Disclaimer: Das Übliche (also nix meins)
Dieses Kapitel ist noch dunkler als alle anderen zuvor. Aber vielleicht muss man einfach den tiefsten Abgrund kennen, bevor es wieder aufwärts gehen kann.
Entschuldigt die Sprache und Ausdrücke, aber ich denke keiner von uns achtet auf korrekte Wortwahl, wenn er so schlechte Laune hat. Ansonsten vielen Dank für die Reviews, ich freu mich immer, und ganz besonders wenn's mehr werden zum letzten Kapitel!
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
5. Kapitel: Trauerspiel
Heute war Freitag, der Tag der Beerdigung. In einer knappen Stunde würde McGonagall sie in ihr Büro rufen, damit sie von da aus zu den Tonks flooen konnten. James war mit den Nerven schon jetzt am Ende, woran Sirius nicht unschuldig war. Der legte heute eine völlig übertriebene Fröhlichkeit an den Tag, die von Minute zu Minute schlimmer wurde.
Zum Frühstück hatte er dem dösenden Alaster den Arm unter dem Kinn weggezogen, so dass er mit dem Gesicht im Pudding gelandet war.
In der ersten Unterrichtsstunde hatte er so viele Papierflieger gebastelt, wie sein Heft einst Seiten hatte und dann das ganze Geschwader durch das Zimmer kommandiert. Professor Abelgag hatte es irgendwann geschafft, den Schwarm durch das Fenster ins Freie zu scheuchen. Die Erleichterung war aber nur von kurzer Dauer gewesen, denn die Flieger hatten die restliche Stunde unaufhörlich gegen die Scheibe getrommelt.
Das Fass war schließlich übergelaufen, als Sirius den Büchern der lernenden Erstklässler Beine und Zähne gehext hatte und sie einen Ringkampf veranstalten ließ. Also hatte James ihn am Kragen nach draußen gezogen, während Remus und Peter Lily dabei halfen die ineinander verbissenen Bücher zu trennen.
Jetzt schwebten sie über dem Quidditchfeld und James beobachtete argwöhnisch die Loopings, die Sirius einen nach dem anderen schlug.
„Bis dir schlecht wird. Und dann war es völlig umsonst, dass du Peter seinen letzten Vorrat an Schokolade geklaut hast."
Sirius antwortete nicht. Er hing an seinem Besen, der sich nun mit atemberaubender Geschwindigkeit um sich selbst drehte.
„Komm schon Tatze, lass uns einfach ein paar Bälle werfen. Wenn ich dir noch länger zusehen muss verlässt mich mein Anteil an der Schokolade."
„Mensch James", Sirius kam einen halben Meter über ihm zum stehen. „du bist der größte Jammerlappen den ich kenne."
„Und du bist schlimmer als der hyperaktive Hamster, den Peter sein Eigen nennt. Hey, wenn wir dich kleiner hexen, könntest du sein Laufrad mitbenutzen!"
Doch Sirius hörte nicht mehr zu. Er hatte sich mit seinem Besen kopfüber in Richtung Boden gestürzt und versuchte wohl so etwas wie den Brabalk-Sturz nachzuahmen. James folgte ihm in langsamen Spiralen zum Boden, wo Sirius nach einem abrupten Halt von seinem Besen gesprungen war
„Weißt du James, wir sollten mal wieder einen richtig guten Streich machen. Nicht so poplige Sachen wie in letzter Zeit. Was richtig großes!"
„Schon eine Idee?
James war abgestiegen und blickte auf die Uhr. Langsam wurde es Zeit, sie mussten sich umziehen und irgendwas mit den Haaren anstellen.
„Halloween!", sagte Sirius euphorisch und grinste.
„Ehrensache, dass wir an Halloween was machen. Nur fehlt uns bisher die zündende Idee um der Tradition gerecht zu werden."
„Meine Wenigkeit fühlt sich angesichts dieses grauenvollen Mangels an Kreativität zu Höherem bestimmt. Oder mit anderen Worten: Ich lass mir was einfallen Krone, macht euch auf was gefasst."
Sirius ließ eine tiefe Verbeugung folgen und trabte dann, seinen Besen noch immer wild durch die Luft dirigierend, vor James hinauf ins Schloss.
Eine halbe Stunde später waren sie durch den Kamin in McGonagalls Büro zu den Tonks gefloot. Der Kamin, in dem sie ankamen, war Bestandteil eines großen Wohnzimmers, das voller weißer Lilien war. Überall standen Vasen, in denen unzählige dieser Blumen untergebracht waren. Die dunklen Möbel und die weißen Wände hatten etwas puristisches. James hatte eine Ahnung davon, dass man das als stilvoll bezeichnete, aber für seinen Geschmack war es zu ordentlich. Im Haus war entsetzlich ruhig, er konnte niemanden reden hören und auch von draußen drang kein Geräusch herein. Sein Magen verkrampfte sich ein wenig und er versuchte den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken an eine Beerdigung einer ihm völlig unbekannten Person, im Wohnzimmer einer Familie mit der er noch nie etwas zu tun gehabt hatte.
Sirius
neben ihm war blasser geworden beim Anblick der vielen Blumen. Das
Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden und er hatte die
Hände in seinen Hosentaschen versteckt. Eilige Schritte hallten
ihnen entgegen als sie den Kamin verließen und ein großer,
hagerer Mann trat ins Zimmer.
"Ah, Sirius, wie schön, dass
ihr hier seid."
Er begrüßte Sirius mit einer kurzen Umarmung. Dann wandte er sich James zu.
„Und das ist James Potter, von dem du erzählt hast?
James schüttelte ihm die Hand und sprach sein Beileid aus. Der Mann nickte flüchtig und bedeutete ihnen dann ihm zu folgen.
„Kommt mit! Nymphadora ist in der Küche und die anderen Gäste werden bald eintreffen."
Sie folgten ihm durch das geräumige und lichtdurchflutete Haus. James fragte sich, welche Unsummen die Tonks für die gigantische Anzahl an Lilien ausgegeben haben mussten, die wirklich überall zu finden waren. Sie verbreiteten einen Geruch, der vielleicht in den ersten Minuten angenehm gewesen war und nun immer aufdringlicher und schwerer wurde. Das Haus wirkte ordentlich, die Gegenstände und Möbel unbenutzt, die Zimmer machten fast den Eindruck als wären sie unbewohnt.
„Nymphadora!"
Sirius hatte sich zu einem kleinen Mädchen, die im Rahmen der Küchentür stand, hinabgebeugt. Sie war noch klein, vielleicht acht oder neun, hatte rabenschwarzes Haar, ein schmales Gesicht und große blaue Augen, die freudig blitzten, als sie Sirius entdeckte.
„Sirius!"
Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie streckte die Arme nach ihm aus. Sirius hob sie hoch und setzte sie auf seine Schultern.
„Komm du Zwerg, wir drehen eine Runde ums Haus, und du zeigst mir noch Mal, wo wir letztes Jahr den großen Gnom gefangen haben."
Dann war er weg, raus zur Tür, geflüchtet vor der Lilieninvasion und hatte James an der Seite eines schweigsamen Mr Tonks alleine gelassen. Small Talk der Erwachsenen lag James wenig, auch wenn seine Eltern sich regelmäßig die Mühe machten, ihn auf Empfängen und Dinners in die geheimnisvolle Welt sinnentleerter Kommunikation einzuführen.
„Ich wusste gar nicht, dass Sirius etwas mit Kindern anfangen kann.", sagte James leise in einem zaghaften Versuch ein Gespräch zu beginnen
„Oh doch, er war im Sommer öfters bei uns und sie verstanden sich prächtig. Schau, er hat ihr sogar ein Baumhaus gebaut."
Tonks schob einen der Vorhänge über der Spüle beiseite und deutete aus dem Fenster. James konnte ein baufälliges Holzgerüst erkennen, das einen Meter über dem Boden, etwas windschief, an einem Baum hing.
„Na ja, seine handwerklichen Fähigkeiten sind noch nicht ganz ausgereift, aber es ist ja immer der gute Wille der zählt." sagte Tonks lächelnd, bevor er den Vorhang fallen ließ und gedankenverloren in die Spüle blickte
James betrachtete seinen Gegenüber flüchtig. Er sah verhärmt aus, als hätte er Nächte lang nicht geschlafen. Die Ringe unter den Augen, der traurige Blick und die Stirn, die immer sorgenvoll gerunzelt war, ließen ihn kränklich wirken.
Die Türklingel riss beide Männer aus ihren Gedanken.
Die restlichen Gäste trafen ein, taten ihr Beileid kund und stellten sich vor. Sirius und Nymphadora kamen wieder ins Haus und begrüßten die Ankömmlinge. Sie bestanden aus Teds Eltern und zwei seiner Schwestern, so wie einigen handverlesenen Freunden der Familie. Die Gesellschaft versammelte sich im Esszimmer und trank Tee. Die Gesprächsthemen reichten vom Wetter, über die aktuellen Boggart-Bekämpfungsmittel bis hin zum neuesten Rennbesen. James übte sich in Konversation, seine Eltern wären stolz gewesen, hätten sie ihren Jungen sehen können. Sirius hatte sich auf einen der Stühle gesetzt und beobachtete die Personen im Raum. Einer der Gäste hatte kurz versucht mit ihm ins Gespräch zu kommen, war dann aber, verschreckt von der grimmigen Einsilbigkeit, wieder geflüchtet.
James wand sich mit einer Ausrede und einem schüchternen Lächeln aus einem öden Gespräch und setzte sich zu seinem Freund.
„Keine Lust dich zu unterhalten?"
„Wenn ich nichts sage, habe ich genauso viele sinnvolle Sachen gesagt, wie du in einer Stunde Gequatsche mit Miss Tonks."
James lächelte. Sirius war noch nie der Mensch gewesen, der sich gesellschaftlichen Zwängen unterwarf. Er konnte, wenn er wollte, unglaublich charmant, aufmerksam und eloquent sein. Aber im Moment hatte er sich für das Gegenteil entschieden und wehrte mit finsterem Blick alle ab, die ihm zu nahe kommen wollten.
„Hm, ich denke es gehört einfach dazu." antworte James ihm schulterzuckend.
„Wenn du meinst. Ich hab jedenfalls kein Bock auf hohles Gerede."
Sirius begann mit dem Stuhl zu wippen und James gab auf. Wenn Sirius schlechte Laune hatte, war er äußerst reizbar. Das konnte nur allzu schnell in einer lautstarken Diskussion enden, die James um jeden Preis vermeiden wollte.
„Willst du was trinken?"
Das schien die gewünschte Wirkung zu zeigen.
„Eine deiner besseren Ideen. Bleib du hier, ich hol mir selber was, ich kenn mich aus. Soll ich dir was mitbringen?"
„Wasser."
Sirius nickte und war aufgestanden. Er wimmelte Nymphadora ab und setzte seine grimmige Miene wieder auf, die ihm den Weg durch die Trauergesellschaft bahnte. James war unterdessen von Nymphadora in Beschlag genommen worden. Gelangweilt vom Gespräch der Erwachsenen suchte sie einen Spielkameraden. Langsam schlich sie sich an, grinste dann und streckte die Arme aus.
„Darf ich auf deinen Schoß sitzen?"
Er zuckte wenig erfreut mit den Achseln und hob sie hoch.
„Bist du Sirius Freund?" Ihre großen blauen Augen blickten fragend zu ihm auf.
„Ja, bin ich."
James hatte überhaupt kein Händchen für Kinder. Er war der festen Überzeugung, dass sie umso mehr heulten, je jünger sie waren und deshalb mied er sie, wo er nur konnte.
„Und gehst du auch auf die Schule?"
„Ja."
Er blickte sich nach einem Ball, einer Puppe, irgendeinem Spielzeug, das sie ruhigstellen würde.
"Ich geh da auch mal hin. Wenn ich groß bin."
„So so."
Wo zum Teufel blieb Sirius eigentlich! Der sollte kommen und ihm das kleine Monster mit den großen blauen Augen abnehmen. Sirius, sein Ritter in der Not - ein Gedanke, der so befremdlich war, dass James lächeln musste.
„Worüber lachst du?"
„Über Sirius!
„Jaa. Sirius ist lustig! Letztes Jahr haben wir einen Gnom gefangen, da draußen im Garten. Und dann hat der Gnom den Sirius gebissen. Genau da!", sie deute auf die Stelle zwischen James Beinen.
„Der hat ganz viel geschrieen, so lange bis Papa den Gnom gehext hat. Das war lustig, da musste ich auch lachen."
James war erst bleich und dann rot geworden. Dieses Kind war ein Monster. Es wurde definitiv Zeit nach Sirius zu sehen.
„Dein Papa winkt dir, schnell schau nach was er von dir will."
Eine Notlüge, die ihn aus einer prekären Situation brachte, war ein vertretbares Verbrechen. Die Kleine sprang von seinen Knien und er stand auf+ um mit großen Schritten in die Küche zu flüchten. Doch diese war verlassen und Sirius nirgendwo zu sehen. Lediglich eine Tür stand einen Spalt weit offen. James klopfte vorsichtig an.
„Herein der Herr!"
James öffnete die Tür und fand Sirius in einer Art Vorratskammer. Er saß auf mehreren Getränkekisten und hielt eine Flasche in der Hand, die mit einer bräunlichen Flüssigkeit gefüllt war. Er schüttelte sie ein wenig und hob sie ihm dann hin.
„Feinster Feuerwhiskey, ganz edler Tropfen. Da, versuch mal!"
„Was zum Teufel tust du da?"
James nahm ihm die halbleere Flasche weg und blickte auf das Stanniolpapier, das am Boden lag. Offensichtlich war die Flasche bis eben noch zu gewesen.
„Bist du des Wahnsinns, dich hier am helllichten Tag betrinken zu wollen? Geht's dir noch gut?"
Er schraubte die Flasche zu und blickte Sirius an. Dessen Anflug von guter Laune war beendet und er blickte, jetzt wieder grimmig, auf die Wand hinter James. Bevor James ihm den Kopf waschen konnte, klopfte es an der Tür.
„Sirius, James, seid ihr da drinnen? Wir wollen los. Kommt ihr?"
„Wir sind auf dem Weg Mr.Tonks. Haben nur etwas verloren. Einen Moment noch."
Die Schritte entfernten sich wieder von der Tür und James atmete auf.
„Kannst du gehen?"
„Bestimmt."
Immerhin lallte Sirius noch nicht und als er aufstand, sah es auch so aus, als könnte er mit etwas Konzentration ganz normal laufen. Jedenfalls marschierte er mit grimmiger Bestimmtheit an James vorbei, öffnete die Tür und nahm das kleine Monster, das davor lauerte, in Empfang.
„Na Nymphadora! Kleiner Ritt gefällig?"
Er schwankte als er die Kleine hochhob.
„Bei Merlins Bart, Sirius! Lass sie sofort wieder runter!"
Sirius stellte das Kind unsanft wieder auf den Boden und blickte James grimmig an.
„Ich will aber Hoppe-Reiter machen. Ich will!" Kleine rote Spitzen bildeten sich an den Enden von Nymphadoras Haaren und sie stampfte beleidigt auf.
„Siehst du!" Sirius blickte triumphierend und griff wieder nach ihr.
„Lass es gut sein, ich mach das."
James hob das Monster hoch und setzte sie auf seine Schultern. Sobald sie die Beerdigung und seinen Rausch überstanden hatten, würde Sirius teuer für diesen Ritt mit dem nervenden Etwas zahlen müssen. Bis dahin nahm er stoisch hin, dass sie ihn an den Haaren zog und ihn mit krähender Stimme bewegen wollte schneller zu gehen.
Draußen peitschte ein kühler Wind Wolkenfetzen über den Himmel. James wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie noch in Hogwarts wären und Quidditch spielen würden. Den Weg zum Friedhof lief die Gesellschaft zu Fuß, Ted und dessen Eltern voraus, Sirius und James zuletzt. Nymphadora wollte auf dem halben Weg runter und rannte zu ihrem Vater, um ihm zu erzählen, dass sie ein fliegendes Pferd wollte.
„Alles in Ordnung?"
James warf Sirius einen kurzen Blick zu, der mit gesenktem Kopf und den Händen in den Hosentaschen ein völlig untypisches Bild abgab. Noch nie hatte er ihn so niedergeschlagen gesehen. Er kannte ihn wütend, so wütend, dass er wie ein Berserker auf den Gefühlen rumtrampeln konnte und sich selbst auch nicht schonte. Er kannte ihn, wenn er nachdenklich war, still wurde und ins Leere blickte. Aber niedergeschlagen und wirklich traurig hatte er ihn noch nie erlebt.
„Geht schon."
„Packst du das?"
Sirius warf ihm einen fragenden Blick zu und kickte dann ein Steinchen über den Bordstein.
„Was meinst du?"
„Die Beerdigung. Packst du das, oder sollen wir heim?"
„Nee, James. Das muss irgendwie gehen, das bin ich ihr schuldig."
Er schwankte leicht und James hielt ihn am Ellenbogen fest.
Der Friedhof war verlassen, die Bäume hatten ihr Laub abgeworfen und standen nun kahl und schwarz da, wie stille Beobachter. Das gute Dutzend Gäste stand um ein Grab, während ein Geistlicher einige kurze Worte über Andromeda verlor. James Gedanken drifteten wieder und wieder ab und er bemerkte wie er öfters besorgt zu Sirius hinüber blickte. Der stand da, emotionslos wie ein Stein, während die anderen Gäste ihre Taschentücher auspackten, leise Worte des Abschieds murmelten und sich gegenseitig in den Arm nahmen. Sie flüsterten etwas über die grausamen Umstände ihres Todes, den Mord und das arme Kind. Und immer wieder viel der Name ‚Black' mit mehr oder minder großer Verachtung in der Stimme und hinter vorgehaltener Hand.
Die Zeremonie näherte sich ihrem Ende und Sirius trottete gesenkten Hauptes zu Tonks und seiner Tochter, um dort wortlos über das Grab in die Ferne zu starren.
Überrascht und unschlüssig wartete James einige Meter von den dreien entfernt und wusste nicht, wie er reagieren sollte. Der Rest der Trauergesellschaft war bereits auf dem Rückweg und verließ den Friedhof. Er fuhr zusammen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
„Komm mein Junge. Sie brauchen Zeit für sich, um Abschied zu nehmen."
Ein älterer Mann, der ihm als Teds Vater vorgestellt worden war , lächelte ihm zu und bedeutete ihm zu folgen. James warf einen letzten Blick zurück auf die drei und lief ihm dann nach.
Als sie im Haus angelangt waren, hatte bereits jemand Kaffee gemacht und Kuchen auf den Tisch gestellt. James hatte sich gesetzt und nahm die Tasse Kaffee dankend an, das Stück Kuchen lehnte er allerdings höflich ab. Der Geruch der Lilien war so drückend, dass er es sich nicht vorstellen konnte etwas zu essen. Die Zeiger der Uhr wanderten über das Zifferblatt und die Gäste redeten über alte Erinnerungen, fröhlichere Tage und dann doch wieder übers Wetter.
Es verging fast eine Stunde, bis sich die Tür öffnete und mit einem kalten Luftschwall Ted und seine Tochter eintraten. Als die Tür hinter den beiden ins Schloss fiel, stand James irritiert auf.
„Wo ist Sirius?"
„Ist er nicht hier? Er ist zehn Minuten vor uns gegangen, ich dachte er wäre längst hier." Ted blickte ihn müde an.
James schwante nichts Gutes.
„Ich geh ihn suchen."
Er schnappte seine Jacke und stellte sich wieder dem kalten Wind. Die Tonks wohnten in einem kleinen Londoner Vorort, gepflegt aber bescheiden, kein Prunk oder Protz. James war noch nie hier gewesen und fragte Passanten nach Pubs und Kneipen, in denen er Sirius am ehesten vermutete. Er irrte fast eine Stunde durch die Straßen, bis er ihn schließlich fand. Sirius saß im hintersten Eck eines verrauchten Pubs an der der Ecke der Hauptstraße, hatte einen Krug vor sich stehen und ein Päckchen Zigaretten neben sich liegen.
„Ich hab mir Sorgen gemacht."
James setze sich zu ihm und betrachtete argwöhnisch den halbleeren Bierkrug.
„Musste nachdenken. Allein. Und hab die ganzen Leute nicht mehr ausgehalten. Schwätzer, die haben doch alle keine Ahnung."
„Wovon?"
Sirius zog gierig an seinem Glimmstängel und fuhr mit dem Finger über die Kerben im Tisch.
„Wie es ist, wenn man ein Black ist. Und sich mit dieser Drecksfamilie rumschlagen muss."
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug.
„Keiner von denen weiß wie es ist, wenn man eine Familie hat und dann doch wieder nicht. Eine Alibi-Familie, mehr Schein und Trug als sonst was. Die haben doch keine Ahnung, wie es ist, wenn man Eltern hat, die einen nicht wollen, die einen verachten, die einem wieder und wieder und immer wieder sagen, dass man eine Schande ist. Das letzte Stück Dreck!"
Er drückte die glühende Zigarette mit den Fingern aus und James zuckte beim bloßen Anblick zusammen.
„Eine Mutter, die einen nicht in den Arm nimmt, weil man lediglich der Schmutz unter ihrem Schuh ist. Weil man eine Schande ist, eine verdammte Schande."
Sirius steckte sich eine neue Zigarette an und bestellte sich einen Schnaps. James lehnte sich zurück, überfordert, besorgt und dennoch wollte er wissen, was da noch kam.
„Hab ich dir jemals erzählt, dass mein Vater mich mit elf einmal in den Keller gesperrt hat, weil ich ihn angeschrieen habe?"
James schüttelte den Kopf.
„Und weißt du, warum ich ihn angeschrieen habe?"
Doch er wartete James Schulterzucken nicht ab, er hatte sich in Rage geredet.
„Weil das Arschloch mir verboten hat, mich mit den Muggelkindern aus der Nachbarschaft zu treffen. Narcissa und Lucius, Bellatrix und Rudolphus wären angemessener gewesen. Aber ein Black gibt sich nicht ab mit dem Abschaum auf der Straße.
Er hat mich eingesperrt in dieses Loch, drei ganze Tage. Und als ich geweint und gebettelt habe, weil ich Angst hatte, da kam er und schlug mir ins Gesicht. Wieder und wieder und wieder. Bis ich still war."
Der Schnaps kam und Sirius stürzte ihn in einem einzigen Zug hinab.
„Ein Black heult nämlich nicht, weißt du? Und er bettelt nicht. Ein Black ist etwas Besseres. Und ich, ich war es irgendwann nicht mehr wert diesen Namen zu tragen. War es nie wert gewesen."
Dann wurde er still und blickte James an. Es war ein langer verzweifelter Blick aus grauen Augen, als würde er innerlich ertrinken und nie wieder zurückkommen.
„Und sie hat es gewusst."
Jetzt war seine Stimme leise, fast ein Flüstern.
„Sie hat alles gewusst, hat es gesehen, hat den ganzen Mist selbst erlebt. Sie war die einzige, die mich verstand, ohne dass ich viel reden musste. Sie verstand mich ohne die ganzen Worte.
Und jetzt ist sie tot. Ihre Familie hat sie umgebracht. Unsere Familie hat sie umgebracht. Verstehst du das? In unserer Familie bringt man sich lieber um, als einen Schandfleck zu ertragen. Jetzt bin ich der Letzte, der Letzte auf ihrer Liste. Und irgendwann werde ich auch in der Erde liegen, begraben und von Würmern zerfressen und das Letzte was ich hören werde, ist das Lachen dieser Irren."
James wusste, dass er von Bellatrix sprach und allein beim Gedanken an sie schüttelte es ihn.
„Und weißt du, dann werde ich endlich Ruhe haben. Wenn ich tot bin, dann kann ich aufhören so viel nachzudenken. Warum diese scheiß Familie ist wie sie ist und warum ich bin wie ich bin. Warum alles so kommen musste und so viel schiefgelaufen ist. Und vor allem...vor allem werde ich mich nicht mehr so verdammt alleine fühlen. So gottverdammt verlassen."
Dann schwieg er. Saß da und rauchte, blickte ins Leere und sah aus wie der einsamste Mensch auf der ganzen Welt.
James kämpfte mit den Worten. So viele Sachen, die er sagen konnte und nichts was geholfen hätte. Nichts was ihm auch nur im Geringsten den Schmerz nehmen würde, ihn trösten würde oder von irgendeiner Weise von Bedeutung wäre. Das Einzige, was er tun konnte, war da zu sein, zuzusehen und zu hoffen, dass Sirius wusste, dass er nicht alleine war.
Irgendwann, es konnten Minuten oder Stunden vergangen sein, blickte Sirius ihn an.
„Danke James."
James nickte und zahlte die Rechnung. Gemeinsam gingen sie zum Haus der Tonks zurück. Sirius hatte den Arm um seinen Hals gelegt und James trug ihn mehr, als dass er aus eigener Kraft lief. Es war ein schweigsamer Rückweg und es war spät geworden. Viel zu spät und das bedeutete zusätzlichen Ärger. Aber das war nichts, worüber James sich jetzt Sorgen machte. Manche Dinge werden bedeutungslos, wenn man wahre Abgründe sieht.
Sie kamen zu den Tonks, um deren Kamin zu nutzen und Ted nickte ihnen zum Abschied zu, wortlos und mit besorgtem Blick. Und zu James Überraschung blickte auch McGonagall nur kurz von ihrem Schreibtisch auf und ließ die beiden kommentarlos passieren. Vielleicht schien sie zu ahnen, dass es Momente gab, in denen Regeln und Bestimmungen zweitrangig waren.
