete und sich auf seinen Fersen zurücksetzte fragte er Saif:

„Was wird mit uns geschehen?"

Und Saif antwortete milde:

„Ihr erntet was Ihr gesät habt. Dieses Sprichwort kennt Ihr doch, oder?"

Und Balian blickte ihn verhalten an. Dieses Sprichwort konnte vieles aussagen; denn wenn es sich auf das bezog, was Guy und Reynald als Ritter des Königreiches Jerusalem getan hatten, dann war es um ihn und seine Männer geschehen, war er doch gleichermaßen ein Ritter König Balduins. Aber Saif, der sah, daß Balian eigentlich mit dem Schlimmsten rechnete, winkte ihm und befahl:

„Steht auf, mein Freund."

Balian richtete sich mit Hilfe seines Schwertes auf und stütze sich dann auf diese Waffe, die ihm nicht wieder abgenommen worden war. Er hielt seinen Rücken etwas gekrümmt und schwankte leicht, aber sonst war er unverletzt. Almaric und Salem beobachteten verwundert das Geschehen. Sie saßen nahe genug, um das Gespräch mit anzuhören und sie erinnerten sich an die Gerüchte, die vor Balians Ankunft bereits in Jerusalem kursierten und an die Worte des Aussätzigen, dem Balian Wasser reichte. Sollte sich Balian, ihr Herr, noch bevor er richtig in Amt und Würden eingesetzt war, als gütiger Mensch und gerechter Ritter einen Namen unter den Moslems gemacht haben? Wieder einmal überraschte sie Balian und ihre Hoffnung auf ein Überleben stieg.

Saif war ein wenig vor Balian auf und ab gegangen und hatte dann in die Ferne auf die Ausläufer der Berge gesehen. Dort waren bereits die Wimpel und erste Fußtruppen von Salah-al-Dins Heer zu erkennen, dann sprach er zu ihm:

„Ihr könnt nach Kerak zurückkehren, mein Freund, aber Ihr werdet dort sterben. Mein Herr, ist gekommen."

Er blickte Balian an und sah, wie dieser seinem Blick gefolgt war und ebenfalls das Heer wahrgenommen und das ganze Ausmaß begriffen hatte. Saif sah in Balians Augen, daß er wußte, daß diese Gnade und der Freundschaftsdienst von ihm nur geschenkte Zeit war. Balian sagte nichts. In diesem Moment aber, in dem Saif Balian anblickte, fielen ihm am Horizont ein Glitzern und eine Staubwolke auf, die sich langsam etwas lichtete und den Blick auf ein weiteres Heer freigab. Saif drehte sich um und winkte einem Reiter, zu dem er sprach:

„Sagt Salah-al-Din, Jerusalem ist gekommen."

Bei diesen Worten drehte Balian ein wenig den Kopf, gerade soweit, daß er ebenfalls entdecken konnte, was Saif vor ihm gesehen hatte. Nun lag alles in der Hand Gottes und der zwei mächtigsten Männer, die nun aufeinander zuritten.

Sybilla konnte immer noch nicht erkennen, was sich auf der Ebene tat, aber sie konnte sehen, daß viele Männer am Boden saßen. Vielleicht war Balian doch noch am Leben. Dann konnte sie beobachten, wie Salah-al-Din und ihr Bruder mit je einer kleinen Eskorte aufeinander zuritten und die letzte Distanz alleine ihre Pferde zueinander lenkten. Keiner konnte hören, was dort gesprochen wurde, alle starrten sie gebannt auf die Szenerie. Zwei riesige Heere standen sich gegenüber und die Herren ihrer Welten verhandelten. Es konnte Frieden geben oder hier und heute zu einer entsetzlichen Schlacht kommen. Keiner konnte sagen, wie das Schicksal entscheiden würde. Dann hoben beide Anführer ihre Hände zum Gruß und Salah-al-Din wendete sein Pferd und gab mit einer Handbewegung seinen Heerführern den Befehl zur Umkehr, während Balduin sein Pferd im Trab in Richtung Burg lenkte. In Sybilla breitete sich ein Gefühl der Erleichterung aus und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.

Während Salah-al-Din abzog und sich nun auch die Reiter von Saif auf die Pferde schwangen, standen sich Balian und Saif sich zum Abschied gegenüber. Beide sagten nichts, sahen sich an, und dann reichte Balian seinem Freund die Hand. Saif ergriff sie und meinte zu Balian:

„Allah war heute gnädig, mein Freund. Ich erkannte noch vor dem Angriff dein Wappen und habe einen entsprechenden Befehl ausgegeben, dich und deine Männer zu schonen, soweit es ging. Bitten wir beide unseren Herrn, daß er uns nie wieder in eine solche Situation bringen möge, und wenn doch der Kampf unumgänglich ist, wir nie wieder einander gegenüberstehen stehen müssen."

Balian lächelte sanft und erwiderte:

„Es ist wie du sagst, mein Freund, und ich verdanke dir mein Leben."

Aber Saif schüttelte den Kopf und lachte ihn an:

„Nein Balian, Freunde sollte so etwas für einander tun."

Und Balian nickte ihm dankbar zu und verabschiedete sich mit dem Gruß:

„Salam 'alaykum" (der Friede sei mit euch).

Saif blickte traurig auf seinen Freund und erwiderte:

„'alaykum as-Salam" (mit Euch sei der Friede) und sie trennten sich abermals ohne zu wissen, ob sie sich nochmals wiedersehen würden. Aber beide befürchteten, daß sie sich im Kampf wieder begegnen würden, früher oder später.

Die Männer von Balian hatten ihre Waffen zurückerhalten und waren ebenfalls, soweit noch Pferde vorhanden waren, einzeln oder zu zweit aufgesessen. Almaric und Salem beobachteten die Szene zwischen Saif und Balian. Sie konnten alles hören, was die beiden Freunde untereinander austauschten, und sie dankten im Stillen ihrem Herrn für die Freundschaft zwischen diesen beiden Männern.

In der Burg Kerak liefen derweilen die Vorbereitungen den König zu empfangen. Die Templer nahmen Aufstellung im ersten Bering und Tiberias ließ Reiter der Jerusalemer Truppen zur Sicherheit des Königs ebenfalls dort ihren Platz einnehmen. Als Balian und seine Männer sich Richtung Heer wandten, wurden sie von einem Boten des Königs in die Burg gerufen. Jetzt standen sie neben dem Burgtor und sahen, wie der König durch ein Spalier von Jerusalemer Reitern sein Pferd lenkte und in den Burghof einritt. Reynald kam in wallenden Gewändern, offenem Haar und bloßen Hauptes in den Burghof geschritten und verkündete lauthals seinen Namen und Anspruch. Der König, dessen Pferd von einem Rittmeister dazu gebracht wurde, sich zu senken, glitt aus dem Sattel und ging auf Reynald de Châtillon zu. Dieser verbeugte sich vor dem König, war aber zu mehr nicht gewillt. Dann aber kam die unerbittliche Stimme des Regenten:

„Kniet nieder!"

Und der Templer ging in die Knie, aber das war Balduin noch nicht genug. Zischend forderte er:

„Tiefer!"

Und er ging tiefer und gab so händeringend, wie er nun vor dem König lag, gar nicht mehr den so überheblichen Ritter ab. Balian und Almaric sahen dies mit einer gewissen Genugtuung, aber auch mit Abscheu. Dann zog Balduin von seiner linken Hand mit einem Ruck den Handschuh herunter, und sichtbar wurde eine, von Aussatz entstellte Hand, an der aber immer noch der Ring mit dem königlichen Siegel steckte. Und Balduin hielt dem Templer die Hand hin und verlangte:

„Ihr werdet mir jetzt den Friedenskuß geben!"

Reynard zögerte, griff aber dann doch nach der Hand und küßte sie. Mit einer plötzlichen Wucht schlug der König dem Templer die Gerte ins Gesicht. Er versetzte dem Ritter mehrere Hiebe. Die Kraftanstrengung, die ihn das kostete, ließ Balduin, als er sich dann von Reynard abwandte, schwanken und stürzen. Tiberias' helfende Hand richtete den König wieder auf und mit Hilfe zweier Wachen gelangte der kranke König zu einer Sänfte, die für ihn bereitgestellt war. Tiberias ging nochmals zu dem Templer:

„Reynald de Châtillon, Ihr seit gefangen und verurteilt!" Zu diesen Worten winkte er zwei Wachen hinzu, die den Ritter in ihren Gewahrsam nehmen sollten.

Unterdessen winkte Balduin in Richtung Balian, der junge Ritter sollte zu ihm kommen. Zunächst war sich Balian nicht sicher, ob der König wirklich ihn zu sich gewunken hatte, aber dann trat er aus der Reihe seiner Männer, die ihm verehrend mit ihren Blicken folgten, trat zu der Sänfte und kniete nieder.

Balduin sammelte all seine Kräfte und sprach zu dem jungen Ritter, der genau so gehandelt hatte, wie er es erhofft hatte, und der sich wegen seiner Tat und der Bereitschaft, für die Menschen in Not in den Tod zu gehen, die Achtung der anwesenden Ritter erworben hatte und nun wahrlich auch als Ritter anerkannt wurde:

„Wenn Ihr so weiter macht, werde ich eine Aufgabe für Euch finden müssen."

Einen Moment betrachtete er Balian, der so gar nicht achtungsheischend vor ihm kniete und fuhr dann fort: „Wenn Euch Gott entbehren kann."

Da nahm Balian kurz seinen Kopf hoch und blickte in die Augen seines Souveräns und erwiderte, während er den Kopf wieder senkte:

„Gott kennt mich nicht", und er sagte dies mit einer Inbrunst, daß sich der König zu der Entgegnung genötigt sah:

Aber ich kenne Euch!"1, und mit einem Wink gab er Tiberias zu versehen, daß das Gespräch beendet war und dieser ließ die Sänfte anheben und davontragen.

Balian hatte bei den letzten Worten Balduins ruckartig den Kopf gehoben und seinen König ob der heftigen Erwiderung angesehen und blickte ihm nun, stehend, nach. Tiberias war von hinten an ihn herangetreten und legte seine Hand anerkennend oder auch beruhigend als Freund auf die Schulter und drückte sie kurz zur Bestätigung. Dann wandte er sich seinem Pferd zu und stieg auf. Er ritt neben Balian, der noch immer an derselben Stelle stand und dem König hinterher blickte, beugte sich zu ihm hinunter und sagte ihm auffordernd:

„Ich brauche dich in Jerusalem."

Balian wandte sich zu ihm und nickte als Zeichen, daß er verstanden hatte, während der Freund anritt und die Burg verließ. Balian indes fragte sich, warum der König es für nötig hielt, durch seine Entgegnung und die Art, wie er sie formulierte, Balian zu zeigen, daß er seine Aufmerksamkeit hatte. Er wandte sich an seine Männer und blickte sie an. Balian mußte sich jetzt entscheiden, ob er gleich mit dem Heer zurück nach Jerusalem ritt, oder ob er erst nach Ibelin zurückging. Seine Soldaten waren zum Teil verletzt, nicht schwer, aber sie hatten hart gekämpft und es verdient zu ihren Frauen und Kindern zurückzukehren. Balian würde dann, mit ein oder zwei Männern nach Jerusalem reiten, wo ihn Tiberias sicher nicht vor Ablauf der nächsten zwei Wochen erwartete. Das Heer konnte nicht so schnell zurück, und auch der König in seiner Sänfte würde keinen Gewaltmarsch machen. So entschied sich Balian, zunächst zur Oase Har Karmel zu reiten und die Männer dort zu versorgen, und dann am morgigen Tag den gleichen Weg nach Ibelin zurückzukehren, den sie gekommen waren. Er gab Almaric einen Wink und die Order, für Reittiere zu sorgen, während er sich noch einmal zur Prinzessin wandte, die bei ihrem Gefolge stand und sich zum Aufbruch fertig machte. Balian verneigte sich, um vor aller Augen die Form zu wahren und Sybilla winkte ihn zu sich heran, daß er ihr auf das Pferd helfen konnte. Auf diese Weise hatten sie einen kurzen Moment, wo sie einander nochmals in die Augen sahen und Sybilla ihn ihr Glück erkennen ließ, daß ihm nichts geschehen war. Dann war dieser Moment auch schon vor rüber und Sybilla ritt mit ihrem Gefolge an die Seite ihres Bruders zum Heer.

Das Heer Salah-al-Dins hatte sich in ein Tal Richtung nahe der Grenze in Richtung Amman zurückgezogen. Der Vorfall an der Burg Kerak war schon einige Tage her, als ein Trupp Reiter mit den Wimpeln des Ajatola von Damaskus, oberster geistlicher Berater Salah-al-Dins, in das riesige, wohlgeordnete Heerlager einritt.

Der Ajatola Sajid Rakin betrat ohne Aufforderung das Zelt des Sarazenenführers und grüßte ihn, wie es üblich war. Salah-al-Din, der mit Saif gerade in einem Gespräch war, unterbrach sich und erwiderte den Gruß, blieb aber gegenüber seinem Gast sitzen, während Saif sich wie ein Wächter erhob und sich demonstrativ zwischen dem Geistlichen und seinem Herrn postierte. Sajid Rakin bemerkte dies mit Verwunderung, aber ging nicht weiter darauf ein, sondern fragte Salah-al-Din direkt:

„Warum haben wir uns zurückgezogen? Warum?" Und an diese Frage, die etwas Vorwurfhaftes hatte, fügte er an: „Gott war nicht mit ihnen. Gott alleine bestimmt den Ausgang eines Krieges."

Salah-al-Din nickte und sprach ruhig, fast wie ein weiser Vater zu seinem unwissenden Sohn:

„Gott bestimmt den Ausgang eines Krieges, aber auch die Vorbereitung, das Vorhandensein von Wasser, das Ausbleiben von Krankheiten. Man kann keinen Kampf gewinnen mit dem Feind im Rücken."

Völlig entgeistert entgegnete ihm darauf der Geistliche:

„Wenn Ihr so denkt, werdet Ihr nicht lange König bleiben."

Bei dieser Drohung erhob sich Salah-al-Din und auch Saif war grimmig schauend näher getreten. Dann aber hatte sich der Sarazenenfürst wieder unter der Kontrolle und erwiderte ebenso ruhig wie vorher:

„Wenn ich meine Krone verlieren sollte, nur wegen Verstöße gegen den Islam, gut. Ich danke für deinen Besuch.", damit erklärte er das Gespräch für beendet und reichte dem Gast die Hand. Sajid Rakin hatte gemerkt, daß er zu weit gegangen war, etwas unsicher blickte er auf die dargebotene Hand und ergriff sie dann.

„Ihr habt versprochen Jerusalem zurückzuerobern. Vergeßt das nicht.", mit diesen Worten verließ er das Zelt.

Saif und sein Herr blickten sich an, wie bei den Christen gab es Kriegstreiber und Unbelehrbare. Es war nie leicht, unter solchen Umständen den Frieden zu wahren, und es würde vorbei sein, wenn der junge König sich seiner Krankheit ergab. Und das Ende des brüchigen und sehr empfindlichen Friedens zwischen Salah-al-Din und Balduin würde bald kommen, denn der Sarazenenanführer hatte gesehen, wie schwach der König schon geworden war. Es tat ihm leid und er hatte den Frieden aus Respekt und Anerkennung für diesen Herrscher gewahrt, aber war er tot, würde auch Salah-al-Din nicht länger die zurückhalten können, welche die Eroberung Jerusalems als das oberste Gebot eines moslemischen Herrschers ansahen.

Nicht mehr lange und die riesigen Heere würden sich wieder gegenüberstehen und dann würde es keinen Rückzug geben.


Anmerkungen

1> Der König war Herrscher von Gottes Gnaden und somit war die Aussage vom König gekannt zu werden gleichbedeutend mit von Gott erkannt zu werden. Eine höhere Gnade gab es für den einfachen Christen nicht. (Ich danke für diesen Hinweis meiner Betaleserin Gundula Wessel)


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