Teil 4
Toushiro selbst war inzwischen abwartend stehen geblieben, den Blick auf Uraharas Rücken geheftet. Nun folgte er diesem zum Eingang des Hauses, warf dabei immer wieder Blicke in die Nachbarschaft. Selbst er war selten in dieser Gegend gewesen, fühlte sich hier unwohl und vor allem deplatziert. Dass er nun hier wohnen sollte, war geradezu lachhaft. Ob er Urahara fragen sollte, ob es nicht eine andere Lösung gab? Andererseits reichte ihm einmal wütender Urahara am Tag. Und im Moment fühlte er sich auch nicht so wirklich fit für eine weitere Diskussion. Also stieg er nur stumm die Stufen hoch, trat dann durch die Eingangstür.
„Also so groß wie das Haus ist, hat es bestimmt mehrere Schlafzimmer, such dir doch einfach eines aus und ruh dich noch ein wenig aus. Ich werde in der Zwischenzeit Baden gehen!" Kisuke freute sich fast schon wie ein kleines Kind und das konnte man auch an seinem Gesicht ablesen. Solch große Häuser hatten keine Badewanne, sie hatten bestimmt eine heiße Quelle.
„Hallooo…ist hier jemand? Wir sind die neuen Besitzer dieses Hauses und hätten gerne etwas zu essen!", rief Kisuke fröhlich durch das ganze Haus. Sofort hörte man das Zuschlagen von Türen und wenig später standen zwei Diener vor den Neuankömmlingen. Höflich verneigten sie sich und entschuldigten sich für ihr Zuspätkommen.
Urahara legte lediglich eine Hand auf seinen Nacken und entschuldigte sich nun ebenfalls, dass sie sich nicht vorher angemeldet hatten.
„Mein Name ist Urahara und das dort ist Hitsugaya, wir werden für die nächste Zeit das Haus beziehen", stellte er sich höflich vor. Von seiner Tonlage konnte man heraushören, dass er zwar wusste, dass er mit einfachen Dienern sprach, diese jedoch genauso höflich wie andere Shinigamis behandelte.
„Ich würde gerne ein Bad nehmen und anschließend eine Kleinigkeit essen, wäre das machbar?", kam auch schon die nächste Frage auf die die Angestellten leicht verwirrt ein freundliches ‚Natürlich' stotterten.
Toushiro war im ersten Moment sprachlos. Das hier war wieder ein Urahara der ganz anderen Sorte. Freundlich, umgänglich, ruhig. Dieser Kerl strengte ihn an. Schon allein das ständige Wechseln der Laune war kaum nachzuvollziehen, machte Mühe, es zu verstehen.
Er seufzte leise, beschloss dann Uraharas Vorschlag nachzukommen, machte sich daran, die linke Seite der beidseitigen Treppe zu besteigen, die in das obere Stockwerk führte. Auf halbem Weg drehte er sich noch einmal um, suchte erneut den geheimnisvollen Blick.
„Und ich soll wirklich?", fragte er noch einmal nach, sich bis jetzt noch nicht sicher, ob es tatsächlich Uraharas Wunsch war, dass er so nahe bei ihm blieb.
Ein fröhliches Lächeln gab ihm Antwort. „Ja, sicher. Aber nur ein Zimmer, die anderen fünf gehören mir", scherzte der blonde Taicho und machte sich dann auf den Weg zu der heißen Quelle.
Sobald er wieder alleine war, legte sich ein nachdenklicher Ausdruck auf sein Gesicht, während er sich auszog und zu waschen begann. Er war gespannt wie sich das Ganze entwickeln würde, ob er es überhaupt ein Jahr lange hier aushielt. Aber wenigstens konnte er die Zeit hier nutzen um zu trainieren. In der Welt der Lebenden war es gegen Ende hin einfach zu gefährlich geworden. Er musste Aizen einen Schritt voraus sein. Und er hatte ein Jahr Zeit um an diesem Schritt zu arbeiten. Leider hatte er das ungute Gefühl, dass ihnen Aizen bestimmt einige seiner neuen Freunde auf den Hals hetzten würde, allein schon um zu verhindern, dass die anderen Taichos an Stärke zunahmen und wenn schon nicht ihn, dann seine Armee auslöschten. Es machte immerhin nur halb soviel Spaß die Weltherrschaft an sich zu reißen, wenn man am Ende niemanden mehr hatte, den man beherrschen konnte.
Gute zwei Stunden später kletterte Kisuke endlich aus der Quelle. Seine Haut war schon ganz schrumpelig und der Magen knurrte, sonst wäre er wohl noch weitere zwei Stunden in dem angenehm warmen Wasser geblieben. Mit einem dünnen Yukata bekleidet, machte er sich auf den Weg seinen neuen Mitbewohner zu wecken, damit dieser auch etwas zwischen die Kiemen bekam. Unterwegs bat er eine der Dienerinnen seine alten Kleider zu waschen und ihm dann Kleidung für den Rang eines Captains zu besorgen. Er musste jetzt, wo er hier war nicht mehr herausstechen, als er es so schon tat. Also hieß es wohl für einige Zeit Abschied nehmen von seinem geliebten Hut.
„Toushiro-kun? Bist du wach? Es gibt gleich etwas zu essen, du hast doch bestimmt Hunger", rief er in normaler Lautstärke durch die geschlossene Tür, hinter der sich der Kleine befinden musste.
Es dauerte etwas, ehe sich die Tür langsam öffnete und ein verwuschelter und vor allem verschlafener Schopf zum Vorschein kam.
„Essen?", fragte eine leise Stimme nur, schien das ungeliebte ‚Toushiro-kun' schon gar nicht mehr wahrzunehmen, ehe sich meergrüne Augen auf den nun hutlosen Urahara richteten und einen Moment überrascht wirkten.
„Wo ist Euer Hut?", kam die Frage, noch ehe Toushiro darüber nachgedacht hatte.
„Ja, Essen. Soviel du willst. Meinen Hut werde ich wohl oder übel in nächster Zeit etwas weniger häufig tragen…ich dachte zur Abwechslung kann ich mich auch ein wenig anpassen. Oder gefällt's dir nicht?", meinte Kisuke gegen Ende hin erschrocken.
„Dann setz ich ihn sofort wieder auf!" Urahara fuhr sich etwas unbeholfen durch die noch nassen Haare, welche sogar in diesem Zustand ihre eigenwillige Form behielten.
„Nein, es ist nur…ungewohnt!" Toushiros Augen verengten sich kurz, ehe er den Kopf nun schon ein wenig munterer wieder beiseite drehte und den Gang entlang sah, das Gesicht wie üblich grimmig.
„Außerdem ist es doch egal, ob es mir gefällt!", murrte er noch, trat dann aus dem Raum. Ja, er hatte wirklich Hunger. Dennoch blieb er vorsichtig, wer wusste schon, was Urahara als nächstes ausheckte.
War er nicht süß, der Kleine, wenn er verschlafen war und versuchte seine Verwirrtheit zu unterdrücken?
„Na also, deine Meinung ist mir schon wichtig, wäre ich denn sonst hier?", stellte Kisuke die offensichtliche Frage in den Raum. Schwungvoll machte Urahara auf dem Absatz kehrt und machte sich auf den Weg in das Esszimmer. Dort begannen seine Augen auch sogleich zu leuchten. Ohne noch auf Hitsugaya zu warten, ließ er sich schon auf den Boden sinken und bedankte sich bei den Dienern. Dann schlug er zu.
Toushiro folgte ihm ruhiger, dachte über die Worte Uraharas nach. Seine Meinung war dem Blonden wichtig? Seit wann? Seufzend setzte er sich an den Tisch, begann vorsichtig seinen Teller zu füllen, sah dann noch einmal zögerlich zu Urahara, ehe er zu essen begann. Erst nun bemerkte er, wie hungrig er wirklich war, hörte das Knurren seines Magens. Mit der Zeit wurden seine Essbewegungen hastiger, verlor er seine Vorsicht, hörte nur noch auf seinen Magen.
„Urahara-sama? Kann ich heute Nachmittag für eine halbe Stunde zu meiner Einheit gehen?", wollte er dann plötzlich wissen, der Tonfall vorsichtig-trotzig.
„Sicher…", murmelte der Blonde mit vollem Mund. „Kann ich mitkommen? Ich würde mir gerne deine Leute ansehen. Außerdem muss ich nachher noch bei der Neunten vorbeischauen." Kisuke nahm einen genüsslichen Schluck des Tees, den man ihm hingestellt hatte, ehe er sich wieder den Bauch voll schlug. Tessai verbot ihm immer so schnell so viel zu essen. Meinte, es wäre ungesund und würde dick machen. Aber Tessai war nicht hier.
„Ach ja, du brauchst mich nicht ‚sama' nennen. Urahara tut es auch, nur wenn wir nicht alleine sind, sollte wenigstens ein Taicho drangehängt werden." Für ihn war das Thema somit erledigt und er widmete sich wieder dem köstlichen Essen. Er musste sich unbedingt merken, dass er sich später bei seiner Köchin bedankte.
Toushiro hätte sich fast verschluckt, als er Uraharas Anliegen zu hören bekam. Gerade noch verhinderte er, dass er einen in dieser Situation ziemlich unhöflichen Hustenanfall bekam. Der Blonde wollte mit? Seine Leute ansehen? Wozu? Wollte er ihm jetzt auch noch das letzte bisschen Uraharalos-Zeit klauen? Ganz so schien es. Das tat er sicher nur um ihn zu ärgern, ganz sicher.
„Natürlich…", erwiderte er dennoch ruhig – äußerlich ruhig. Lediglich das hart angepackte Reisbällchen, das sich zwischen den Essstäbchen in zwei Teile teilte, verriet etwas der inneren Anspannung.
„Taicho?", kam nur Augenblicke darauf die nächste Frage, gefolgt von einem fragenden Blick „Von der Neunten?"
„Ja, ich bin ab morgen stolzer Besitzer der Dritten. Sag, wann willst du gehen? Ich denke Shuuhei wird nicht vor abends in seinem Quartier sein, so wie ich ihn kenne. Wir haben also genug Zeit. Ich bin schon richtig gespannt auf deine Einheit."
Schnell schnappte sich Kisuke das letzte Stück Tintenfisch, das sich noch auf dem Tisch befand und kaute genüsslich darauf herum.
„Ich muss nur noch auf meine neue Kleidung warten, aber die dürfte nicht allzu lange auf sich warten lassen."
Eine lange Zeit schwieg Toushiro, grübelte über die gerade erhaltenen Informationen. Die Dritte also? Ichimarus ehemalige Division, die nun Koutetsu-fukutaicho übernommen hatte. Scheinbar nicht sehr erfolgreich, wie es schien. Aber wenn seine Division die dritte war, wieso wollte Urahara dann zur neunten. Und wer war…? Hisagi Shuuhei? Fukutaicho der Neunten? Was hatte Urahara mit diesem Mann zu schaffen? Sie waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht…
Die Essstäbchen kratzten in der leeren Reisschale, während Toushiro seinen Gedanken nachhing, Uraharas abwartenden Blick nicht bemerkte. Erst ein Räuspern aus dessen Mund riss ihn wieder aus diesen Gedanken und sein Kopf schoss hoch. Übertrieben langsam stellte er dann die Reisschale wieder ab, legte die Stäbchen quer darauf.
„Am besten nach dem Essen. Es ist sicher viel Arbeit liegen geblieben…" Ganz sicher sogar, so wie er seinen Fukutaicho kannte. Matsumoto schlief lieber auf der Couch, statt sich um den Bürokram zu kümmern.
„Aber ich kann Euch garantieren, dass die zehnte Einheit nichts Besonderes ist, Urahara-sam…a!"
„Och, keine Bange. Es findet sich immer irgendetwas Interessantes." Kisuke war zuversichtlich, dass er etwas finden würde, dass ihn beschäftigte und wenn er sich bloß in dem Garten hinter dem Hauptgebäude ausstrecken und ein kurzes Nickerchen halten würde, hätte sich der Ausflug schon gelohnt. In diesem Moment trat eine Dienerin in das Zimmer und legte Kisuke einen frischen, schwarzen Kimono und den weißen Umhang eines Taichos vor. Nachdem sich Urahara für das Essen und die Kleidung bedankt hatte, schnappte er sich noch schnell ein Reisbällchen und kaute es genüsslich, während er aufstand und den Kimono vor sich hielt. Lange war es her, sehr lange. Ohne auf seine Umgebung zu achten, ließ er den Yukata von seinen Schultern rutschen und machte sich dann nur mit Unterwäsche bekleidet daran, in die frische Kleidung zu schlüpfen.
Im selben Moment da der Yukata zu rutschen begann, hatte Toushiro den Kopf weg gedreht. Hatte dieser Kerl denn kein Schamgefühl? Der junge Taicho seufzte, wartete geduldig bis die raschelnden Geräusche verrieten, dass Urahara gerade den Taichomantel überwarf und drehte sich erst dann wieder zurück. Ihm wäre lieber gewesen, wenn er allein gehen hätte können, ohne Urahara. Er fühlte sich in dessen Nähe…schwach. Und irgendwie hatte er ständig das Gefühl, dass der Blonde ihm drei Schritte voraus war.
Nun starrte er auf die Maserung des Tisches, zum wiederholten Male mit seinem Schicksal hadernd, das ihn in Urahara Kisukes Gesellschaft getrieben hatte.
„Urahara-san? Ist es nicht möglich, dass ich in meinen Räumlichkeiten übernachte?", wagte er dann zu fragen, fühlte sich allein dadurch schon in seiner Ehre gekränkt, dass er fragen musste, wo er schlafen durfte.
Kisuke schien einige Minuten angestrengt nachzudenken. Die Stirn hatte er gerunzelt, während er sich mit den Finger über seinen nicht vorhandenen Bart strich. Er spielte sogar mit dem Gedanken ein paar Mal auf und ab zu laufen, verwarf ihn aber schnell wieder.
Vielleicht sollte er Toushiro schnell eine Antwort geben, bevor seine Aufmerksamkeit durch das ungewohnte Gefühl dieser Kleidung wieder abgelenkt wurde.
„Nein." So, somit wäre das auch erledigt. Sich etwas unwohl fühlend, machte er sich auf den Weg zu einem Spiegel. Was er dort sah, gefiel ihm einerseits sehr gut, andererseits weckte es auch ungewollte Erinnerungen. Für einen Moment schloss er die Augen, ließ diese wenigen bruchstückhaften Bilder über sein geistiges Auge huschen, ehe er sich wieder beruhigte, die Vergangenheit verdrängte, sich zur Ordnung rief.
„Warum nicht? Wenn Ihr mir sagt, wann ich da zu sein habe, dann werde ich da sein. Wenn Ihr schlaft, kann ich ohnehin nichts für Euch tun! Außerdem wisst Ihr ja genau, wo Ihr mich finden könnt! Warum nicht, Urahara-sama?"
Toushiros geballte Hand war auf die Tischplatte gesegelt, hatte so um Aufmerksamkeit gebeten. Auch seine Stimme war wieder lauter geworden, ärgerlicher. Dieser Mann schaffte es, was viele vor ihm vergeblich versucht hatten – er verlor die Geduld, die Kontrolle über seine Gefühle.
„Hmm…ja, warum nicht? Vielleicht weil ich keine Lust habe dich jedes Mal suchen zu müssen? Oder einen Diener los zu schicken, um dich zu holen, wo du doch eigentlich mein Diener sein solltest, nicht? Ich denke im Moment bin ich doch ziemlich human, aber ich kann auch anders, wenn du es willst." Wenn das so weiter ging, würde er nach wenigen Monaten die Arbeit von der Erde aus erledigen. Der Kleine hätte Händler anstatt Shinigami werden sollen. Auch wenn man es Kisuke nicht ansah, aber es war bestimmt nicht der Posten, der ihn hier hielt. Zu Hause warteten seine Freunde auf ihn, da war Kurosaki und seine Bande, die das Leben interessant machten. Hier war es langweilig, er kannte niemanden mehr, seine Welt war mittlerweile eine andere. Und doch gab es hier zwei Menschen, die ihm die Langeweile vertreiben konnten. Einerseits Shuuhei und andererseits der kleine, jähzornige, weißhaarige Captain vor ihm. Solange er etwas hatte, das ihn bei Laune hielt, würde er hier bleiben. Allein in so einem großen Haus zu wohnen machte keinen Spaß.
„Nein, das will ich nicht…", kam es trotzig von Toushiro. Oh ja, sein Diener und sein Sklave und sein Untertan. Das hatten sie ja schon mal. Entschlossen stand er auf, mied Uraharas Blick, verbeugte sich nur kurz dankbar vor den Dienern und stapfte dann aus dem Raum.
„Wenn es Euch recht ist, Urahara-sama, dann würde ich gerne in zehn Minuten los. Natürlich nur, wenn das in Eure strenge Zeiteinteilung passt, ansonsten…" Verbissen biss er sich auf die Lippen, ehe er noch etwas sagte, dass ihn in wirkliche Schwierigkeiten bringen würde.
„Zehn Minuten? Gut, von mir aus, du musst wahrscheinlich noch kurz zur Toilette. Die befindet sich übrigens im Erdgeschoss linke Tür vor dem Bad. Ich warte im Garten auf dich."
Schnell verschwand Urahara, ließ Toushiro somit keine Zeit für einen wütenden Konter. Der Kleine begann also zu kratzen. Mal sehen, ob man ihm die Krallen stutzen musste oder nicht.
Es dauerte aber keine zehn Minuten, bis Toushiro die Antwort verarbeitet hatte und Urahara wutentbrannt folgte.
„Es ist mir egal, wo sich die Toilette befindet! Und behandelt mich nicht wie ein kleines Kind, verstanden?", schnauzte er den blonden Mann, der gut zwei Köpfe größer war als er giftig an.
„Ich gehe jetzt, macht doch, was Ihr wollt!", maulte er dann noch, ehe er herumwirbelte und dann auch schon mit rasender Geschwindigkeit verschwunden war.
Gemächlich schnappte sich Kisuke Benihime und trank noch einen Schluck Tee, ehe er sich an die Verfolgung machte. Bereits auf halber Strecke hatte er den aufgebrachten Captain eingeholt und begann erneut ihn zu ärgern.
„Aber, aber…wer wird denn gleich mit Steinen um sich werfen, obwohl man ihm nur helfen wollte? Wie reagiert überhaupt deine Division auf dein Temperament?" Temperament, Größe, war doch alles das Gleiche. Kisuke hatte keine Probleme mit dem nun noch eine Spur schneller werdenden Tempo des jungen Taichos mit zu halten.
Toushiro kniff verärgert die Augen zusammen. Irgendwie hatte er das ungute Gefühl, dass es dem anderen auch noch Spaß machte, ihn hier zu jagen. Schnelligkeit war normalerweise seine Stärke, aber hier schien er nun seinen Meister gefunden zu haben. Da half wohl auch die Ausrede nicht, dass er leicht angeschlagen war und sich eigentlich hätte ausruhen sollen. Kurz blitzten die meergrünen Augen auf, dann verringerte er das Tempo, blieb fast stehen und sprang dann nach rechts weg. Gut, seinetwegen konnten sie Katz und Maus spielen. Über diverse Dächer visierte er sein Ziel wieder an. Und wenn er später als Urahara ankommen würde, war ihm das noch egal.
Kisuke hatte keine Lust kreuz und quer über Dächer zu springen, die ihn nicht näher an sein Ziel brachten, also machte er sich selbstständig auf den Weg zur Zehnten und legte gleich noch einen Zahn zu. Dort angekommen, dauerte es nicht lange, bis man ihn entdeckte und zum amtierenden Fukutaicho brachte, da der Captain gerade außer Haus war: Matsumoto-kun war eine nette, freundliche, junge Frau, mit der sich Urahara sofort gut verstand. Sie hatten zwar nicht viel gemeinsam, doch über ein Thema hätten sie sich stundenlang unterhalten können. Die Eigenarten von Hitsugaya-taicho. Da der junge Captain anscheinend beschlossen hatte einen etwas größeren Umweg zu machen, oder er, Kisuke einfach schneller gewesen war als Toushiro, saßen Matsumoto-kun und Kisuke bereits bei einer guten Tasse Tee und unterhielten sich prächtig, als der Captain der zehnten Division leicht außer Atem durch die große Tür in den Vorraum zu seinem Arbeitszimmer trat.
Er nahm das Bild das sich ihm bot, tief in sich auf, bereute nun schon wieder, dass er noch einen Umweg gemacht hatte, um die Zeit zu genießen, die er fern von Urahara Kisuke verbrachte. Doch dessen äußerst zufriedene Miene, sowie das erschrockene Gesicht von Matsumoto sagten ihm ohnehin schon alles. Er runzelte nur kurz die Stirn, ging dann ohne ein weiteres Wort an den beiden vorbei und betrat das dahinter liegende Arbeitszimmer. Als er den Papierstoß am Schreibtisch sah, zuckte eine nervöse Ader auf seiner Stirn und die Tür wurde etwas lauter zugeworfen als unbedingt notwendig.
Dann ließ er sich mit einem lauten Seufzen hinter den Tisch auf einem Sessel nieder und versuchte in der Arbeit Vergessen und vor allem Ablenkung zu finden.
Urahara und Matsumoto unterhielten sich noch etwas länger, bis die Fukutaicho dann endlich beschloss wieder einmal nach ihren Männern zu sehen. Somit blieb Kisuke allein zurück und machte es sich auf der bequem wirkenden Couch gemütlich. Aus den Tiefen seines Mantels, zauberte er wie von Geisterhand seinen Hut, schob ihn über den Kopf und das halbe Gesicht und hielt ein Nickerchen. Er hatte Zeit und würde warten. Den heutigen Tag konnte er noch genießen, die nächsten Tage hatte er dann wohl laut den Erzählungen der jungen Frau einiges an Arbeit vor sich.
Die Sonne war bereits am Horizont versunken, als Toushiro den Papierstoß abgearbeitet hatte. Gähnend streckte sich der Junge und stand dann auf. Zum Glück hatte er immer eine zweite Garnitur in seinem Arbeitszimmer und so schlüpfte er rasch in die frischen Kleider. Er hatte nicht vor, irgendetwas mit in diese Hütte zu nehmen, die er nun sein Zuhause nennen musste. Er würde immer hierher kommen und sich umziehen – egal, was Urahara sagen mochte.
Den blutigen Mantel warf er gleich in den Müll, wollte es niemanden antun, das Blut heraus waschen zu müssen. Mit einem letzten Blick auf das Arbeitszimmer stellte er fest, dass alles soweit wieder seine Ordnung hatte. Bedeutend leiser als er gekommen war, verließ er es wieder, stellte dann aber überrascht fest, dass Urahara auf der Couch schlief…mit diesem seltsamen Hut im Gesicht. Schulter zuckend und froh, noch ein wenig Zeit für sich zu haben, schlich er zur Tür, die nach draußen führte und öffnete diese.
Ein paar interessierte Augen blickten ihm nach. Der junge Taicho glaubte doch wohl selbst nicht, dass Kisuke hier, in fremder Umgebung einfach so schlafen würde? Eigentlich war es eine schlechte Angewohnheit vieler Taichos einen leichten Schlaf zu haben. Man wusste nie, was passieren würde, fühlte sich, vielleicht gerade weil man so stark war, nie sicher. Kisuke hatte bis zum heutigen Zeitpunkt gerade einmal zwei Personen gekannt, bei denen er sich entspannen konnte. Der eine war tot, den anderen würde er in kurzer Zeit besuchen. Und wäre er nicht an sein Versprechen gebunden, so hätte er sich wenigstens für den Tod dieser wichtigen Person rächen können, doch sogar das war ihm verwehrt geblieben.
Als die Tür wieder ins Schloss fiel, richtete sich Kisuke auf, streckte sich und vertrieb auch gleich die düsteren Gedanken. Leise machte er sich nun auf den Weg hinter dem Kleinen herzuspionieren. Er wollte ihn als Captain beziehungsweise als ungezwungene Persönlichkeit erleben. Wissen wie der Kleine wirklich war.
Der erste Weg führte Toushiro zu seinem Fukutaicho. Auch, wenn Matsumoto nicht viel von der Büroarbeit hielt, so war sie doch verlässlich und eigentlich verstanden sie sich recht gut. Ja, Toushiro würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass er ihr vertraute, wie nur wenigen Menschen sonst. Kurz ließ er sich schildern, was an diesem Tag vorgefallen war, ob es irgendwelche außergewöhnlichen Ereignisse gegeben hatte. Matsumoto wusste, dass sowohl die Fünfte, als auch die Neunte Hauptaugenmerk auf die Hollowjagd gelegt hatten. Toushiro dachte kurz nach, gab dann Befehl die zehnte Division für die nächsten paar Tage von der Jagd auf Hollows fernzuhalten. Es rentierte sich nicht, die Männer zwischen die geldgierigen Pfoten der anderen Divisionen rennen zu lassen. Man konnte es sich leisten, ein paar Tage Ruhe einkehren zu lassen.
Seine nächste Frage galt den Bauarbeiten auf dem Gelände der Zehnten. Es hatte einige Häuser erwischt, darunter auch das Quartiergebäude für die Offiziere. Doch eine Regelung mit Ukitake-taicho hatte es ermöglicht, dass diese inzwischen bei der Dreizehnten Quartier fanden. Die Bauarbeiten waren bereits in vollem Gange und bald sollte es möglich sein, die Männer wieder zurückholen zu lassen.
Da es sonst nichts Aufregendes gegeben hatte, verabschiedete sich Toushiro von Matsumoto, beschloss noch einen raschen Rundgang durch das Gelände zu machen, selbst einen Blick auf die Bauarbeiten zu werfen und anschließend zu Urahara zurück zu kehren. Immerhin wollte dieser noch zur Neunten und wäre sicher nicht erbaut, wenn er nun noch warten musste. Also beeilte sich Toushiro, hatte binnen einer halben Stunde alles hinter sich gebracht und kehrte zufrieden zurück.
Kisuke hätte es beinahe übersehen, sich rechtzeitig zurück zuziehen. Keine Sekunde zu spät lag er wieder auf der Couch und schob sich seinen Hut in das Gesicht, stellte sich schlafend. Mal sehen, wie ihn Hitsugaya wecken würde.
Toushiro war ein wirklich interessanter Charakter. Außen hart aber innen dennoch ein weicher Kern, der sich um andere sorgte. Zumindest die nächste Zeit versprach nicht langweilig zu werden.
Mit einem leisen Seufzen öffnete Toushiro die Tür zu seinen Räumen, blieb dann abwartend stehen. Urahara hatte sich nicht gerührt, lag immer noch gleich auf der Couch.
„Urahara-sama?", fragte Toushiro in Zimmerlautstärke, hoffte, dass er den anderen so wecken konnte. Immerhin glaubte er nicht, dass es auf der Couch so bequem zu liegen war. Außerdem schlief der andere nun doch schon lange.
Da Kisuke im Moment seine zuvorkommenden fünf Minuten hatte, machte er durch ein leises „Hm…" bemerkbar, dass er wach war, rührte sich sonst aber nicht wirklich.
„Wir können dann gehen, wenn Ihr soweit seid!", murrte Toushiro leise, ließ den anderen nicht aus dem Blick, solange er sich unbeobachtet fühlte. „Es ist schon spät, Hisagi-fukutaicho dürfte schon zurück sein…"
Abwartend blieb Toushiro an der Tür stehen, hatte in diesem Moment eine grandiose Idee – bei der ihm Urahara mit Sicherheit wieder einen Strich durch die Rechnung machen würde, aber dennoch wollte er es nicht unversucht lassen.
„Geht Ihr ihn alleine besuchen? Ihr wollt doch sicher ungestört sein?"
„Ist es schon so spät? Danke, dass du mich geweckt hast." Ach er hätte Schauspieler werden müssen. Diese Einlage wäre schon fast oscarreif. Der Hut wanderte wieder unter seinen Mantel und Kisuke richtete sich auf.
„Nein, nicht nötig. Ihr beide solltet euch kennen lernen. Ihr habt viel gemeinsam, vielleicht könnt ihr Freunde werden."
Urahara ging an Hitsugaya vorbei nach draußen, sah sich einmal in der Dunkelheit um und rief sich den Weg ins Gedächtnis.
„Bereit?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn ohne auf eine Antwort zu warten sprang der blonde Captain auch schon auf das erste Dach, legte dieses Mal ein gemütliches Tempo vor.
Toushiro seufzte. Ein Wunschtraum. Er brauchte Hisagi-fukutaicho nicht kennen lernen, er kannte ihn schon. Aber er hätte es sich gleich denken können, dass Urahara keine Nachsicht zeigen würde. Überhaupt war der andere ein wenig schnell auf den Beinen gewesen, ging man davon aus, dass er gerade geweckt worden war. Nun gut, das war Uraharas Sache und nicht die seine.
„Muss ich wohl…", murrte er leise in die Dunkelheit, ehe er dem Blondschopf folgte. Aufgrund des nicht allzu schnellen Tempos war es für Toushiro kein Problem Urahara einzuholen. Dennoch hielt er sich etwas hinten. ‚Genauso wie es sich für einen Diener gehört!', dachte er noch sarkastisch, ehe er sich wieder auf die Umgebung konzentrierte.
Urahara blieb auf einem der umliegenden Dächer stehen, betrachtete die Szene die sich vor ihm abspielte. Das Gebiet der Neunten wurde schwer bewacht. Erwarteten die einen Angriff oder warum diese Vorsichtsmaßnahmen. Belustigt schlich er sich dennoch hinter die ‚feindlichen' Linien und suchte nach dem Reiatsu seines Freundes. Als er die ruhige, gleichmäßige Aura des jungen Mannes wahrnahm, legte sich ein gemeines Lächeln auf seine Züge.
„Hitsugaya-kun, wir werden uns leise anschleichen und ihn erschrecken, immerhin schläft ein verantwortungsbewusster Fukutaicho um diese Zeit noch nicht."
Leise schlichen sie sich zu Hisagis Quartier, welcher davon nichts mitbekam und erst durch ein sehr lautes „Schatz! Ich bin zu Hause!" aus seinem Schlaf gerissen wurde.
Toushiro war das Spiel zu dumm. Aber solange sich Uraharas Gemeinheiten auf jemanden anderen bezogen, war es wohl besser ruhig zu bleiben. Außerdem war er nun wieder Hitsugaya-kun. Das kam ihm sehr gelegen und vorläufig dachte er somit nicht daran, sich wieder auf Uraharas Schwarze Liste zu setzen. Aus diesem Grund blieb er auch mit verschränkten Armen an die Tür gelehnt stehen, der Blick uninteressiert grimmig, sah zu, wie Hisagi-fukutaicho mit einem Griff nach seiner Waffe aus dem Bett sprang und hörte, wie in einem anderen Teil des Hauses eine Tür aufgerissen wurde. Er konnte Abarai-kuns Reiatsu spüren, erinnerte sich daran, dass diesem ja die neunte Division zugeteilt worden war und war nun doch gelinde gesagt überrascht, dass sich dieser noch im Arbeitseifer befinden sollte.
Shuuhei war erschrocken fast aus seinem Bett gefallen, hatte er doch noch versucht nach Shintora zu greifen. Nun stand er nur in Unterwäsche und immer noch mit schnell schlagendem Herz neben seiner Schlafstätte und starrte den sich vor Lachen fast nicht mehr auf den Beinen haltenden könnenden Urahara Kisuke ungläubig an. Das musste ein Traum sein oder vielleicht ein Alptraum. Was machte Kisuke hier?
„Was zum Teufel…?"
Mit einem wütenden Gesicht riss Renji die Tür auf, zuckte zurück, als er sich Angesicht zu Angesicht mit einem ziemlich entnervten Hitsugaya-taicho fand. „…ist hier los?", fügte er etwas leiser hinzu, warf einen Blick durchs Zimmer, erfasste den in Unterwäsche vor ihm stehenden Hisagi, sowie einen Mann in Taichogewändern, der sich gerade vor Lachen bog.
„Wer ist das?", fragte er dann mit einem leicht sorgenvollen Blick an Hisagi gewandt, der den Kerl nun wenigstens nicht angriff, von daher wohl kennen musste. Außerdem war er in Begleitung von Hitsugaya-taicho. Aber dennoch.
„Und was will er hier?"
Uraharas Lachen beruhigte sich langsam, ehe er sich aufrichtete und einen interessierten Blick zu Renji warf, dann zu Shuuhei, der doch tatsächlich ein wenig peinlich berührt wirkte. Natürlich zog Kisuke sofort die falschen Schlüsse. Obwohl sich Shuuhei lediglich schämte, weil er hier vor zwei Taichos so gut wie nackt herum stand, suchte sie Urahara natürlich die unwahrscheinlichste Antwort für die leicht rosa Wangen aus.
Langsam trat er auf Hisagi zu, legte ihm dann einen Arm über die Schultern und drehte ihn in Richtung Abarai. „Da ist man einige Zeit weg und dann so etwas. Willst du mir deinen Liebsten nicht vorstellen?" Die Hand, welche gerade noch auf Renji gezeigt hatte, schlang sich nun schützend um seine Rippen, als er auch schon einen sehr festen Schlag in die Seite erhielt, der ihn doch tatsächlich taumeln ließ.
„Sag mal was bildest du dir ein, Kisuke? Kommst hier mitten in der Nacht in mein Schlafzimmer und…und…und", hatte Shuuhei gerade noch wütend loszetern wollen, so blieben ihm nun die Worte im Hals stecken als ihm bewusst wurde, was Urahara vorhin wirklich gesagt hatte. Der Schlag war nur prophylaktischer Natur gewesen, weil ihm sowieso klar gewesen war, dass es sich nur um einen blöden Spruch handeln konnte.
Gut, spätestens jetzt war der Zeitpunkt erreicht, an dem Toushiro froh war, dass er nicht mehr Ziel von Uraharas Späßen war. Ein fast schon erleichtert zu nennendes Lächeln schlich sich kurz über seine Züge, ehe er sich leicht entspannte. Was ging es ihn an, was die Drei für Streitigkeiten hatten? Er würde warten, bis sie beendet waren und dann so schnell wie möglich das Weite suchen.
Renji stand indes immer noch gleich unbeweglich, musste auch erst Uraharas Worte verdauen. Moment…Hitsugaya-taicho war wieder hier, in Begleitung eines Kisuke…Urahara Kisuke. Die Mission war also schon beendet. Renji beschloss resolut das unerfreuliche Thema zuwechseln. Er würde Hisagi später nach dem Grund für den ‚Liebsten' ausquetschen.
„He, dann warst du das, der heute die Außenmauer zerlegt und einen Taicho angegriffen hat?"
Kisuke wurde kurz in seiner Tätigkeit, welche darin bestand Shuuhei durch die Haare zu wuscheln unterbrochen. Einen Moment dachte er nach, welchen Taicho er angegriffen haben soll, bis sein Blick auf Hitsugaya fiel. Ja, richtig.
„Ja, das war dann wohl ich. Und du hast dir also Shuu unter den Nagel gerissen, interessant." Kisuke ließ das Thema nicht fallen, sah er doch wie unangenehm es seinem jungen Freund war. Sie würden später noch genug Zeit haben um sich ernsteren Themen zu widmen. Jetzt war Spielzeit. Immerhin hatte Shuuhei jahrelang Schonfrist gehabt.
Einen kurzen Moment war Toushiro erschrocken, hatte schon gedacht, dass sich Urahara wieder daran erinnerte, dass er auch noch da war. Erleichtert stellte er fest, dass dem nicht so war, drückte sich wieder tiefer in die Schatten.
Das blieb Renji jedoch verborgen.
„Ich habe mir gar niemanden unter den Nagel gerissen. Er wollte das so!" Bei seinen Worten deutete er auf Hisagi, schien sich erst dann bewusst zu werden, was genau er gesagt hatte und versuchte zu beschönigen.
„Immerhin hat er es sich aussuchen können, wer der nächste Taicho werden soll!"
Doch diesen Satz hatte Kisuke schon ausgeblendet, musterte lieber einen mittlerweile hochroten Shuuhei. Renjis Aussage hatte ihm den Rest gegeben. Bis vor wenigen Minuten war sein Leben noch in Ordnung gewesen, niemand wusste von seinem Interesse an Männern, und niemand belästigte ihn. Auch mit Abarai-kun war er gut ausgekommen und was passierte dann? Ein hoch motivierter Kisuke spazierte einmal in mehreren hundert Jahren in die Soul Society und sein Leben ging den Bach runter.
Nach zwei, dreimal durchatmen, packte er Urahara am Kragen und zog ihn an sich, funkelte ihn mit Ärger versprechenden Augen an.
„Jetzt hör mal zu, Kisuke, wir haben nichts mit einander. Abarai-kun ist mein zeitweiliger Captain, sonst läuft da gar nichts zwischen uns. Du träumst mal wieder, mein Guter. Sag mir lieber, warum Hitsugaya-taicho an deinem Rockzipfel klebt?" Shuuhei dachte im Moment gar nicht daran, dass sich eben erwähnter Taicho auch noch im Raum befand und ihn hören konnte.
„Oh, das ist schnell erklärt, er gehört jetzt mir, genau wie die dritte Division. Ich werde wohl einige Zeit hier bleiben. Na, freust du dich?", erklang die freudige Stimme Uraharas.
Das Einzige was Shuuhei noch machen konnte war einen mitleidsvollen Blick zu dem weißhaarigen Captain zu werfen, ehe er versuchte sich wenigstens unter der Bettdecke zu verstecken, denn seine Kleider lagen gut einen Meter vor Renji. Er hatte sie einfach irgendwo fallen lassen.
Doch auch dieser letzte Rettungsanker wurde ihm genommen, als es sich Urahara keine drei Sekunden früher auf dem Bett bequem machte.
Toushiro wollte weg hier. Das war alles. Nicht genug, dass er sich von einem Fukutaicho nachsagen lassen musste, dass er an irgendjemandes Rockzipfel hing, setzte sein selbsternannter ‚Besitzer' nun noch eines oben drauf. Sein Gesicht war käseweiß geworden. Der mitleidsvolle Blick machte es eher noch schlimmer als besser und bevor irgendjemand reagieren konnte, war Hitsugaya auch schon nach draußen verschwunden und dort in den nahen Büschen untergetaucht.
Urahara hatte keine Zeit zu bemerken, dass sein kleines Haustier das Weite gesucht hatte, da in diesem Moment auch Renji wieder loslegte.
„Warum zum Teufel bist du überhaupt mitten in der Nacht hier? Kannst du nicht am Nachmittag kommen, wie normale Leute auch? Und dann noch solche Unterstellungen…eine Frechheit…sag mal, Hisagi…bist du schwul?", kam er mitten unter seiner Tirade auf einen gänzlich anderen Gedanken.
„Na ja, nachmittags müsst ihr doch arbeiten, da wollte ich nicht stören, außerdem ist es doch erst halb zehn. Aber ich denke ich sollte euch nun alleine lassen, immerhin ist es ja schon spät. Ich werde in den nächsten Tagen wieder vorbei schauen, dann können wir reden, Shuu. Bis bald", schon hatte sich auch Kisuke aus dem Staub gemacht. In einem Satz seine eigenen Aussagen widerlegt und sich gleichzeitig auch selbst wieder eingeladen. Aber er hatte den Stein ins Rollen gebracht, jetzt war er gespannt wie Shuuhei reagieren würde. Der Kleine brauchte hin und wieder etwas Aufregung. Dieses triste Leben, das er führte, konnte nicht gesund sein.
Jetzt musste er sich erst einmal um seinen kleinen Begleiter kümmern, den er in einiger Entfernung ausmachen konnte.
Hisagi saß bloß auf seinem Bett und rührte sich nicht, hatte bloß beschämt seinen Kopf zur Seite gedreht. Er freute sich riesig, dass Kisuke wieder hier war, aber musste ihn dieser gleich vor Abarai bloß stellen? Was sollte er nun sagen? Er glaubte nicht, dass es mit einem einfachen ‚Ja' getan war. Dennoch kam dieses Wort kaum hörbar über seine Lippen ehe er sie auch schon wieder schloss.
„Und du hattest was mit Urahara?", fragte Renji gleich interessiert nach. Das hier konnte interessant werden und seine Neugier war geweckt. In einigem Abstand ließ er sich neben Hisagi aufs Bett sinken, musterte diesen.
„Du brauchst dich nicht schämen, falls es das ist…wir haben doch schon geklärt, dass das nichts ist, wofür man sich schämen müsste! Na ja…es ist ja deine Sache, nicht? Selbst ein Taicho darf sich nicht in das Privatleben seiner Untergebenen einmischen…ich sollte dich dann wohl wieder schlafen lassen, nicht?" Unsicher stand Renji auf, wusste auch nicht, was er im Moment machen sollte.
„Nein, ich hab nicht mit Kisuke. Er ist zwar auch…schwul…aber wir hatten und werden nie etwas miteinander haben. Er ist mehr wie ein großer…nerviger Bruder", begann Shuuhei langsam zu erzählen. Ihm wurde kalt und er rutschte nun da dieser Weg nicht mehr blockiert war unter die Bettdecke, machte aber seitlich genug Platz, dass Abarai sich auch bequem hinsetzen und am Kopfende anlehnen konnte.
So wie er Renji einschätzte würde dieser bestimmt früher oder später wissen wollen warum Hisagi einen der mächtigsten Männer, welcher nebenbei nun wieder ein Taicho war, mit dem Vornamen ansprach. Kisuke hatte schon zu viele kleine Details in den Raum gestellt, da konnte Shuuhei auch gleich alles erzählen. Aber erst einmal wartete er ab, wollte wissen ob Abarai nicht etwas Besseres zu tun hatte.
Renji nahm den ihm angebotenen Platz an, hatte das Gefühl, das er den anderen jetzt nicht alleine lassen sollte. Seufzend lehnte er sich an die Wand, warf nur einen kurzen Blick auf Hisagi.
„Ein Bruder, auf den ich verzichten könnte, wenn er sich jahrelang nicht sehen lässt und dann mein gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Woher kennst du ihn? Du musst es nicht erzählen, wenn du nicht willst!"
„Du kennst doch die Geschichte. Er hatte nicht die Möglichkeit mich zu besuchen, genauso wenig wie ich hätte in die Menschenwelt gehen können", verteidigte Shuuhei seinen langjährigen Freund, auch wenn es nichts zu verteidigen gab, denn das war nun mal die bittere Wahrheit gewesen. Keiner von beiden hatte die Möglichkeit gehabt den anderen zu sehen.
„Ist schon gut. Du würdest die Geschichte so oder so demnächst erfahren. Jetzt wo Kisuke wieder da ist." Ein wenig nervös spielte Shuuhei mit dem Bettlacken, ehe er einmal tief durchatmete und dann zu erzählen begann.
„Ich bin in einem kleinen Dorf nicht weit von deinem aufgewachsen, wurde sehr früh zum Waisenkind und musste mich ähnlich wie du selbst durchschlagen. Doch mit ungefähr zehn, ich weiß nicht mehr genau wie alt ich damals war, hat mich mein Glück verlassen und ein paar üble Kerle haben mich erwischt. Sie haben so etwas wie eine geheime Kampfarena geführt. Keine Hundekämpfe sondern bei ihnen mussten die verschleppten Kinder um Überleben und Nahrung kämpfen. Die Neulinge wurden immer erst getestet und wenn sie als stark genug befunden wurden, nahm man sie auf, sonst wurden sie entsorgt. Alle Kinder bekamen eine Nummer, so musste man sich die Namen nicht merken." Shuuheis Finger strichen unbewusst über die 69 an seiner Wange.
„Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich dort war, aber gegen Ende wurden die Gegner immer weniger. Man durfte drei Mal verlieren, das vierte Mal bedeutete Tod, wenn man nicht im Ring schon starb. Auf jeden Fall wurden die Betreiber gegen Ende unruhiger, die Todesgrenze wurde auf eins herabgesetzt. Ich habe erst später erfahren, dass der Anführer im Grunde ein Hollow war und seit Jahren von den Shinigami gejagt wurde. Er hat sich von den Kindern, die verloren haben, ernährt. Ich glaube, ich war ca. 15 als eines Tages die Hölle los brach und mehrere Shinigami unser Lager stürmten. Um Kraft für den Kampf gegen seine Feinde zu tanken hat der Hollow einen nach dem anderen gefressen und als ich an der Reihe gewesen wäre, kam Kisuke. Lange Rede kurzer Sinn. Er hat mich gerettet, jedoch nicht nur vor dem Tod sondern auch vor dem Leben, das ich bis dahin geführt hatte. Er hat mich mitgenommen und ich durfte an seiner Seite bleiben. Einige Jahre später hat er mich dann für die Ausbildung angemeldet. Den Rest kennst du." Ruhig wartete Shuuhei auf eine Reaktion von Renji. Er war der erste und außer Kisuke wahrscheinlich der Einzige, der von seiner Vergangenheit wusste. Was dieser wohl sagen würde.
Renji schwieg einen Moment, den Blick weiterhin gen Decke gewandt.
„Hm…du hast dich gut gemacht, dafür, dass du es nicht leicht hattest. Du bist ein starker Kerl, Hisagi. Also solltest du dich wohl auf jeden Fall freuen, wenn Urahara wieder da ist, was?"
Nun grinste er seinen Fukutaicho offen an. „Weißt du was? Ich bin nicht gut in so was…im Moment tust du mir schrecklich Leid, tut mir deine Vergangenheit schrecklich Leid, aber ich glaube nicht, dass ich die richtigen Worte finde, um dich zu trösten oder dir dieses Mitleid auszusprechen. Das konnte ich noch nie. Aber dennoch kann ich dich verstehen. Dein Handlungsweise. Und alles, was ich sagen kann, ist dass du weißt, wo du mich findest, wenn du einen Freund brauchst…"
Mit diesen Worten stand Renji auf, klopfte dem anderen noch mal kurz auf die Schulter und ging dann zur Tür.
„Als Liebhaber kann ich mich natürlich auch anbieten, aber das ist und bleibt deine Entscheidung, Hisagi…vielleicht später mal, ja?", grinste er dann noch zurück und verließ das Zimmer. Hisagi wollte nun sicher ein wenig allein sein und er hatte auch noch zu tun.
Shuuhei blieb leicht verwirrt zurück. Abarai war wirklich nett gewesen, hatte ihm die Wahrheit gesagt und ihn allein damit schon getröstet, doch den letzten Satz hätte er sich sparen können, denn jetzt wusste Shuuhei erst wieder nicht, woran er bei dem Rothaarigen war.
Er könnte Renji also als Freund oder als Liebhaber haben. Er brauchte keinen Liebhaber, was fing er mit einem Mann an, der keine Liebe, sondern nur Unterhaltung suchte? Da wäre ihm das Angebot als Freund viel lieber, ob er es versuchen sollte? Er war sich nicht sicher. Es war irgendwie ziemlich viel Stress der in den letzten Minuten auf ihn hereingeregnet war. Unruhig, immer noch grübelnd, rutschte Shuuhei tiefer unter die Decke, versuchte im Schlaf eine Lösung zu finden.
Toushiro eilte über die Dächer, merkte bald, dass Urahara dicht hinter ihm war, immer mehr aufholte. Das war ein Problem, immerhin ging sein Atem schon schneller, fehlte ihm aufgrund der Belastungen seines Körpers ein guter Teil seiner Energie. Doch davon würde er sich nicht abschrecken lassen. Gut, Urahara Kisuke war ein verdammt starker Gegner, aber er war Jahre lang nicht aktiv gewesen. Möglich, dass er bei einem offenen Duell gegen ihn verlor, möglich auch, dass Urahara schneller war, als er. Aber er würde sich nicht mehr länger erniedrigen lassen, sich vor anderen Personen, deren Akzeptanz ihm wichtig war, bloß stellen lassen. Etwas rumorte tief in ihm, rief alte Gefühle hervor. Er wusste, dass Urahara das, was er gerade tat, erneut als Regelbruch ansehen konnte. Aber er würde dem anderen jetzt nicht in die Augen sehen können. Nicht, ohne dass dieser den Sturm an Gefühlen, der in ihm wütete, sehen würde. Und das wollte er nicht. Urahara Kisuke hatte nicht das Recht in sein Inneres zu sehen. Und genau aus diesem Grund führte er eine scharfe Rechtskurve aus, setzte mit einem Sprung über die Mauer, die die Soul Society begrenzte und tauchte ab in das laute und von unversteckten Reiatsu nur so überquellende Rukongai. Schnell war seine Aura auf ein Minimum versteckt – so sehr es ihm mit mangelnder Energie eben möglich war.
Wenn er Glück hatte, war es Urahara nicht wichtig genug, ihn in all dem Chaos an Reiatsu zu finden, würde dieser nur nach Hause verschwinden und eventuell seine Koffer packen und gehen. Im Moment konnte Toushiro nicht einmal behaupten, dass ihm das nicht gleichgültig wäre. Er hatte seit dem Eintritt in die Akademie um Ansehen gekämpft, darum von den anderen respektiert zu werden. Und nun war dieses Unterfangen, das gerade angefangen hatte, Früchte zu tragen, innerhalb von ein paar Minuten zerstört worden. Der Taicho, der einem anderen gehörte. Wer würde ihn danach noch respektierten? Niemand.
Mit gesenktem Kopf und deprimierenden Gedanken wanderte er zwischen all den Leuten herum, ignorierte die fragenden und verwunderten Blicke, war sie gewöhnt. Selbst in der Soul Society verfolgten sie ihn noch, ließen ihn selten los. Nur ein grimmiger Blick konnte sie manchmal abwenden, war ihm so zur zweiten Natur geworden.
Er kam öfter hier her, hier, wo seine Wurzeln waren. Aber heute konnte ihn nicht einmal das pulsierende Leben, die Unordnung, die Überreizung der Sinne von seinen tief schürfenden Gedanken ablenken.
Einen Augenblick hielt Kisuke inne, blieb auf der Stadtmauer sitzen und lauschte dem lauten Treiben. Der Junge war gut. Sich hier zu verstecken war kein schlechter Plan. Doch selbst wenn er ihn nicht durch das ganz leicht hervorstechende Reiatsu gefunden hätte, so war da immer noch Benihime. Sie hatte von Hitsugayas Blut gekostet, wenn auch unabsichtlich und auf etwas ungewöhnliche Weise. Sie würde ihn auf jeden Fall finden. Von Dach zu Dach springend, verfolgte er den deprimiert wirkenden Captain, bis dieser einen weniger belebten Teil der Stadt erreicht hatte. Dann tauchte er vor Hitsugaya auf und blockierte dessen Weg.
„Ich denke wird sollten reden, nicht, Hitsugaya-kun?"
Erschrocken sah Toushiro im ersten Moment hoch, wich einen Schritt zurück, hatte den Blick sofort wieder zur Seite gedreht. Er hätte es wissen müssen, dass Urahara seine Machtspielchen nicht einfach so aufgab.
„Was wollt Ihr, Urahara? Noch mehr Beweise Eurer Macht abgeben? Den nächsten Taicho aufsuchen und mich vorführen? Euer nettes, kleines Haustier, das dumm genug war, sich in Eure Obhut zu begeben? Verschont mich…"
Damit drehte er sich um, ging den Weg zurück, den er gekommen war. Er war müde, wollte einfach nur mehr schlafen. Aber die einzige Option, die er hatte, war mit Urahara zurückkehren. In diesen noblen Bau, der ihm zuwider war, die Ungerechtigkeit der Welt widerspiegelte – zusammen mit dem Mann, der sich eine Spaß daraus machte, ihn zu demütigen.
„Du solltest nicht immer alles so schwarzsehen, Hitsugaya. Vielleicht war es nicht richtig, was ich heute gesagt habe, aber ich habe fast im gleichen Atemzug Abarai mit Shuuhei verkuppelt. Keiner hat mich ernst genommen. Du musst den Unterschied zwischen Spaß und Ernst lernen, sonst wirst du dir dieses Leben viel schwerer machen, als es sein muss. Wenn du solche Aussagen ernst nimmst, dann werden es deine Untergeben auch. Du bist der Taicho, sie orientieren sich an dir. Du kannst dich sehen, wie du willst. Wie ein dummes Haustier, das sich ohne nachzudenken kopfüber in die Fänge des Sklaventreibers gestürzt hat oder du siehst dich, wie ich es sehe. Ein junger Taicho, der sich den Problemen, die noch auf die Society zukommen werden, mehr als bewusst ist und sich Sorgen um seine Freunde und Untergebenen macht. So sehr, dass er sich selbst ‚opfert' und die mögliche Erniedrigung für jemand anderen den Diener zu spielen, bewusst hin nimmt." Kisuke hatte zu Hitsugaya aufgeschlossen, diesen nun überholt und begann nun langsam die Entfernung auszubauen.
„Was wisst Ihr schon…"
Toushiros Hand ballte sich zur Faust, begann zu zittern.
„Was wisst Ihr schon, wie es ist, wenn man jemanden schützen will und es nicht kann? Wenn man sieht, wie alles, wofür man gekämpft hat, in Trümmern liegt? Das ist kein Spaß, kann es nicht sein. Wenn man sich fragt – Tag um Tag und Nacht für Nacht – wofür man gekämpft, wofür man stärker geworden ist, wenn man dann mit einem Schlag besiegt wurde, mit einem Schlag dem Tod näher stand als dem Leben und nicht einmal sein eigenes, geschweige denn das Leben eines anderen schützen konnte? Ich sehe darin keinen Spaß…und Ihr seht mich nicht, als jemand, der sich Sorgen macht. Ihr habt Euren Spaß. Warum seid Ihr überhaupt gekommen? Ihr hasst Yamamoto-taicho, Ihr hasst die Society, sie haben Euch verbannt…und dennoch seid Ihr gekommen…warum? Ich verstehe Euch nicht…so sehr ich es auch versuche, ich verstehe Euch einfach nicht."
Die Gedanken wirbelten in Toushiros Kopf durcheinander, prallten aufeinander, verwoben sich, vermischten sich, hatten keine Ordnung, keine Struktur. Mit einem Laut, einem trockenen Schluchzen nicht unähnlich, ließ er sich einfach auf den Boden fallen, blieb dort sitzen, die Faust gegen die Stirn gepresst, versuchte der Gedanken Herr zu werden, den Faden wieder zu finden, den er verloren hatte, als er vom Gebiet der Neunten gestürmt war.
„Ihr seht immer überall nur den Spaß! Selbst da, wo schon lange keiner mehr ist. Ihr könntet Euch selbst an Euren Vorschlag halten, meint Ihr nicht?"
Nun blieb Urahara stehen, rührte sich für einen Moment nicht, musste sich erst beruhigen. Sonst hätte er sich den Jungen jetzt geschnappt um ihm seine Argumente eingeprügelt, doch so drehte er sich bloß um, und kniete sich vor Hitsugaya auf den Boden. Mit ernsten, gefährlichen und zugleich unendlich traurigen Augen fixierte er den Blick des Jungen.
„Du hast nicht die geringste Ahnung, was ich weiß und was nicht. Ich bin schon solange auf dieser Welt, dass ich mich fast schon verzweifelt an die wenigen positiven Ereignisse klammern muss um nicht vor Trauer den Verstand zu verlieren. Oh ja, ich weiß sehr wohl wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren, mit ansehen zu müssen, wie er in den eigenen Armen stirbt und das nur, weil man zu schwach war um ihn zu retten. Und dann noch nicht einmal Rache nehmen zu dürfen oder selbst zu sterben um ihm erneut nahe zu sein. Zu sehen, wie alles an dem man gearbeitet hat, um etwas zu verbessern, die Menschen, die einem am Herzen lagen schützen zu können, ihnen Frieden zu bringen, in wenigen Minuten zerstört wird. Wie sich ehemalige Freunde als Feinde entpuppen, nur weil sie zu machtbesessen sind um klar denken zu können. Man selbst als Verräter abgestempelt wird, als Monster und dann aus der Gesellschaft, für die man ein Leben lang nur das Beste wollte, vertrieben und ausgeschlossen wird. Ich denke…ich habe eine winzige Ahnung, wie sich das anfühlt", zischte Urahara bedrohlich in das Ohr das jungen Taichos.
„Weißt du Kleiner, ab einem gewissen Grad, geht man einfach zu Grunde, wenn man sich nicht an etwas festklammert. Spaß trägt einen ziemlich gut. Hilft einem zu vergessen, zu verdrängen, lenkt ab. Glaub mir, du willst nicht wissen, wie es in mir aussieht und du willst noch weniger so werden wie ich. Hier mein Tipp: Nimm nicht alles auf deine Schultern, sonst wird dich diese Last erdrücken. Und wähle deine Freunde gut, sieh lieber zweimal hin, bevor du dich entscheidest. Besser weniger, dafür später keine bösen Überraschungen. Aber sei auch nicht zu misstrauisch, gib ihnen eine Chance." Mit seiner Rede so gut wie fertig, erhob sich der blonde Taicho nun wieder, blickte sich um. Der Platz auf dem eben noch so viele Menschen waren, war nun verwaist. Einen Moment fragte er sich, was wohl passiert war, bis ihm auffiel, dass er die Kontrolle über sein Reiatsu etwas schleifen hatte lassen. Es war nicht der Rede wert, nicht einmal ein Problem für einen Offizier, doch für die Menschen in Rukongai musste er sehr bedrohlich gewirkt haben.
Schnell versuchte er sich wieder zusammen zu reißen, fragte sich, warum er dem Kleinen sozusagen seine tiefsten Geheimnisse preisgegeben hatte.
„Weißt du Hitsugaya, Sie war mir egal, wirklich. Doch dann kam Rukia. Sie war anders als die Shinigami zu meiner Zeit. Sie hat Ichigo verändert und ich denke mich auch. Und dann kamst du. Jemand der so leichtfertig seine eigene Ehre, seinen Stolz für die Bewohner dieser Stadt aufs Spiel setzte. Da habe ich beschlossen, ihr noch einmal eine Chance zu geben. Vielleicht hatte sich die Stadt verändert, bessere Menschen hervor gebracht."
Kisuke schlenderte zu einem Laden, schnappte sich zwei Fruchtspieße und legte etwas Geld auf die Theke. Viel zu viel für die beiden Leckereien, doch das war im Moment egal. Abwartend hielt er dem immer noch auf dem Boden knienden Taicho einen Spieß hin, begann dann an seinem zu naschen.
„Kommst du?"
Toushiro hob den Kopf, als ihm ein angenehmer Duft in die Nase stieg. Er hatte schweigend Uraharas Worten gelauscht, versucht sie zu verarbeiten. Aber einziges Resultat war, dass er sich jetzt nicht müder fühlte, als vorher schon. Wenigstens war ihm jetzt klar, dass mehr in der Vergangenheit des neuen Taichos passiert sein musste, als er wusste – vielleicht auch mehr, als er wissen wollte. In seinen Augen war immer noch Hauch der Verwirrtheit, der Verzweiflung und der Verständnislosigkeit zu sehen, auch wenn er sich bereits wieder recht gut im Griff hatte.
Dennoch griff er nur zögerlich nach dem angebotenen Spieß, drehte ihn unsicher in Händen starrte auf das Nahrungsmittel.
„Ich weiß also nichts von Euch und Ihr wisst nichts von mir, Urahara-sama. Wir verstehen uns nicht... Ich weiß nicht, ob ich Eure Art von Spaß jemals verstehen werde. Aber ich werde versuchen, mich an mein Wort zu halten, egal was es kostet."
Entschlossen richtete er sich dann auf, trat an Urahara vorbei und ging weiter die nun menschenleere Straße entlang.
„Danke...", flüsterte er noch leise, ehe er seine Zähne in der leckeren Speise vergrub.
„Das kann man ja ändern, nicht?" Aufmunternd klopfte Kisuke dem Jungen auf die Schulter, aß dann schweigend seinen Spieß zu Ende und warf den Rest in einen der Mülleimer.
„Ach ja, so wie es aussieht ist ab morgen erst einmal Arbeit angesagt, das heißt ich werde leider keine Zeit haben. Du kannst somit die nächsten Tage machen, was du willst, auch zu Hause schlafen, da ich wahrscheinlich nicht viel Zeit im Haus verbringen werde", warf Kisuke wie beiläufig zwischen zwei Mal Gähnen ein. Er hatte sich gerade ziemlich lächerlich benommen für einen Taicho. Was um Himmelswillen hatte ihn dazu veranlasst dem Kleinen seine Geschichte zu erzählen? Es hätte doch bestimmt einen anderen Weg gegeben um sich wieder zu vertragen.
Toushiro zögerte, als er die warme Hand auf seinem Rücken spürte, kam die Berührung doch unerwartet.
„Heute auch schon?", erwiderte er nur leise, in keiner Weise grimmig oder fordernd. Das Zugeständnis war eine Erleichterung für ihn und er wollte wirklich lediglich wissen, ab wann dieses Abkommen in Kraft treten würde.
„Und wann erwartet Ihr mich wieder bei Euch?", wollte er dann auch noch wissen, wagte es nicht, in Uraharas Gesicht zu sehen. Er hatte sich gerade ziemlich blamiert, hatte sich gehen lassen. Eines hatte er bemerkt, es war nicht gut, zuviel von Uraharas Aufmerksamkeit zu haben. Er zeigte dann zuviel, zu viel davon, was niemanden etwas anging. Niemanden etwas anzugehen hatte. Er kaute noch an seinem Spieß, ließ es sich schmecken, rechtfertigte den gesenkten Blick.
„Hmm…von mir aus. Wann, dass weiß ich noch nicht, hängt davon ab wie schlampig Gin war. Aber ich denke nicht in den nächsten zwei Tagen. Na ja, ich werde mich schon bemerkbar machen, keine Sorge." Auch Urahara brauchte etwas Abstand von dem Jüngeren, brauchte Zeit um sich wieder zu fassen, den heutigen Ausrutscher zu verdrängen und mit sich ins Reine zu kommen. eventuell würde er mit Shuuhei darüber reden was heute passiert war, aber der Schwarzhaarige hatte in der Zwischenzeit sicherlich andere Probleme. Allein dieser Gedanke schaffte es Kisuke wieder ein wenig aufzumuntern.
„Also ich geh dann mal, bis bald und mach nichts, dass ich nicht auch machen würde, gute Nacht!", sprachs und war auch schon verschwunden.
Toushiro blieb verwundert zurück, brauchte einen Moment um zu realisieren, dass er nun tatsächlich alleine war. Ein entschlossenes Funkeln trat in seine Augen, als ihm klar wurde, dass er die nächsten zwei Tage tatsächlich zur freien Verfügung hatte. Yamamoto-taicho erwartete nicht einmal, dass er seinen vollen Dienst tat, da er ja als Urahara Kisukes ständiger Begleiter gewertet wurde und es würde sicher nicht auffallen, dass er nicht da war. Weder Urahara noch Matsumoto würden ihn suchen, bei seiner Division war alles geregelt…
„Na, was meinst du, Hyourinmaru? Gehen wir auf Verräterjagd?", flüsterte er zu seinem Zanpakutou, dem eisigen, weißen Drachen, der hinter ihm stand und nun nur bestätigend den Kopf senkte.
„Nichts machen, das Ihr nicht auch machen würdet, Urahara-san? Ich traue Euch alles zu, also kann ich auch alles machen!", flüsterte er noch in die Richtung, in der Urahara verschwunden war. Die Müdigkeit war plötzlich wie weggeblasen, es galt die wenige Zeit zu nutzen. Eiligen Schrittes verließ Hitsugaya das Rukongai, versteckte sein Reiatsu dieses Mal konzentrierter und verschwand in der Nacht.
Nach einer etwas unruhigeren Nacht, dafür einem erfreulicheren Appell der Sechsten machte sich Shuuhei nun auf den Weg zu Abarai-kun. Um acht wollten sie sich treffen um dann gemeinsam auf Hollowjagd zu gehen. Leider wusste Shuuhei noch nicht wirklich wie er seinem derzeitigen Captain unter die Augen treten sollte, nachdem was gestern geschehen war. Murphy's Law war nichts gegen Urahara, wenn dieser in Fahrt war. So hatte ihn komischerweise nicht die Erinnerung an seine Vergangenheit unruhig schlafen lassen, sondern eher Abarais undurchsichtiges Angebot. Schwer seufzend bog Shuuhei auf den Gang der ihn in kurzer Zeit zu seinem Taicho führen würde.
Renji erwartete Shuuhei schon, benahm sich aber wie üblich. Ganz so, als wäre nichts Außergewöhnliches vorgefallen oder als hätte er alles wieder vergessen.
Stattdessen drückte er dem Dunkelhaarigen einen Zettel in die Hand.
„Ich habe den überdrüber-fies-gemein-unfair Gegner für uns gefunden!", verkündete er stolz, wartete dann geduldig ab, dass Shuuhei die Fahndung begutachtete und konnte sehen, wie dessen Gesicht immer länger und ungläubiger wurde. Erst irgendwann hob sich dessen Blick wieder, fixierte Renjis, der sich nun doch unwohl zu fühlen begann.
„He, es gibt im Moment keine stärkeren mehr, okay? Zaraki-taicho hat alle vernichtet, scheint wirklich wieder auf Training umgestiegen zu sein. Es war schon schwer, diesen zu finden und wir sollten uns beeilen, bevor uns Zaraki zuvorkommt!", erklärte er dann mürrisch, als er einsehen musste, dass Shuuhei eine Erklärung für den ‚starken' Gegner verlangen würde.
„Es gab echt keinen stärkeren mehr? Der hier ist gerade Lieutenant-Level. Schade. Willst du da überhaupt mitkommen?", stellte Shuuhei die Frage, während er den Zettel genauer studierte. Hm…auch wenn dieser Gegner nur als ‚stark' eingestuft wurde, gefiel ihm die Beschreibung nicht wirklich, machte ihn nervös.
„Hast du das gelesen? Der wurde bis jetzt nur ziemlich weit außerhalb gesichtet, das auch nur kurz und verschwand dann wieder. Von den Patrouillen, die in dieses Gebiet geschickt wurden, erhielt man jedes Mal eine andere Beschreibung des Hollows. Vielleicht wird es doch ein interessanter Ausflug." Shuuhei gab Abarai den Zettel zurück, und wie auf Kommando wusste er wieder nicht, wie er sich diesem gegenüber verhalten sollte.
„Also…wegen gestern…ich denke, ich sollte mich für Kisuke entschuldigen und generell. Es ging ja ein wenig drunter und drüber", setzte der Schwarzhaarige dann einfach mal an.
„Ach…kein Problem. Ich hatte ohnehin noch zu tun…immerhin wollte ich es nicht glauben, dass es nur den da gibt…"
Renji seufzte, deutete auf den Zettel, stand dann auf.
„Klar, komme ich mit. Ein wenig Bewegung wird mir gut tun, ich kann den Raum hier schon gar nicht mehr sehen. Ich glaube fast, ich bin als Taicho unqualifiziert. Zu viel Arbeit im Sitzen…"
Entschlossen richtete er sich auf, griff nach Zabimaru an seiner Seite und ging dann Richtung Tür.
„Los, wir wollen keine Zeit vergeuden…"
„Hai." Schnell machte sich Shuuhei daran Renji zu folgen, schloss noch kurz die Tür zu dessen Arbeitszimmer und sprang dann schon auf das nahe gelegene Dach auf dem sein Taicho auf ihn wartete. Kaum hatte er aufgeschlossen, machte sich Abarai auch schon auf den Weg. Sie legten ein schnelles Tempo vor und waren kurz vor Mittag an ihrem Ziel angelangt.
Vor ihnen erstreckte sich eine lange Einöde, wenige Bäume waren zu sehen und an deren Ende, dem angeblichen Aufenthaltsort das Hollow ragten einige riesige Felsen, Berge empor, ließen die Gegend noch düsterer, mystischer wirken und boten genügend Höhlen um sich zu verstecken oder aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden.
Ein halber Tag war bereits vergangen und Toushiro hatte immer noch keine Spur von den Verrätern. Wenn es den Dreien gelungen war, in die Hollowwelt zu gelangen, musste doch auch er einen Weg dorthin finden, etwas, das ihn auf ihre Spur brachte. Er war nicht bereit so schnell aufzugeben. Und im Moment trug sein Ziel den Namen Ichimaru Gin. Dass er gegen Aizen keine Chance hatte, hatte dieser eine Kampf bereits gezeigt. Nein, den würde er Urahara überlassen. Aber Ichimaru war sein Gegner und diesen würde er besiegen. Nicht umsonst kämpfte Hyourinmaru an seiner Seite.
Ein noch entschlossener Ausdruck trat in sein Gesicht. Er hatte nicht mehr viel Zeit und wer konnte schon wissen, wann Urahara das nächste Mal auf sein Spielzeug verzichten würde? Also konnte er sich Ausruhen im Moment nicht leisten. Außerdem war er gestern auch fast den ganzen Tag auf den Beinen gewesen und sein Körper hatte ihn nicht verraten. So würde es auch heute sein.
Wie ein Schatten sprang er von Ast zu Ast, hatte die Soul Society schon lange hinter sich gelassen. Dennoch hielt er sein Reiatsu noch niedrig. Zwar wäre die Angst, dass Urahara ihn selbst hier noch fand, lächerlich, aber es gab auch andere Wesen, die Reiatsu lesen und verfolgen konnten. Doch die interessierten Toushiro im Moment nicht.
Ein wenig außer Atem blieb er auf einem der Bäume sitzen, konzentrierte sich auf die Umgebung. Nichts. Immer dasselbe. Aber so schnell würde er nicht aufgeben. Noch hatte er eineinhalb Tage um Gin aus seinem Versteck zu treiben und zu besiegen. Danach würde er sich wieder Urahara und dessen seltsamen Angewohnheiten widmen. Resolut vertrieb er den Gedanken an den Blonden. Damit konnte er sich wirklich später beschäftigen…und schon nahm er seine Suche wieder auf. Ob schon jemand Verdacht geschöpft hatte, dass er nicht mehr da war?
In der Society saß inzwischen Urahara Kisuke bei der Arbeit. Wie erwartet war viel zu tun. Deshalb hatte er kaum Zeit sich um den Besucher zu kümmern, der ihm nun einen Brief aushändigte, sich dann wieder verabschiedete. Erst mal uninteressiert, legte Urahara den Brief beiseite. Er hatte Wichtigeres zu tun.
Renji besah sich die Gegend mit einem abfälligen Schnauben. Zu viele Versteckmöglichkeiten um ein idealer Kampfplatz zu sein. Unzufrieden verzog er das Gesicht. Nun gut, konnte man nichts mehr daran ändern. Noch einmal ließ er den Blick über die felsige Ebene gleiten, versuchte das Areal abzuschätzen, einteilen zu können.
„Hast du einen Plan, wie wir vorgehen wollen?", wandte er sich dann an den neben ihm stehenden Fukutaicho.
„Hmm…nicht wirklich. Ich wollte aber auf jeden Fall fragen, ob ich allein kämpfen darf, immerhin wie sieht es denn aus, wenn ein Fukutaicho seinen Captain für sich kämpfen lässt?" um seine Entscheidung zu bekräftigen, machte sich Shuuhei schon mal auf den Weg über die verödete Landschaft, sein Ziel, das felsige Land immer im Auge.
„Generell hätte ich gedacht, wir appellieren an die Neugier oder den Hunger des Hollows. Da wir ja nicht wissen, wo er sich befindet, würde ich einfach warten. Irgendwann wird er es bestimmt nicht mehr aushalten und uns angreifen. Was denkst du?"
Renji zuckte mit den Schultern, suchte sich einen sonnigen Stein auf einer kleinen Anhöhe, die von den meisten Höhlen aus gut sichtbar war und ließ sich darauf nieder.
„Wenn du meinst…gut, ich gönne dir den Spaß, ausnahmsweise. Ich werde inzwischen etwas Sonne tanken und ein Nickerchen machen. Weck mich, falls er zuviel für dich wird!"
Renji grinste noch kurz, ehe er sich tatsächlich, wie angekündigt auf dem Stein ausstreckte und die Augen schloss. Innerlich jedoch blieb er wachsam, tastete die Gegend weiterhin aufmerksam ab. Noch war nichts zu sehen.
Eigentlich hätte Renji wissen müssen, dass Shuuhei garantiert nicht um Hilfe rufen würde, hatte er noch nie gemacht und würde er auch in Zukunft nicht machen. Doch in den nächsten Stunden die noch folgen sollte hätte es auch keinen Grund gegeben, um um Hilfe zu bitten. Weit und breit war kein Hollow zu sehen. War Shuuhei anfangs noch an einem Ort gut sichtbar stehen geblieben, hatte gewartet, war ihm das gegen drei Uhr einfach zu blöd geworden und hatte sich nun auf die Suche nach diesem Hollow begeben. Im Moment war er gerade dabei, jede einzelne Höhle abzusuchen und sich nebenbei zu fragen, ob Renji im Gesicht wohl schon genauso rot war wie seine Haare.
Plötzlich wurden Stimmen laut – unvorsichtige Stimmen, wirklich laute Stimmen. Diese Stimmen stellten sich als Männer der fünften Einheit heraus, die scheinbar dasselbe Ziel wie Renji und Shuuhei hatten. Als Shuuhei von der grellen Sonne geblendet aus der Höhle trat, konnte er sehen, dass Renji bereits bei der kleinen, aus drei Mann bestehenden Truppe war, und diese dazu anhielt, wieder zu verschwinden. Ein kleineres Streitgespräch entstand, da man nun zwischen den Befehlen von zwei Taichos hin und her gerissen war. Doch bevor die Männer auf eine Lösung kamen, erklang ein lauter Schrei und im sandigen Boden tat sich plötzlich ein Loch auf, einer Treibsandfalle nicht unähnlich. Renji war der Einzige, der sich mit einem eleganten Sprung noch zur Seite retten konnte.
